Ich habe bisher Seneca in Verdacht, bin mir aber nicht sicher,
Hallo,
Jova!
Ich kann deinen Verdacht nur bestätigen. Es handelt sich um EINE Definition des Menschen bei Aristoteles* in der lateinischen Wiedergabe bei Seneca. Dabei verschiebt sich die Betrachtung allerdings erheblich.
a) Sen. De clementia (Von der Milde) I 3,2: […] inter nos, qui hominem sociale animal communi bono genitum videri volumus - „unter uns, die wir den Menschen als soziales Wesen, das für das Gemeinwohl geschaffen ist, sehen wollen”. Das steht im Dienst der Argumentation für den Kronprinzen Nero (S. kannte seinen Pappenheimer), dass die celementia/Milde unter allen Tugenden den Vorrang hat, cum sit nulla humanior („weil keine typischer ist für den Menschen”).
b) Sen. De beneficiis (Vom Gutestun) VII 1: si animus […] sociale animal et in commune genitus mundum ut unam omnium domum spectat […], subditus ille tempestatibus in solido ac sereno stetit - „Wenn unser Sinn/Geist, geschaffen als soziales Wesen für das Gemeinsame, das All ansieht als das eine Haus aller […], dann steht er, entzogen den Stürmen, auf festem Boden und unter heiterem Himmel”.
Bei Seneca geht es also nicht mehr um Politikwissenschaft wie bei Aristoteles, sondern um Ethik: Zureden zu einer Lebensgestaltung im Sinn der stoischen Philosophie.
Gruß!
Hannes
* Leider wird diese Stelle bei Aristoteles immer isoliert für sich genommen zitiert. In der Nikomachischen Ethik (VIII 12) liest man aber: „Die Liebe zwischen Mann und Frau beruht offensichtlich auf der Natur. Denn der Mensch ist von Natur aus mehr ein Zweiheitswesen als ein politisches, inwieweit die Familie früher und notwendiger ist als der Staat.”
(Das nur von A. und nur hier gebrauchte Adjektiv syn-dya-stikón - „mit-zwei-ig” - entzieht sich jeder glatten Übersetzung.)