Keinerlei Hilfe, nur noch totale Ignoranz
Hallo Ralf,
ein bewaffneter Mob kann kurzzeitig gegen die Bevölkerungsmehrheit herrschen. Ein Land, fast doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, läßt sich über eine ganze Generation aber nicht von wenigen Leuten kontrollieren. Der gesamte Staat von der Verwaltung bis zur Armee muß davon beherrscht und durchsetzt sein. Bis zur Unterdrückung der Frauen -nach unseren Maßstäben- muß die flächige Durchsetzung bis in die Familien gehen.
Natürlich ist das keine Umgebung für frei denkende Menschen und es ist nach hiesigen Vorstellungen kein Rechtsstaat. Nach meiner Einschätzung ist das alles eine Spielart tradierter Verblendung, religiösen Wahns und menschlicher Dummheit. Die Mehrheit MUSS aber nicht so leben, sie WILL so leben.
Es gibt ein schönes Beispiel in der Geschichte, das ich von Beginn an verfolgt habe: Der Iran, ein ähnlich wie Afghanistan in moslemischer Tradition tief verwurzeltes Land. Der Schah (seine fragwürdigen Methoden ändern nur wenig) versuchte, dem Land zwar keine demokratische, aber eine westliche Lebenshülle überzustülpen. In Teheran liefen junge Frauen knapp bekleidet herum. Ein Straßenbild beinahe wie in jeder beliebigen westlichen Großstadt. Im Februar 79 kehrte Ajatollah Khomeini aus Paris nach Teheran zurück. Kurz zusammengefasst herrschte der blanke Terror. Trotzdem jubelten dem alten Glaubensdemagogen ein paar Millionen Menschen zu. Letztlich waren die uralten Strukturen stärker. Die unverhüllten Frauen verschwanden von der Straße, wer sich nicht fügte, wurde an Ort und Stelle umgebracht, es herrschte das islamische Gesetz oder das, was die religiösen Führer dafür hielten. Ohne Mehrheit im Volk, in der Verwaltung und in der Armee wäre der alte Mann, der aus Paris nach Hause kam, nur ein klappriger, einsamer Spinner gewesen.
In solcher Umgebung ist es die pure Idiotie, zu missionieren oder vermeintlich helfen zu wollen. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, lernt nichts aus der Geschichte.
Kein Land dieser Erde kann allein für sich existieren. Diese Staaten, in denen mehr gebetet und geglaubt als gearbeitet und gedacht wird, richten sich selbst zugrunde. Das gilt für jede Art der Verblendung, egal ob politisch oder religiös. Längerfristig am Leben gehalten werden solche Strukturen von Russen, Amerikanern oder wer auch immer gerade meint, mit Waffenlieferungen und Lebensmittelhilfe seine Interessen vertreten zu müssen. Sich selbst überlassen, könnten all die Gotteskrieger allenfalls mit Hanfsamen schießen. Sie ballern aber mit den Waffen ihrer früheren Sponsoren herum. Sich selbst überlassen, kommen sie irgendwann auf die Idee, ihre Kinder auf den Acker oder in die Schule zu schicken, statt mit Pistolen auf die Straße. Oder sie verhungern. In beiden Fällen ergibt sich eine Problemlösung.
Im übrigen lebt jedes totalitäre Regime von Feindbildern. Ohne Feindbild und die damit einfach machbare Solidarisierung breiter Massen laufen sich solche Systeme binnen kurzer Zeit tot. Dem Herrscher eines armen Volkes, das nichts zu Beißen hat, kann zum Machterhalt kaum Besseres passieren, als Angriffe von außen. Das lenkt höchst wirkungsvoll von Unfähigkeit und faulen Strukturen ab.
Aus all dem folgt, daß Missionierung und unerbetene Hilfe ungeeignete Wege sind.
Gruß
Wolfgang