Zitat von Hermann Hesse

In dem Büchlein „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Hermann Hesse) lese ich
„Gott wird dich, wenn er dich richtet, nicht fragen: Bist du ein Hodler geworden, oder ein Picasso, oder ein Pestalozzi oder Gotthelf? Sondern er wird fragen: Bis du auch wirklich der gewesen und geworden, zu dem du die Anlagen und Erbschaften mitbekommen hast?“
Nun. Picasso und Pestalozzi waren klar. Aber Hodler und Gotthelf scheinen dafür zu stehen dass damit Durchschnittspersonen gemeint sein sollen, denn man findet keine Berühmtheiten mit diesen Namen.
Seht ihr das genauso, oder gibt es eine andere Deutung wie Hesse das gemeint haben könnte?

Viele Grüße

Mir fallen da Ferdinand Hodler und Jeremias Gotthelf ein.

Gruß
Kreszenz

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Danke

Dann ist es wohl eher so zu verstehen:
Gemeint ist nicht der Vergleich von berühmt/erfolgreich zu durchschnittlich,
sondern im Leben Wachstum erlebt zu haben und seine jeweils eigene Individualität/Persönlichkeit weiterentwickelt zu haben.
Und das kann auch in einem Leben passieren das nach außen hin nicht
unbedingt erfolgreich aussieht.

Viele Grüße

So ungeföhr, ja. Oder besser: seine Begabungen ("… Anlagen und Erbschaften …") ausgelebt zu haben. Und in dem Sinne eben „erfolgreich“ gelebt zu haben.

Es komme, so Hesse, eben nicht darauf an, auch berühmt geworden zu sein (wie z.B. die vier Genannten)…

Ist denn für dich „erfolgreich“ und „berühmt“ identisch? :thinking:

Gruß
Metapher

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Servus,

ist bereits eine ziemlich weit gehende Interpretation. Für „gewesen und geworden“ gibt es keine Quartalsziele, kein Laiflonglörning, keinen Druck, zu „wachsen und weiterzuentwickeln“. Wer z.B. die Anlagen und Erbschaften zu einem still vergnügten Verharren in der eigenen Mitte mitbekommen hat, von dem erwartet Hesse keineswegs, dass er doch eigentlich an dem Dreier in Chemie dringend noch was tun sollte.

Hermann Hesse stammt zwar aus dem Kernland der Schaffer, Sparer und Häuslebauer und er ist sicherlich auch vom gut evangelisch-württembergischen „plus ultra!“-Ethos geprägt, aber er hat ein Leben lang ziemlich viel Kraft darauf verwendet (und dabei auch etwas Erfolg gehabt), die pietistische Schraubzwinge dieser eben nicht ererbten, sondern eingetrichterten Ideologie zu lösen. Lies mal „Unterm Rad“, „Siddharta“, „Narziss und Goldmund“ und natürlich auch „den“ Steppenwolf.

Nur für Verrückte! Eintritt kostet den Verstand!

In diesem Sinne

MM

Siddharta, Narziss und Goldmund und Steppenwolf hab ich gelesen. Deshalb ist auch meine „ziemlich weit gehenden Interpretation“ zustande gekommen.
Unterm Rad - kenn ich noch nicht. Danke für die Empfehlung.
Gerade bin ich am Glasperlenspiel dran.
Man könnte sagen, Hesse ist zu meinem Lieblingsschriftsteller geworden.

Viele Grüße

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Oha - das ist einigermaßen abgefahren. Im „Steppenwolf“ beschreibt Hesse bereits Erlebnisse unter THC-Wirkung, obwohl er selber wahrscheinlich nie irgendwelche Drogen (abgesehen von Alkohol in moderater Dosierung) selbst genommen hat - das „Glasperlenspiel“ ist sozusagen die Fortsetzung unter LSD, das er bestimmt nicht als User kennen gelernt hat, zumindest nicht vor dem Abschluss des „Glasperlenspiels“ im Februar 1943, als es LSD noch gar nicht gab.

Wie auch immer: Ja, das württembergisch-evangelische „Wär immer schdräbend sich bemühd / den kenned mir erlösen“ aus Calw, nebst Altensteig und Nagold einem der Herzen des Piet-Kong, klingt sicher bei Hesse immer ein bissle mit. Es ist ihm aber weitgehend gelungen, sich von dieser Last zu emanzipieren. Wenn Du eh grad an ihm dran bist: Außer in „Unterm Rad“ rechnet er auch in der „Heimkehr“ ziemlich scharf mit der Ideologie des „Werdens und Wachsens“ mitsamt Bausparvertrag aus Wüstenrot und Beteiligung an Vadders Fabriggle ab.

Brauch’s xund!

MM