Seiner Meinung nach hat sich die Politik in Deutschland zu
einer „Mainstream-Suppe“ entwickelt, in der zwar jeder
behauptet für bestimmte Ideale einzustehen, sie dann aber,
wenn es drauf ankommt, zugunsten einer politischen Koalition
über Bord wirft.
Scheint so, als hätte der gute Mann nicht ganz verstanden, wie Demokratie funktioniert. Das, was Du da beschreibst ist nämlich ein ganz normaler demokratischer Prozeß. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Da hat sich auch nichts „zu einer Mainstream-Suppe entwickelt“:
Wer in einer Demokratie zu einer verbindlichen Entscheidung kommen will, braucht dazu eine Mehrheit. Wer eine Mehrheit für seine Ideale aber nicht allein mobilisieren kann, muß sich dazu die Hilfe anderer holen. Und um mit diesen Helfern erfolgreich zusammenkommen zu können, muß man sich notwendigerweise über solche Punkte einigen, bei denen man verschiedener Meinung ist. Extreme Positionen und Ideale werden dabei zwangsläufig ein wenig zurecht gestutzt. Das Ergebnis ist ein Konsens mit mehr oder weniger abgeschliffenen Kanten, der aber von einer Mehrheit getragen wird - oder eben „Mainstream“ ist, wenn man szeniger formlieren will. Und das ist auch absolut in Ordnung so. Anders kann Demokratie nicht funktionieren.
Dessen ungeachtet macht es Sinn, auch weiterhin mit Extrempositionen und Idealen in diesen Prozeß hineinzugehen. Denn die Ausgangspositionen bestimmen mit darüber, wie im Ergebnis der Konsens aussieht.
Seiner Meinung nach handelt es sich dabei schon um eine
technokratische Führungselite, da „sie sich alle nur auf
Wählerfang begeben ohne sich tatsächlich um die Zukunft des
Landes (und der Welt) zu bemühen“,
Mit anderen Worten: Sie achten sehr genau darauf, was der Wähler von ihnen erwartet und setzen diesen Willen politisch um. Unter demokratischen Gesichtspunkten ist es nicht per se verwerflich, wenn ein Abgeordneter Augen und Ohren für Volkes Willen öffnet und diesen Willen dann ins Parlament trägt. Für Parteien gehört das sogar zu ihren verfassungsgemäßen Aufgaben.
Unabhängig davon müßten doch viele, vor allem die Stammtischpolitiker, eigentlich begeistert sein, wenn Abgeordnete endlich mal das tun, was „der Wähler“ will (egal wie bescheuert das im Einzelfall sein mag).
Wieso das allerdings die betreffenden Abgeordneten zu einer „technokratischen Führungselite“ machen soll, sehe ich nicnt. Womöglich hat der Herr Lehrer da einfach mal ein paar länger nicht benutzte Fremdwörter abgestaubt, um seinen Bildungsanspruch auch im Sprachgebrauch zu dokumentieren. Ist wohl in die Hose gegangen …
um sich dann nach den
Wahlen in den Sessel setzten zu können und die tatsächliche
Arbeit auf ihre „Experten-Komissionen“ abwälzen,
An der Beobachtung ist was dran. Allerdings hat Dein Lehrer sich einer Einordnung dieser Beobachtung offensichtlich enthalten (was ihn aber nicht gehindert hat, gleichwohl eine Meinung zu haben, die zwischen den Zeilen deutlich zu erkennen ist). Das sei hier mal nachgeholt:
Die Vorbereitung z.B. von Gesetzesvorhaben an jemanden zu delegieren, der von der Materie Ahnung hat, ist nicht grundsätzlich verkehrt - und ist auch gängige Praxis. Üblicherweise machen das die (nicht-parlamentarischen und deshalb meist sachkundigeren) Mitarbeiterstäbe der Ministerien. Es spricht aber auch nichts dagegen, das einer Kommission in die Hand zu geben - vor allem dann, wenn das konkrete Vorhaben Sachverstand aus ganz verschiedenen Bereichen erfordert.
Das ist demokratisch legitim, denn man kann von keinem Abgeordneten erwarten, dass er dieses Maß an Fachkunde mitbringt. Wenn aber trotz fehlender eigener Fachkunde ein vernünftiges Gesetz entstehen soll, ist die Hinzuziehung fachlichen Rates unumgänglich.
Was aber überhaupt nicht geht (aber bisweilen trotzdem gemacht wird) ist, nicht nur die fachliche Vorarbeit, sondern auch gleich die politische Kompromißfindung ins Kommissiönchen zu verlegen. Aus den fachlichen Vorschlägen einen mehrheitsfähiges („Mainstream-“) Produkt zu machen, ist originäre Aufgabe des Parlaments. Dieser entscheidende Schritt hat im Parlament stattzufinden und darf der parlamentarischen Willens- und öffentlichen Meinungsbildung nicht entzogen werden, indem er ins Hinterzimmer irgendwelcher okkulter Expertenzirkel verlegt wird.
deren Ergebnisse sie auch noch für politische Bündnisse
relativieren.
Wenn die Kommission das gemacht hat, was sie idealerweise (lediglich) tun sollte - nämlich die fachliche Vorarbeit zu leisten - dann geht das gar nicht anders. Das ist aber auch in Ordnung so, denn das ist der normale demokratische Prozeß. Siehe oben.
Mit einer derartigen Politik wird unser
politisches System innerhalb der nächsten Generationen
kollabieren,
Sicher nicht. Solange wir demokratisch funktionieren, werden diese Prozesse auch in Zukunft so ablaufen. Sollten sie das einmal nicht mehr tun, müssen wir ganz genau schauen, ob wir eigentlich noch demokratisch sind.
Was findet ihr…hat er recht?
Siehe oben
Was könnte man eurer Meinung nach dagegen unternehmen, außer
aus Protest NPD zu wählen?
NPD zu wählen ist nie eine Alternative - weder aus Protest noch aus irgendwelchen anderen Gründen. Wenn man etwas am System ändern will, muß man selbst aktiv werden und entweder einen Partei beitreten oder seinen eigenen Laden aufmachen. Das ist anstrengend und langwierig. Aber dass es funktioniert, hat die jüngere Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt.
In diesem Zusammenhang haben wir auch über eine relativ neue
Partei gesprochen (PiratenPartei Deutschland, vllt. kennt sie
ja jemand)…was haltet ihr von denen?
Mit einer Partei, die sich bisher im wesentlichen nur zu Internet, Urheberrecht und Datenschutz eine dezidierte Meinung gebildet hat (und dementsprechend allenfalls dort Kompetenz besitzt), kann man kein Land regieren. Zur Zeit ist die Partei daher nicht wählbar. Aber wenn sie es schafft, sich auch für die übrigen Themen, die man als Regierung so zu beackern hat, nachhaltig zu interessieren und praktikable Ideen zu entwickeln, dann kann sich das in Zukunft ändern.