Wuerde der Kapitalismus ohne Migranten funktionieren?

Guten Abend,
was waere, wenn es in einem kapitalistischen, westlichen Land kaum Migranten gaebe. Es gaebe sicherlich weniger billige Arbeitskraefte. Mir geht es aber vor allem um einen anderen Aspekt:

Immer, wenn es wirtschaftlich schlecht geht, taucht ein Rechtspopulist auf der die allgemeine Unzufriedenheit der Buerger auf die Migranten lenkt.

Dies geschah und geschieht in vielen Laendern so, egal was die Probleme im Land sind, immer wird von irgendeiner Seite versucht, das Migrantenproblem in den Vordergrund zu ruecken.

Beispielhaft gesprochen: Wenn mehr und mehr Menschen in einem Land unzufrieden sind und eigentlich eine sozialistische Regierung die Mehrheit bekommen koennte, ist es ganz praktisch fuer die Oberschicht wenn z.B. Probleme mit kriminellen Auslaendern die Schlagzeilen erobern, ein Populist gegen die Migranten schimpft und der Waehler doch lieber rechts oder zumindest konservativ waehlt.

Also, wuerde der Kapitalismus ohne ethnische Minderheiten funktionieren?

Gruss
Desperado

Das hat nichts mit ethnischen Minderheiten zu tun, sondern mit Menschen, die nicht genug fürs Leben haben resp. Menschen die glauben nicht genug zum Leben zu haben.

Kapitalismus lebt von der Ungleichverteilung und der Hoffnung derer die UNTEN sind auf einen Aufstieg nach OBEN.

Ethnische Minderheiten sind halt einfach zu benutzen, weil sie sich weniger gegen die Vereinahmung wehren können.

Hi
Das eine hat mit dem anderen kaum was zu tun!

Im einen geht es um das Wirtschaftssystem, im anderen um den Machterhalt, bzw die Machtübernahme in einem politischen System.
Des weiteren gibt es „Den Kapitalismus“ nicht so als monolithischen Block (genausowenig wie es "Den Sozialismus/Kommunismus als monolithischen Block gibt)

Fremdenfeindliche Äusserungen sind daneben nicht auf Rechtspopulisten beschränkt. So hat sich Oskar Lafontaine ziemlich Abfällig über „Fremdarbeiter“ geäussert, blos um auf der populistischen Schiene ein paar Punkte zu sammeln. Lafontaine ist nun eher das Gegenteil von „Rechts“ (das war 2005, btw.)

Ganz simpel: Wenns dem Land schlecht geht, dann sucht man sich gerne ein paar Sündenböcke, und „der Fremde“ war schon immer bestens für diese Rolle geeignet. Der Vorteil: Man muss die eigentlich zugrunde liegenden Probleme nicht beseitigen (das ist mühsam und könnte mit Einschränkungen des eigenen Lebensstiles einhergehen).
Das ist schon seit der Antike so und wird wohl bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Erde in die Sonne stürzt so bleiben. Vieleicht haben sich sogar schon die Neadertaler über die Zuwanderung von diesen „Typen mit den komischen Kopfformen“ Sorgen gemacht und sie als Gefährdung ihres Lebensstils gesehen :slight_smile:

Um deine Frage zu beantworten: Ja, „der Kapitalismus“ würde auch ganz gut ohne ethnische Minderheiten funktionieren.

LG
Mike

Kapitalismus lässt sich m.E. durchaus über alle Subtypen hinweg definieren:
Kapitalismus sei eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln basiert und deren oberste Funktionslogik die Akkumulation des eingesetzten Kapitals ist (vulgo: Streben nach Gewinn).

Ja, weil er für diesen Sündenbock-Ablenkungs-Mechanismus, um den es dir hier offenbar vorrangig geht, anstatt der Differenz einheimisch/fremd auch andere Differenzierungslinien benutzen könnte (Mann/Frau, -/Jude, Proletariat/Lumpenproletariat usw.), um die beherrschten Klassen gegeneinander auszuspielen.
Das halte ich aber nicht für einen Mechanismus, der auf den Kapitalismus beschränkt ist, sondern der historisch in allen hierarchisch organisierten Gesellschaftsformen beobachtbar ist.

Nein, weil ein kapitalistisches Gesellschafts-/Wirtschaftssystem als dominante Tendenz (d.h. zeitlich begrenzte Gegenbewegungen inbegriffen) darauf zielen muss, sämtliche gewinn- bzw. akkumulationshemmenden Zirkulationsbeschränkungen von Ware und Arbeitskraft zu beseitigen - darunten eben auch Migrationsbeschränkungen.
Ein Gesellschaft-/Wirtschaftssystem, das nicht darauf zielen würde, wäre nach obiger Definition nicht sinnvoll als „Kapitalismus“ zu bezeichnen.

Das ist im Grund eine Variante der alten Kapitalismus-Faschismus-These.
Ihr wahrer Kern ist m.E. der, dass der Kapitalismus grundsätzlich so funktioniert, dass er periodisch Krisen erzeugen muss, die dann der Nährboden für die Verhärtung der Menschen untereinander sind (egal ob Rechts-, Linkspopulismus, religiöser Dogmatismus oder auch nur Verrohungen im privaten Umgang zwischen Eltern und ihren Kindern usw.)
Andererseits trägt der Kapitalismus seiner dominanten Tendenz nach enorm dazu bei, all die althergebrachten Trennlinien zwischen den Menschen zu verdampfen, an denen sich diese Verhärtungen historisch stets verfestigt haben.

Gruß
F.

Hallo,

dann hat also Venezuela keine sozialistische Regierung? Da gibt es all die Symptome die Du schilderst. Von daher solltest Du Dich von dem Trugbild verabschieden, dass nur Rechtspopulisten mit dem Finger auf Migranten weisen.

Gruß
vdmaster

Hallo,

ich vermute, der Kapitalismus würde auch ohne Migration funktionieren, wenn es ausreichend armen, ausbeutbaren Nachwuchs gäbe. Wo das nicht der Fall ist, sind der Geld- bzw. Politmacht Migranten als Lohndrücker nat. sehr willkommen. Man kann halt nicht alles nach Bangladesh auslagern.
Man erinnere sich an die 60er Jahre, in denen sich die Arbeiter den Job aussuchen und Lohnforderungen stellen konnten. Damals wurde Migration enorm gefördert, man nannte es Gastarbeit.

Das derzeit zu wiederholen käme wohl nicht gut an. Außerdem sind die derzeitigen Flüchtlinge im Schnitt wesentlich besser ausgebildet, als die seinerzeitigen Gastarbeiter, bringen als schon Investition in Form von Bildung mit.

Den Rechtspopulismus nimmt man ev. als Nebeneffekt mit, aber ich denke, der ist immer latent vorhanden und hier nicht der wesentliche Punkt. Den kann man sicher immer und leicht puschen.
Könnte mir gut vorstellen, dass das „Flüchtlingsproblem“ derzeit medial so aufgebauscht wird, damit unsere Regierung ein richtiges Problem hat, dass sie suverän lösen kann (so wie Schröder damals die Flutkatastrophe).

Wenn die Natur nichts hergibt, muss man halt selbst was basteln um gut da zu stehen.
Warten wirs ab. Wenn sich Merkel & Co rechtzeitig vor der nächsten Wahl mit der geleisteten Flüchtlingshilfe und den tollen Problemlösungen brüsten, wäre das schon ein Hinweis.

Gruß, Paran

Hallo Mike,
ich denke, dass gerade der Kapitalismus fuer Ungleichheit sorgt und deshalb fuer Frustration bei den 99%. Damit diese nicht (demokratisch oder durch Umsturz) ihren Teil des Kuchens einfordern muss die Oberschicht probieren, die 99% von der Ungleichheit abzulenken bzw. ihnen zu suggerieren, dass die oberen 1% nicht fuer die Ungleichheit verantwortlich sind sondern andere - und andere sind eben oft Menschen mit anderer Kultur/Religion/Ethnizitaet…

Es gibt natuerlich ueberall Rassismus aber durch die enorme Ungleichheit im Kapitalismus ist es fuer die Oberschicht in diesem System besonders wichtig, solch einen Plan B zu haben bevor eine wirklich linke Partei die Privilegien der Oberschicht abbaut.

Es ist deshalb auch kein Wunder, wieso probiert wird, moeglichst viele Migranten ins Land zu lassen, denn wenn es kaum Migranten gibt, kann man diesen auch schlecht die Schuld fuer alles in die Schuhe schieben (das schaffen nur die Pegidademonstranten, die aber auch ansonsten wenig mit Logik am Hut hatten).

Gruss
Desperado

Hallo Paran,
ich denke nicht, dass die grosse Koalition es schafft, das Fluechtlingsproblem zu loesen. Gerade in den Anfangsjahren wird es zwischen den neuen und alten Buergern im Land ziemlich viele Reibungen geben, welche sich vermehrt in Ausschreitungen, Terroranschlaege usw. zeigen werden.

Dass die Fluechtlinge so gut ausgebildet sind, bezweifle ich. Von denen, die in ihrer Heimat studiert haben und in Deutschland weiter studieren, ist der Anteil der Personen, die das Studium erfolgreich abschliessen, nur halb so hoch bei bei den deutschen Studenten. Ich hab bisher noch keine brauchbaren Statistiken darueber gesehen, wieviel gut ausgebildete Fachkraefte unter der Fluechtlingen sind - ich sehe in den Medien immer nur diverse Spekulationen darueber, „unterbaut“ mit positiven Einzelbeispielen von diversen Aerzten… die unter der Fluechtlingen zu finden sind.

Gruss
Desperado

Hallo,

kenne Asylbewerber, die eine handwerkliche Ausbildung haben und nicht arbeiten dürfen, aber in der Nachbarschaft helfen - mit einem Erfindungsreichtum, Engagement und einer Genauigkeit, die man bei den meisten deutschen Handwerkern leider nur selten findet.

Und Migranten mit abgeschlossenem Studium müssen hier nicht zwangsläufig weiterstudieren. Das Diplom befähigt selten zu konkreter Arbeit, die muss man eh noch in einer Firma lernen. Das kann auch ein Dipl. Ing.-Syrer - sobald er Deutsch oder Englisch gelernt hat.
Wer Berufserfahrung hat, mag einiges besser können, als ein deutscher Uni-Absolvent.

Und was die große Koalition schafft ist eins, was sie uns verkauft ein anderes. Die werden schon rechtzeitig vor der Wahl tolle eigene Erfolge oder Misserfolge der Konkurrenz aus dem Hut zaubern, dazu ein paar grenzwertig rechte Sprüche - kennt man doch alles.
Kann man Politikern vorwerfen, dass die Wähler immer wieder mehr auf die aktuellen Worte als die erfolgten Taten achten? Das ist verm. eine philosophische/moralische oder im weitesten Sinne biologische Frage. Was geht, wird gemacht.

Gruß, Paran