Zapfenstreich

Hallo,
beim Zappen durch die Sender bin ich gerade beim „Großen Zapfenstreich“ in Halle gelandet.
Was soll das? Wenn ich überlege, wie lange die dafür üben mussten.
Das mag ja ein schönes Bild geben und auch die Instrumente beherrschen sie. Aber einen richtigen Sinn finde ich nicht.
Die Soldaten sollen für ihre Aufgaben ausgebildet werden. Volksbelustigung zähle ich nicht dazu.
Oder gibt es dafür nachvollziehbare Gründe?
Militärische Ehren bei Staatsempfängen schließe ich bei der Infragestellung aus. Was die anderen machen, muss unser Land ja auch. Gastfreundschaft ist manchmal kompliziert.
Grüße
Ulf

Hallo,

beim Zappen durch die Sender bin ich gerade beim „Großen
Zapfenstreich“ in Halle gelandet.
Was soll das?

Du suchst nach einem effektiven Nutzen? Den wirst Du nicht finden. Das finde ich aber nicht schlimm, weil wir in einer Zeit leben, in der es nur noch um den effektiven Nutzen geht. Wer keinen Nutzen bringt oder nicht effektiv ist, scheidet aus. In manchen Dingen kommt es zum Glück aber nicht darauf an. Und damit ist für mich persönlich auch die Frage „Was soll das?“ beantwortet. Ob Dir das ausreicht, weiß ich natürlich nicht :wink:

Wenn ich überlege, wie lange die dafür üben
mussten.
Das mag ja ein schönes Bild geben und auch die Instrumente
beherrschen sie. Aber einen richtigen Sinn finde ich nicht.
Die Soldaten sollen für ihre Aufgaben ausgebildet werden.

Da muss getrennt werden - die Musiksoldaten gehören nicht zum Wachbataillon!!
Die Musiker sind nicht nur vollausgebildete Musiker, sondern auch vollausgebildete
Sanitätssoldaten, die sich durchaus auch in Einsätzen antreffen lassen.

Die Soldaten des WachBtlBMVg sind vollausgebildete Infantristen, die z. T. mehr Zeit auf Truppenübungsplätzen und Schießanlagen verbringen als die Soldaten in vielen anderen Verbänden der Bundeswehr. Nur haben sie noch einen zusätzlichen Ausbildungsschwerpunkt im Bereich des Formaldienstes. Das Wach bataillon hat seinen Namen nicht aus Gründen des Formaldienstes.

Volksbelustigung zähle ich nicht dazu.

Volksbelustigend waren nur jene „Personen“, die im Hintergrund dauernd versucht haben, die Sache durch ihr Urwaldgejohle zu stören. Nur die haben sich da schön zum Affen gemacht. Vielleicht fühlen sie sich dadurch ja jetzt schöner :wink:

Grüße
Tom

Tach!

beim Zappen durch die Sender bin ich gerade beim „Großen
Zapfenstreich“ in Halle gelandet.
Was soll das?

Prinzipiell ist der Große Zapfenstreich nichts weiter als eine Zeremonie oder Ritual zu Ehren einer Person (oder mehrerer).

Ähnlich „sinnlose“ Veranstaltungen wäre z.B. die Siegerehrung nach einem Wettkampf, wenn dem Sieger ein Lorbeerkranz um den Hals gehängt oder ein Pokal in die Hand gedrückt wird (die Sieger der Oscar-Verleihung könnte man auch in der Zeitung bekanntgeben und den Preis mit der Post verschicken).

Als genau so „fragwürdig“ könnte das morgendliche Hissen und abendliche Einholen der Landes- und Stadtflaggen vor dem Rathaus ansehen.

Manchmal frage ich mich, ob nicht auch Geburtstagsfeiern solch sinnlose Rituale sind. Oder das gegenseitige Begrüßen per Handschlag - Sinn macht das heutzutage auch nicht mehr unbedingt.

Grüße
Heinrich

Du suchst nach einem effektiven Nutzen? Den wirst Du nicht
finden. Das finde ich aber nicht schlimm, weil wir in einer
Zeit leben, in der es nur noch um den effektiven Nutzen geht.
Wer keinen Nutzen bringt oder nicht effektiv ist, scheidet
aus. In manchen Dingen kommt es zum Glück aber nicht darauf
an. Und damit ist für mich persönlich auch die Frage „Was soll
das?“ beantwortet. Ob Dir das ausreicht, weiß ich natürlich
nicht :wink:

Hallo Tom,
so habe ich das nicht geschrieben. Eine sehr gut ausgebildete und technisch perfekt ausgestattete Armee, sollte möglichst wenig zum Einsatz kommen.
Mir geht es nicht um den Sinn vom Soldat-Sein. Ich erlaube mir allerdings, den Sinn von Ritualen zu hinterfragen.
Grüße
Ulf
PS: Persönlich musste ich auch groben Unfug mitmachen. Sitzplatzreserve. Das war aber in der DDR.

Hallo Heinrich,

Ähnlich „sinnlose“ Veranstaltungen wäre z.B. die Siegerehrung
nach einem Wettkampf, wenn dem Sieger ein Lorbeerkranz um den
Hals gehängt oder ein Pokal in die Hand gedrückt wird (die
Sieger der Oscar-Verleihung könnte man auch in der Zeitung
bekanntgeben und den Preis mit der Post verschicken).

Hier würde ich unterscheiden, ob es sich um das Protokoll eines Staates oder um Vereinsmeierei bzw. Hobby handelt.
300 Jahre Garnisonsstadt finde ich unwichtig. Der Heimatverein darf das natürlich feiern. Wenn dem sich Leute vom Militär freiwillig anschließen – gerne.

Als genau so „fragwürdig“ könnte das morgendliche Hissen und
abendliche Einholen der Landes- und Stadtflaggen vor dem
Rathaus ansehen.

Hier fehlt dir der Bezug zur Realität. Beobachte mal morgens und abends die Fahnenstangen deines zuständigen Rathauses.

Manchmal frage ich mich, ob nicht auch Geburtstagsfeiern solch
sinnlose Rituale sind. Oder das gegenseitige Begrüßen per
Handschlag - Sinn macht das heutzutage auch nicht mehr
unbedingt.

Versuche doch einfach mal sachlich auf die Frage einzugehen. Ich wollte weder dich noch die Bundeswehr angreifen. Kritische Fragen sind hoffentlich noch erlaubt.
Grüße
Ulf

Volksbelustigung zähle ich nicht dazu.
Oder gibt es dafür nachvollziehbare Gründe?

Ist halt die Frage, wie man „nachvollziehbar“ definiert. Für den einen mag es angebracht sein, dass zu bestimmten Anlässen ein militärisch-feierlicher Rahmen geboten wird. Für den anderen ist das sinnloser Firlefanz. Ich tendiere eher zu letzterer Auffassung.

Auch der Sinn des allseits beleibten Formaldienstes in der Grundausbildung hat sich mir nicht ganz erschlossen. Da sowohl Linientaktik als auch Pikenkarree der Vergangenheit angehören, hätte man diese Zeit mit sinnvolleren Ausbildungsinhalten füllen können. Aber das nur am Rande.

Ich finde gut, das du dieses Brauchtum hinterfragst und nach dem Nutzen fragst, weniger gut finde ich es dann, wenn jemand berechtigter Weise ähnlich gelagerte Beispiele (Geburtstagsfeiern, Handschlag) anführt und du das dann als unsachlich abtust, was es aber (auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick den Eindruck erweckt) definitiv nicht ist!
Letztendlich ist der Sinn militärischen Brauchtums und militärischer Tradition auch vielen Soldaten nicht klar.

Militärisches Brauchtum ist genauso, wie auch andere Gesellschafts- und Peergroupverhaltensrituale ein Ausdruck von Höflichkeit, Zusammengehörigkeit und tatsächlicher Zelebrierung von Gemeinschaft. Die Durchführung eines großen Zapfenstreiches mag als Außenstehender und Unbeteiligter seltsam und „verstaubt“ anmuten, ich persönlich habe es aber noch nie erlebt, dass sich jemand der Faszination und dem Zusammengehörigkeitsgefühl entziehen kann, der als Besucher oder Beteiligter an einem großen Zapfenstreich teilgenommen hat. Es geht um Identifikation mit und Repräsentation von einer Gemeinschaft die in diesem Fall auf einer durchaus auch stark emotionalen Ebene abläuft. Der Große Zapfenstreich ist in seiner Form militärhistorisch gewachsen und das höchste Zeremoniell und damit die höchste Ehrung, die die Bundeswehr Jemandem/Etwas erweisen kann.
Der Große Zapfenstreich hat zudem einen Besinnungscharakter, was unter anderem auch am gemeinsamen Gebet deutlich wird.

Ich finde, dass es in Zeiten massiver Individualisierung von Verhaltensweisen und Verantwortungsdiffusion eben solche Rituale sind, die dem Individuum eben doch verdeutlichen, dass es trotz aller Individualisierung insbesondere in einem Organ, wie der Bundeswehr, immernoch die Gemeinschaft gibt auf die man sich verlassen und an der man sich im Zweifelsfall auch orientieren kann.

Es geht hier nicht um Gleichschaltung (wie jetzt der ein oder andere ewiggestrige 68er eventuell einwerfen wird), sondern um gemeinsames Erleben und das kommt in unserer Gesellschaft leider immer mehr zu kurz, wenn es überhaupt noch stattfindet. Weiterhin ist es im Zeitalter von Megatrends, wie eben der Individualisierung und Identifizierung durch Freizeitverhalten, in Streitkräften absolut notwendig den Identifikationsbezug (durch Weitergabe und Pflege von Traditionen) zum „Soldatsein“ zu erhalten. In keinem anderen Beruf, wie dem des Soldaten sind Überleben und Erfolgsaussichten so sehr vom Gemeinschaftsgefüge und beruflichem Selbstverständnis abhängig, wie im Soldatenberuf. Wer als Soldat und insbesondere als militärischer Vorgesetzter kein soldatisches Selbstverständnis und persönliche Überzeugung entwickelt ist in meinen Augen ein tötliches Risiko für sich selbst und alle Kameraden aber auch etwaigen betroffenen Zivilisten die durch sein Verhalten beeinflusst werden können.

Was bei mangelndem soldatischen Selbstverständnis passiert haben die „Schädelfotos“ anschaulich gezeigt, was bei falsch verstandenem Brauchtums- und Traditionsbewusstsein passiert hat der „Palmenskandal“ deutlich gemacht. Und hierbei ist nicht nicht mal jemand gestorben…

Das war jetzt ein weiter Ausflug, aber ich hoffe ich konnte verständlich machen, warum zumindest im militärischen Bereich Brauchtum und Traditionspflege wichtig und richtig ist. Über Geburtstage und Handschlag kann man weiter diskutieren, hier geht es dann aber um allgemeine Gesellschaftsentwicklungen. Solche Gesellschaftsentwicklungen (insbesondere im Bereich der Individualisierung) sind es im Übrigen, die überhaupt dazu führen, das fragen wie diese (berechtigter Weise) aufgeworfen werden.

Wie sehr aber mittlerweile auch in allen Gesellschaftsteilen das Bedürfnis am gemeinsamen Erleben gestiegen ist hat die Weltmeisterschaft sehr anschaulich gezeigt.

Gruß Andreas

weniger gut finde ich es dann, wenn jemand
berechtigter Weise ähnlich gelagerte Beispiele
(Geburtstagsfeiern, Handschlag) anführt und du das dann als
unsachlich abtust

Hallo Andreas,
zwischen einem Zapfenstreich und einer Geburtstagsfeier oder einem Handschlag sehe ich schon einen erheblichen Unterschied. Die Teilnahme an der Geburtstagsfeier wird nicht befohlen.
Danke für die umfangreiche Schilderung deiner Meinung.
Grüße
Ulf

Die Teilnahme an der Geburtstagsfeier wird nicht befohlen.

Der Begriffe „befohlen“ würde wohl tatsächlich fehl am Platze sein, aber geh davon aus, dass gesellschaftsuntypisches Verhalten sicherlich auch gesellschaftlich sanktioniert wird.

Gruß Andi

Hallo Ulf,

zwischen einem Zapfenstreich und einer Geburtstagsfeier oder
einem Handschlag sehe ich schon einen erheblichen Unterschied.
Die Teilnahme an der Geburtstagsfeier wird nicht befohlen.

Den Unterschied sehe ich nicht ganz so deutlich. Sicherlich willst Du damit sagen, dass die Soldaten keine andere Wahl haben als dem Zeremoniell beizuwohnen. Nun, das stimmt nicht ganz. Wenn eine gute Begründung vorliegt, können sie unter der Zustimmung ihres Vorgesetzten wegbleiben. Unbegründet geht das natürlich nicht, das hätte Folgen.

Im Falle einer Einladung zu einer Geburtstagsfeier oder dem Angebot zum Handschlag ist es indes nicht anders. Wenn ich die Einladung zur Feier oder das Angebot zum Handschlag unbegründet ablehne, verletze ich damit ebenso gewisse Konventionen, wodurch sich mein Gegenüber möglicherweise empört und brüskiert fühlt. Auch das kann durchaus Folgen für mich haben, z. B. wenn ich meinem eigenen Chef den Handschlag unbegründet verweigere. Auch hier kann ich Negativfolgen nur mit sachlich hinreichenden Begründung umgehen, indem ich z. B. die Einladung mit dem Hinweis auf bereits bestehende und nicht unbedeutendere Termine ablehne, den Handschlag wiederum z. B. mit dem Vorliegen eines grippalen Infektes. Mit diesen Begründungen werbe ich um das Verständnis meines Gegenübers. Werbe ich um sein Verständnis nicht, laufe ich Gefahr, ein gutes Verhältnis zu beschädigen.

Grüße
Tom

Tach!

Versuche doch einfach mal sachlich auf die Frage einzugehen.
Ich wollte weder dich noch die Bundeswehr angreifen. Kritische
Fragen sind hoffentlich noch erlaubt.

a) es war m.E. eine sachliche Antwort. Es geht um Rituale innerhalb bestimmter Gruppen - ob das die Armee ist oder die Rentnergemeinschaft oder ein simples Treffen einer gewissen Anzahl von Menschen. Es werden bestimmte Rituale veranstalten und auch erwartet. Ob die Rituale Sinn haben oder nicht (der Handschlag bei Begrüßung z.B. als Nachweis darüber, dass man keine Waffe in der Hand hält), möge jeder selbst beurteilen. Wenn das Militär glaubt, so etwas wie einen Großen Zapfenstreich zu benötigen, dann sollen sie ihn veranstalten.

b) ich habe weder mich noch die Bundeswehr als angegriffen gefühlt. Mir ging es nur um eine Darstellung durchaus „gleichermaßen sinnloser“ Rituale.

c) Kritische Fragen sind jederzeit erlaubt. Kritische Antworten darauf hoffentlich auch.

Grüße
Heinrich