Hi
Die drei zeitgenössischen Philosophen im Titel finde ich persönlich am interessantesten und relevantesten zur Zeit.
Wie geht es euch mit diesen, wen bevorzugt ihr und warum?
Gruß,
Branden
Ergänzung
Ich finde, von den dreien hat Sloterdijk den besten Schreibstil, Habermas ist der Ernstzunehmendste und Zizek der Anregendste.
Aber alle drei haben ein Verhältnis (und große Wertschätzung) zur Psychoanalyse.
Wer liegt euch von den dreien und warum?
Zizek und Habermas top - Sloterdijk flop
Hi.
Die drei zeitgenössischen Philosophen im Titel finde ich
persönlich am interessantesten und relevantesten zur Zeit.
Wie geht es euch mit diesen, wen bevorzugt ihr und warum?
Über Zizek und Habermas, die ich als einzige aus deiner Dreiergruppe für interessant halte, würde ich noch Wilber stellen. Der spielt allerdings in einer ganz eigenen Liga.
Zizek ist jedenfalls einer meiner absoluten Favoriten. Die Dialektik geistiger Prozesse erfasst und präsentiert er wie keiner anderer. Seine Argumentationen sind voll überraschender - eben dialektischer - Turns wie in einem guten Film. Nicht zufällig ist er ja auch ein Filmspezialist. Seine Neigung zum Christentum sehe ich ihm wohlwollend nach - nobody is perfect.
Habermas ist ein Klassiker. Seine Rationalitätsanalysen sind unübertroffen. Ein Muss.
Mit Sloterdijk kann ich mich nicht anfreunden. Für mich ist er - wie die Hiphopper es ausdrücken - ein „Poser“. Er tut nur so, als sei er ein Philosoph. Seine Orientierungslosigkeit bzw. seinen Mangel an Vision überdeckt er mit sprachlicher Virtuosität, von der sich viele Leser blenden lassen.
Beispielhaft seine Einstellung zur Psychoanalyse:
http://www.zeit.de/2006/40/ST-Sloterdijk
Zitat:
_In der Psychoanalyse sieht Sloterdijk den Hauptschuldigen, der den Vorrang des Guten, den das Christentum bisher immer nur herbeigesehnt und -gepredigt hat, zur vermeintlichen Tatsache hat werden lassen. Denn die Psychoanalyse erkenne als das Movens hinter allem menschlichen Handeln die Sexualität, den Appetit, das Streben nach Intersubjektivität oder gar Verschmelzung; wohingegen Aggression und Hass immer nur wie Stiefkinder, nämlich als Störungen im Familien- oder generell sozialen Leben behandelt würden.
Ob sich dieser Vorwurf auf der Höhe sämtlicher beschuldigter Fachwissenschaften bewegt, mag dahingestellt bleiben – doch zweifellos erkennt man in Sloterdijks Darstellung den vorherrschenden Blick auf den Menschen wieder: »Kaum treten bei Individuen oder Gruppen ›Symptome‹ wie Stolz, Empörung, Zorn, Ambition, hoher Selbstbehauptungswille und akute Kampfbereitschaft auf, nimmt der Parteigänger der thymós -vergessenen therapeutischen Kultur Zuflucht zu der Vorstellung, diese Leute müssten Opfer eines neurotischen Komplexes sein. Die Therapeuten stehen hiermit in der Tradition der christlichen Moralisten, die von der natürlichen Dämonie der Selbstliebe sprechen, sobald die thymotischen Energien sich offen zu erkennen geben.«_
Für Sloterdijk ist „Zorn“, wie er in seinem Werk „Zorn und Zeit“ darlegt, ein natürlicher Zug des Menschen. Auf dieser banalen These gründet er eine verklärende Philosophie des Zorns, die eine legitimierende Projektion der eigenen unbewussten Aggressivität ist.
Um meine Skepsis in diesem Punkt genauer zu begründen, müsste ich in argumentative Details gehen, die ich mir - für den Fall einer Debatte- aber für später aufhebe.
Dass Sloterdijk auch von anderen kritisch gesehen wird, zeigt u.a. folgender Artikel:
http://www.buecher-magazin.de/magazin/besondere-buec…
Peter Sloterdijk holt in „Zorn und Zeit“ zum großen Wurf aus. Mal wieder. Mensch und Weltgeschichte will er neu erklären. Statt eines philosophischen Feuerwerks aber zündet er metaphorische Nebelkerzen, die eines nicht verhüllen: wie wichtig er sich selbst nimmt.
Im letzten Drittel von „Zorn und Zeit“ bringt Sloterdijk die Kernthese seines Buches vermeintlich auf den Punkt: „Sollte das starke Merkmal der aktuellen psychopolitischen Weltlage in einem Satz ausgedrückt werden, er müsste lauten: Wir sind in eine Ära ohne Zornsammelstellen mit Weltperspektive eingetreten.“ Nehmen wir einmal an, dass das, was der renommierte Philosophieprofessor hier schreibt, schon irgendwie Sinn macht. Dann drängt sich doch die Frage auf, was ihn dazu veranlasst hat, es so zu formulieren, dass möglichst wenige es verstehen. Die Antwort darauf, in einem Wort ausgedrückt, muss wohl lauten: Wichtigtuerei. In der Sloterdijk-Sprache muss alles groß- und festgeschrieben werden. Es wimmelt nur so von in Stein gemeißelten Substantiven, Fremdwörtern und vor allem Metaphern, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass das, was Sloterdijk in seinem 2006 erschienenen Werk als tiefschürfende Erkenntnisse präsentiert und beispielsweise von der FAZ als „sehr eindrucksvolle (…) Weltgeschichte des Zorns“ gefeiert wurde, gar nicht so komplex ist. Von „Zorngeschäften“ doziert er, von „vagabundierenden Dissidenzquanten“, „Schuldarchiven“, „Zornsammelstellen“ und „Bankformen des Zorns“.
Chan
Hi,
Dass Sloterdijk auch von anderen kritisch gesehen wird, zeigt
u.a. folgender Artikel:
wer wird denn nicht von anderen kritisch gesehen?
Gruß
Paul
Hi Chan
Ja, das deckt sich ja in etwa mit meiner unter „Ergänzung“ angesprochenen Empfindung. Weil Sloterdijk besser schreiben kann als die anderen beiden, ist die Verführung größer. Aber, wie ich schon sagte, ernstzunehmen ist für mich an 1. Stelle Habermas, aber er ist auch der trockenste Schreiber von den dreien. Nicht ganz so schlimm wie Kant und Hegel, aber… Leider waren/sind die meisten Philosophen eben keine schriftstellerischen Begabungen - und die schriftstellerisch begabten sind gefährlich verführerisch - Prototyp Nietzsche, der für mich immer noch am schönsten schreiben konnte von allen.
Zizek ist zwar spannend, aber in seinen dialektischen Überdrehungen schwer ernst zu nehmen.
Gruß,
B.
Hi,
Zizek ist zwar spannend, aber in seinen dialektischen
Überdrehungen schwer ernst zu nehmen.
die Lady Gaga der Philosophie!
Aber immerhin ist er hip augenblicklich.
Gruß
Paul
Hi Paul
die Lady Gaga der Philosophie!
Aber immerhin ist er hip augenblicklich.
Ja, ohne Frage. Er bezieht sich ja auch sehr auf Lacan und der ist auch ziemlich hip.
Gruß,
B.
Es ist Dein gutes recht, diese drei ausgewaehlt zu haben.
Der Grund hierfuer scheint fuer Dich deren Bezug zur Psychoanalyse zu sein… oder noch was anderes?
Habermas war „gestern“ ein wichtiger Philosoph. Sloti heute, weil er auf alle Themen der Gegenwart einen Aufsatz schreibt…
„Unuebertroffen“ sind fuer MICH andere,
wie KANT oder Donald Davidson.
Aber wir wiollen ja keien „Hitparade“ machen
Kant:
«Es gibt keine Philosophie, die man lernen kann,
man kann nur lernen zu philosophieren.»
Welche Modalitaeten der Vernunft gibt es ?
Wie ist die jeweilige Gedankenwelt der Menschen/Gesellschaften in ihrer jew. Zeit, Kultur?
Niemals löst sich die Geschichte des Geistes endgültig von der konkreten - aktuellen - «Erfahrung des Bewusstseins»…
Jeder Philosoph hat seine Zeit.
Aber manche sind zeitlos …
Mike
Weil sie von den Lebenden die meist diskutierten sind
Hi
Der Grund hierfuer scheint fuer Dich deren Bezug zur
Psychoanalyse zu sein… oder noch was anderes?
Naja, es sind die drei viel diskutierten, lebenden Philosophen zur Zeit.
Dass sie einen (positiven) Bezug zur Psychoanalyse haben, mag natürlich mit reinspielen.
„Unuebertroffen“ sind fuer MICH andere,
wie KANT oder Donald Davidson.
Kant mag ich nicht so.
Jeder Philosoph hat seine Zeit.
Aber manche sind zeitlos …
So isses wohl. Aber gesellschaftsrelevant sind wohl eher einige der zeitgenössischen.
Gruß,
B.