Mir ist vollkommen unklar, wie ein Land wie Japan weiterhin ausreichend Strom produzieren kann, nachdem alle Atommeiler abgeschaltet wurden. Wurde dies erreicht, indem alle anderen Kapazitäten voll ausgeschöpft wurden, Strom gespart und es zu einigen Engpässen gekommen ist ? Reicht das ? Habe darüber nicht sehr viel gehört.
Moin auch,
wie es der Zufall will war ich zu der Zeit in Tokio und es war Strom sparen angesagt. Sobald die Sonne aufging, wurden alle Lampen abgeschaltet, das Licht der Computermonitors muss reichen. Die Klimaanlagen wurden auf minimal 28 Grad Celsius gefahren oder ganz ausgeschaltet (wer mal im Sommer in Tokio war, weiss, was das heisst). Generell wurde alles abgeschaltet, was nicht unbedingt noetig war. Und das hat auch gereicht, soweit ich mitbekommen habe. Zumindest gab es keine Blackouts.
Ralph
und nach den ersten Tagen?
Interessant; und so ging das dann die ganze Zeit weiter? Wohl kaum, oder? Bis vor kurzem waren ja noch alle AKW abgeschaltet.
Gruß
Paul
Das ist genau der Punkt. Was passierte dann ? Entweder hat ein enormer Lerneffekt eingesetzt oder aber man hat in der Presse nichts berichtet oder aber … und das ist nun besonders interessant: Man braucht vielleicht gar nicht unbedingt alle japanischen Atommeiler…
Servus,
zumindest dieser Artikel beantwortet die Frage wie folgt:
Die Betreiber haben als Ersatz für die Atomkraftwerke stillgelegte Thermalkraftwerke wieder angefahren.
Wobei ich mir darüber hinaus vorstellen kann, dass evtl. auch Strom aus dem Ausland zugekauft wurde.
Dennoch ist es erstaunlich, wenn man hört, dass man 54 Atomreaktoren (die immerhin 1/3 des Strombedarfs Japans deckten) einfach so abschalten kann und dennoch nicht „die Lichter ausgehen“, wie es in Deutschland von den AKW-Betreibern (lediglich 9 Blöcke, nur rund 18% der Bruttostromerzeugung) immer behauptet wird.
Gruß,
Sax
…ich kann mir zwar nur sehr schwer vorstellen, dass man durch das wieder anfahren (wenn das überhaupt so einfach geht) alter Kraftwerke ein Drittel des Strombedarfes decken kann. Aber immerhin ist diese Information eine Teilantwort. Strom kaufen dürfte für eine Insel doch schwer sein, oder ?
Hallo,
Wobei ich mir darüber hinaus vorstellen kann, dass evtl. auch
Strom aus dem Ausland zugekauft wurde.
liegen da tatsächlich soviele Hochspannungsleitungen im Meer?
Gruß,
T.
Moin auch,
nochmal nachgesehen, das war Anfang August 2011, also nicht direkt nach dem Tsunami (direkt danach hatten wir Reiseverbot fuer Japan). Offensichtlich werden die AKW in Japan nicht unbedingt benoetigt, ich weiss aber nicht, wieviele Oelkraftwerke dafuer hochgefahren wurden und das Oel muessen sie ja teuer importieren.
Ralph
Servus,
gut Zukauf von Strom direkt (z.B. aus Russland) scheint wirklich aufgrund der Insellage nicht zu gehen.
Ich habe gerade gelesen (z.B. hier), dass Japan viel Öl und Gas importiert habe, was ich allerdings nicht mit dem Begriff „Hochfahren der Thermalkraftwerke“ in Zusammenhang bringen kann. Entweder Thermalkraftwerke (= Geothermie) oder Öl und Gas-Kraftwerke (wahrscheinlich wurde beides gemacht, um den Stromverbrauch zu sichern).
Außerdem sollen Energiesparmaßnahmen helfen (z.B. weniger Stand-By, Beheizbare Klobrillen, Werbeanzeigen, etc.)
In diesem Artikel vom März wird noch spekulert, wie alternative Energiequellen die Stromversorgung sichern könnten.
In jedem Fall wird es wohl schwierig werden einerseits die Energieversorgung in Japan (wie auch in Deutschland) sicherzustellen und andererseits CO2-Ziele einzuhalten…
Ist halt die Frage, was man für gefährlicher hält, die AKWs im eigenen Land oder die globale Klimakatastrophe…
Gruß,
Sax
Hallo,
Mir ist vollkommen unklar, wie ein Land wie Japan weiterhin
ausreichend Strom produzieren kann, nachdem alle Atommeiler
abgeschaltet wurden.
Nun, erst mal musst du dir den Energie-Mix in Japan anschauen. Japan hat zwar viele Atomreaktoren, der Anteil des Atomstroms am Gesamtstrom ist aber nicht sonderlich anders gewesen, als der bei uns. Japan kam 2010, also ein Jahr vor dem Erdbeben, auf einen Atomstromanteil von 27% [1]. In Deutschland lag der Atomstromanteil z.B. 2004 genauso hoch und selbst 2010 waren wir bei noch 22% [2].
Japan muss also auf rund ein Viertel/Fünftel seiner Stromerzeugungskapazität verzichten. Stromimporte sind aufgrund der Insellage und fehlender Seekabel zu anderen Netzen nicht möglich. Man muss das also im Land lösen, durch Einsparungen und/oder eine Erhöhung der Stromproduktion aus den verbleibenden Kraftwerken.
Wurde dies erreicht, indem alle anderen
Kapazitäten voll ausgeschöpft wurden, Strom gespart und es zu
einigen Engpässen gekommen ist ? Reicht das ? Habe darüber
nicht sehr viel gehört.
Ja, das reicht zusammen mit ein paar Einsparungen aus. Jedes Stromnetz besitzt große Überkapazitäten. Japan aufgrund seiner Insellage sogar größere als die meisten anderen Länder, da es in keinen überregionalen Stromverbund eingebunden ist. Japan hat z.B. alleine 230 GW an nicht-nuklearer installierter Leistung in seinem Netz. Würden diese Kraftwerke also alle unter Volllast laufen, dann würden sie mehr als doppelt so viel Strom produzieren, als ganz Japan insgesamt im Schnitt benötigt.
Natürlich kommt dabei hinzu, dass der Stromverbrauch in Spitzenzeiten deutlich höher ist, als im Schnitt. Aber nennenswert höher als der doppelte Wert des Durchschnitts ist der Spitzenverbrauch auch nicht. Man kann das also schon noch mit der verbleibenden Kapazität fahren, wenngleich in Spitzenzeiten im Sommer teilweise wohl ziemlich am äußersten Limit.
Zusätzlich kann man den Spitzenverbrauch auch etwas dämpfen, z.B. durch Verlagerung von nicht zeit-sensiblen Dingen in andere Tageszeiten (z.B. Kühlhäuser, etc), was man natürlich auch gemacht hat.
Aber im wesentlichen hat man einfach den Anteil der konventionellen Kraftwerke erhöht. Die anderen Kernkraftwerke wurden ja auch nicht auf einen Schlag abgeschaltet, sondern man hat über 1 Jahr lang sukzessive ein Kraftwerk nach dem nächsten abgeschaltet. Im Mai 2012 wurde der letzte Meiler ja erst abgeschaltet. Man hatte also Zeit sowohl die Produktion der bestehenden konventionellen Kraftwerke zu erhöhen als auch ein paar stillgelegte konventionelle Kraftwerke wieder fit zu machen und zu reaktivieren.
Insbesondere im Sommer 2011 hat man daneben auch den Stromverbrauch insgesamt durch Einsparungen um etwa 5-10% gedrückt, so dass es letztlich gar nicht so dramatisch war, die Lücke zu schließen. Im letzten Winter 2011/2012 hat Japan sogar *mehr* Strom erzeugt und verbraucht, als im Winter *vor* dem Tsunami.
Ich hab mal die Stromerzeugungsdaten der Internationalen Energieagentur für Japan mal für die vergangenen zwei Jahre in ein Diagramm gepackt:
http://img442.imageshack.us/img442/5121/japanbruttos…
Zum einen sieht man gut den Jahresgang (höherer Stromverbrauch im Sommer und Winter, niedrigerer in den Übergangszeiten). Das kam v.a. in der ersten Zeit dem ganzen sicher zu gute. Denn April und Mai sind die Monate mit dem niedrigsten Stromverbrauch im ganzen Jahr.
Zum anderen sieht man, dass ab März die nuklear erzeugte Strommenge sukzessive abnahm, aber nicht auf einen Schlag, sondern eher linear über ein ganzes Jahr. Parallel dazu stieg die fossile Stromerzeugung (graue Linie) in etwa der gleichen Menge an, und glich den Wegfall der Atomkraftwerke somit praktisch vollständig aus. Auch sieht man, dass die gesamt produzierte Strommenge aktuell sogar über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegt.
Man kann das auch in Anomalie-Werten darstellen, da sieht man das teilweise noch besser:
http://img100.imageshack.us/img100/5121/japanbruttos…
Man sieht, dass bis November weniger Strom verbraucht wurde, etwa 5-10%. Genauso sieht man, dass parallel zum Wegfall der Atomkraftwerke die konventionelle Leistung entsprechend stieg und die Linie auch ab Dezember 2011 zeigt, dass Japan sogar mehr Strom produziert als vor der Katastrophe.
Also das Fazit:
Ja, man kann offensichtlich auf 25% der Kraftwerksleistung verzichten, in dem man die Reserven stärker auslastet.
Übrigens haben wir für kurze Zeit praktisch das gleiche in Deutschland gemacht letztes Jahr:smiley:enn bei uns waren Ende Mai 2011 sogar nur 4 Atomkraftwerke online und damit fehlten mehr als 2/3 der üblichen Kernkraftsleistung (in Japan waren zu diesem Zeitpunkt noch die meisten AKWs online). Trotzdem gingen bei uns die Lichter nicht aus und das Problem bei uns wäre ebenfalls nicht die erzeugte Strommenge (die ist mehr als genug, wir exportieren ja netto sogar Strom und viele Kraftwerke sind schlecht ausgelastet), sondern bei uns ist das Problem das Leitungsnetz, das mehr Strom von Norden nach Süden transportieren müsste (da bei uns im Süden die meisten KKW sind) und dabei an seine Grenzen stößt. Von der Strommenge her könnten wir daher genau das gleiche wie Japan schaffen und das noch mit dem großen Vorteil, dass wir zur Not Strom aus dem Ausland zukaufen könnten.
vg,
d.
[1] EIA Country Analysis Japan
[2] AG Energiebilanzen Zeitreihe Bruttostromerzeugung
[3] Internationale Energieagentur, Monatliche Stromprodu…
Hallo,
Ich habe gerade gelesen (z.B. hier), dass Japan viel Öl und
Gas importiert habe, was ich allerdings nicht mit dem Begriff
„Hochfahren der Thermalkraftwerke“ in Zusammenhang bringen
kann. Entweder Thermalkraftwerke (= Geothermie) oder Öl und
Gas-Kraftwerke (wahrscheinlich wurde beides gemacht, um den
Stromverbrauch zu sichern).
Keine Ahnung wo du das von „Thermalkraftwerk“ gelesen hast, in dem von dir verlinkten Artikel konnte ich den Begriff jedenfalls nicht finden. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich dabei einfach um eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen handelte. Im Englischen ist eine „Thermal power station“ eben einfach nur ein Wärmekraftwerk, und damit ist es einfach nur ein Wort für alle Arten von Kraftwerken, die aus Wärme Strom gewinnen, z.b. insbesondere Gas-, Kohle- oder Ölkraftwerke.
Geothermie spielt in Japan für die Stromerzeugung überhaupt keine Rolle (etwa 0,1%). Selbst wenn du das verzehnfachen könntest, dann würde das keine Rolle spielen in dieser Situation.
In jedem Fall wird es wohl schwierig werden einerseits die
Energieversorgung in Japan (wie auch in Deutschland)
sicherzustellen und andererseits CO2-Ziele einzuhalten…
Japan macht das ja nur temporär, hat also da erst mal nicht viel mit CO2-Zielen zu tun, wenn sie die Kernkraftwerke in diesem und nächsten Jahr wieder aller Voraussicht nach anfahren werden.
Und in Deutschland stellen wir in erster Linie auf Erneuerbare Energien um. Auch unsere CO2-Ziele sind ohne Atomstrom realisierbar.
Ist halt die Frage, was man für gefährlicher hält, die AKWs im
eigenen Land oder die globale Klimakatastrophe…
Oder man macht halt einfach Klimaschutz ohne Atomkraftwerke. Atomkraftwerke haben außerdem noch nicht mal einen Anteil von 3% an der weltweiten Endenergieversorgung. Atomstrom spielt daher global für das Erreichen der Klimaziele so oder so keine nennenswerte Rolle.
vg,
d.
Hallo,
Interessant; und so ging das dann die ganze Zeit weiter? Wohl
kaum, oder? Bis vor kurzem waren ja noch alle AKW
abgeschaltet.
Nö, *vor kurzem* hat man das letzte AKW erst abgeschaltet (im Mai 2012). Japan hat entgegen einer oft zu findenden Wahrnehmung seine Kernkraftwerke nicht schlagartig abgeschaltet sondern sukzessive eins nach dem anderen über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten. In dieser Zeit wurde parallel die Leistung der fossilen Kraftwerke entsprechend erhöht. Momentan erzeugt Japan sogar *mehr* Strom als vor dem Tsunami, und das praktisch fast ohne jegliche Atomkraftwerke.
Bruttostromerzeugung Japan 2010-2012:
http://img442.imageshack.us/img442/5121/japanbruttos…
Bruttostromerzeugung Japan 2010-2012 (Anomaliewerte als Abweichung vom Durchschnitt 2000-2010):
http://img100.imageshack.us/img100/5121/japanbruttos…
vg,
d.
Servus,
Keine Ahnung wo du das von „Thermalkraftwerk“ gelesen hast,
Stand in dem verlinkten Artikel in meinem ersten Post.
Oder z.B. auch hier.
Im Englischen ist eine „Thermal powerstation“ eben einfach nur ein Wärmekraftwerk, und damit ist es
einfach nur ein Wort für alle Arten von Kraftwerken, die aus
Wärme Strom gewinnen, z.b. insbesondere Gas-, Kohle- oder
Ölkraftwerke.Geothermie spielt in Japan für die Stromerzeugung überhaupt
keine Rolle (etwa 0,1%). Selbst wenn du das verzehnfachen
könntest, dann würde das keine Rolle spielen in dieser
Situation.
Da sieht man mal wieder wie schlecht Spiegel, Focus und Süddeutsche Zeitung recherchieren. Mir kam das auch spanisch vor, dachte aber, dass Japan als geoaktives Land vielleicht besondere Vorraussetzungen hat.
Und in Deutschland stellen wir in erster Linie auf Erneuerbare
Energien um. Auch unsere CO2-Ziele sind ohne Atomstrom
realisierbar.
Nun ja, „realisierbar“ ist ein weiter Begriff, wenn man hierbei die notwendigen Zeiträume außer Acht lässt. Deutschland deckt derzeit ca. 20% seines Strombedarfs aus Atomstrom und ca. ebenso viel aus alternativen Energiequellen wie Solar, Windkraft, Biomasse und Wasserkraft (link).
Also müsste Deutschland seine gesamten bestehenen Einrichtungen zur Erzeugung von Ökostrom verdoppeln (!) um die Atomkraftwerke zu ersetzen. Fraglich, ob das überhaupt möglich ist, wenn man sich ansieht, wie stark z.B. die Windkraft in manchen Teilen Deutschlands schon ausgebaut ist. Mal sehen was neue Techniken, wie Offshore-Anlagen bringen bzw. welche neuen Probleme dadurch entstehen.
Jedenfalls käme man mit diesem „Austausch“ der Energiequellen den CO2-Zielen keinen Schritt näher, denn hierdurch würde noch kein einziges Kohle- oder Erdgaskraftwerk und somit auch kein CO2-Ausstoß dieser Kraftwerke eingespart.
Man erhält also auf diesem Weg bestenfalls den Status quo…
(Komplizierter wird es noch, wenn man den „grauen CO2-Ausstoß“ bei der Herstellung der verschiedenen Kraftwerkstypen gegenüber stellt, also z.B. Neubau Wasserkraftwerk gegenüber bestehendem AKW, etc. aber darauf will ich jetzt gar nicht eingehen).
Das bedeutet, um neben dem Atomausstieg auch noch die geplante Reduktion des CO2-Ausstoßes Deutschlands zu mindern, müssten noch viel mehr Maßnahmen ergriffen werden, die noch viel mehr Geld und Zeit in Anspruch nehmen.
Ich frage mich, wie wir dies alles in den wenigen Jahren, die uns für eine wirkungsvolle umsetzung bleiben, umsetzen wollen.
Vor allem vor dem Hintergrund der derzeitigen Wirtschaftskrise…
Kurz, der Atomausstieg, der durch einen Umbau auf ökologische Energiequellen gewährleistet werden soll, verhindert, dass eben diese Energiequellen zur geplanten Reduktion des CO2-Ausstoßes genutzt werden können. Daher behindert der Atomausstieg den Klimaschutz.
Anmerkung: Ich bin kein Freund von AKWs und meine, dass sie nie hätten gebaut werden dürfen, jedoch sollte man keine Augenwischerei betreiben und akzeptieren, dass Ausstieg aus der Kernkraft und schnelle Erreichung von Klimaschutzzielen nicht zusammenpassen.
Oder man macht halt einfach Klimaschutz ohne Atomkraftwerke.
Ja, „halt einfach“ irgenwie und so….
Atomkraftwerke haben außerdem noch nicht mal einen Anteil von
3% an der weltweiten Endenergieversorgung. Atomstrom spielt
daher global für das Erreichen der Klimaziele so oder so keine
nennenswerte Rolle.
Schönes Wort: „Endenergiegewinnung“. Das verschleiert so schon, dass Endenergie nicht gleich Primärenergie ist und schon gar nicht Stromenergie. Über letztere reden wir hier jedoch.
Aber ich will gar nicht über Prozentzahlen streiten, Dein Argument geht jedenfalls gleich an mehreren Stellen an der Sache vorbei:
- Man wird kaum verhindern können, dass in Drittwelt-Ländern weiterhin Holzöfen brennen.
CO2-Reduktion kann daher eigentlich nur in Industrieländern mit entsprechender Wirtschaftskraft stattfinden, daher verbietet sich allein schon deshalb die Argumentation mit Durchschnittswerten gemittelt über die Gesamtweltbevölkerung.
- Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen und weltweit den CO2-Ausstoß verringern wollen, dann wird - selbst bei gleichbleibendem Gesamtenergiebedarf - unser Strombedarf noch weiter steigen, z.B. da derzeitige Verbraucher - wie z.B. Autos, Industrie, Heizungen - ihre „Endenergie“ noch direkt aus fossiler Verbrennung beziehen.
Daher ist die Betrachtung des Beitrags der Stromenergiegewinnung zum CO2-Ausstoß so wichtig. Es bringt nichts, wenn wir alle E-Autos fahren, aber der Strom dafür aus einem Kohlekraftwerk stammt.
- Wenn man nun sieht, dass mit Ökostrom nur unter Anstrengungen die weltweite Energieversorgung durch Kernkraftwerke ersetzt werden könnte, erkennt man, dass wir kaum in der Lage sein werden in naher Zukunft so viel Ökostrom erzeugen können, dass es zusätzlich zum Rückbau der AKWs eine nachhaltige CO2-Reduktion bewriken können.
In aufstrebenden Industrienatioenen wie China, Indien oder Brasilien sieht die Situation noch schwieriger aus. Dort wird daher sowohl die Nutzung von Atomstrom als auch der CO2-Ausstoß zwangsläufig zunehmen.
Gruß,
Sax
Hallo!
Jedenfalls käme man mit diesem „Austausch“ der Energiequellen
den CO2-Zielen keinen Schritt näher, denn hierdurch würde noch
kein einziges Kohle- oder Erdgaskraftwerk…
Bisher wollte noch niemand die angestrebte Senkung des CO2-Ausstoßes durch Abschalten von AKW erreichen. Der Ausstieg aus der Kernenergie hat seine Ursachen in der ungeklärten Entsorgungsproblematik und in der Einsicht, dass ausnahmslos keine Technik fehlerfrei läuft und die Beherrschung der Fehler nur funktioniert, so lange sich alles in vorher bedachten Szenarien bewegt. Es bleibt also ein Restrisiko, wobei bei Eintritt des Risikofalls Lebensgrundlagen für unabsehbare Zeit zerstört werden. Das war zwar im Grundsatz schon immer bekannt, aber erst tatsächlich eingetretene Risikofälle führten zum Aufwachen. Ähnliches gilt für die Entsorgung radioaktiver Hinterlassenschaften. Tatsächlich durchgeführte Endlagerungsversuche führten in bis heute ungelöste Debakel und offenbarten, dass den beteiligten Behörden nicht über den Weg zu trauen ist. Davon abgesehen gibt es in Deutschland jahrzehntelange Erfahrung im Uranbergbau. Auch an dessen Folgen haben wir noch lange zu beißen.
Umweltschutz und Erhalt unserer Lebensgrundlagen ist immer facettenreich. Die schmerzlose Einmalmaßnahme als alles lösenden Königsweg gibt es nicht, auch nicht für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes.
Man erhält also auf diesem Weg bestenfalls den Status quo…
Für die elektrische Energieversorgung wäre das hinsichtlich CO2 schon ein sehr schöner Erfolg für den Einsatz von Wind und Sonne.
Als Schräubchen zum Drehen haben wir aber nicht nur die elektrische Energieversorgung, sondern auch die Bereiche Verkehr und als mit Abstand größten Einzelposten die Wohnraumheizung, die für 40% des gesamten Primärenergieeinsatzes verantwortlich ist. In diesem größten Brocken gibt es zugleich das größte Sparpotential. Der Löwenanteil unseres Gebäudebestands hat einen um Faktor 10 (!) größeren Heizenergiebedarf als Gebäude auf aktuellem Stand der Technik. Schon durch Nutzung nur dieses Einsparpotentials lassen sich die CO2-Ziele erreichen und sogar deutlich übertreffen.
Zurück zum elektrischen Strom: Im Verbundnetz gibt es gewaltige Reserven, die u. a. den derzeitigen Verbrauchsgewohnheiten sowie altertümlicher Technik in den Privathaushalten geschuldet sind. So wird der überwiegende Teil der gesamten installierten Kraftwerksleistung nur benötigt, um im Tagesverlauf kurzzeitige Verbrauchsspitzen zu decken. Bei gewerblichen Verbrauchern sind Steuerungen zur Vermeidung von Verbrauchsspitzen in Verbindung mit geeigneter Tarifgestaltung seit Jahrzehnten gang und gäbe. Für den privaten Verbraucher nutzbare Technik ist jetzt erst im Kommen, wird aber in den nächsten Jahren zum Standard. Dann lässt sich vermeiden, Wäschetrockner, Waschmaschine, Spülmaschine, Kaffeeautomat und Herd gleichzeitig einzuschalten, weil damit eine ins Geld gehende Verbrauchsspitze erzeugt würde. Soll heißen: Mit intelligenter Technik auf der Verbraucherseite lässt sich ohne Komforteinbuße ein beträchtlicher Teil des gesamten Kraftwerkparks einsparen.
Ich beschreibe hier keine Zukunftsmusik, sondern in der Entwicklung bereits bewältigte und in der Umsetzung befindliche Maßnahmen. Deshalb verträgt dieses Land das Abschalten der AKW ohne weiteres. Weil auch die energetische Gebäudesanierung allmählich ins Bewußtsein der Bevölkerung rückt, halte ich die CO2-Ziele für nicht einmal besonders ambitioniert. Sollten wir dann auch noch schaffen, im Verkehrsbereich … aber da sind wir ähnlich bekloppt wie Amerikaner mit ihren privaten Schießeisen.
Gruß
Wolfgang
Hallo,
Nun ja, „realisierbar“ ist ein weiter Begriff, wenn man
hierbei die notwendigen Zeiträume außer Acht lässt.
Deutschland deckt derzeit ca. 20% seines Strombedarfs aus
Atomstrom und ca. ebenso viel aus alternativen Energiequellen
wie Solar, Windkraft, Biomasse und Wasserkraft (link).
Der Anteil an Atomstrom lag 2011 bereits nur noch bei 18%, die Erneuerbaren stiegen von 18% auf 20%.
Also müsste Deutschland seine gesamten bestehenen
Einrichtungen zur Erzeugung von Ökostrom verdoppeln (!) um die
Atomkraftwerke zu ersetzen.
Und wieso sollte das nicht möglich sein? Mit dem aktuellen Ausbautempo der Erneuerbaren Energien würden wir das sogar übertreffen.
Fraglich, ob das überhaupt möglich
ist, wenn man sich ansieht, wie stark z.B. die Windkraft in
manchen Teilen Deutschlands schon ausgebaut ist.
Die Windkraft ist im Süden der Republik, z.B. in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen usw momentan so gut wie gar nicht ausgebaut, teilweise noch nicht mal existent. Hier sind noch enorme Potentiale offen, die noch nicht genutzt werden. Dazu kommt noch das Potential, dass man in Offshore-Windparks hat und die Steigerungen die man durch das Ersetzen alter Anlagen mit neuen, leistungsfähigeren hat. Die Windkraftleistung zu verdoppeln, sollte überhaupt kein Problem sein. Das sagen auch alle professionellen Untersuchungen dazu.
Mal sehen was neue Techniken, wie Offshore-Anlagen bringen bzw.
welche neuen Probleme dadurch entstehen.
Diese Techniken bringen ein enormes Potential und eine viel höhere und gleichmäßigere Windausbeute und mehr Volllaststunden.
Jedenfalls käme man mit diesem „Austausch“ der Energiequellen
den CO2-Zielen keinen Schritt näher, denn hierdurch würde noch
kein einziges Kohle- oder Erdgaskraftwerk und somit auch kein
CO2-Ausstoß dieser Kraftwerke eingespart.
Das Einsparen von CO2 wird aber nicht nur durch die Erneuerbaren bewerkstelligt. Das ist ja nur ein Baustein im Umbau der Stromerzeugung.
Und viele alte fossile Kraftwerke müssen ohnehin ersetzt werden, und die alten Kraftwerke sind die mit den höchsten CO2-Ausstößen. Wenn du also alte Kraftwerke durch effizientere moderne ersetzt, dann bringt das ebenfalls viel.
Wenn du ein altes Braunkohlekraftwerk mit einem Ausstoß von 1200 g/kWh durch ein neues mit 900 g/kWh oder gar eines mit KWK von 720 g/kWh ersetzt, dann bringt das eine Reduktion der Emissionen von 25% bzw 40%. Genauso bringst du die Emissionen enorm herunter, wenn du stattdessen ein Gaskraftwerk mit 550 g/kWh oder gar ein GuD-Gaskraftwerk mit 400 g/kWh einsetzt.
Ich habe keine Ahnung wieso manchmal so getan wird, dass die CO2-Reduktion nur durch die Erneuerbaren passieren soll. Die Modernisierung des bestehenden Kraftwerkparks im fossilen Bereich bringt mindestens das gleiche.
Man erhält also auf diesem Weg bestenfalls den Status quo…
Wenn man so tut, dass der fossile Kraftwerkspark sich nicht ändert mag das stimmen. Aber das ist halt eine Annahme, die so oder so nicht zutreffen wird.
Das bedeutet, um neben dem Atomausstieg auch noch die geplante
Reduktion des CO2-Ausstoßes Deutschlands zu mindern, müssten
noch viel mehr Maßnahmen ergriffen werden, die noch viel mehr
Geld und Zeit in Anspruch nehmen.
Erstens sind viele Maßnahmen ohnehin nötig (Modernisierung des bestehenden Kraftwerkpark etc) und zweitens ist die Stromerzeugung wiederum nur ein kleiner Baustein. CO2 lässt sich ohne viele Kosten in vielen Bereichen einsparen, z.B. durch eine Verminderung des Wärmeverlusts durch eine bessere Gebäudedämmung.
Ich frage mich, wie wir dies alles in den wenigen Jahren, die
uns für eine wirkungsvolle umsetzung bleiben, umsetzen wollen.
Ich welchen „wenigen Jahren“? Das letzte Atomkraftwerk wird 2022 abgeschaltet. Das sind noch 10 Jahre. Und bis 2050 ist auch noch ein weiter weg. Überleg mal wie schnell alle Atomkraftwerke gebaut wurden. Die wurden auch in nur 15 Jahren gebaut. Oder überleg mal, wie unsere Infrastruktur in den 1970er Jahren ausgeschaut hat und was wir heute für technische Mittel haben und was wir wohl für welche in 30 Jahren haben werden.
Es ist doch schlicht nicht pausibel, wieso wir plötzlich nicht mehr in der Lage sein sollten, das zu tun, was wir bereits immer tun. Und Neuinvestitionen wären mit oder ohne Atomausstieg nötig, weil auch die alten Atomkraftwerke würden nicht ewig laufen, die haben auch spätestens 2040 das zeitliche gesegnet und dann musst du sie auch ersetzen. Genauso wie praktisch alle Kohlekraftwerke die wir haben. Manchmal glaube ich, dass mancher glaubt, dass sich der bestehende Kraftwerkspark ohne die Energiewende umsonst erneuern würde.
Vor allem vor dem Hintergrund der derzeitigen
Wirtschaftskrise…
Und wie sieht das vor dem Hintergrund absehbar immer höherer Öl- und Energiepreise aus? Glaubst du, dass wir mit einer „wir-lassen-alles-beim-alten“-Strategie besser fahren werden? Wir müssen so oder so weg von fossilen Brennstoffen und je früher wir das anfangen, desto leichter schaffen wir diesen Übergang. Jetzt lange zu warten bedeutet, dass du später wohl um so abrupter umsteigen müsstest. Und *das* würde dann erst teuer werden.
Kurz, der Atomausstieg, der durch einen Umbau auf ökologische
Energiequellen gewährleistet werden soll, verhindert, dass
eben diese Energiequellen zur geplanten Reduktion des
CO2-Ausstoßes genutzt werden können. Daher behindert der
Atomausstieg den Klimaschutz.
Auch das ist doch eine Mär. Erstens sind die Atomkraftwerke so oder so in 20-30 Jahren am Ende ihrer Lebenszeit angekommen. Das heißt du musst sie oder so ersetzen. Klimaschutz hin oder her. Zweitens sind es gerade die Atomkraftwerke, die sich schlecht regulieren lassen und eben überhaupt nicht für ein Netz mit einem hohen Anteil von Erneuerbaren geeignet sind.
Oder man macht halt einfach Klimaschutz ohne Atomkraftwerke.
Ja, „halt einfach“ irgenwie und so….
Im Gegensatz zu dir halten die meisten mir bekannten Expertengremien das für machbar. Und natürlich geht das nicht „irgendwie“, aber es geht.
Schönes Wort: „Endenergiegewinnung“. Das verschleiert so
schon, dass Endenergie nicht gleich Primärenergie ist und
schon gar nicht Stromenergie. Über letztere reden wir hier
jedoch.
Nö, wir reden über Endenergie (und Strom der beim Endverbraucher landet ist Endenergie). Wie viel Strom wir brauchen, hängt vom Endenergieverbrauch ab. Der Primärenergieverbrauch der dafür nötig ist, ist vom Kraftwerkspark abhängig. Wenn du ein altes Kohlekraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 30% durch ein modernes mit 40% ersetzt, dann hast du genau die gleiche Strommenge, aber eben 25% weniger CO2-Ausstoß und eben auch 25% weniger Primärenergieverbrauch. Ohne dass du irgendwie auf Strom oder irgendwas anderes verzichten müsstest.
vg,
d.