Ziele von Kernwaffen im Kalten Krieg

Moin!
Ich möchte demnächst eine Infoseite über Kernwaffen und Atomkrieg veröffentlichen! Auf dieser Seite soll es auch ein paar Szenarien geben, wie es im Falle eines Konfliktes zwischen Ost und West abgelaufen wäre. Literatur zu dem Thema habe ich genug, nur finde ich nirgendwo konkrete Angaben, wo Gefechtsköpfe eingeschlagen wäre, wie viele, welche Sprengkraft, usw.
Bekommt man diese Informationen irgendwo, oder ist sowas noch unter Verschluss?
Schonmal Danke im Vorraus!
Christopher

Für Amerikanische Potentielle Ziele habe ich schon was:
http://www.survivalring.org/cd-targets.php

nur für Europa nichts

Was du dir da vorgenommen hast ist eine ziemliche Sisyphosarbeit, deren Umsetzung ich für unmöglich halte.

Zum einen ist der kalte Krieg mit seinen knapp 40 Jahren Dauer von vielen Veränderungen in Strategien und Taktiken beider Blöcke geprägt gewesen, zum anderen solltest du dir erst mal Gedanken über Unterschiede zwischen taktischen und strategischen Kernwaffen machen. Und ansonsten darfst du geflissentlich davon ausgehen, dass nach dem ersten Einsatz von strategischen Kernwaffen Schluss mit lustig gewesen wäre und beide Seiten alles gegeben hätten, was sie haben/hatten.

Was die strategischen Kernwaffen angeht wären diese insbesondere gegen feindliche Ballungszentren, Militärstützpunkte und Kernwaffen eingesetzt worden.
Die taktischen Kernwaffen wären auch ganz normal auf dem Schlachtfeld eingesetzt worden und Mitteleuropa hätte sich in eine Mondlandschaft verwandelt.

Gruß Andreas

Moin!

Leider ohne Beleg, erinnere ich mich daran, dass man im Polen Pläne aus Sowjetzeiten gefunden hat, die den Nuklearen taktischen Erstschlag fest einplanten. Dabei war bei einem Angriff in Mitteleuropa vorgesehen alle im Weg befindlichen Ballungszentren nuklear zu eliminieren. Konkret sollten beim Vorstoß durch die norddeutsche Tiefebene etwa Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Emden zerstört werden.
Der Vormarsch sollte nicht durch den Kampf um Städte gebremst werden, sondern die Truppen sollten um die ausgebrannten Zentren einfach herumstürmen oder sogar mitten hindurch. Der Verlust der eigenen Truppen infolge von Strahlenkrankheit war einkalkuliert. Diese sollten nur bis zu ihrem Ausfall so weit wie möglich nach Westen kommen.

Gruß
Werner

Literatur zu dem Thema
habe ich genug, nur finde ich nirgendwo konkrete Angaben, wo
Gefechtsköpfe eingeschlagen wäre, wie viele, welche
Sprengkraft, usw.

Ich glaub, der wesentliche Ausgangspunkt Deiner Recherche könnte die Overkill-Philosophie sein: Es geht darum, ausreichend Nuklearwaffen zu besitzen, um zum einen die gegnerische Armee, zum zweiten die zivile (einschließlich der wirtschaftlichen) Infrastruktur des Gegners und zum dritten die Armee eines weiteren Feindstaates, der dem Gegner zu Hilfe kommt, zu zerstören. Dieses „ausreichend“ jedoch definiert als „ausreichend, selbst nach einem überraschenden Erstschlag des Gegners“.
Die Frage nach einem „Wo“ ist hypothetisch, wenn ganz Mitteleuropa (von beiden Seiten) mehrfach in ein verglastes Aschenfeld verwandelt wird, um dem Gegner die potentiellen Ressourcen zu nehmen.

Hallo,

da ist ja schon eine Menge geschrieben worden, jedoch wenig Konkretes. Das Problem besteht einerseits darin, dass Strategien und Taktiken sich im Laufe des Kalten Krieges änderten, zweitens, dass die technischen Möglichkeiten sich änderten. Was sich nicht änderte waren lediglich die Grundszenarien, die für beide Seiten gleich waren. Wobei hier immer wieder ausschließlich von Europa geredet wird, während spätestens mit den Siebzigern klar war, dass der Auslöser eines neuen Weltkrieges höchstwahrscheinlich gar nicht mal in Europa liegen würde.

Zunächst einmal etwas über die Waffen:

Am Anfang des Kalten Krieges wurden Atomwaffen als rein strategisch betrachtet. Sie sollten von Bombern (z.B B-52 oder Tu-16) auf industrielle Ballungsräume geworfen werden. Dabei änderte sich die Liste der Ziele beinahe ständig, da in dieser Phase die strategischen Luftstreitkräfte beider Seiten noch konventionell bedroht waren.
Beispielsweise gehörte Moskau mit dem darum liegenden Industriering zeitweilig zu den Erstzielen, zeitweilig wegen Entfernung, Luftabwehr und der Stationierung von Jagdgeschwadern nicht einmal mehr zu den Sekundärzielen. Es reichte ja im Rahmen einer Abschreckungspolitik auch, wenn der Gegner glaubte, Moskau wäre auf der Liste.

Mit der fortschreitenden Technik wurde der strategische Bomber überholt. Transkontinentalraketen und U-Boote mit ballistischen Raketen ersetzten die strategischen Bomberkommandos. Zugleich wurden die ersten nuklearen Gefechtsfeldwaffen entwickelt, das was mehr oder weniger später unter dem Begriff taktische Nuklearwaffen lief. Dabei reichte das Arsenal von nuklearen Artilleriegranaten bis hin zu kleinen von Jagdbombern abgeworfenen Bomben und zur Mk 101 Lulu,. einer nuklearen Wasserbombe gegen U-Boote.

In der letzten Phase entstanden Systeme zur Raketenabwehr, übrigens nicht nur bei den Amerikanern. Das ist eine Entwicklung, die bis heute nicht abgeschlossen wurde. Der springende Punkt an der Sache war, dass alle vorherigen Szenarien nicht mehr galten. Vorher rechnete man, das selbst wenn der Gegner zuerst zuschlägt, noch genügend übrig bleibt um auch den Gegner nuklear einzustampfen. Mit den ersten erfolgreichen Versuchen, Raketen abzufangen, galten diese Berechnungen nicht mehr. Der Schwerpunkt der strategischen Bedrohung verschob sich also einmal mehr hin zu den ballistischen Raketenbooten.

Um die Sache nicht zu einfach zu machen, gab es aber im Westen drei Atommächte, nämlich die USA, England und Frankreich. Und dann gab es noch die Lügnermacht, nämlich Deutschland, das zwar den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben hatte, also keine Atomwaffen besitzen dürfte, aber mit der F-104G ein Terägersystem hatte. Da saßen also lange Jahrzehnte ein deutscher und ein amerikanischer Offizier zusammen und spielten Karten. Beide hatten einen Schlüssel und wenn das Telefon geklingelt hätte, dann wären innerhalb von 15-20 Minuten deutsche Jagdbomber mit amerikanischen Bomben aufgestiegen. Tatsächlich entsprach das für die Benutzung durch die Deutschen zurückgestellte Potential taktischer Nuklearwaffen zeitweilig dem Frankreichs.
Diese „weiteren“ Atommächte auf NATO-Seite bzw. assoziiiert im Falle Frankreichs, hatten ihre eigenen Ziellisten. Beispielsweise taucht Leipzig in keiner amerikanischen Liste vor 1976 und nach 1979 auf (jedenfalls keiner die ich kenne), aber Leipzig taucht auf den deutschen Listen von 1960 bis beinahe zur Wiedervereinigung auf.
Besonders charmant waren auch englische Listen bis in die frühen Achtziger, die davon ausgingen, dass konventionelle russische Truppen innerhalb von vier bis fünf Tagen bis Paris vorstoßen könnten. Demzufalge fanden sich auf den englischen Listen beinahe alle Großstädte Deutschlands und alle Frankreichs östlich von Paris. Auch als Ziele ballistischer Raketen.

Die Frage ist also, wie willst Du das alles aufbereiten, was aus welcher Phase brauchst du genau? Mir drängt sich der Verdacht auf, da ist noch etwas Recherchearbeit zu tun.

Gruß
Peter B.

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Hello, Peter

warum haben überhaupt, Staaten den Atomwaffensperrvertrag:
http://de.wikipedia.org/wiki/Atomwaffensperrvertrag
unterschrieben?

Gruß
karin

Um zu verhindern, dass zu viele Staaten, insbesondere instabile oder unberechenbare Staaten Zugriff auf Atomwaffen haben und um die zur Verfügung stehende Menge von Atomwaffen weltweit zu beschränken. Immer den Gedanken im Hinterkopf behalten, dass Kernwaffen an sich deshalb vorgehalten werden, um sie niemals einzusetzen. Wenn da instabile Elemente ins Spiel kommen kann sich die Erde schnell in eine ziemlich verstrahlte Eiswüste verwandeln.

Gruß Andreas

Vielleicht kannst du auch eine Aussage des Ex-Verteidigungsministers der USA, Robert McNamara, verwenden: „Die Deutschen müssen wissen, dass ihr Siedlungsgebiet im Falle eines Ost-West-Konflikts völlig verwüstet wird.“ Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach einzelnen Zielen völlig irrelevant.

Weihnachtliche Grüße
Laika

Den Hauptpunkt hat Andreas schon geschrieben. Bleibt hinzuzufügen, dass es ein paar Staaten gibt, die nicht haben und ein paar, die zwar haben, sich aber nicht daran halten. Und selbst bei den offiziellen Atommächten gibt es unterschiedliche Politik zum Thema Atomwaffen. Insofern stehen wir jetzt vor einer Phase in der die Gefahr besteht, dass der Vertrag ohnehin in dieser Form seine Wirksamkeit verliert.

Gruß
Peter B.

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Moin,

solche Angaben wurden mal im Heft 16 der Militärpolitischen Dokumentation „Atomkriegsfolgen“ (ISSN 0171-9033) veröffentlicht. Allerdings gehen daraus nur die erwarteten sowjetischen Angriffe auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (alte BL) hervor. Ich habe gerade die Seiten 77 und 78 vor mir liegen:

Demnach haben die Sowjets Westdeutschland mit ca. 800 Atomsprengköpfen im unteren Kilotonnenbereich (20-100 kt) für eher ländliche, suburbane Gebiete bedroht und ferner mit etwa 80 Sprengköpfen im unteren Megatonnenbereich (2-5 mt) auf westdeutsche Großstädte und Ballungszentren gezielt.

Multimegatonnenbomben zielten (unter anderem) auf:

Ruhrgebiet: 23
Hamburg: 8
Raum Bremen/Oldenburg: 6
Großraum Frankfurt: 6
Köln: 4
Saarbrücken und München: je 3
Kassel, Nürnberg, Hannover, Lübeck: je 2
Augsburg, Regensburg, Bonn, Aachen, Stuttgart, Freiburg, Osnabrück, Münster, Bielefeld, Karlsruhe, Koblenz, Kiel, Wilhelmshaven, Braunschweig: je 1

Die Zielpunkte für die Bomben im Kilotonnenbereich sind kaum zählbar, da relativ kleine Zielflächen bisweilen vierfach angegriffen worden wären. Betroffen gewesen wären hauptsächlich - doch nicht ausschließlich - das damals östliche Bundesgebiet (Bayerischer Wald, Harz, Weser-Bergland, Lüneburger Heide, Altes Land, Emsland (hier vermutlich: Atomwaffenlager Lahn), Eifel/Hunsrück, Schwarzwald, Schwäbische Alb, Allgäu, Sauerland). Dort hätte es wirklich massiv viele Treffer gegeben, wobei man der Darstellung entnehmen kann, dass es sich bei den Zielen vorwiegend um militärische Einrichtungen, Stellungen und Ablauflinien gehandelt haben muss. Interessant ist aber, dass die Wahl der Ziele auf eine offensive Strategie der UdSSR schließen lässt.

Gruß
tigger

Hallo Werner,

diese Deine Darlegung muss ich aufgrund der mir vorliegenden Informationen bestätigen.

Gruß
tigger