Wozu dienen Werte?

Hallo,

Erstens: Eigene Interessen und Bedürfnisse geben Handlungsimpulse.

Zweitens: Wir haben keine freie Wahl, welches unsere Interessen und Bedürfnisse sind.

Drittens: Ein sehr weit verbreitetes Bedürfnis ist das nach sozialer Anerkennung. Diese Anerkennung ist meistens auch internalisiert, das heißt, wir wollen sie uns auch selbst geben können, wenn wir unser Verhalten von außen betrachten: „Ist mein Verhalten richtig?“
Wir suchen dafür nach allgemein gebilligten Begründungen für unser Verhalten. Diese Begründungen beinhalten oft Werte wie Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Freiheit usw.

Diese Thesen vorausgeschickt, noch ein paar Erläuterungen.

Werte können keine Handlung anstoßen. Werte bieten keine Richtlinie fürs Handeln. Sie dienen nur der Rechtfertigung und der Manipulation.

Beispiele für Rechtfertigung:
Ich verprügle jemanden, der mich bestohlen hat. Wahrer Grund: Freude, ihm weh zu tun. Rachegelüste. Rechtfertigung vor mir und anderen: Es war gerecht, ihn zu bestrafen. Der Dieb rechtfertigt seinen Diebstahl auch mit Gerechtigkeit: Der andere ist reicher und hatte mehr Glück im Leben. Also nimmt er sich nur, was ihm vermeintlich zusteht.

Lafontaine beschwört Gerechtigkeit, damit die Menschen ihn wählen, die diesen Wert auch gut finden. Sein Interesse ist dabei aber in erster Linie nicht, die Welt gerechter zu machen (Wie sähe eine solche Welt eigentlich aus? Mehr Prügler und mehr Diebe?), sondern Macht und Einfluss zu gewinnen, d.h. sein Geltungsbedürfnis zu befriedigen.

Eine Nonne tut Gutes in armen Ländern. Ihre wahren Antriebe: Mitleid (ein Gefühl, das sie sich nicht aussuchen kann), Angst vor Gott, vielleicht Helfersyndrom. Ihre Begründung vor sich und anderen: Barmherzigkeit und Nächstenliebe, also christliche Werte.

Da es zu jedem Wert einen Gegenwert gibt (Freiheit vs Orientierung und Ordnung, Solidarität vs Selbstverantwortung, Fleiß vs Lebensgenuss, Frieden vs Ausbreitung des Stärkeren) kann man JEDE Handlung und Absicht durch Werte rechtfertigen und sie können unmöglich Klarheit geben, wenn es um die Frage geht, was zu tun sei.

Zudem handelt jeder Mensch immer wieder in Widerspruch zu den Werten zu denen er sich bekennt. Dieses Handeln sind dann eben Ausnahmen oder werden durch andere „rangniedrigere“ Werte gerechtfertigt.

Zur Manipulation mit Werten: Wann immer jemand an Werte appelliert, tut er dies, um andere Menschen dazu zu bringen, seinen Interessen zu dienen. Werte zu nennen, ist das Unterstellen gemeinsamer Interessen. Hat sich das zu gewinnende Gegenüber zu dem genannten Wert bekannt, dann folgt es dem Manipulierenden auch in der scheinbar logischen Schlussfolgerung, was nun zu tun sei und auch der sich scheinbar daraus ergebenden Handlungsanweisung.

Die Linken fragen: „Wollt ihr Gerechtigkeit?“ Die Armen antworten: „Ja.“ „Dann müsst ihr uns wählen.“ Die FDP macht’s genauso mit dem Wert Freiheit, die CSU mit christlichen Werten, die Grünen mit Umweltschutz usw.

Der Manager sagt: „Der Kunde steht im Mittelpunkt.“ Der Mitarbeiter stimmt zu. Der Manager sagt: „Dann müssen Sie tun, was der Kunde verlangt.“ Natürlich ist dem Manager der Kunde völlig egal. Er denkt nur an seine eigene Sicherheit und seinen eigenen Cashflow. Er müsste eigentlich sagen: „Ich will, dass Sie dem Kunden gehorchen, damit ich mehr Sicherheit und Geld habe.“ Aber dann würde der Mitarbeiter sagen, dass er andere Interessen habe, als den Chef zu bereichern und sich dafür zum Affen zu machen. Also appelliert der Chef an einen gemeinsamen Unternehmenswert, obwohl weder er noch der Mitarbeiter sich diesem Wert wirklich verbunden fühlen.

Sehe ich die Dinge richtig?

Tychi

Moin,

Werte können keine Handlung anstoßen.

Doch, sicher. Wenn Hilfsbereitschaft für jemanden z.B. ein Wert ist, dann wird dieser spontan für jemanden die Tür öffnen, der schwer bepackt davor steht, oder in der Bahn für einen Menschen aufstehen, der offensichtlich nicht gut auf den Beinen ist, und ihm seinen Platz anbieten.

Werte bieten keine
Richtlinie fürs Handeln.

Doch, sicher. Wenn jemand z.B. die Wahl hat, ob er Zigarettenkippen in die Gegend wirft, oder sie bis zum nächsten Mülleimer aufhebt, um sie dort zu entsorgen, dann ist der Wert „Schutz der Umwelt“ die Richtlinie, die dem Handeln zugrunde liegt. Viele Menschen Handeln nach Werten, die weit über das hinaus gehen, was z.B. vom Gesetzgeber gefordert wird.

Sie dienen nur der Rechtfertigung und
der Manipulation.

Für die meisten Handlungen muss man sich weder rechtferigen, noch kann man damit irgendwen manipulieren. Letztendlich muss der Mensch sein Handeln vor sich selbst rechtfertigen. Dies setzt aber voraus, dass er bestimmte Werte für sich anerkennt und sich bemüht entsprechend zu handeln. In diesem Fall dienen Werte nicht der Rechtfertigung, sondern sind im Gegenteil der Maßstab, an dem sich Handeln messen lassen muss.

Da es zu jedem Wert einen Gegenwert gibt (Freiheit vs
Orientierung und Ordnung, Solidarität vs Selbstverantwortung,
Fleiß vs Lebensgenuss, Frieden vs Ausbreitung des Stärkeren)
kann man JEDE Handlung und Absicht durch Werte rechtfertigen
und sie können unmöglich Klarheit geben, wenn es um die Frage
geht, was zu tun sei.

Selbstzverständlich können die individuellen Werte, die jemand für sich anderkennt, dieser Person Klarheit geben, wenn es um die Frage geht, was zutun ist.

Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene wird der Rahmen durch die Gesetze gesteckt und beruht letztendlich auf einer Art gesamtgesellschaftlichen Mindestkonsens. Inneralb dessen steht es dem Einzelnen jedoch frei, **Werte zu suchen und zu finden, die sein Handeln bestimmen werden.

Dies äußert sich dann auch in den Programmen der politischen Parteien. Jeder wählt letztendlich die Partei, wo er seinen individuellen Wertekanon am besten wiederzuerkennen glaubt. Das Ergebnis der Wahlen aller beeinflusst dann wiederum die gesamtgesellschaftliche Ebene z.B. durch die Gesetzgebungsverfahren und spiegelt somit letztendlich diesen Konsens.

Zudem handelt jeder Mensch immer wieder in Widerspruch zu den
Werten zu denen er sich bekennt. Dieses Handeln sind dann eben
Ausnahmen oder werden durch andere „rangniedrigere“ Werte
gerechtfertigt.

Das muss nicht so sein. Jemand, der von seinen Werten wirklich überzeut ist, wird eher Reue empfinden und den Vorsatz fassen, sich beim nächsten Mal anders zu verhalten.

Zur Manipulation mit Werten: Wann immer jemand an Werte
appelliert, tut er dies, um andere Menschen dazu zu bringen,
seinen Interessen zu dienen.

Wenn er an Werte appelliert, die der andere gar nicht anerkennt, dann wird ihm das nichts bringen. Das Äußern von auf Egoismus beruhenden Wünschen ist etwas, was von anderen weniger als Wert, denn als Bedrohung angesehn wird.

Werte zu nennen, ist das
Unterstellen gemeinsamer Interessen.

Da muss man nichts unterstellen. Den meisten Menschen ist gemein, dass sie nicht angegriffen, nicht bestohlen, getötet, belogen, geschlagen, beschimpft, ausgestoßen etc. werden wollen.

Der Manager sagt: „Der Kunde steht im Mittelpunkt.“ Der
Mitarbeiter stimmt zu. Der Manager sagt: „Dann müssen Sie tun,
was der Kunde verlangt.“ Natürlich ist dem Manager der Kunde
völlig egal. Er denkt nur an seine eigene Sicherheit und
seinen eigenen Cashflow.

Sowohl Manager, als auch Mitarbeiter sollte eigentlich klar sein, dass es ohne Kunden längerfristig weder Cash-Flow, noch eine Sicherheit, noch eine Firma, noch ein Einkommen geben wird. Man kann vielleicht darüber unterschiedlicher Meinung sein, wie man Kunden am besten an ein Unternehmen bindet, aber ein Unternehmen ohne Kunden ist nicht überlebensfähig und wenn das Unternehmen eingeht, dann sind auch die Jobs weg, sowohl die für den Manager, als auch die für den anderen Mitarbeiter. Somit sehe ich hier auch keinen Interessenskonflikt zwischen Manager und Mitarbeiter.

Gruß
Marion**

Hallo Marion,

schön, dass du die Gegenposition einnimmst, dann kann ich besser erklären, was ich meine. Deine Auffassung verstehe ich als allgemein übliches Verständnis des Themas.

Werte können keine Handlung anstoßen.

Doch, sicher. Wenn Hilfsbereitschaft für jemanden z.B. ein
Wert ist, dann wird dieser spontan für jemanden die Tür
öffnen, der schwer bepackt davor steht, oder in der Bahn für
einen Menschen aufstehen, der offensichtlich nicht gut auf den
Beinen ist, und ihm seinen Platz anbieten.

Meine Erklärung für dieses Verhalten ist so, dass es ihm aus welchen Gründen auch immer ein Bedürfnis ist, zu helfen, es ihm vielleicht sogar Freude macht und er abgesehen davon auch den Wert „Hilfsbereitschaft“ gutheißt.
Die Wertvorstellung löst aber die Handlung nicht aus, sie begleitet die Handlung nur. Ich behaupte, dass er die Hilfe unterließe, wenn diese bepackte Person ihn vorher beschimpft hätte. Wenn das so ist, dann kann er nämlich offenbar trotz seiner Wertvorstellung anders handeln. Sein Bedürfnis hat sich geändert, die Freude bliebe aus.

Werte bieten keine
Richtlinie fürs Handeln.

Doch, sicher. Wenn jemand z.B. die Wahl hat, ob er
Zigarettenkippen in die Gegend wirft, oder sie bis zum
nächsten Mülleimer aufhebt, um sie dort zu entsorgen, dann ist
der Wert „Schutz der Umwelt“ die Richtlinie, die dem Handeln
zugrunde liegt. Viele Menschen Handeln nach Werten, die weit
über das hinaus gehen, was z.B. vom Gesetzgeber gefordert
wird.

Hier hat er das Bedürfnis , die Umwelt sauber zu halten, oder sich selbst als vorbildlich zu sehen. Es gibt Menschen, die z.B. Zigarettenkippen zum Mülleimer tragen, aber ein Auto fahren, dass viel Abgase produziert. Wie ist es möglich, widersprüchlich zu handeln, wenn Werte das Handeln bestimmen?
Rauchen selbst kann man schon als Widerspruch zum Umweltschutz sehen.

Sie dienen nur der Rechtfertigung und
der Manipulation.

Für die meisten Handlungen muss man sich weder rechtferigen,
noch kann man damit irgendwen manipulieren. Letztendlich muss
der Mensch sein Handeln vor sich selbst rechtfertigen.

Vor wem er es rechtfertigt, vor anderen oder vor sich selbst, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Handlungen nicht willkürlich aussehen, sondern einer Art Theorie folgen, also sinnvoll sind und allgemein anerkannten Werten entsprechen.

Dies
setzt aber voraus, dass er bestimmte Werte für sich anerkennt
und sich bemüht entsprechend zu handeln. In diesem Fall dienen
Werte nicht der Rechtfertigung, sondern sind im Gegenteil der
Maßstab, an dem sich Handeln messen lassen muss.

Da gebe ich dir Recht. Ich stelle aber dar, dass diese Bemühungen und dieser Maßstab Illusionen sind.

Da es zu jedem Wert einen Gegenwert gibt (Freiheit vs
Orientierung und Ordnung, Solidarität vs Selbstverantwortung,
Fleiß vs Lebensgenuss, Frieden vs Ausbreitung des Stärkeren)
kann man JEDE Handlung und Absicht durch Werte rechtfertigen
und sie können unmöglich Klarheit geben, wenn es um die Frage
geht, was zu tun sei.

Selbstzverständlich können die individuellen Werte, die jemand
für sich anderkennt, dieser Person Klarheit geben, wenn es um
die Frage geht, was zutun ist.

Sie konstruiert nur eine Theorie, in der die Handlungen sinnvoll und konsistent erscheinen. Gehandelt wird nach Bedürfnissen und Interessen, begründet wird mit Werten.

Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene wird der Rahmen durch die
Gesetze gesteckt und beruht letztendlich auf einer Art
gesamtgesellschaftlichen Mindestkonsens. Inneralb dessen steht
es dem Einzelnen jedoch frei, Werte zu suchen und
zu finden, die sein Handeln bestimmen werden.

Die Gesetze bilden das Bedürfniss nach Sicherheit und Ordnung ab.
Sie gehen konform mit einem TEIL unserer Werte, was kein Wunder ist, da es für alles die passenden Werte gibt.

Dies äußert sich dann auch in den Programmen der politischen
Parteien. Jeder wählt letztendlich die Partei, wo er seinen
individuellen Wertekanon am besten wiederzuerkennen glaubt.
Das Ergebnis der Wahlen aller beeinflusst dann wiederum die
gesamtgesellschaftliche Ebene z.B. durch die
Gesetzgebungsverfahren und spiegelt somit letztendlich diesen
Konsens.

Ja, so läuft es. Aber weder der Politiker noch der Wähler halten sich konsequent an die Werte, die sie hochhalten. Jeder Politiker würde sagen, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit seien ihm wichtig und doch gibt es korrupte Politiker. Jeder Wähler würde sagen, Freiheit sei ein guter Wert und doch gibt es Wähler, die z.B. ihre Angestellten oder Kinder unterdrücken und herumkommandieren. Auch hier sieht man, dass man sich zu Werten bekennen, aber doch anders handeln kann, weil Werte eben das Handeln nicht bestimmen.

Zudem handelt jeder Mensch immer wieder in Widerspruch zu den
Werten zu denen er sich bekennt. Dieses Handeln sind dann eben
Ausnahmen oder werden durch andere „rangniedrigere“ Werte
gerechtfertigt.

Das muss nicht so sein. Jemand, der von seinen Werten wirklich
überzeut ist, wird eher Reue empfinden und den Vorsatz fassen,
sich beim nächsten Mal anders zu verhalten.

Auch dies räume ich ein. Aber das ist eher der Schmerz darüber, dass die Theorie nicht aufgeht. Wie gesagt, die Menschen haben ein Bedürfnis nach einer stimmigen Theorie ihres Handelns.

Zur Manipulation mit Werten: Wann immer jemand an Werte
appelliert, tut er dies, um andere Menschen dazu zu bringen,
seinen Interessen zu dienen.

Wenn er an Werte appelliert, die der andere gar nicht
anerkennt, dann wird ihm das nichts bringen. Das Äußern von
auf Egoismus beruhenden Wünschen ist etwas, was von anderen
weniger als Wert, denn als Bedrohung angesehn wird.

Stimmt.

Werte zu nennen, ist das
Unterstellen gemeinsamer Interessen.

Da muss man nichts unterstellen. Den meisten Menschen ist
gemein, dass sie nicht angegriffen, nicht bestohlen, getötet,
belogen, geschlagen, beschimpft, ausgestoßen etc. werden
wollen.

O.k.

Viele Grüße, Tychi

Keine rationale Kritik, sondern Blendwerk
Hi Tychi.

Marion hat dir schon gute Antworten gegeben, ich will noch ein bisschen hinzufügen.

Ich denke, du gehst ziemlich unreflektiert vor. Da ist vielleicht auch zu viel unverdauter Nietzsche dabei. Du spricht von einem „Wir“, das nur die arithmetische Summe von vielen „Ichs“ zu sein scheint. Ist das Wir aber nicht sehr viel mehr als nur eine Menge separater Ichs? In der Psychologie und der Soziologie weiß man schon lange, dass das Ich sich beim Sozialisationsprozess nur im Wechselspiel mit dem Wir herausbildet, also der Intersubjektivität, der Matrix jeder Ich-Bildung.

Das Ich, das du als fertig voraussetzt, ist vom Wir, in das es hineinwächst, durch und durch geformt. Die je eigene Individualität des einzelnen Ich ist nur ein Sahnehäubchen obendrauf.

Dieses transzendentale Wir aber, die Intersubjektivität, braucht natürlich Normen (Verhaltensvorschriften), um bestehen zu können. Das wirst auch du zugeben. Diese Normen leiten sich wiederum von übergeordneten Werten ab, die ihnen ein Fundament geben.

Das Ich gäbe es in seiner jeweiligen Ausformung also gar nicht ohne die Werte, die die Intersubjektivität fundieren. Du berücksichtigst das überhaupt nicht.

Nun sind diese übergeordneten Werte begrifflich so allgemein gehalten, dass sie inhaltlich oft nur sehr vage sind und widersprüchlich interpretiert werden können. Dieses unvermeidbare semantische Problem kann aber gelöst werden, wenn man die Wert-Oberbegriffe auf ihre multiplen Dimensionen hin untersucht. So lassen sich z.B. für Freiheit und Liebe differenzierte Bedeutungsschichten herausarbeiten, die sehr viel eindeutiger sind als der Oberbegriff.

Du aber siehst über die möglichen und notwendigen Differenzierungen einfach hinweg oder siehst sie gar nicht und nimmst die Wert-Oberbegriffe so, wie die Manipulateure sie verwenden: als vieldeutige und damit nichtssagende Worthülsen, die man dem Publikum so um die Ohren hauen kann, dass sich dieses das Gewünschte dabei vorstellt. D.h. du interpretierst die Wertbegriffe als Nebelbomben, die die dahinter versteckten partikularen Interessen der Manipulateure verschleiern sollen.

Gewisse Werte sind aber fundamental für eine Gesellschaft. Sie können sehr unterschiedlich sein, mit gravierenden Folgen für das ganze System, und das ignorierst du einfach.

Beispiel: die Werte „Gehorsam zu Gott“ vs. „Gewissensfreiheit“. Je nach Dominanz eines dieser Werte sieht das soziale Miteinander, wie die Geschichte lehrt, völlig anders aus. Du aber tust so, als wäre es einerlei, welche Werte gelten. Kann es aber nicht sein, auch nicht für dich, denn ich bezweifle, dass du nichts dagegen hättest, per Zeitmaschine ins Mittelalter umzusiedeln.

Und du widersprichst dir selbst, ohne es zu merken.

Beispiel Meinungsfreiheit (als Wert): du kannst sie hier in diesem Forum nutzen, um deine generellen Zweifel an Werten kundzutun. Dein Werterelativismus wäre aber z.B. in der Hitlerzeit oder im europäischen Mittelalter ein Verstoß gegen den von oben verordneten Werteabsolutismus gewesen. Und das mit potentiell nachteiligen Folgen für dich.

Was heißt, dass du einerseits Werte als manipulativ ansiehst und andererseits, gleichzeitig, den Wert „Meinungsfreiheit“ nutzt, um deine Kritik kundzutun. Ein Selbstwiderspruch.

Bei der manipulativen Verwendung von Wertbegriffen wird der egoische, der narzisstische Aspekt des Ich angesprochen und auf dessen persönliches Interesse spekuliert. Dieser Trick beruht auf der Mehrdeutigkeit von Wert-Oberbegriffen.

Beispiel Freiheit: Dieser Begriff ist sehr vieldeutig. Man muss unterscheiden zwischen Freiheit „von“ und Freiheit „zu“ sowie der Freiheit des Einzelnen und der Freiheit einer Gemeinschaft und der Freiheit aller Menschen.

Weiter untergliedert gibt es die Freiheit des Einzelnen „von“ oder „zu“, die Freiheit der Gemeinschaft „von“ oder „zu“ usw.

Zudem können beim einzelnen Menschen diese Wertebenen vermischt sein. Das stutzt du dir aber zurecht, indem du seine motivierenden Werte grundsätzlich auf den niedersten Wert hin reduzierst. Weil das so schön in dein Konzept passt.

All diese Ebenen werden also vermengt, wenn nur von „Freiheit“ die Rede ist. Das kannst du aber nicht den Werten vorwerfen, sondern nur denen, die die Wertbegriffe missbrauchen (oft glauben sie aber selbst an ihrer Einseitigkeiten). Da du dir selbst nicht die Mühe machst, Differenzierungen vozunehmen, trägst du zu der Verwirrung nur bei.

Du nennst als „entlarvendes“ Beispiel:

Ich verprügle jemanden, der mich bestohlen hat. Wahrer Grund: Freude, ihm weh zu tun. Rachegelüste. Rechtfertigung vor mir und anderen: Es war gerecht, ihn zu bestrafen.

Klar, kann sein, kann aber auch nicht sein. Du formulierst deine Beispiele halt so, dass sie in dein pessimistisches Konzept passen. Und stellst den Verprügelnden in einer Weise als aus niedrigen Beweggründen motiviert dar, die an die manipulative Technik erinnert, die d u bei anderen monierst.

Die Prügel könnte auch nachvollziehbare, also legitime Gründe haben. WAS hat der andere denn gestohlen, und in welcher Situation? Den letzten Schluck Wasser in der Wüste, in der ihr beide euch verirrt habt? Darauf kommt es doch auch an. Du lässt jeden differenzierenden Kontext unter den Tisch fallen und blendest die Leser mit deinen Beispielen genauso, wie die Manipulateure, die du anklagst, ihr Publikum mit Wertbegriffen blenden.

Gruß

Horst

Moin,

schön, dass du die Gegenposition einnimmst, dann kann ich
besser erklären, was ich meine. Deine Auffassung verstehe ich
als allgemein übliches Verständnis des Themas.

Vielleicht wäre es hilfreich, wenn du hier deine Definition von „Wert“ in abgrenzung zum Beispiel zum Begriff „Bedürfnis“ darlegst, nur damit man nicht aneinander vorbei redet.

Werte können keine Handlung anstoßen.

Doch, sicher. Wenn Hilfsbereitschaft für jemanden z.B. ein
Wert ist, dann wird dieser spontan für jemanden die Tür
öffnen, der schwer bepackt davor steht, oder in der Bahn für
einen Menschen aufstehen, der offensichtlich nicht gut auf den
Beinen ist, und ihm seinen Platz anbieten.

Meine Erklärung für dieses Verhalten ist so, dass es ihm aus
welchen Gründen auch immer ein Bedürfnis ist, zu
helfen, es ihm vielleicht sogar Freude macht und er
abgesehen davon auch den Wert „Hilfsbereitschaft“ gutheißt.

Werte sind häufig etwas, was dem „normalen Egoismus“ zuwider läuft. Natürlich ist es für einen selbst erstmal bequemer und angenehmer, einfach auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Der Wert „Hilfsbreitschaft“ lässt den Handelnden jedoch über seinen Egoismus hinauswachsen. Warum sollen Werte als Handlungsauslöser nicht auch Freude verursachen? Vielleicht schmerzen dem Stehenden nach einer Weile die Beine oder er wird in der U-Bahn hin und her geworfen. Denoch wird er vermutlich Freude empfinden, weil er dies der anderen Person erspart hat oder sich einfach über seinen „inneren Schweinehund“ zugunsten seiner Wertevorstellung hinweg gesetzt hat.

Man könnte allerdings darüber diskutieren, ob Werte und das Handeln nach Werten nicht ein Bedürfnis „an sich“ sind und dem Individuum einen Rahmen und ein Ziel gibt, über sich (also den normalen Egoismus) hinaus zu wachsen. Selbst Kriminelle leben häufig nach einem „Wertekodex“.

Die Wertvorstellung löst aber die Handlung nicht aus, sie
begleitet die Handlung nur. Ich behaupte, dass er die Hilfe
unterließe, wenn diese bepackte Person ihn vorher beschimpft
hätte. Wenn das so ist, dann kann er nämlich offenbar trotz
seiner Wertvorstellung anders handeln. Sein Bedürfnis hat sich
geändert, die Freude bliebe aus.

Natürlich ist es gar kein Problem, auch gegen den persönlichen Wertekodex zu handeln. Schließlich sind es ja nicht nur Werte, die unser Handeln beeinflussen oder verursachen, sondern eben auch der bereits genannte Egoismus oder persönliche Bedürfnisse, Bequemlichkeit, Emotionen und persönlichen Ziele, die z.B. auch Tiere zu bestimmten Handlungen bewegen.

Zum Beispiel kann jemand, der normalerweise den Wert „Hilfsbereitschaft“ nicht sonderlich hoch schätzt und zum Anlass seines Handelns nimmt trotzdem aufstehen und die Tür aufreißen, wenn z.B. sein Chef sich nähert, weil er sich dadurch einen Vorteil bei seinem persönlichen Ziel (Karriere) verspricht. Das Handeln allein lässt also nicht unbedingt einen Rückschluss darauf zu, ob dem Handeln wirklich ein Wert oder nicht etwas ganz anderes zugrunde liegt (siehe auch z.B. Menschen, die im Helfersyndrom gefangen sind)

Doch, sicher. Wenn jemand z.B. die Wahl hat, ob er
Zigarettenkippen in die Gegend wirft, oder sie bis zum
nächsten Mülleimer aufhebt, um sie dort zu entsorgen, dann ist
der Wert „Schutz der Umwelt“ die Richtlinie, die dem Handeln
zugrunde liegt. Viele Menschen Handeln nach Werten, die weit
über das hinaus gehen, was z.B. vom Gesetzgeber gefordert
wird.

Hier hat er das Bedürfnis , die Umwelt sauber zu halten,
oder sich selbst als vorbildlich zu sehen.

Es gibt Menschen,
die z.B. Zigarettenkippen zum Mülleimer tragen, aber ein Auto
fahren, dass viel Abgase produziert. Wie ist es möglich,
widersprüchlich zu handeln, wenn Werte das Handeln bestimmen?
Rauchen selbst kann man schon als Widerspruch zum Umweltschutz
sehen.

Dieses Bedürfnis besteht aber nur deshalb, weil derjenige die Umwelt sauber zu halten als Wert ansieht. Vermutlich haben viele Menschen das Bedürfnis nach einer sauberen Umwelt. Wer lebt schon gerne auf einer Müllkippe. Allerdings handeln sie nicht entsprechend, weil der Wert „Schutz der Umwelt“ bei ihnen nicht ausreichend entwickelt ist, so dass er Handeln aus Bequemlichkeit oder Gleichgültigkeit ersetzen könnte.

Sehr schön erkennt man diese Zusammenhänge zum Beispiel daran, dass viele Menschen alles mögliche (z.B. eine saubere Umwelt) als Bedürfnis haben, aber wenn es darum geht, dass sie selbst etwas dazu beitragen sollen, das auf Kosten ihrer Bequemlichkeit geht, dann überwiegt das Bedürfnis der Bequemlichkeit.

Je nachdem wie stark ein Wert in einerm Menschen verankert ist, wird er sich auch gegenüber Handlungen, die anders motiviert sind (z.B. durch Bequemlichkeit oder sogar den Überlebenswillen) durchsetzen. Es gibt z.B. Menschen, die sich eher einsperren oder sogar töten lassen, als einen anderen Menschen zu töten. Hier wiegt der Wert „Schutz von Menschenleben“ sogar höher als das eigene Leben.

Für die meisten Handlungen muss man sich weder rechtferigen,
noch kann man damit irgendwen manipulieren. Letztendlich muss
der Mensch sein Handeln vor sich selbst rechtfertigen.

Vor wem er es rechtfertigt, vor anderen oder vor sich selbst,
ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Handlungen nicht
willkürlich aussehen, sondern einer Art Theorie folgen, also
sinnvoll sind und allgemein anerkannten Werten entsprechen.

Genau. Wie ich aber bereits unten Ausführte, dienen Werte dann nicht der Rechtfertigung, sondern dienen als Maßstab. Näheres siehe unten.

Dies
setzt aber voraus, dass er bestimmte Werte für sich anerkennt
und sich bemüht entsprechend zu handeln. In diesem Fall dienen
Werte nicht der Rechtfertigung, sondern sind im Gegenteil der
Maßstab, an dem sich Handeln messen lassen muss.

Da gebe ich dir Recht. Ich stelle aber dar, dass diese
Bemühungen und dieser Maßstab Illusionen sind.

Keineswegs. Wenn jemand z.B. als Wert „Schutz der Umwelt“ habe, und dennoch mit dem Auto zum Laden um die Ecke fahre, statt mit dem Fahrrad, dann kann er dies z.B. mit meiner momentanen Bequemlichkeit, seinem derzeit kaputten Fahrrad oder einer vorübergehenden körperlichen Einschränkung, die das Fahrradfahren unmöglich macht, rechtfertigen. Wenn ihm der Wert „Schutz der Umwelt“ aber wirklich etwas bedeutet, dann wird er dies vielleicht zum Anlass nehmen, sein Fahrrad zu reparieren oder sich vornehmen, beim nächsten Mal seinem inneren Schweinehund nicht nachzugeben. Hier wird sowohl der Maßstab (Schutz der Umwelt), als auch das Bemühen durch z.B. die Reparatur des Fahrrads, um das nächste Mal mit dem Fahrrad zu fahren, sehr konkret und keineswegs illusorisch.

Sie konstruiert nur eine Theorie, in der die Handlungen
sinnvoll und konsistent erscheinen. Gehandelt wird nach
Bedürfnissen und Interessen, begründet wird mit Werten.

Wie gesagt, Gründe für eine bestimmte Handlungsweise können sehr unterschiedlich sein. Werte sind nur einer der möglichen Gründe, neben Bedürfnissen wie z.B. Bequemlichkeit oder Interessen wie z.B. Karriere.

Die Gesetze bilden das Bedürfniss nach Sicherheit und Ordnung
ab.
Sie gehen konform mit einem TEIL unserer Werte, was kein
Wunder ist, da es für alles die passenden Werte gibt.

Genau. Das ist das, was ich als gesellschaftlichen Mindestkonsens bezeichnet habe. So findet sich hier z.B. keine Spiegelung der Hilfsbereitschaft in dem Sinne, dass irgendwer gezwungen ist, für jemand anderen seinen Platz im Bus freizumachen. Der Mindestkonsens ist jedoch, dass es z.B. speziell gekennzeichnete Sitzplätze für Behinderte geben muss, die auf Verlangen freizumachen sind.

Ja, so läuft es. Aber weder der Politiker noch der Wähler
halten sich konsequent an die Werte, die sie hochhalten. Jeder
Politiker würde sagen, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit seien
ihm wichtig und doch gibt es korrupte Politiker. Jeder Wähler
würde sagen, Freiheit sei ein guter Wert und doch gibt es
Wähler, die z.B. ihre Angestellten oder Kinder unterdrücken
und herumkommandieren. Auch hier sieht man, dass man sich zu
Werten bekennen, aber doch anders handeln kann, weil Werte
eben das Handeln nicht bestimmen.

Ich bin auch nicht der Annahme, dass die Werte, denen jemand folgt, an dem festzumachen sind, was er sagt , sondern nur an der Art und Weise, wie er handelt. Gerade dann, wenn es eine Diskrepanz zwischen Handeln und proklamierten Werten gibt, dann sollte man schon genauer hinschauen, ob hier nicht andere Handlungsmotive eine Rolle spielen. Man müsste diese Personen also mal fragen, wie sie ihr Verhalten rechtfertigen (und hier die proklmierten Werte als Maßstab nehmen).

Das muss nicht so sein. Jemand, der von seinen Werten wirklich
überzeut ist, wird eher Reue empfinden und den Vorsatz fassen,
sich beim nächsten Mal anders zu verhalten.

Auch dies räume ich ein. Aber das ist eher der Schmerz
darüber, dass die Theorie nicht aufgeht. Wie gesagt, die
Menschen haben ein Bedürfnis nach einer stimmigen Theorie
ihres Handelns.

Da könnte man es sich dann ja einfach machen und gleich auf jegliche Werte verzichten und z.B. einzig Bequemlichkeit und direkten Eigennutz zur Grundlage des eigenen Handelns machen. Beim Ziel einer „stimmigen Theorie ihres Handelns“ sind Werte eher im Weg, da der Mensch immer wieder in Situationen geraten wird, wo er sich motiviert sieht, entgegen seinen Werten zu handeln und so in Konfliktsituationen gerät.

Gruß
Marion

Hallo Marion,

ich lenke ein.

Gerade sah ich die Aufzeichnung des Films „Der Untergang“, der vor ein paar Tagen ausgestrahlt wurde.
Frau Goebbels hat eigenhändig all ihre Kinder getötet. Ich denke, damit hat sie sich von Wertvorstellungen leiten lassen und aufgrund dieser ganz entgegen ihrer Instinkte, Bedürfnisse und Interessen gehandelt. Die Werte waren so stark in ihr verankert, dass sie ganz kontraintuitives Handeln bei der Frau auslösten.
Auch religiöse Fanatiker lassen sich von ihren Werten zu allen möglichen Taten verleiten.

Tychi

Hallo Horst

Marion hat dir schon gute Antworten gegeben, ich will noch ein
bisschen hinzufügen.

Auch du kannst von Marion etwas lernen: Nämlich wie man Antworten formuliert, ohne oberlehrerhaft zu wirken und Argumente als persönliche Schwächen darzustellen.

Ich denke, du gehst ziemlich unreflektiert vor. Da ist
vielleicht auch zu viel unverdauter Nietzsche dabei.

Ich meine, was soll so eine Vorrede?

Wenn ich deine wortreichen Ausführungen mal nach meinem Verständnis zusammenfasse, dann sagst du:

  1. Jeder ist durch sein soziales Umfeld wesentlich geprägt. Ein davon unabhängiges Ich gibt es nicht.
  2. Diese Prägung besteht zum großen Teil aus Normen und Regeln für den Umgang mit anderen Menschen.
  3. Jeder Wert kann abstrakt und konkret verstanden werden. Je abstrakter, desto mehr Missverständnisse sind möglich und können zur Manipulation ausgenutzt werden.
  4. Je nach Wertesystem und je nach Konkretisierung der Werte sind die Gesellschaften verschieden, d.h. Werte bestimmen sehr wohl die Gesellschaft.

Wenn das ist, was du mir sagen willst, dann stimme ich dir zu und danke für das Zurechtrücken meiner hypothetischen Sichtweise.

Tychi

Moin Tychi,

Gerade sah ich die Aufzeichnung des Films „Der Untergang“, der
vor ein paar Tagen ausgestrahlt wurde.
Frau Goebbels hat eigenhändig all ihre Kinder getötet. Ich
denke, damit hat sie sich von Wertvorstellungen leiten lassen
und aufgrund dieser ganz entgegen ihrer Instinkte, Bedürfnisse
und Interessen gehandelt. Die Werte waren so stark in ihr
verankert, dass sie ganz kontraintuitives Handeln bei der Frau
auslösten.

Da ich die Geschichte nicht mehr so ganz auf dem Schirm hab…welcher Wert war es denn, der Frau Göbbels dazu veranlasst hat, ihre Kinder zu töten?

Ich hätte jetzt eher gedacht, dass sie es vielleicht aus Angst vor dem Verlieren des Kriegs und der Ungewissheit, was danach kommt, gemacht hat.

Gruß
Marion

Moin,

Da ich die Geschichte nicht mehr so ganz auf dem Schirm
hab…welcher Wert war es denn, der Frau Göbbels dazu
veranlasst hat, ihre Kinder zu töten?

Ich hätte jetzt eher gedacht, dass sie es vielleicht aus Angst
vor dem Verlieren des Kriegs und der Ungewissheit, was danach
kommt, gemacht hat.

Das war nur ein Teilmotiv. Sie hat zwei Mal formuliert, dass sie Ihren Kindern eine Welt ohne Nationalsozialismus (sprich dessen Werte) nicht zumuten wolle.

Tychi

Gefahr des Nihilismus
Hi Tychi.

Auch du kannst von Marion etwas lernen: Nämlich wie man Antworten formuliert, ohne oberlehrerhaft zu wirken und Argumente als persönliche Schwächen darzustellen.

Steht hier der Wert „persönliche Würde“ für dich auf dem Spiel? Ich frage ja nur. Oder ist dieser Wert wie alle Werte nur eine Fiktion, wie deine Hypothese weis machen will?

Wer auf „Werte“ nihilistisch einprügelt, so wie du, und dabei auch so wichtige Werte wie Hilfsbereitschaft in den Schmutz zieht, kriegt halt ´n bisschen was davon zurück.

Als „persönliche Schwächen“ habe ich aber gar nichts dargestellt. Ich kenne ja nur deinen Text und habe versucht, auf dessen logische Schwächen aufmerksam zu machen. Dass ich dir Blenderei vorwarf, bezieht sich nur auf diesen Text.

Ich denke, du gehst ziemlich unreflektiert vor. Da ist vielleicht auch zu viel unverdauter Nietzsche dabei.

Ich meine, was soll so eine Vorrede?

Genau das, was sie sagt.

Wenn ich deine wortreichen Ausführungen mal nach meinem Verständnis zusammenfasse, dann sagst du:

  1. Jeder ist durch sein soziales Umfeld wesentlich geprägt. Ein davon unabhängiges Ich gibt es nicht.

Na, so ungefähr. Allerdings ist „Prägung“ im ganzen noch zu schwach. Das Ich entsteht schließlich erst im Austausch mit der Intersubjektivität, es ist von dieser fundamental bestimmt. Die Werte, die in der jeweiligen Intersubjektivität dominieren, sind der Boden, auf dem das Ich wächst und der es nährt. So gesehen, „fundiert“ die Intersubjektivität das Ich, vielleicht mehr noch: es „besteht“ aus Intersubjektivität. Prägungen kommen nachträglich noch hinzu, sie sind äußerlicher.

  1. Diese Prägung besteht zum großen Teil aus Normen und Regeln für den Umgang mit anderen Menschen.

Was nichts mit fundierenden Werten zu tun hat, wie gesagt. Normen sind konkrete Vorschriften, die die Werte in Praxis umsetzen sollen. Das sind zwei verschiedene Ebenen. Beispiel: Wert: „Leben“ - Norm: „Du sollst nicht töten“. Diese Norm macht nur Sinn, wenn der dazugehörige Wert das Kriterium dafür liefert.

  1. Jeder Wert kann abstrakt und konkret verstanden werden. Je abstrakter, desto mehr Missverständnisse sind möglich und können zur Manipulation ausgenutzt werden.

Genauer: die Wertbegriffe stehen in der Lebenspraxis immer in praktischen und theoretischen Kontexten. Erstere sind die konkreten Situationen, letztere die ideologischen Konzepte, die auf die gesellschaftliche Realisierung von Werten zielen.

Beispiel: Wert „Freiheit“. Je nach politischem Konzept kann Freiheit verschiedenes bedeuten. Für den Liberalismus bedeutet sie u.a. Marktfreiheit ohne Intervention des Staates. Für den Marxismus bedeutet sie genau die Überwindung dieser bürgerlich-liberalen Freiheit, da diese – für den Marxisten – nur eine verschleierte Form der Abhängigkeit ist. Für den Anarchisten bedeutet Freiheit Unabhängigkeit vom Staat, und für den Nationalisten bedeutet Freiheit die Freiheit des eigenen (rassisch definierten) „Volkes“ von fremden Einflüssen.

Das macht den Freiheitsbegriff so problematisch. Dennoch macht er sehr viel Sinn, und er ist der wichtigste aller Werte. Die Sehnsucht nach Unabhängigkeit (= Freiheit) ist in jedem Menschen tief verwurzelt. Die Frage ist nur, wie ist das erreichbar? Die Ideologien versprechen Methoden, dieses Ziel erreichen zu lassen, und jonglieren dabei mit der Freiheitssehnsucht der Menschen. Der Kapitalismus z.B. verordnet den totalen Konsum als Mittel, um „Freiheit“ zu realisieren, und bringt dabei doch nur neue Abhängigkeiten hervor, die einer partikularen Gruppe (Wirtschafts- und Parteibonzen) nützen.

Das entwertet aber nicht den Wert „Freiheit“, sondern zeigt nur, wie dieser missbraucht werden kann.

  1. Je nach Wertesystem und je nach Konkretisierung der Werte sind die Gesellschaften verschieden, d.h. Werte bestimmen sehr wohl die Gesellschaft.

Sie bestimmen die Grundstruktur des sozialen Miteinander, wobei es in konkreten Fällen natürlich zu Abweichungen kommen kann.

Man kann Werte also nicht pauschal als Fiktion „entwerten“, so wie dein Text es nahelegt. Schon die Kritik an Werten setzt bestimmte Werte voraus, wie z.B. den Wert „Wahrheit“, denn es ging dir ja darum, eine Hypothese zu formulieren, die selbst den Anspruch auf Wahrheit erhebt (wie jede Hypothese und überhaupt jede Aussage). Wie wir seit Habermas wissen, ist der Geltungsanspruch der Wahrheit in jede Proposition eingebaut, und eine Hypothese ist auch eine Proposition.

Es kann dir also nicht einerseits um Wahrheit gehen und andererseits um die „Entlarvung“ aller Werte wie z.B. Wahrheit. Das ist unlogisch, und nur auf die Häufung solcher Unlogik in deiner Hypothese wollte ich aufmerksam machen.

Gruß

Horst

Wir haben freie Auswahl! … owT
owT

Zweifel? warum?
Du zweifelst die Motive der Menschen an.
Warum?
Willst Du die Menschen beherrschen, indem Du ihre Motive richtig verstehst?
Willst Du Dir einen ‚Plan‘ für Dein Leben abgucken bei den 'rumlügenden Menschen?
Suchst Du eine ‚Richtlinie‘ für Dein Handeln?
Frag Kant oder hör in Dich!
(Ich könnte noch viel sagen zu dem Thema, aber es langweilt mich zu sehr)
Geh etwas tun, arbeiten, nimm Dein Leben in deine Hand, dann stellen sich solche Frragen nicht mehr)