Liebe Mit-Erregte,
viel Nahost-Streit, der hier abgeht, (vom Inlandsbrett gar nicht zu reden) geht auf unterschiedliche Bewertungen der Frage zurück, inwieweit Israel eigentlich eine „ethnisch offene“ pluralistische und demokratische Gesellschaft ist, in der man eigentlich anständig leben können müsste; oder inwieweit Israel eher ein monoethnisches Projekt ist, bei dem eine wie auch immer geartete jüdische Identität schon irgendwie doch eine Zuhausefühl-Voraussetzung ist.
Die Wahrheit liegt wie immer, nicht einfach in der Mitte, sondern in der Tiefe. Hier auch leider in juristischen Tiefen.
Ich habe daher einen, wie ich finde, gerade noch lesbaren, Fachaufsatz über die die Rechtslage und -praxis zum Thema Staatsbürgerschaft in Israel herausgesucht, den ich jeden bitten würde zu lesen, der de Facto auf Basis einer festen Meinung zum Thema (Multi)ethnizität Israels argumentiert.
Hier ein Auszug aus der Zusammenfassung der Aufsatzes als teaser.
„Israels Selbstverständnis als ein jüdischer Staat drückt sich sowohl im RKehrG als auch im StAG aus, das jedem Juden das Recht einräumt, als Immigrant in das Land zu kommen. Palästinenser, die zwar in Israel geboren sind, aber nicht mehr länger dort wohnen wird das Recht auf Rückkehr in ihr Heimatland mit Verweis auf Sicherheitsaspekte verweigert, " (…) während ein Jude, der nicht in Israel geboren wurde, aufgrund seines Jude-seins automatisch bei der Einwanderung die Staatsbürgerschaft erhält.“
und hier der link:
http://www.friedensprozess.de/content/aufsaetze/aufs…
Einen weiteren Artikel habe ich zum Thema Demographie, also Entwicklung der Bevölkerungszusammensetzung herausgesucht. Und zwar einen von dem israelischen Historiker und Soziologen Moshe Zuckermann, der wie ich finde, ausgesprochen erhellend das Verhältnis zwischen „staatstragendem Selbstverständnis“ und realer Bevölkerungsentwicklung aufzeigt.
Auch hier ein Auszug:
„Ich glaube, dass gerade die Fragmentierung und die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft wesentlich dazu beiträgt, dass der so genannte Sicherheitskonflikt oder das Sicherheitsproblem als ein Band der israelischen Gesellschaft instrumentalisiert wird. Weil man weiß, dass man, solange man es mit dem äußeren Feind zu tun hat, sich auch nicht allzu dringlich um das Innere zu kümmern braucht.“
Und was das Innere alles so ist, steht wirklich in dem Artikel; der Auszug ist noch nicht die ganze Botschaft! Hier der link:
http://www.oeko-net.de/kommune/kommune04-02/azucker.htm
Und jetzt noch mein persönlicher Senf zum Strukturmerkmal des Konflikts: Das Handeln beider Seiten ist
- durch eine zuverlässige Überreaktionsbereitschaft und
- durch einen zuverlässigen Provokationswillen gekennzeichnet.
Von beiden Konfliktparteien darf angenommen werden, dass ein Fortfall des Konfliktes jeweils einen innergesellschaftlichen Klärungsbedarf freisetzen würde, der von den „Konflikteliten“ als „schmerzhafter“ als der Konflikt selbst wahrgenommen wird.
Es steht zu erwarten, dass bei Fortfall des Konfliktes:
bei den Palästinensern ein Ausmaß von zivilgesellschaftlicher Inkompentz offenbar würde, das in seiner Skandalösität nicht mehr durch die Besatzungsverhältnisse bemäntelt werden könnte;
und
bei den Israelis würde eine Diskrepanz zwischen „Soll-Nation“ und „Ist-Gesellschaft“ offenbar, die eine Aufrechterhaltung des „ethnischen Staatsprofils“ so nicht mehr hergeben könnte.
Um es mal paradox zu sagen (und das müßte gehen, angesichts der tiefen Weisheitstraditionen bei den beiden Konfliktparteinen):
Die Palästinenser greifen die israelische Zivilgesellschaft so an, dass sie keine zu werden braucht und die Israelis kujonieen die Palestinensische Gesellschaft, damit sie keine werden kann.
Man ist sich in diesem üblen Sinne „einig“, lieber Wagenburgbewohner und Desperado-Guerillero zu bleiben, als sich um so unaufregende Dinge wie Wohnungsbau, Wasserversorgung, Sozialpolitk und Korruptionsbekämpfung zu kümmern.
Wagenburginsassen und Desperados stehen da nämlich drüber, weil sie aufregendere Themen haben.
Jede der beiden Seiten wäre „aufgeschnissen“ wenn sie siegen würde; und was sich die Seiten gegenseitig antun, tun sie nicht, um zu siegen, sondern damit es weitergeht. Mit Selbstmordbombern ist kein Krieg zu gewinnen, sondern nur Frieden zu verderben. Und mit Krieg gegen die Camps schaffe ich eher Märtyrernachwuchs als dass ich scharfgemachte Märtyrer erwische.
Terror und Krieg verhalten sich „asymmetrisch“ zueinander.Der Terror bekämpft nicht die Besatzung, sondern die Chancen auf Frieden; und der „Krieg gegen den Terror“ dämmt kaum den Terror ein, sondern speist mehr die Bedingungen seiner Möglichkeit.
So, hier mache ich mal einen Punkt.
Lest die Artikel!
Thomas
zur jederzeitigen zeihandeln so, dass die