Wo ist die Stelle in Kafkas Werk mit Beschreibung seiner Position in der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt als "Impostor"?

Anläßlich einer Diskussion über das sog „Impostor“ Phänomen, also der Angst dass man als Hochstapler im Job/der Schule/ etc. entlarvt wird, obwohl man keiner ist, ist mir eingefallen, dass Franz Kafka das irgendwo in seinem Werk so über seine Stellung in der Assicurazioni Generali beschrieben hat, in der er ja eine ziemlich steile Karriere hingelegt hat. Ich habe nebulös in Erinnerung, dass es in den Tagebüchern sein könnte, aber auch die Briefe oder zuletzt auch eine seines Werke wäre nicht ganz ausgeschlossen.

Ich habe tatsächlich auch eine entsprechende Stelle wo er das Phänomen für seine Schulzeit beschreibt gefunden, und das finder sich im „Brief an den Vater“:

Oft sah ich im Geist die schreckliche Versammlung der Professoren (das Gymnasium ist nur das einheitlichste Beispiel, überall um mich war es aber ähnlich) wie sie, wenn ich die Prima überstanden hatte, also in der Sekunda, wenn ich diese überstanden hatte, also in der Tertia u. s. w. zusammenkommen würden, um diesen einzigartigen himmelschreienden Fall zu untersuchen, wie es mir, dem Unfähigsten und jedenfalls Unwissendsten gelungen war, mich bis hinauf in diese Klasse zu schleichen, die mich, da nun die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt war, natürlich sofort ausspeien würde, zum Jubel aller von diesem Albdruck befreiten Gerechten.

Wer weiss hier weiter?

Hallo!

Ich meine mich zu erinnern, dass er so etwas in einem Brief an Milena Jesenská geschrieben hat. Das erste was ich auf Anhieb finden konnte, ist folgendes „…mein Dienst ist übrigens lächerlich und kläglich leicht, Sie können sich das gar nicht vorstellen, ich weiß nicht wofür ich das Geld bekomme.“ (Juni 1920)

Ich habe vor kurzem die Kafka-Biographien von Reiner Stach (die ich übrigens auf wärmste empfehle) gelesen, und bin fast sicher, dass darin irgendwo etwas sehr passendes zitiert war. Wenn es mir einfällt, melde ich mich wieder.

Schönen Abend!
Trambo

Hallo auch! Super, ja das geht schon in die richtige Richtung und ich hatte diese Bemerkung auch noch irgendwie im Hinterkopf, aber wenn ich mich nicht ganz täusche gibt es noch eine deutlichere Stelle irgendendwo (könnte durchaus in einem Brief an Milena sein).
Danke schonmal und viele Grüße
R.

Noch ein Versuch:

„Durch dieses Schreiben […] bin ich aus einem durchaus nicht musterhaften, aber zu manchen Sachen gut brauchbaren Beamten […] zu einem Schrecken meines Chefs geworden. Mein Schreibtisch im Bureau war gewiss nie ordentlich, jetzt aber ist er von einem wüsten Haufen von Papieren und Akten hoch bedeckt, ich kenne beiläufig nur das, was obenauf liegt, unten ahne ich bloss Fürchterliches. Manchmal glaube ich fast zu hören, wie ich von dem Schreiben auf der einen Seite und von dem Bureau auf der andern geradezu zerrieben werde. […] Ich schaue mich im Bureau manchmal mit Blicken um, die niemand früher in einem Bureau für möglich gehalten hätte.“ (Aus einem Brief an Felice Bauer 1912)

Es könnte vielleicht doch eher ein Brief an Felice gewesen sein, zu Milenas Zeiten war er ja schon drauf und dran die Arbeit hinter sich zu lassen, sei es zur Kur oder in die Frührente. Kleine Rückfrage: Bist du dir sicher, dass es ausdrücklich um die Stelle bei der Versicherung ging? (Nur damit ich sicher ausschließen kann, dass eine Stelle aus dem literarischen Werk infrage kommt.) Im Tagebuch könnte es natürlich auch stehen, aber ich vermute schwer, dass es in den Briefen steckt. Tatsächlich war er ja ein hochgeschätzter Beamter und hat sich in seinen Briefen gerne als unfähiger beschrieben als er eigentlich war.

Ja dies Stelle ist wieder sehr nahe an dem. Wahrscheinlich gibt es wie Du ja auch andeutest ziemlich viele solcher Stellen. Ich kann nich gänzlich ausschließen dass es nicht im literarischen Werk ist. Aber dann käme wohl nur der Prozeß in Frage und da bin ich mir eigentlich fast sicher das es da auch nicht ist, denn da gerät er ja von Anfang an in den Strudel der Ungnade. In meiner Erinnerung kommt sein Chef dort vor, etwa ganz grob „der Direktor hält große Stücke auf mich, aber ich erwarte, jeden Tag als Hochstapler entlarvt zu werden.“ o.ä.

Ja, das kommt mir bekannt vor, aber mir will ums Verrecken nicht einfallen, woher. Es gibt noch ein paar Stellen in den Briefen, in denen er z. B. beschreibt, dass er sich am liebsten vor den Direktor werfen würde, damit ihn dieser (ob seiner Unfähigkeit) aus Menschlichkeit entlassen würde. Und dass das Amt sich doch viel zu viel von ihm gefallen lassen würde. Ich mach mir jetzt eine Flasche Wein auf und hoffe, dass das die richtige Stelle aus meinen Hinterkopf hervorspült.

Schönen Abend!
Trambo

Wünsche einen schönen Abend und ein gutes Fläschen gehabt zu haben :slight_smile: