Wualanar Siach

Liebe Dialektiker,

mit den Jahren entfernt sich das Bodensee-Alemmanische von meinem aktiven in den passiven Wortschatz.

Heut ist mir unverhofft ein Begriff daraus wieder begegnet: „Sell ischt doch a wualanar Siach, a wualanar“.

Mir scheint, daß dieses Attribut (deutsch etwa: „barbarisch, ungeschlacht, animalisch“ - sowohl negativ als auch höchst positiv besetzt, je nach Kontext) auch im alemannischen Raum bloß ganz eng umgrenzt etwa Tettnang-Lindau verwendet wird, und bereits im Gsibergischen und im Appenzell nicht bekannt ist.

Was ist das, wo kommts her, was bedeutet es wörtlich?

Für Einfälle, Hinweise, Informationen dankt

MM

Moin, MM,

ich vermute, das kommt vom Wühlen: der wuahlat und grattlat umaranand, bisch r ganz hii isch. So heißt’s jedenfalls im nördlichen Ooschdalgei :smile:

Gruß Ralf

Servus Ralf,

daran hab ich auch gedacht - aber ich bin nicht recht glücklich damit, weil das täte doch dann eigentlich „wualig“ heißen?

Schöne Grüße

MM

Hallo, Martin,

Heut ist mir unverhofft ein Begriff daraus wieder begegnet:
„Sell ischt doch a wualanar Siach, a
wualanar“.

Was ist das,

im Langenargener Wörterbuch „Seealemannisch“ * gibt es einen Eintrag „wulla adj. schlitzohrig“ und auf einer Wangener Site** „wullener Sack - abgehärteter Typ“

wo kommts her, was bedeutet es wörtlich?

Dazu schreibt Hermann Fischer im „Schwäbischen Handwörterbuch“:

"wollen wullen wüllen

  1. aus Wolle …
  2. was sich wie Wolle anfühlt …
  3. von Menschen: wūlē phlegmatisch, wer nicht viel Leben zeigt, gefühllos erscheint, träg und schläfrig.
    Ein wullener hartschlägiger, der alle Warnungen in den Wind schlägt; trockener; langsamer, auch heimtückischer; übelgelaunter, schlecht aufgelegter; unverbesserlicher; wortkarger Mensch. S. a. Wulewatsch."
    http://books.google.de/books?id=8IPVZwinb9oC&printse…

Ähnlich bei Grimm (zum Adjektiv „wollen“):

"3) (landschaftlich) was sich wie wolle anfühlt …
metaphorisch ‚von phlegmatischen menschen gesagt, die nicht viel leben zeigen, träge, schläfrig sind‘
"
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…

Eine andere Spur könnte zu WUHL führen:

" m., mhd., ahd. wuol; mnd. wôl ‚aufruhr, streit‘; as. wôl ‚seuche, verderben‘; ags. wōl ‚pest, plage‘
[…]
2) kadaver, aas; ’
wul, m., ein verstorben aass’
3) über die bedeutung ‚kadaver‘ wird
wuhl zum schimpfwort, vgl. dieselbe entwicklung bei aas …
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…

Mir scheint aber die erste Herleitung plausibler.

Gruß
Kreszenz

* http://74.125.39.104/search?q=cache:59mz-TnI8zkJ:www…

** http://www.wangenonline.de/sprache/sprache.html

Servus Kreszenz,

da dank ich schön für die vielfältigen Erhellungen und überreiche ein * falls Dich sowas interessiert.

– mir schmecken die zitierten Herleitungen aber alle nicht so recht. Einmal gibts ja „wollen“ mit dem kurzen o schon auch (abgesehen davon, daß ein vierschrötiger Kloben sich nicht grad wollen anfühlt), und die Sache mit dem Aas kommt mir zu kompliziert vor.

Für „wollen“ spricht allerdings, daß „hôrig“ in der Nachbarschaft im Schwäbischen ganz ähnlich angewendet wird, etwa beim Eberhardzeller Narrengruß „Hôrig, hôrig isch die Katz“.

Angesichts der lokalen Verbreitung scheints mir nicht ausgeschlossen, daß da etwas vor-Alemannisches, „irgendwie“ Keltisches im Spiel ist.

Es wäre allemal interessant zu wissen, ob das Wort südlich des Sees verstanden wird - ich glaub eher nicht.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

ich vermute, das kommt vom Wühlen: der wuahlat und grattlat
umaranand, bisch r ganz hii isch. So heißt’s jedenfalls im
nördlichen Ooschdalgei :smile:

das besagte „wulle“ bzw. „wulla“ (so kenne ich es aus meinem Sprachraum in OA) entspricht am ehesten dem „zwilcha“ aus dem Sprachraum OAL. „G’wualat“ wird in dieser Hinsicht weder da, noch dort…

Grüße
formica