Wozu verschiedene Lineaturen in der Grundschule?

Hallo!

Gleich vorweg: ich komme aus Österreich und habe nie eine deutsche Schule besucht. Nun lebe ich in Deutschland und beobachte fasziniert bis gestresst (beim Hefteeinkauf), dass es für jede Klasse in der Grundschule eine eigene Lineatur gibt.
Meine Fragen diesbezüglich: soll die Schrift dadurch regelmässiger , schöner werden? Oder was erhofft man sich? Was waren der Grund zur Einführung verschiedener Lineaturen?
Gibt es Studien die beweisen, dass die Schrift der Kinder durch die Verwendung unterschiedlicher Lineaturen besser geworden ist?

Liebe Grüße,
Ilse

Hallo Ilse,

ebenfalls gleich vorweg: meine Tochter schreibt, wo es ihr gerade passt, und in der Schule gibt’s sehr selten Arbeitsblätter mit Lineaturen (Hefte haben sie nicht, außer einem Geschichtenheft, in das sie eigene Geschichten schreiben können, wenn sie mögen), sie hat auch nach „Lesen durch Schreiben“ lesen gelernt, aber was ich mir vorstellen könnte:

In der ersten Klasse ist die Lineatur etwas größer, weil schon große feinmotorische Leistungen abverlangt werden, die bei einer größeren Lineatur einfacher erbracht werden können. In der zweiten Klasse ist die Lineatur etwas kleiner, da ist die Feinmotorik in der Regel schon besser ausgebildet, bis sie dann irgendwann bei der einfachen „Standardlineatur“ ankommen.

Gibt es Studien die beweisen, dass die Schrift der Kinder
durch die Verwendung unterschiedlicher Lineaturen besser
geworden ist?

Na ja, bei mir persönlich war das so, dass meine Grundschullehrerin in der 3.+4. Klasse verlangt hat, dass wir groß schreiben, weil sie schon alt war und schlecht lesen konnte, und dann kamen wir in die 5. Klasse, und die neue Lehrerin hat uns beschimpft, warum wir so groß schreiben, wir sollen gefälligst kleiner schreiben, und so war das ein hin und her.

Vielleicht melden sich aber auch noch Grundschullehrer(innen) zu Wort …

Viele Grüße
Christa

**Hallo Ilse,

die Lineaturen sollen eine Schreibhilfe sein,
eine Linienvorgabe in Schreibheften um Schülern das Erlernen der grundsätzlichen  Schriftform  einer Schriftart zu erleichtern.
Die Linienvorgabe bewegt sich dabei meist in einem Vierliniensystem, wobei Oberlänge, Mittellänge und Unterlänge in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Verschiedene Linienverhältnisse wurden bereits von historischen Schriftentwicklern wie beispielsweise  Rudolf Koch und Ludwig Sütterlin festgelegt**
.

Die Schrift soll dadurch gleichmäßiger werden und die Groß- und Kleinbuchstaben im Verhältnis stehen.

**Wenn es dann nur noch eine Linie gibt,
schreibt der eine etwas größer der andere etwas kleiner
aber das insgesamte Verhältnis der Schrift passt ob größer oder kleiner.

Vielleicht melden sich Lehrer bzw. Pädagogen zu Wort.

Hefteeinkauf wird zum Erlebnis.

Liebe Grüße

Helga**

Moin,

das hat schon seinen Sinn.
Zunächst verwenden die Kinder diese Viererlinien, die ähnlich wie Notenlinien aussehen. Dadurch sollen sie lernen, welcher Teil eines Buchstabens Ober-, welcher Unterlänge ist und welcher auf normaler Höhe steht, daß also z.B. das kleine ‚g‘ nicht auf derselben Höhe anfängt und aufhört wie das kleine ‚b‘. Zudem sollen sie lernen, proportional wohlgeformte Buchstaben zu bilden, bei denen das Verhältnis zwischen Ober-, Unterlänge und ‚Körper‘ etwa gleich ist. Dadurch wird i.d.R. auch vermieden, daß z.B. die ‚g‘-Schlaufen zu breit werden, da eine halbwegs runde Schlaufe bei nach unten hin vorgegebener Länge auch automatisch eine mehr oder weniger vorgegebene Breite hat.

Später kommen dan die Doppellinien. Das ist im Prinzip der Mittelteil des Viererlinien, d.h. der Teil, in den der ‚Körper‘ der Buchstaben geschrieben wird, also alles, was auf ‚Normalhöhe‘ steht. Ober- und Unterlängen können die Kinder dann etwas freier schreiben, so daß sich eine eigene Handschrift entwickelt, bei der manche Ober- und Unterlängen vielleicht etwas länger sind als andere und nicht mehr im gleichen Verhältnis zum ‚Körper‘ stehen…

Schlußendlich dürfen die Kinder dann mit den einfachen Linien arbeiten. Man geht dabei davon aus, daß sie bis dahin eine einigermaßen proportionierte Handschrift entwickelt haben und gibt ihnen nur noch vor, auf welcher Höhe der ‚Körper‘ der Buchstaben stehen soll…

LG

P.S.: Bei mir hat das damals nicht viel gebracht, hab kreuz- und quer geschrieben. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden hatte, wofür die Linien wirklich sind.
Das richtige ordentliche und proportionierte Schreiben habe ich tatsächlich mit Kästchenpapier gelernt, nachdem mir in der 3. Klasse mal jemand erklärte, daß man in die Kästchen schreiben muß und nicht einfach nach Lust und Laune kreuz und quer… :wink:

Achja, diese etwas höheren Kästchen, die gerne in der Grundschule verwendet werden, dienen dazu, daß die Kinder nicht glauben, sie müßten jeden Buchstaben - auch die mit Ober- und Unterlängen - in ein kleines Kästchen quetschen. In diese lange Kästchen paßt ‚Körper‘ und Oberlänge, nur die Unterlänge ‚schwänzelt‘ über das Kästchen hinaus…

Hallo Christiane!

Danke für Deine Antwort. Aber widersprechen sich dein erster Satz und P.S,. nicht? deshalb auch meine Frage: da hat sich sicher jemand was dabei gedacht als er/sie verschiedene Lineaturen zum Schreiben eingeführt hat. Aber macht es letztendlich wirklich Sinn? Wird die Schrift wirklich um so viel besser, regelmäßiger? In Österreich gibt es das nicht (in der Schweiz meines Wissens auch nicht) und ich wage zu behaupten, dass die Schrift der Kinder aus diesen Ländern auch nicht sonderlich schlechter ist.

Liebe Grüße,
Ilse

Hallo,
ich bin zwar schon „etwas“ aus dem Alter raus, kann mich aber noch gut erinnern, daß die Linien sehr hilfreich waren.
Es geht also wohl weniger um später, eine Sauklaue kann ich mit und ohne Hilfslinien entwickeln, sondern um das Erleichtern des Lernens.

Liebe Güße
MissSophie

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Hallo Ilse,
in der ersten Klasse starten die Kinder mit der speziellen Lineatur, teilweise mit Häuschen am Anfang und Ende der Zeile, damit sie sich besser orientieren können. Es hilft den Kinder, wenn man sagen kann, der Buchstabe S startet im „Dachgeschoss“ und endet im „Zimmer“. 
Der Buchstabe g geht bis in den „Keller“. Wenn man nur eine Linie nehmen würde, dann setzten manche Kinder die Buchstaben alle auf diese Grundlinie, so dass manche Buchstaben „schweben“. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte, wie groß die einzelnen Buchstaben werden sollen.
Man geht davon aus, dass die Schüler in Klasse 3 nur noch 2 Linien benötigen um eine regelmäßige, lesbare Schrift zu entwickeln. In Kl. 4 schließlich bleibt nur noch eine Linie.
Ich konnte bisher feststellen, dass es einigen Viertklässlern bisweilen schwer fiel, eine angemessene Schriftgröße zu schreiben. Von Mikroschrift (bis max. halbe Höhe des Linienzwischenraums) bis Riesenschrift (von untere Linie bis obere Linie) ist alles dabei.
Man führt die Kinder also langsam und ihren feinmotorischen Fähigkeiten gemäß an die Schrift heran. Auch in Mathematik gibt es für das 1. Schuljahr extra große Karos und erst später kleinere.
Das gibt es schon ziemlich lange, vor 40 Jahren wurden auch schon verschiedene Lineaturen benutzt. Ob es Studien dazu gibt , weiß ich nicht.
Liebe Grüße
Riesenwicht