Es war einmal
Solche Fragestellungen nach scheinbaren Widersprüchen entstehen
immer auf der Basis weiterer Mythen… Mythen sowohl über das,
was Naturwissenschaften treiben und ferner Mythen über das, was
religiöse Vorstellungen beinhalten…
Der erste ist der Mythos, daß Naturwissenschaften „alles“
erklärt haben oder erklären. Vielmehr sind wissenschaftliche
Fortschritte immer nur eine Erweiterung des Wissens über das,
was wir alles noch nicht wissen. Und zum wissenschaftlichen
Ethos gehört deshalb unbedingt ein sorgfältiger Umgang mit der
Grenze zwischen dem, was wir schon wissen und dem, was wir noch
nicht wissen.
Natürlich kann ohne die Voraussetzung, die Natur and all that
„aus sich selbst heraus“ verstehen zu wollen (also ohne externe
in sie eingreifende Instanz), keine Naturwissenschaft betrieben
werden.
Aber diese methodische Voraussetzung hindert überhaupt nicht,
daß man außerdem und nebenher und
gleichzeitig ein ganz anderes Weltbild hegt, nämlich daß
die Natur and all that das Geschöpf eines Schöpfergottes sei.
denn der nur scheinbare Widerspruch zwischen
physikalisch/biologischer Kosmogonie und mythischer Kosmogonie
basiert auf einer völlig antiquierten, naiven und auch falschen
Auffassung von dem, was Mythen eigentlich aussagen. Denn
mythische Schöpfungen (egal innerhalb welcher Religion) haben
nirgendwann in der Religionsgeschichte den Anspruch gehabt,
historische Erklärungen zu sein. Anders gesagt: sie
erheben gar nicht den Anspruch, physikalische Aussagen zu
machen, denn sie verfolg(t)en einen ganz anderen Zweck…
Es kann kein Widerspruch auftreten zwischen einer Untersuchung
der Grundierungstechnik und der Pigmentchemie in einem Gemälde
von Dali einerseits und seiner Interpretation andererseits.
Es läßt sich nachweisen, daß Mythen ihren Zweck immer in einer
Interpretation der gegenwart hatten. Sie waren gar keine Aussage
über die historisch-zeitliche Vergangenheit, sondern Aussagen
über eine Vergangenheit, die selbst wieder als eine mythische
aufgefaßt wurde: das kann man in Untersuchungen der
Formulierungen von Schöpfungmythen beweisen. Außerdem aus dem
kultischen Zusammenhang, in dem sie verwendet wurden.
Der Haken liegt darin, daß viele „Gläubige“ die lange
Entwicklungsgeschichte der (bzw. ihrer jeweiligen) Götter- oder
Gottesbegriffe nicht mitgemacht haben: sie denken diese immer
noch anthropomorph, menschenartig. Also so, als ob sie (wie es
Gnlwth schon zu Bedenken gab) in einem zeitlichen Nacheinander
denkende Lebewesen seien. Die antiken Götter wurden aber selbst
in der Antike nicht zeitlich gedacht - zumindest nicht, sofern
es um Schöpfung geht. Das läßt sich in den Mythen selbst
ablesen. Selbst wenn die bildliche Beschreibung einer Schöpfung
eine Reihenfolge enthält (Genesis 1.1 - 2.4 ist nur ein
einzelnes Beipiel dafür) wird das „Jetzt“ selbst, in dem dies
geschieht, immer in Zeitlosigkeit gedacht - also sowohl immer,
als auch nie als auch jetzt… usw…
Belege für diese Denkweise finden sich in der Rgveda (dem
ältesten Dokument über Schöpfungsmythen), und in ägyptischen
Pyramidentexten (in Schmun = Hieropolis ein supereindeutiger
Text 7. Jhdt. v. Chr.). In der christlichen Tradition gibt es
auch spätere bzw. jüngere Zeugnisse dafür, daß so gedacht werden
konnte und wurde:
In einem „Petrus“-Brief findet sich „Für Gott sind tausend Jahre
wie ein Tag“ worin einfach eine Dilatation der Zeitmetrik läge,
aber weiter: " und ein Tag wie tausend Jahre". Mit dem
„und“ kann dem keine Metrik mehr zugeordnet werden: grandioser
Ausdruck eines Begriffs der Zeitlosigkeit.
Weiteres Beipiel bei Meister Eckhart: „Gott schafft die Welt in
einem ewigen Nun“, Variante „Gott schafft die Welt immer
jetzt“…
Alles Ausdrücke, die zeigen, daß hier ein physikalischer,
historischer bedeutungsanspruch überhaupt nicht erhoben wird.
Und wenn umgekehrt ein Physiker/Biologe behaupten würde, seine
Forschungen hätten wiederlegt, daß die Welt/der Mensch von einem
Gott geschaffen wurde, dann macht er sich als Physiker/Biologe
(beweistechnisch gesehen) ebenso lächerlich (weil das was er
wiederlegt zu haben meint, gar keine physikalische/biologische
Aussage war), wie ein Religionsanhänger, der der Frage nachgeht,
ob die Kinder Adams und Evas Inzest betrieben hätten (weil ja
die ganze Menschheit aus ihnen entstand).
Beide Seiten können mythische und wissenschaftliche Aussagen
nicht unterscheiden. Diese widersprechen sich nicht, weil sie
gar nichts Inhaltliches miteinander zu tun haben.
Gruß
Metapher