Zensur oder Verstoß gegen Netiquette ?

Hallo WWW-Gemeinde,

es würde mich einmal interessieren, was andere darüber denken.
Kurz zur Einführung: Heute morgen war bei FOCUS Online ganz für kurze Zeit ein Artikel zu lesen mit der Überschrift:

GERÜCHTE ÜBER CHEMISCHES WAFFENLAGER VON GADDAFI

Dazu habe ich als angemeldeter User einen Kommentar geschrieben, welchen ihr der automatisch generierten Antwort des FOCUS zu entnehmen könnt.

Hier erst einmal die Antwort:

" " " " "
Hallo XXXXXXXXXX,

Ihr Beitrag: Gerüchte über ein chemisches Waffenlager

Diese Aussage kommt mir sehr bekannt vor. Hier wird nur
das Wort „Beweise“ durch „Gerüchte“ ersetzt. Auch der Satz " Das
Weiße Haus schließt militärisches Eingreifen nicht aus." in einem
anderen FOCUS Artikel lässt mich bangen, dass Libyen ein zweites Irak
geben könnte. Will die USA versuchen, an gute Ölquellen zu kommen.
Man ist dann ja auch ganz nah bei Israel und kann besser
Unterstützen.

wurde von uns nach Prüfung durch einen Administrator
nicht veröffentlicht.

Die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt
haben können, entnehmen Sie bitte unserer
Netiquette:
http://www.focus.de/community/netiquette

Eine
Erläuterung der Ablehnung ist aus personellen und zeitlichen Gründen
nicht möglich.

Ihr FOCUS-Online-Administrationsteam

(Dies ist eine
automatisch generierte Nachricht, bitte antworten Sie nicht an diesen
Absender.)
" " " " "

Als ich nach Erhalt dieser Mail nochmals nachlesen wollte, was andere User für eine Meinung zu diesem Artikel haben, war dieser verschwunden
und ist bis jetzt nicht mehr auffindbar.
Sicher, es ist das Recht einer Zeitung, einen Artikel wieder von ihrer Seite zu entfernen. Aber gerade bei FOCUS ist es mir schon mehrmals aufgefallen, dass Artikel oder Bilder entfernt wurden, wenn viel Kritik der Kommentatoren an den USA oder Israel geübt wurde.
Auch beimoben genannten Artikel scheint es mir so zu sein, dass andere User die gleiche Meinung vertraten und der Artikel deshalb verschwand.
Wie seht ihr das?
Verstoß gegen Netiquette oder Zensur?

Gruß aus der Pfalz
Jürgen

Zensur
eindeutig

Hallo Jürgen,

wenn der geneigte Leser dem Focus nicht auf den Leim gehen mag, ist das schon ein sehr böser Verstoß gegen die Netiquette. :wink: Wo kämen wir denn da hin?

Mal im Ernst. Für mich steht auch fest, dass der Diktator Libyens angezählt ist. Der vor dir in Bezug genommene Bericht passt da schon ins Bild. Gestern las ich auch irgendwo, dass einer seiner ehemaligen Minister verraten habe, dass G. auch für den Lockerbie-Anschlag befohlen hatte. Nicht, dass ich ihm das nicht zutrauen würde, …aber dass es jetzt ans Licht kommt, passt schon gut.

Da braut sich etwas zusammen.

LG
sine

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2253

Hallo,

wenn der Artikel ganz verschwunden ist (warum auch immer), dann ist dein Kommentar vielleicht nur deshalb verschwunden, weil der Artikel wegkam (ähnlich hier: wenn ein Artikel gelöscht wird, während man die Antwort tippt, wird die Antwort auch nicht mehr veröffentlicht werden können) und sie waren einfach zu faul (oder nicht ehrlich genug), den wahren Grund zu nennen und haben einfach die Standard-Nettiquette-Antwort rausgehauen. Die feine Art ist das nicht.

Ansonsten fand ich in deinem Artikel NICHTS, was auf einen Nettiquette-Verstoß hindeutet und die Löschung deswegen nicht gerechtfertigt.

Sangoma

Keine Zensur

eindeutig

Nö. Eindeutig nicht. Der Focus ist keine staatliche Organisation, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Als solches kann es sich aussuchen, welche Texte es veröffentlichen möchte oder nicht. Der „Vorwärts“ ist ja auch nicht verpflichtet, die politische Meinung von Horst Seehofer zu veröffentlichen. :smile:

Man kann natürlich der Meinung sein, daß der Focus sich hier einseitig verhällt und die im Journalismus anzustrebende Objektivität verletzt - das hat aber rein gar nichts mit dem Wesen und der Natur von Zensur zu tun.

Gruß,
Max

Kurz zur Einführung: Heute morgen war bei FOCUS Online ganz
für kurze Zeit ein Artikel zu lesen mit der Überschrift:

Ich vermute auch, der Grund, warum der Kommentar nicht veröffentlich wirde, liegt darin, weil der Artikel zurückgezogen wurde.

Unabhängig davon: „Zensur“ ist per Definition etwas, was staatliche Organen verboten ist. Der Focus kann theoretisch völlig willkürlich Texte veröffentlichen, ohne mit dem Zensurverbot des Grundgesetzres in Konflikt zu kommen. Auch die Auslegung der hauseigenen Netiquette kann von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen nahezu willkürlich vorgenommen werden. Das ist völlig legal und auch legitim. Würde der (Rechts)-Staat dem Focus vorschreiben, was er zu veröffentlichen hat (und was nicht), dann wäre DAS Zensur.

Gruß,
Max

Guten Tag!

Nicht persönlich, sondern allgemein gemeint …

Unabhängig davon: „Zensur“ ist per Definition etwas, was
staatliche Organen verboten ist.

Es ist doch völlig offensichtlich, dass der Fragesteller auf jenen „erweiterten Zensurbegriff“ rekurriert, der inzwischen im Alltagsdiskurs doch nun wirklich verbreitet ist, und auch längst in Fachdiskursen zu finden ist (spontan fällt mir der Aufsatz „Implizite Zensur und politische Öffentlichkeit“ von Heike Kämpf ein).

Warum gerade beim Begriff der „Zensur“ in diesem Forum immer wieder auf diese Leerformel hingewiesen wird, ist mir völlig rätselhaft.
Als müsste man ausgerechnet den Zensurbegriff vor dem allgemeinen Begriffswandel schützen :wink:

E.T.

Hallo,

Gestern las ich auch irgendwo, dass
einer seiner ehemaligen Minister verraten habe, dass G. auch
für den Lockerbie-Anschlag befohlen hatte. Nicht, dass ich ihm
das nicht zutrauen würde, …aber dass es jetzt ans Licht
kommt, passt schon gut.

Diese Beschuldigng wurde schon seit einigen Jahren immer mal wieder erhoben und geisterte durch die Presse. Sie jetzt wieder hervorzukramen, paßt natürlich gut ins Bild.

Da braut sich etwas zusammen.

Und ob, wer weiß schon, was da im Hintergrund alles abläuft.

Gruß,
p+p

Hallo,

Nö. Eindeutig nicht. Der Focus ist keine staatliche
Organisation, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen.

Auch ein nicht staatliches Unternehmen kann dem Sinne nach innerbetrieblich Zensur betreiben und das nach selbst festgelegten Kriterien. Ob staatlich sanktioniert oder nicht, spielt daher bei der Verwendung des Begriffs keine Rolle.

Zensur ist und bleibt Zensur, egal wer sie betreibt.

Gruß,
p+p

Hallo!

Zensur ist und bleibt Zensur, egal wer sie betreibt.

Der Verbot einer innerbetrieblichen Zensur durch den Staat wäre aber wiederum eine Form von Zensur. Gerade weil wir in einem freien Land Land leben, haben Betriebe diese Freiheit.

Mit der Zensur, wie sie in unserem Rechtstaat zurecht verboten ist, hat diese innerbetriebliche Zensur allenfalls den Namen gemeinsam. Und da hinter der Frage „ist das Zensur?“ oft die Frage steht: „Ist das elaubt?“, sage ich eben: „Es ist keine Zensur in dem Sinne, wie das Grundgesetz Zensur verbietet.“ Das wird nämlich allzuoft verwechselt.

Gruß,
Max

Hallo!

Es ist doch völlig offensichtlich, dass der Fragesteller auf
jenen „erweiterten Zensurbegriff“ rekurriert

Das halte ich eben für fraglich. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, daß es einen Zensurbegriff im rechtstaatlichen Sinne und einen erweiterten Zensurbegriff gibt, auf den das rechtstaatlichen Verbot der Zensur nichts anwendbar ist. Die Argumentationskette läuft dann häufig „Das ist Zensur - Zensur ist verboten - also ist das auch verboten.“ Meiner Einschätzung anch rekurrieren solche Fragen eben nicht auf den erweiterten Zensurbegriff.

Das Internet, für viele der freieste Ort überhaupt, ist eigentlich ein sehr unfreier Platz, weil es kaum rechtsstaatlich garantierten Freiraum gibt. Wo immer ich mich im Internet bewege - ich befinde mich fast immer auf privat(wirtschftlich)en Angeboten. Das wird aber häufig erst bewusst, wenn der Anbieter sein Hausrecht ausübt. Wir sind im Internet zwar manchmal vor dem Staat geschützt, umgekehrt kann uns der Staat aber auch kaum schützen.

Letztendlich wird man nicht umhinkommen, den Begriff „öffentlichen Raum“ neu zu definieren. Ein ähnliches Problem haben wir ja auch bei der Diskussion um Demomnstrationsrecht in Einkaufszentren.

Gruß,
Max

Hallo!

Zensur ist und bleibt Zensur, egal wer sie betreibt.

Der Verbot einer innerbetrieblichen Zensur durch den Staat
wäre aber wiederum eine Form von Zensur. Gerade weil wir in
einem freien Land Land leben, haben Betriebe diese Freiheit.

Stimme Dir zu.

Mit der Zensur, wie sie in unserem Rechtstaat zurecht
verboten ist, hat diese innerbetriebliche Zensur allenfalls
den Namen gemeinsam.

und die Aktion der innerbetrieblichen Zensur, denn ob vom Staat durchgeführt (bei uns verboten) oder von einem Unternehmen (erlaubt) bedeutet Zensur die Einschränkung oder tendenziöse Verhinderung der Information die bekannt gegeben werden darf.

Und da hinter der Frage „ist das Zensur?“
oft die Frage steht: „Ist das elaubt?“, sage ich eben: „Es ist
keine Zensur in dem Sinne, wie das Grundgesetz Zensur
verbietet.“ Das wird nämlich allzuoft verwechselt.

Da stimme ich dir ebenfalls zu. Wenn in den Medien innerbetrieblich Zensur betrieben wird, also erlaubte, ändert das am Wesen und der Durchführung sowie dem Ergebnis der Zensur aber nichts. Man könnte es auch gezielte Desinformation nennen, was aber nicht so umfassend ist.

Gruß,
p+p

Guten Abend!

Es ist doch völlig offensichtlich, dass der Fragesteller auf
jenen „erweiterten Zensurbegriff“ rekurriert

Das halte ich eben für fraglich. Viele Menschen sind sich
nicht bewusst, daß es einen Zensurbegriff im rechtstaatlichen
Sinne und einen erweiterten Zensurbegriff gibt, auf den das
rechtstaatlichen Verbot der Zensur nichts anwendbar ist.

Naja, der Fragesteller hatte ja das grundsätzliche Recht der Zeitschrift auf ihr „zensierendes“ Tun von sich aus bereits genannt. Insofern kann man ihm diese Differenzierung schon unterstellen.

Das Problem dieses erweiterten Zensurs-Begriffs scheint mir eher zu sein, dass er mehr auf einen platten Skandalisierungseffekt setzt anstatt auf genaue Analyse. „Zensur ist böse“.

Die
Argumentationskette läuft dann häufig „Das ist Zensur - Zensur
ist verboten - also ist das auch verboten.“

Das fällt in die Kategorie „Die Erde ist ein Scheibe - ich darf das sagen, auch im Physikbrett, denn wie haben Meinungsfreiheit!!1!“ :wink:

Das Internet, für viele der freieste Ort überhaupt, ist
eigentlich ein sehr unfreier Platz, weil es kaum
rechtsstaatlich garantierten Freiraum gibt. Wo immer ich mich
im Internet bewege - ich befinde mich fast immer auf
privat(wirtschftlich)en Angeboten. Das wird aber häufig erst
bewusst, wenn der Anbieter sein Hausrecht ausübt. Wir sind im
Internet zwar manchmal vor dem Staat geschützt, umgekehrt kann
uns der Staat aber auch kaum schützen.
Letztendlich wird man nicht umhinkommen, den Begriff
„öffentlichen Raum“ neu zu definieren.

Zustimmung.

E.T.

Guten Abend!

Der Verbot einer innerbetrieblichen Zensur durch den Staat
wäre aber wiederum eine Form von Zensur. Gerade weil wir in
einem freien Land Land leben, haben Betriebe diese Freiheit.

Das sehe ich anders.
Gerade WEIL wir eine gigantische privatwirtschaftlich-dezentral organisierte Zensurapparatur haben, kann der Staat es sich leisten, auf eine zentrale staatliche Zensurapparatur zu verzichten.

Mit der Zensur, wie sie in unserem Rechtstaat zurecht
verboten ist, hat diese innerbetriebliche Zensur allenfalls
den Namen gemeinsam.

Eben nicht.
Der Kern dieser „erweiterten Zensur“ ist und bleibt die staatliche Zensur bzw. Gesetzgebung.
Die „erweiterte Zensur“ ist sozusagen nicht die Metapher der Zensur, sondern ihre Metonymie.

E.T.

Nachtrag
Hallo Gemeinde,
wie ich sehe, war die Überschrift etwas dumm gewählt. Es geht mir nicht um die rechtliche Frage, ob das so gesehen Zensur war oder nicht. Nennen wir es mal lieber Meinungsmanipulation.
Denn ich vermute eines. Da haben sich noch mehrere User in meinem Sinne geäußert. Und das war dann anscheinend zu viel. Bevor sich jetzt noch mehr „beschweren“, nahm man den Artikel lieber raus.
Ein anderes Beispiel:
Es war einen Tag nach den ersten iranischen Demonstrationen. Die Focus Schlagzeile:
Spontane Demonstrationen für die Opposition im Iran.
Zu sehen waren Bilder aus Teheran, Berlin und Paris. Und auf allen diesen Bildern sah man Demonstranten mit Plakaten „Where is my Vote“
Und diese Plakate sahen in allen drei Ländern seltsamerweise gleich aus.
So lautete dann auch mein Kommentar:
Die Demonstrationen müssen wirklich sehr spontan gewesen sein, wenn man in Paris, Berlin und Teheran die gleichen Plakate hat.
Erfolg: Bekannt, Ablehnung wegen Verstoß gegen Netiquette.
Im gleichen Atemzug verschwanden diese Bilder von der Seite und wurden durch andere ersetzt.

Lautet meine Frage also besser: Netiquette oder Meinungsmanipulation?

Gruß
Jürgen

Hallo Jürgen,

ich halte die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut. Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. Die inhaltliche Auseinandersetzung ist doch das entscheidende.

Wie sieht nun die inhaltliche Bewertung aus? Das, was du schreibst, sind nichts weiter als sinnlose Verschwörungstheorien. Die vollkommen abstrusen Vermutungen bezüglich der Anti-Iran-Demonstrationen (im Iran werden Grundrechte mit Füßen getreten, nur deswegen gehen die Leute auf die Straße) legen nahe, dass du selbst von gewissen Medien beeinflusst wirst.

Der Freigeist, der du sein möchtest, bist du keineswegs.

Gruß
Ultra

Hi Ultra,
Verschwörungstheorien würde ich nur dann erkennen, wenn ich etwas in den Raum stelle oder behaupte. Was hier passiert ist, sind Tatsachen.
Erkläre mir bitte, was es nötig macht, nach einem Posting Bilder zu entfernen und dieses Posting nicht abzudrucken.
Gruß
Jürgen

Verschwörungstheorien würde ich nur dann erkennen, wenn ich
etwas in den Raum stelle oder behaupte. Was hier passiert ist,
sind Tatsachen.

Das nimmt dir nämlich keiner ab. Es ist doch wohl eindeutig, was du mit deinen Andeutungen (abgesprochene Demonstrationen) sagen willst. Du willst darauf hinaus, dass irgendwelche westliche Institutionen die Demonstrationen organisiert hätten. Genauso glaubst du, hinter den Protesten in Arabien steckten ebenfalls diese Institutionen, um den Zugang zum Öl zu sichern. Und wenn ich dich zum 11. September 2001 befragen würde, wüsste ich, welche Antort käme.

Das ganze sind Verschwörungstheorien. Wie gesagt, ich setze eher auf die inhaltlichen Auseinandersetzungen. Und es bestehen bei sachlicher Betrachtung keinerlei Zweifel daran, dass diese Theorien Schwachsinn sind. Wenn du aber eine Erklärung für Löschungen haben willst, dann liegt diese darin, dass manche Betreiber von Seiten mit Kommentarfunktion eben keinen Schwachsinn dort stehen haben wollen.

Gruß
Ultra

Hallo,

ich vermute mal, daß es sich einfach um schlechten Journalismus gehandet hat. Die Bilder waren mitnichten aus Paris, Berlin und Teheran, sondern an ein und dem selben Ort aufgenommen - schlechte Reherche, schlechte Arbeit, wie sie im (Online-)Journalismus heute gang und gebe ist. Ich empfehle die regelmäßige Lektüre von Bildblog, der ja nicht nur bei der Bild inzwischen solche Schlampereien zuhauf aufdecht.

Leider gibt es kaum eine Zeitung, die solche Schlampereien zugibt. Deswegen: Bilder klammheimlich entfernt, Kommentare mit Blblabegründunf gelöscht.

Auch bei deinem ersten Beispiel vermute ich, daß es schlicht und einfach eine schlechrecherchierte Luftnummer war. Wieder das gleiche: Text klammheimlich entfernt, Kommentare mit Blblabegründung gelöscht.

Bewusste Meinungsmanipulation? Eher nicht. Einfach nur beschissene arbeit. Wie so oft.

Gruß,
Max

Hallo!

Gerade WEIL wir eine gigantische
privatwirtschaftlich-dezentral organisierte Zensurapparatur
haben, kann der Staat es sich leisten, auf eine zentrale
staatliche Zensurapparatur zu verzichten.

Das Problem ist vermutlich zu komplex, um es in zwei oder drei Zeilen erschöpfend abzuhandeln. :smile: Der Schutz des privat(wirtschaftlich)en Handelns ist ein hohes und wichtiges Gut. Durch die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums und der öffentlichen Aufgaben verschwimmen aber immer mehr die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Unsere Gesellschaft ist in einem hohen Maße von der Privatwirtschaft abhängig. Das macht korrigierende Maßnahmen notwendig. Als ein Beispiel möchte ich das „Jedermannkonto“ nennen, mit dem der Staat dafür gesorgt hat, daß auch derjenige, der unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten von keiner Bank als Kunde akzeptiert werden würde, über ein Konto verfügen kann.

Strom, Telefon, Post sind heute weitgehend in privater Hand. Die meisten Leute sehen nur Wettbewerb und gesunkene Preise. Es bedeutet aber auch, das man unter Umständen keinen Telefonvertrag bekommt, weil man in der falschen Gegend wohnt und die falschen Eltern hat. Bei der Post wird laut darüber nachgedacht, in strukturschwachen Gegenden die Briefe nur noch alle zwei Tage auszuliefern.

Ein Freund ist mit seiner Internetseite bei mehreren Anbietern rausgeflogen. Die erotischen Inhalte waren nach Ansicht der Betreiber „jugendgefährdend“. Rein rechtlich war das Humbug. Aber der Anbieter hat so entschieden. Freies Internet? Nein, nicht wirklich.

Diese gesellschaftpolitische, philosophische und juristische Debatte wird uns in den kommenden Jahren noch viel Kopfzerbrechen bereiten. :smile:

Der Kern dieser „erweiterten Zensur“ ist und bleibt die
staatliche Zensur bzw. Gesetzgebung.

Durchaus, ja. Man sieht ja auch in der Politik gelegentlich das Bestreben, nicht den rechtstaatlichen Weg zu gehen, sondern die Abkürzung über das privatwirtschaftliche Handeln zu nehmen. Ich will das Wort „Zensur“ nicht benützen, wenn es um strafbare Inhalte wie Volksverhetzung oder Kinderpornographie geht - es wird aber deutlich, daß auch hier die Politik gerne den bequemen Weg über die Hausmacht der Provider geht und nicht den deutlich anstrengerenden Weg über die Gesetzgebung. Daß darin auch die Gefahr des Mißbrauchs liegt, ist unbestritten.

Gruß,
Max