Womit wurde im Mittelalter bei Holzmangel geheizt?

Hallo,

habe kürzlich in einem TV-Beitrag erfahren, dass zur Zeit des Magdalenenhochwassers (1342) nahezu ganz Deutschland Waldfrei war, alles gerodet zwecks landwirtschaftlicher Bewirtschaftung. Nur der Harz und Teile der Alpen waren demnach noch bewaldet.
Frage mich im nachhinein: womit haben die Leute damals geheizt?
Wurde damals etwa schon Torf abgebaut? Oder blieben nur Stroh und der wenige Dung, den man hierzulande im Sommer trocknen könnte - oder was sonst?
Holz dürfte ja recht teuer und auch nicht allerorten verfügbar gewesen sein.

Gruß, Paran

In dieser Zeit war Torf in der Tat ein sehr handelswichtiges Heizgut. Dafür wurden auch in „Deutschland“ riesige Flächen alter Hoch- / und Noedermoore abgetorft, bzw. erst mal entwässert zur Abtorfung.

Die Ärmsten haben auch getrockneten Mist von Hausvieh / Wildtieren gesammelt und verheizt.

Hallo,

vielen Dank für die Info. Weisst Du ev. auch noch, welche Hochmoore damals genutzt wurden? Findet man noch Reste davon?
Bei dem derzeitigen Bestand an Mooren kann man sich kaum vorstellen, dass seinerzeit soviel Torf produziert wurde, aber ich habe auch keine Ahnung, wieviele Moore es damals gab.

Gruß, Paran

Hallo!

Ob wirklich landwirtschaftliche Nutzung der Hauptgrund für den Raubbau war, weiß ich nicht. Holz hatte als Baustoff für Häuser und Schiffe, für den Bergbau und als Brennstoff eine größere Bedeutung als heute. So wurde Holz in weiten Teilen Europas zum knappen Gut. Erst im 17. Jahrhundert kamen Ideen zur nachhaltigen Forstwirtschaft auf. Bis dahin wurde entnommen, was die Natur hergab, ohne sich um Nachpflanzungen zu kümmern.

Die Nutzung von Torf als Brennstoff fand zumindest in Norddeutschland schon vor 2000 Jahren statt.

Gruß
Wolfgang

Am besten benutzt Du dann mal die Suchfunktionen der gängigen Anbieter von Webdiensten.

Die gesamte norddeutsche Tiefebene war von solchen Torfmooren durchzogen. Aber auch in den Mittelgebirgen gab es solche Landschaften.

In der Hocheifel z.B. noch als länderübergreifendes NSG das " Hohe Venn ".

Bisserl musst aber selbst noch tun.

Servus,

da muss man zwei Perioden unterscheiden: Bis etwa ins zwölfte Jahrhundert ging es um Ausweitung der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche; mit der mittelalterlichen Wüstungsperiode ging die Besiedlung der Rodungen in den Mittelgebirgen wieder zugunsten einer deutlichen Intensivierung des Ackerbaus etwa im dreizehnten Jahrhundert wieder zurück, kaum aber die Entwaldung der Mittelgebirge, deren Holz für Glasgewinnung, Schiffbau und auch die frühe Metallurgie genutzt wurde.

Zum genannten Zeitpunkt im 14. Jahrhundert waren sehr viele zuletzt gegründeten Siedlungen des mittelalterlichen Landesausbaus bereits wieder wüst gefallen, und die von Nutzer2 angesprochene Austorfung der Heide hatte vorerst nur ganz lokal stattgefunden, Torf als Brennstoff und als Dünger für die mageren Sandböden der Heide war bis dahin nur ganz lokal im Einsatz.

Schöne Grüße

MM

???

1342??

Dafür hätte ich bitte gerne mehr als einen vagen Hinweis auf „Anbieter von Webdiensten“. Mitte des vierzehnten Jahrhunderts wurde Torf nur lokal als Brennstoff, Einstreu und zur Melioration von Sandböden genutzt.

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

vielen Dank. Deine Antwort reicht mir schon, mir ging es mehr um das Ausmaß, als um die genaue Lage.
Bin immerhin erstaunt, dass es in Deutschland soviel Hochmoorfläche gab und Torf schon so lange als Brennstoff genutzt wird - und daher ja ev. auch eine Voraussetzung der Entwaldung war, da man ohne Torf den Wald rel. zwingend gebraucht hätte.

Mal wieder schlauer geworden, das freut doch.

Gruß, Paran

Hallo Paran,

eine wichtige Rolle spielt hier auch die bei TV-Beiträgen übliche sehr grob geschnitzte Darstellung. Was „kein Wald“ bedeutet, kann man z.B. in der Sierra de la Contraviesa in Andalusien sehen, wo der Zustand, in dem sich die deutschen Mittelgebirge im Hochmittelalter befanden, in sehr grob vergleichbarer Weise bis heute andauert. Von „kein Brennholz“ kann keine Rede sein:

Schöne Grüße

MM

  • Hier noch einige Bilder aus der waldlosen, aber dabei nicht baumlosen Contraviesa:

Hallo,

ehrlich gesagt: viel Brennholz sehe ich da tatsächlich nicht. Die Olivenbäume sind landwirtschaftlich genutzte Fläche und sicher nicht als Feuerholz gedacht. Der Rest reicht selbst bei spährlichen Mittealteransprüchen bestenfalls für 1-2 Jahre. Und dann ist nichts mehr da.

Gruß, Paran

Hallo,

allen vielen Dank für die Mühe. Angesichts etlicher Wiedersprüche, aber auch vieler Informationen und vagen Übereinstimmungen, kann ich mir zumindest ungefähr erklären, wie die Leute überwiegend ohne Wald ausgekommen sind ohne sich die Zehen abzufrieren.

Seinerzeit wurde ja auch nicht geheizt wie heute. Schätze mal, dass die meisten Menschen damals für Heizen und Kochen kaum mehr als ein paar hundert kWh/a/Haushalt verbraucht haben.

Gruß, Paran

Hallo,

Es gibt genug davon. Die Bilder sollen vor allem illustrieren, dass in einem Landstrich ohne zusammenhängenden Wald eine ganze Menge Holz steht.

In Dörfern wie Torvizcón und Polopos hat heute noch jedes Haus, das etwas auf sich hält, einen großen runden Tisch mit einer dicken Decke drauf und einem Brasero drunter. Für den Brasero und zum Kochen hat das Holz allemal gereicht, bis in den 1950er - 1960er Jahren die Propangasflaschen Einzug hielten.

Außer mit Holz von den Büschen und Bäumen der Macchia wird in der Contraviesa natürlich auch mit dem Holz von Reben und Mandelbäumen geheizt und gekocht; hierzulande war das dann eher von Apfel- und Nussbäumen. In Deutschland, wo auch im 14. Jahrhundert etwas mehr Niederschlag fiel als in Andalusien, gab es ferner gerade in den abgeholzten Mittelgebirgen, in denen nur sehr, sehr spärlicher Ackerbau möglich war, umfangreiche Weiden mit dünnen Beständen von u.a. Hainbuchen und Eichen. Gerade Hainbuchen sind für Brennholzgewinnung sehr gut geeignet, weil sie auf den Stock gesetzt mit einer großen Zahl relativ schwacher Triebe wieder austreiben, die leicht zu gewinnen, zu trocknen und kleinzumachen sind.

Schöne Grüße

MM

Servus,

Da baut eine kuriose These auf die andere auf.

Torfabbau in bedeutendem Umfang fand ab dem siebzehnten, die gänzliche Abtorfung von einigen großen Hochmooren ab Mitte des achtzehnten Jahrhunderts statt, ungefähr gleichzeitig mit dem Beginn nachhaltiger Forstwirtschaft. Z.B. Teufelsmoor ab etwa 1750, Federsee ab 1765, systematische Abtorfung des Melbecker Moors für die Beheizung der Lüneburger Salzpfannen ab etwa 1780.

Im zwölften Jahrhundert, als die Rodungen ihr größtes Ausmaß annahmen, und in den folgenden Jahrhunderten, wo die Besiedlung in den Mittelgebirgen zwar wieder zurück ging, die Waldbestände sich aber je nach Gegend nur relativ langsam erholten, wurde Torf nur lokal dort, wo er anstand, genutzt.

Was die Vorstellung von jahrhundertelang waldlosen Mittelgebirgen betrifft, ist vielleicht auch etwas zurechtzurücken: Die Flößerei der ‚Holländertannen‘ aus dem Schwarzwald für den Schiffsbau in Rotterdam erlebte ihre Blüte ab etwa 1450 auf der Murg und ab etwa 1750 auf der Kinzig. Für den Holländerhandel kamen nur sehr große, gerade gewachsene Tannen in Frage, d.h. Bäume in einem Alter von etwa 80 bis 100 Jahren. Somit gab es im Schwarzwald spätestens ab 1350 wieder stattliche, zusammenhängende Waldbestände.

Dass auf Buntsandstein im Schwarzwald, in den Vogesen, im Pfälzerwald nur sehr kurze Zeit (ungefähr hundert Jahre lang) ein relativ großer Teil der Waldflächen gerodet war und ab etwa 1250 wieder verbuschte und alsbald von Wald gefolgt wurde, liegt auf der Hand: Weder Weideland noch ärmlichster Ackerbau lässt sich auf Buntsandstein ordentlich unterhalten - es gibt Wüstungen, bei denen sich zeigen lässt, dass sie sich durch den sehr schnellen Abtrag des dünnen Bodens und dann folgende schnelle Auswaschung von Rinnen durch Rodung und Landbau selber den Brunnen trockengelegt haben.

Schöne Grüße

MM

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  • und wenn wir gerade bei konkreteren Einzelangaben sind: Ein seit dem Spätmittelalter in seiner Entwicklung und Bewirtschaftung relativ gut dokumentierter Wald ist der Nürnberger Reichswald. Dieser war Ende des dreizehnten Jahrhunderts keineswegs abgeholzt oder sonstwie verschwunden, sondern ein nicht nur in Holz und Kohle, sondern auch in Honig ertragreicher Wald: 1296 sind die feudalen Rechte und Pflichten der Zeidler aus dem Reichswald urkundlich belegt, und 1368 wird dort von den wahrscheinlich ersten Ansätzen zu nachhaltiger Forstwirtschaft (Aussaat von Kiefern) berichtet. 1296 und 1368 wurden in zwei Teilen des Reichswaldes Bannmeilen zur Eindämmung des übermäßigen Holzeinschlages eingerichtet.

Der Reichswald dürfte übrigens wenn nicht der Vater, dann wenigstens der Pate der Nürnberger Lebküchnerei sein: Bis weit in die Neuzeit hinein war Honig das Süßungsmittel schlechthin, und die heutige Imkerei ist hauptsächlich eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Damit war ein Standort in der Nähe eines ertragreichen und verhältnismäßig intensiv „bewirtschafteten“ (= Aushauen von Nisthöhlen in einzelnen Bäumen und Abwarten, bis ein schwärmendes Volk sie findet) Waldes für Honigkuchenbäckerei prädestiniert.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

fang mal an, dieses Holz einzuteilen nur fürs Kochen für die Zeit, bis es in gleicher Menge nachgewachsen ist.
Man müsste mit den paar Bäumchen also ungefähr 15 bis 30 Jahre auskommen.
In einer warmen Mittelmeerregion mag das noch gehn, aber im frostigen Norden wird das schnell knapp.

Kurz: da steht nicht „eine ganze Menge Holz“, neben der Lebensgrundlage Olivenbäume nur eine kleine Baumgruppe.

Gruß, Paran

Hallo Paran,

es sind Mandelbäume, und ich war in Torvizcón und habe dort mit dem Holz gekocht, das in der unmittelbaren Umgebung des Dorfs geholt wurde, ohne dass dort irgendwo etwas wäre, was man Wald nennen könnte. Außerdem - Du kannst es glauben oder bleiben lassen - auch mit dem Holz von Rebstöcken und Mandelbäumen.

Und das Bild zeigt nicht die einzigen Bäume, die in der Contraviesa stehen. Es zeigt allerdings, dass in einem Gebirge, in dem es abgesehen von ein paar kleinen Resten, die deutlich weniger sind als das, was auf dem Gebiet des heutigen Deutschland im 12. und 13. Jahrhundert stand, und einigen neuen Pflanzungen von Pinus Pinaster, die alle zehn bis zwanzig Jahre abbrennen, keinen Wald gibt, durchaus Bäume stehen, und zwar genug zum Heizen, Kochen und Backen.

Jo, und so war es am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Deutschland auch - wobei dort noch sehr viel mehr Wald übrig war als heute in der Contraviesa.

Jedenfalls kann um diese Zeit von einer systematischen Abtorfung in großem Stil keine Rede sein, und „waldfrei“ ist eine typische Überzeichnung des TV-Journalismus: Die nachgewiesenen bedeutenden Nutzholzbestände im Schwarzwald im 14. Jahrhundert und die ebenfalls belegten Verhältnisse im Nürnberger Reichswald, von denen ich geschrieben habe, sind nur zwei Belege. Hainich und Kellerwald sind weitere Stichworte, und wenn man z.B. Taunus, Odenwald und Pfälzerwald aus der Nähe anschaut, sieht man leicht, dass dort eine vollständige Abholzung vollkommen sinnlos gewesen wäre, weil sich dort mangels Boden über weite Gebiete keine Weidewirtschaft geschweige denn Ackerbau treiben lässt.

Die Vorstellung von Torf als Handelsgut im 12. - 13. Jahrhundert zeugt von einer völligen Verkennung der Verkehrsverhältnisse und Transportmöglichkeiten dieser Zeit.

Schöne Grüße

MM

Hallo!
Keine wissenschaftliche Antwort, nur eine Anekdote am Rande: Meine Mutter hat in den Kriegsjahren (Zweiter Weltkrieg * g *) im Großen Torfmoor bei Minden gearbeitet. Mit anderen Frauen half sie, den vor länger Zeit gestochenen und zu Hügeln getürmten Torf, der inzwischen überwachsen war, auseinanderzunehmen und neu zu stapeln. Dafür bekamen die Frauen eine gewisse Menge Torf als Brennmaterial. Man hat auch zu der Zeit mit Torf geheizt und gekocht (von Heizen konnte nicht die Rede sein, es gab den Herd in der Küche, das musste reichen).

Gruß,
Eva

Hallo Eva,

ja, lokal war Torf 1945-47 wieder interessant; übrigens auch als Treibstoff für Holzvergaser-Fahrzeuge. Über mehr als vielleicht zehn oder zwanzig Kilometer Distanz wurde der so von Hand gewonnene Torf aber nicht transportiert, 1946 nicht und im Hochmittelalter auch nicht.

Im Bodensee-Hinterland wurden die Torfstiche in der nämlichen Zeit auch wieder in Betrieb genommen; weil Geld weiter keine Bedeutung hatte, funktionierte das so, dass alle irgendwie verfügbaren Arbeitskräfte gemeinsam in den Torfstich gingen und dann das gewonnene Material zugeteilt wurde. Am See lebten damals viele „Displaced Persons“, die es nicht ganz bis in die Schweiz geschafft hatten - so kam es, dass unter den Torfstechern auch eine Diva von der Budapester Oper war. Diese war mit eher zurückhaltendem Einsatz bei der gänzlich ungewohnten, körperlich anstrengenden und aus ihrer Sicht schmutzigen Arbeit, so dass ein Vorarbeiter sie anspornte: „Auf auf Madame, Arbeit macht das Leben süß!“ - worauf sie sich in Positur warf und mit Pathos entgegnete: „So will ich lieber einen bittären Läben haben!“

In diesem Sinne

MM

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  • und noch eine letzte Torf-Episode: Im Alter von schätzungsweise fünf Jahren habe ich gehört, was der Betreiber des letzten in Betrieb befindlichen Schussenrieder Torfstichs (zwischen Olzreute und dem Enzisholz) zum Thema „Torf“ meinte:

‚Das schwarze Gold Oberschwabens‘ hoißt ma’s. Vo mir aus kennd’s graad wahse wo’s wedd!’ (‚Man nennt es das schwarze Gold Oberschwabens - meinetwegen könnte es grade wachsen, wo es wollte!‘)

Moral: Gemessen an dem, was dabei herauskommt, ist das Torfstechen eine nachgerade elende Arbeit. Dass der Pumpernickel, aus einer Gegend Deutschlands gebürtig, wo Moore und Torf noch lange eine bedeutende Rolle spielten, 24 Stunden lang bei 90 °C eher gekocht als gebacken wird, ist kein Zufall.

Schöne Grüße

MM