Zu wem passt ein Soziologiestudium?

Sehr geehrte Experten,
ich habe überlegt nach langer Zeit in einem Büro, ein Studium der Soziologie zu beginnen.
Welche Fähigkeiten und Vorraussetzungen sollte man für dieses Fach mitbringen?
Liebe Grüße,
Inka

Hallo Inka,
die wichtigste Voraussetzung für ein Soziologiestudium ist nach meiner Auffassung der von Anfang an vorhandene dringende Wille, soziale Phänomene auf ihren Sinn, ihre Ursachen und Auswirkungen hin hinterfragen zu wollen. Es gehört dazu Freude am Entwickeln von Sozio-Logiken, die letztlich mehr Elemente beinhalten wird als die der reinen Fachdisziplin, also auch psychologische oder wirtschaftliche, um nur zwei zu nennen. Ich persönlich denke auch, dass mindestens die Freude am Gedanken dazugehört, Bestehendes nicht nur zu hinterfragen und auf seine Bedeutungen hin zu prüfen, sondern vieles auch tatsächlich ändern zu wollen.
Wenn Du nach dem notwendigen Stöhnen, Verzweifeln und „das werd’ ich nie begreifen“-Ermüdungen den persönlichen Studiendurchbruch erlebt hast (und das ist in JEDER Richtung so), dann wirst Du Dich in mancherlei Hinsicht von anderen unterscheiden. Denn der soziologische Blick macht für Dich Strukturen und Zusammenhänge sichtbar, an denen andere bloß hängen wie Marionetten. Leider verdienen diese „Marionetten“ oft zufrieden und ohne viele Fragen ihr gutes Geld, während Du für deine Kenntnisse in materieller Hinsicht oft nur mit Mühe und Durststrecken belohnt werden wirst.
Versuche soweit und früh es geht, Deine persönlichen Interessen mit dem Studium zu koppeln (also Dich auf eine der vielen Bindestrich-Soziologien zu spezialisieren), sei fleißig und rede nicht nur klug mit dem vor 5 Minuten erworbenen Wissen daher, sondern versuche, tatsächlich fachlich klug zu werden - und dann wird sich Dir die Freude am wissenschaftlichen Arbeiten in einem Maße erschließen, das andere nie kennenlernen werden.
Ach ja, und die Bereitschaft, viel Fachliteratur zu lesen gehört natürlich auch dazu.

Viel Erfolg beim Treffen der richtigen Entscheidung wünscht

Holger

Hallo Sunshine-Lady,

grundsätzlich solltest du auf jeden Fall kritisch denken können (auch über die Wahl des Faches :wink:… Soziologie ist eher was für [zumindest was die Wahl des Studienfaches anbetrifft] kompromisslose Idealisten, die nach dem Studium oftmals nicht allzu viele Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben).

Du solltest auch m.E. interessiert und möglichst up to date sein, was die speziellen Bereiche der Soziologie/Politik/Wirtschaft anbetrifft, so z.B. Bildung, Gleichstellung/Gender, Sozialstruktur usw. Aber, falls es (noch) nicht der Fall ist: keine Sorge und vor allem keine Panik! Zumindest die ersten Semester sind sowieso so easy, dass man aus eigener Erfahrung und mit „etwas“ einlesen in den Seminaren guten Eindruck machen kann :wink:

Ansonsten, wie für beinahe jedes Studium brauchst du entsprechenden Abschluss.

Noch was: Soziologie ist ein sehr junges Fach und m.E. auch interessant, allerdings brachte mir persönlich das Studium nur wenig, da ich in den Seminaren nicht viel Neues erfahren habe. Kniffliger war auf jeden Fall Philosophie…

Viele Grüße und Erfolg im Studium
I.M.

Hey Inka,

die beiden bisherigen Antworten fassen bereits vieles zusammen, was im Soziologiestudium wichtig ist. Allerdings gibt jede Antwort auch eine persönliche Sichtweise auf das Fach wieder. Über Berufschancen würde ich mir keine Gedanken machen. Es gibt geisteswissenschaftliche Fächer mit denen man sehr viel schlechter einen Job finden. Die Soziologie ist meiner Einschätzung nach dagegen sehr gut geeignet um verschiedene Arten von Jobs zu finden. Das Wichtigste ist, dass man im Studium schon Perspektiven und Schwerpunkte entwickelt, Praktika macht oder sich irgendwo engagiert. Das Studium selbst kann sich stark unterscheiden, jenachdem wo man studiert. Ich habe schon Soziologiestudenten kennengelernt, die abgebrochen haben, weil ihnen die Lehre zu links war, andere haben wegen Statistik abgebrochen usw. Daher musst du entscheiden, was zu dir passt, so weit das am Anfang des Studiums geht und dir eine entsprechende Uni heraussuchen. In jedem Fall ist es für ein Soziologiestudium sinnvoll (da schließe ich mich den anderen Antworten voll und ganz an) Spaß am logischen und kritischen Denken zu haben, die Bereitschaft mitzubringen viel Fachliteratur zu lesen und man sollte an aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen interessiert sein. Statistik kann einem am Anfang sehr schwer fallen, aber das sollte nicht abschrecken. Oft ist die Angst größer, als die Statistik, die man braucht, schwer ist. Ich habe ein paar Anläufe gebraucht und am Ende ist es mir erstaunlich leicht gefallen und hat mir sogar viel Spaß gemacht. In jedem Fall sollte man Freude am methodischen Herangehen haben. Das ist für die empirische Forschung (egal in welcher Ausrichtung) absolut notwendig. Die Soziologie ist im besten Fall eine sehr reflektierte und methodische Disziplin. Vieles lernt man mit der Zeit - am Anfang ist man stark gefordert und am Ende des Studiums liest man sowohl komplexe theoretische Texte, als auch englische Fachliteratur mühelos und hat sich das methodisches Know-How angeeignet.
Mir hat das Soziologiestudium vieles erschlossen: einen veränderten Blick auf die Gesellschaft, eine analytische, distanzierte und zugleich neugierige Denkweise. Außerdem ist die Soziologie ein Fach, dass sehr allgemein ist, das sozusagen eine breite Bildung mit sich bringt und keine Fachidioten hervorbringt. An sich wäre es deshalb wünschenswert das möglichst viele Menschen Soziologie studieren - ich kann das nur empfehlen.

Liebe Grüße
F

Inka