zeitgemäße Literatur zu mesopotamischer Religion?

Hallo zusammen,
suche nach ausgiebiger wissenschaftlicher Literatur zu den Religionen, Mythen und Symbolen der alten Mesopotamier (Sumerer, Akkader, Assyrer, Elamiten, Chaldäer, etc) mit einigermassen aktuellen Erkenntnissen. Oder inwieweit haben zB Jastrow, Meissner und Jeremias (Haas, Lenormant, etc) heute noch Geltung? Kann jemand aktuell(st)e Literatur empfehlen? was ist up to date? was ist eindeutig veraltet??
vielen Dank
lieben Gruss

PS: Groneberg liegt bei über 250,- und ist leider zu teuer! von Jastrow gibt es Ausgaben um die 100,- und wären gerade noch so erschwinglich :-/

Literatur zu Altorientalistik
Hallo,

suche nach ausgiebiger wissenschaftlicher Literatur zu
(Sumerer, Akkader, Assyrer, Elamiten, Chaldäer, etc)

das kommt darauf an, wie deine bisherige Erfahrung damit aussieht und welche Voraussetzungen zu mitbringst und was du unter „aktuelle Erkenntnisse“ meinst. Denn aktuelle Forschung spielt sich in diesem Gebiet (wie auch in jeder wissenschaftlichen Forschung) nicht in zusammenfassenden Büchern, Anthologien usw. ab, sondern in Kongressen (bzw. deren Proceedings) und in Fachzeitschriften.

Umfassende Publikationen, die extern über Forschungsergebnisse berichten, altern eigentlich nie. Daher ist und bleibt soetwas wie z.B.
Diane Wolkstein/Samuel Kramer „Inanna“
Samuel Kramer „Sumerian Mythology“
ebenso aktuell wie neueres Allgemeines, z.B.
Brigitte Groneberg „Die Götter des Zweistromlandes …“
oder Spezielleres, z.B.
Morris Jastrow „An old Babylonian version of the Gilgamesh epic“ ASIN B00SK7AL72

Aktuelle Diskussionen betreffen ja selten solche Werke insgesamt, sondern meist einzelne Aussagen, Hypothesen, Theorien innerhalb der Abhandlungen. Und diese Diskussionen, Kritiken usw. finden sich in Fachzeitschriften (s.u.).

Wenn du aber tiefer eingestiegen bist oder einsteigen willst, und ggf.sogar Sprachkenntnisse hast (sumerisch, oder babylonisch oder andere semitische Sprachen), dann empfiehlt es sich, mal in die Literaturlisten von einzelnen Altorientalisten hineinzuschauen.

Beispiele:
Brigitte Groneberg
Frauke Weiershäuser
Stefan Maul
oder Listen von → Fachbereichen Altorientalistik
oder speziellere Literaturlisten wie z:b. zur Assyriologie

Oder du du recherchierst mal nach Themen deines Interesses in den bedeutenden Fachzeitschriften, so daß du siehst, womit sich die jeweils aktuelle Forschung beschäftigt, bzw in früheren Jahrgängen bereits beschäftigt hat: Zu den wichtigsten zählt
N.A.B.U aka NABU (Nouvelles Assyriologiques Brèves et Utilitaires) und
MDOG (Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft zu Berlin)
Zugang zu den Inhalten gibt es auch online:
MDOG
NABU

Und eine Liste der Fachzeitschriften gibt es → hier.

Teure Publikationen wie die von Groneberg (natürlich empfiehlt sich sowas) mußt du ja nicht kaufen. Die sind eh eher für Bibliotheken gedacht. Die Preise kommen von der geringen Auflage. Du kannst sie aber in jeder Uni-Bibliothek ausleihen bzw. bestellen. Oder in Fachbereichs-Bibliotheken vor Ort lesen. Auch wenn du nicht Mitglied einer Uni bist, kannst du dort jeweils einen Gastzugang erwerben.

Gruß
Metapher

Hallo, also erstmal danke für Deine Rückmeldung!
Mich interessieren in erster Linie die religiösen Aspekte der mesopotamischen Kulturen, da ich an deren Symbolik interessiert bin (vergleichend).
Gelesen hatte ich bereits Jastrow (als PDF !!), Jeremias (Hdb der altorientalischen Kultur), Roaf, Beek, kenne ausserdem noch Jensen (Kosmologie), etc.
Sumerisch oder eine andere entspr. Sprache kann ich leider nicht (nur etw griechisch & latein), bliebe also nur deutsche und (weniger gerne) englische Werke…

Was mir vorschwebt wäre vergleichbar auf ägyptischen Gebiet mit Koch - Geschichte der ägyptischen Religion (halt nur für Mesopotamien), oder dergleichen.

Ist Jastrow denn nicht - ich sags mal krass - überholt ??
Ich weiss leider zu wenig, um das zu entscheiden, aber ich denke vieles was die damals vor sich hatten, war auch eine Frage der Interpretation, und die fällt heute vllt (zumindest teils) anders aus als vor 100 Jahren …?

Deine links werd ich mal durch sehen…
lG

PS: Jastrow nur den ersten Bd. (gelesen)

PPS: StaBi Ausweis hab ich natürlemang, aber so ganz nebenbei bin ich auch noch Sammler (-Bücher-Narr), und hätte halt gerne das eine oder andere im Regal stehen…
Wenn ich zB wüßte daß der Jastrow noch nicht veraltet ist, würde ich da wohl mal zuschlagen… :wink:

Morris Jastrow et al.
Hallo,
es scheint mir auf Grund deiner Antworten, daß du jedenfalls gerne einen Gesamtüberblick „mesopotamische Religionen“ möchtest, und zwar alles unter einem Dach Buchdeckel, aber zugleich auch tiefer ins Detail gehend. Das geht natürlich kaum gleichzeitig.

Zunächst zu Morris Jastrow: Sein umfangreiches Werk gab vor nunmehr fast genau 120 Jahren (1898, die jüngste Aufl 1905) einen der ersten großen Überblicke über den damaligen Forschungsstand. Seitdem ist natürlich viel geschehen. So erwähnt Jastrow mit keinem Wort Sumer, auch Akkad war damals kein allgemein anerkannter Begriff. Man wußte von einer „sumerischen“ Sprache zwar bereits seit einem Jahrhundert, aber eine eigenständige Kultur war noch lange nicht im Blick. Sumer galt als vorübergehende Einwanderung, die ein immer schon semitisches Gebiet im südlichen Teil Mesopotamiens für einige Jahrhunderte bevölkerte. Erst Mitte des XX. Jhdts wurde allmählich - durch eine Unmenge neuer Funde und gründlicheres Studium der Sprache (und Keilschrift), wodurch Textfunde übersetzbar und verstehbar wurden - deutlich, daß da eine gigantische Kultur der vice versa semitischen Einwanderung vorausging. So, daß nun die Kulturabfolge
Sumer (alt)
Akkad
Sumer (jung)
Babylon
Assur/Babylon
erst transparent wurde. Von alledem konnte der unendlich fleißge Jastrow trotz seiner schier unendlichen Publikationstätigkeit noch nichts wissen. Insofern ist sein 3-bändiges Werk tatsächlich veraltet. Was heute als sumerisch, akkadisch, babylonisch unterschieden werden kann, ist bei ihm noch alles babylonisch. So insbesondere auch die Götterlisten (die meisten seiner Götternamen werden heute auch anders transkribiert). Auch in manchen anderen Fragen hatte sich seitdem viel getan.

Da du den ersten Band durchgeackert hast, wirst du dennoch gesehen haben, daß es äußert lehrreich ist, was er da umfangreich zusammengetragen hat. Für die beiden Teilbände des zweiten Bandes (Ediert 1912) gilt das gleiche (der dritte Band ist ja der zugehörige Bildband. Den ersten und beide zweiten Bände gibt es btw. online bei archive.org. Aber wenn du sie gerne als „Hardware“ antiquarisch in deinem Besitz haben möchtest: Das ist immerhin eine bibliophile Kostbarkeit, die im Wert ganz sicher Bestand haben wird.

Das gleiche gilt für das honorable „Handbuch der altorientalischen Geisteskultur“ des A. Jeremias, Berlin 1929. Und auf jeden Fall die bereits erwähnten Werke von Samuel Noah Kramer (er war einer der Exponenten der Sumerologie in der Mitte des XX. Jhdts). Ganz analog zu etwa Richard Reitzenstein und Herman Lommel über die Zarathustra-Religion (ebenfalls zeitlose und lehrreiche Klassiker trotz neuerer Forschungsresultate). Für die Entwicklungsgeschichte religionshistorischer Forschung seit Mitte des 19. Jhdts sind diese Werke eh conditio sine qua non.

Wenn du aber ganz aktuell sein willst - etwa wie einige der Werke von Jan Assmann bzgl. Ägypten - dann ist als Gesamtüberblick tatsächlich Brigitte Groneberg die erste Wahl. Und wenn du sie nicht in einer Bibliothek ausleihen willst, sondern das Buch in deinem Bestand haben willst, na gut, das tut der Geldbörse ein wenig weh. Bei deiner offensichtlichen Begeisterung wäre es das aber wert.

Nicht vergessen solltest du dann aber auch z.B. die neue Edition des Gilgamesch Epos von dem schon erwähnten Stefan M. Maul. Ansonsten wäre meine Empfehlung: Du nimmst die kleinen Bändchen (die du sicher eh schon hast) von Helmut Uhlig („Die Sumerer …“), Barthel Hrouda („Mesopotamien“) und Gebhard J. Selz („Sumerer und Akkader“) und studierst dort die reichhaltigen Literaturlisten für weitere Vertiefungen.

Ansonsten siehe die erwähnten Fachzeitschriften.

Gruß
Metapher

3 Like

Hallo Metapher,
meinst Du mit „dritte Band … der zugehörige Bildband“ die Bildermappe ??
Ja, die fand ich besonders ergiebig, da ich vorrangig an Bildern und deren Symbolgehalt interessiert bin. Jastrow fand ich gehörig lehrreich, über die Götter, aber ich dachte mir schon fast, daß das dann später noch (XX. Cent.) weiter zu differenzieren ginge, da die Forschung ja sicherlich neue Erkenntnis haben müsste, zumindest bis ca zum Irakkrieg 2003…
Auch der Jeremias steht bei mir vorrangig wegen seiner Abbildungen im Regal, und es ist ein schönes Buch (anders als diese unsäglichen PDF’s! - von archive.org habe ich übr. die beiden PDF’s vom Jastrow her)

Was mich allerdings bei diesem Samuel Kramer etwas irritiert ist, daß offensichtlich die Lilith (Burney-Relief) auf dem Frontcover als Inanna/Istar ausgegeben wird, oder habe ich da was verpasst? ausserdem heisst er einmal Samual und einmal Benjamin (oder ist das sein Vater/Sohn ?? :wink:

Bei der Groneberg hoffe ich daß die auch noch mal günstiger zu haben sein wird, werde mir die vorerst mal in der StaBi ausleihen.

Weisst Du zufällig bei wem man ausser bei Parrot (Sumer/Assur - UdK), Beek (Bilderatlas), Gressmann (AO Bilder), Landsberger (Babylonisch-Assyrische Rel.) Prinz (AO Symbolik) Pritchard (Ancient Near East in Pict.) ROAF (Weltatlas Mesopotamien) GOFF (Symbols Prehistoric Mesopotamia) noch weitere Bilder findet ??

Bei Uhlig, Hrouda & Selz werd ich mir die Bibliogr.noch mal genauer vornehmen - einstweilen danke ich Dir!
greetz
JB

Hallo,
einen (den?) Lenormant (Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldaer) habe ich gerade bei Forgotten Books gefunden und heruntergeladen. Leider sind einige Seiten unkenntlich gemacht, weil ich kein Abo habe, aber mir reicht es.
Gruß
Castiglio

Lenormant: Die Magie …
Hallo Castiglio,

die deutsche Übersetzung 1878 (von Francois Lenormant selbst verfaßt, erheblich verbessert und vor allem erweitert gegenüber seinem Original von 1874) gibt es hier:

Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer

Gruß
Metapher

ehhm, ich darf die 1920er Barsdorf Ausgabe in schönem Halbleder-Einband mein Eigen nennen! :smile:

keine Lilith im Huluppu-Baum

meinst Du mit „dritte Band … der zugehörige Bildband“ die Bildermappe ??

Ja. Die wird bibliothekarisch als Bd 3 erfaßt.

Was mich allerdings bei diesem Samuel Kramer etwas irritiert ist, daß offensichtlich die Lilith (Burney-Relief) auf dem Frontcover als Inanna/Istar ausgegeben wird

Welches Buch und welche Ausgabe meinst du?
Das Rollsiegel auf dem Frontcover von Wolkstein/Kramer „Inanna“ (Ausgabe New York 1983, und dort zugleich zur der Story „The Holy Priestess of Heaven“ S. 92, ) ist nicht das Burney-Relief. Aber die Abb. S. 6 des Tontäfelchens zu „The Huluppu Tree“ hat sehr große Ähnlichkeit zum Burney-Relief. Allerdings mit einem besonderen Unterschied: Auf der Burney-Tontafel steht die Gestalt auf Löwen und daneben stehen Eulen zu beiden Seiten, in der anderen steht sie auf Widdern.

Ob das Burney-Relief allerdings „Lilith“ darstellt, wird seit eh und je heftig behauptet und ebenso heftig bestritten. Das analoge Täfelchen in „Inanna“ interpretiert Wolkstein allerdings ebenfalls als Lilith. Und dabei handelt es sich um folgende irritierende Situation: Als Ausgangspunkt empfehle ich das FAQ:3347, sonst müßte ich hier zuviel wiederholen.

Eine Lilith (hebr. lijlijth) taucht literarisch erst mit Jesaja 34.14 auf. In sumerisch-akkadischen Kontexten gibt es keine Lilith, aber es gibt das Abstraktum „lil“, Wind, das darüber hinaus entweder allgemein „Dämon“ bedeutet oder spezieller „Wind-Dämon“. Ansonsten das Dreigespann lil (m), lilitu (f) und ardat lili („Mädchen Lili“). Kramer übersetzt in der Episode „The Huluppu Tree“ einen Ausdruck mit „Lilith“, der im Original lautet „ki-sikil-lil-la-ke“. Wie „lil-la-ke“ aber zu übersetzen ist, ist bis heute äußerst strittig. Da es nur im „Huluppu Tree“ auftaucht, deutet der Ausdruck auf Grund seines Kontextes auf ein dämonisches Wesen, das sich in einem Baumstamm versteckt, so daß ein eulenartiger (und zwar weiblicher/mädchenhafter) Dämon naheliegend ist. Dazu paßt auch dessen Weinen in der folgenden Zeile, was dann auch von Inanna ausgesagt ist.

Die Darstellungen wie in dem Täfelchen, das Wolkstein dazu komponiert, ebenso auch wie im ähnlichen Burney-Relief (und auch zahlreichen anderen Rollsiegeln), greift diese Bild auf, denn die weibliche Gestalt hat Vogelfüße und Flügel. In diesem Kontext ist Wolksteins Interpretation der Passage im „Huluppu Tree“ recht interessant, und zwar egal, ob „lil-la-ke“ eine Vorläuferin der späteren „lilith“ in Jesaja ist, oder nicht: Der Baum wird von einer Schlange im Wurzelwerk, dem „anzu“-Vogel im Geäst und eben „lil-la-ke“ im Baumstamm besetzt. Das sind drei Dämonen, die gemeinsam der Inanna zu schaffen machen. Da die antiken Dämologien als frühe Psychologien anzusehen sind, liegt Wolkstein mit dem, was sie dazu sagt, durchaus in einer evidenten Spur.

Es ist aber eine Katastrophe, daß in populären Kontexten, nicht zuletzt die Wikipädie, sämtliche Darstellungen dieses „lil-Eulen“-Wesens als „Lilith“ bezeichnen. Kramer hat mit dieser Unvorsichtigkeit der Mythologie-Geschichte keinen Gefallen getan. Seine Verdienste in der Sumerologie sind davon aber natürlich keineswegs abgekratzt.

Wolkstein macht dann nur den Fehler, etwas unvorsichtig das Wesen ebenfalls, wie Kramer, als Lilith zu deklarieren und das Mythem von Lilith als Adams erster Frau zu addieren. Das ist natürlich abwegig, denn dieses Mythem taucht erst ca 1000 Jahre später in rabbinischer und kabbalistischer Literatur auf (siehe FAQ).

Gruß
Metapher

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Hallo Metapher,
erst mal vielen Dank für Deine erhellenden Ausführungen!!
Ich meinte in der Tat die auf den Löwen stehende. Kann das sein, daß sie eine Art ägyptisches Schenu-Symbol in den Händen hält? Scheint mir jedenfalls sehr ähnlich zu sein, und wirft für mich damit die Frage nach der sumerisch/babylonischen Bedeutung dieses Symbols auf! (ich suche immer nach den symbolischen Parallelen…!)

Ich meinte ‚Sumerian Mythology‘ von Samuel N. Kramer (Aziloth Books, 2013 ISBN: 1909735159 Buch anschauen). was mich irritiert (gerade bei modernen, und damit fehleranfälligeren Büchern), ist daß irgendwo auf dem Cover einmal von Benjamin Kramer zu lesen ist, und es dann wieder (im Titel) unter Samuel läuft. Versteh mich nicht falsch, aber bei solchen Ungereimtheiten muss ich ebend an die vielen Fehler im Schreib- Tipp- und Druckwesen denken, da wirds mir grau im Bauch (ganz zu schweigen von den windigen Nachdrucken aus archive.org & kons. - habe da schon einige schlechte Erfahrungen, bin im Antiquariat zu Hause!) Aber Deinen Ausführungen entnehme ich, daß der Kramer ein seriöser Autor zu sein scheint?!

Das mit der Zugehörigkeit Liliths zu Inanna/Ishtar scheint ja ein eigenes Forschungsprojekt wert zu sein, denn gerade in tiefenpsychologischer Hinsicht scheint mir Lilith heute wieder an Interesse zuzunehmen!?

Dann fällt mir noch ein: welche (mögl.) großformatige Bücher mit genau diesen Abbildungen dazu gibt es noch ? (Selber habe ich nur die beiden Parrots (UdK), Beek, Gressmann AO Bilder, Laroche, Pritchard, Prinz, Roaf, Seton-Williams, Thurlow - gibt es noch was essentiell wichtiges an Bildwerken??? als Sammler hat man immer das komische Gefühl es könnte noch was fehlen… :wink: