Zukunft Qualitätsmanagement?

Hallo und guten Tag,

ich hätte gern ein paar Meinungen oder Stimmungsbilder von Euch als Qualitätsexperten aus Euren Unternehmen.

Hans-Olaf Henkel stellte kürzlich in der Zeitschrift „Impulse“ fest, dass Deutschland kein Innovations-, sondern ein Qualitätsproblem habe.
Andererseits: Die Nachfrage nach Qualitätsfachleuten (QMBs z. B.) soll in diesem Jahr um 10% zurückgegangen sein.

Meine Erfahrung: ich habe mehrere Jahre erfolgreich (gemessen an Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen) als Qualitätsmanagement-Beauftragter gearbeitet. Dann wurde ich fusionsbedingt in eine andere Stadt versetzt (Stabsabteilung QM, die aber nur ein Aushängeschild war). Nach zwei Jahren Mobbing habe ich gekündigt.

Qualität braucht Struktur und Kultur: Aber 88% aller Mitarbeitenden in Deutschland sollen lt. Umfrage demotiviert sein. Welche Erfahrungen habt ihr mit Anspruch und Wirklichkeit?

Gruß,
Uli

Ebenfalls Hallo.

Zu meiner Qualifikation als Qualitäter (:smiley:) : damit habe ich mich im Rahmen meines (böses Wort) Schwerpunkts „Management Support“ befasst.

M.E. greift Henkels Ansicht viel zu kurz: im Fall des Geldmangels stehen Betriebe i.A. vor Schwierigkeiten. Ergo wird dort gekürzt, wo es geht, z.B. im QM oder halt beim Personal, welches sich gegenseitig ‚wegmobbt‘. Die dann eintretende schlechtere Arbeit führt zu Motivationsproblemen, das wiederum zu noch schlechterer Arbeit, usw. Das erklärt nämlich auch die geringere Nachfrage nach QM’lern. Und wo QM „kein Thema“ mehr ist…

Die Aussage Henkels kann man aber auch dahingehend interpretieren, dass die Qualität dt. Produkte zu hoch ist und deshalb schlechtere & billigere ausländische Ware gekauft wird.

Also ich will dem QM jetzt nicht die Zukunft abstreiten, aber bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation (v.a. in DE) muss man sich QM leisten können. Das ist nicht mehr überall der Fall :frowning:

Ich hoffe das hilft
mfg M.L.

Qualität braucht Struktur und Kultur:
Aber 88% aller Mitarbeitenden in Deutschland sollen lt. Umfrage demotiviert sein.
Welche Erfahrungen habt ihr mit Anspruch und Wirklichkeit?

Ich denke die mangelnde Q-Motivation kommt in vielen Fällen durch übertrieben angelegte QM-Systeme.

Ich sehe einen Markt (für Freibrufler) darin, solche übertriebenen QM-Systeme zu rationalisieren.
Und auch darin, Firmen ein vernünftiges QM-System oder Teile davon aufzubauen, mit ihnen aber zu besprechen, ob eine Zertifizierung danach wirklich nötig ist.

  • Warum will ich QM? (was geht heute (teuer) schief)
  • Wieviel QM brauche ich wirklich?
  • Wer will, dass ich mich zertifizieren lasse?
  • Reicht evtl eine Teil-Zertifizierung durch meinen Kunden?
  • Was wurde durch Berater künstlich übergestülpt?
  • Was kann durch im Hause bewährte und eingespielte Abläufe ersetzt werden?

Gruß,
Jochen (früher auch angestellter QMB)

Hallo Jochen,
vielen Dank für Deine Überlegungen zu meiner Anfrage. Du sprichst ein wichtiges Thema an: Das QM-System muss für die Menschen da sein, nicht die Menschen für das System. Der Weg dorthin geht oft vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen. Schade, dass die Geduld für diesen Lernprozess nicht aufgebracht wird.
Vielleicht muss es den Unternehmen noch schlechter gehen, bevor sie den Wert von Qualität verstehen.

Gruß,
Uli (Existenzgründer)

Hallo Markus,
vielen Dank für Deine Überlegungen zu meiner Anfrage, die mich zu weiteren Überlegungen anregen. Nehmen wir Deinen letzten Absatz …

Also ich will dem QM jetzt nicht die Zukunft abstreiten, aber
bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation (v.a. in DE)
muss man sich QM leisten können. Das ist nicht mehr überall
der Fall :frowning:

… als Hypothese: (A) QM als Kostenfaktor wird in der Krise geopfert. Nun könnte man noch ergänzen bzw. gegenüberstellen: (B) Demotivierte Mitarbeiter und schlechte Qualität sind auch teuer (Krankenstand, Reklamationen, Fehlerkorrekturen usw.). Und jetzt kommt der Bewertungsprozess von (A) und (B). Was geht in den Köpfen der Entscheider vor?
Diese Frage kann sicherlich nicht pauschal beantwortet werden. Differenzieren wir daher und schränken unsere Überlegungen auf Produkte und Dienstleistungen ein, bei denen die Qualität wichtiger ist als der Preis. Zusätzlich nehmen wir noch die Hinweise von Jochen (joku) hinzu. Dann müsste man QM zwar nicht völlig neu erfinden, aber die bestehenden Konzepte im Sinne von Jochens Beitrag anpassen.
Dennoch bin ich eher pessimistisch. Das wird nicht ausreichen, um die Köpfe der Entscheider zu erreichen.
Daraus folgt für mich: Qualitätsmanagement ist wichtig, noch wichtiger ist jedoch die Managementqualität. Aber das wäre dann ein neues Thema.

Gruß,
Uli

Hallo Uli,

das Management eines Unternehmens hat nur Umsatz und Gewinn im Kopf. Nur wenn QM dazu beitragen kann, macht es sich bezahlt, völlig egal, was dazu Herr Henkel behauptet. Zur Zeit trägt QM zum Umsatz bei, weil die grossen Konzerne von ihren Zulieferern und deren Zulieferern bestimmte Standards abverlangen und dennoch hat das Management ein Auge drauf, dass durch zuviel QM nicht auch gleich der Gewinn wieder drauf geht.

Leider glauben einige QMler, ausgestattet mit der Macht der Q fordernden Konzerne, sie könnten ihr Aufgabengebiet perfekt ausbauen und erweitern und sind dann ganz enttäuscht wenn irgendwie niemand Verständnis dafür hat.

mal ein anderer Aspekt…
Auch QM sollte die Mitarbeiter dort abholen wo sie stehen, QM drum herum bauen und erst in zweiter Linie die Konformität mit der Zertifizierung im Auge haben, zumal die heutigen Zertifikate, Reifegradmodelle und Assessments durchaus jede Menge Spielraum lassen.
Vielleicht sollte gerade der einzelne QM-Mitarbeiter (QM-Verkäufer), der ja mehr oder weniger alle Bereiche des Unternehmens/der Abteilung besucht lieber gute Laune und Motivation versprühen als nur noch undurchsichtige Prozesse die so weit entfernt vom Arbeitsalltag erscheinen.

Ob das nicht mehr Qualität einbringt? Darum gings doch mal, gell?

Gruss
D.K.

Völlig richtig. owt.
.

Hallo D. K.,
vielen Dank für Deinen Beitrag zu meiner Anfrage. Zunächst ein paar zustimmende Kommentare an den passenden Stellen und am Schluss eine Überlegung zu den Voraussetzungen für erfolgreiches Qualitätsmanagement (aus aktuellem Anlass).

das Management eines Unternehmens hat nur Umsatz und Gewinn im
Kopf. Nur wenn QM dazu beitragen kann, macht es sich bezahlt,
völlig egal, was dazu Herr Henkel behauptet. Zur Zeit trägt QM
zum Umsatz bei, weil die grossen Konzerne von ihren
Zulieferern und deren Zulieferern bestimmte Standards
abverlangen und dennoch hat das Management ein Auge drauf,
dass durch zuviel QM nicht auch gleich der Gewinn wieder drauf
geht.

Sehe ich auch so. Aber ein Beispiel: Henkel sprach von der deutschen Automobilindustrie. Niemand würde bestreiten, dass wir die innovativsten Autos bauen, aber in der TÜV-Statistik würden die Japaner führen. Und dann mit Blick auf Toll Collect und die ICE-Neigetechnik wörtlich: „Nein, in Teilen der deutschen Wirtschaft läuft etwas schief: Man nimmt das Thema Qualität nicht ernst genug“. Dazu passt noch, was der BR-Vors. von Porsche über den Konflikt bei Daimler sagte (heute Morgen im Radio): Der Vorstand habe verschlafen, die Prozesse zu organisieren. Jetzt müsse die Belegschaft dafür bluten.

Leider glauben einige QMler, ausgestattet mit der Macht der Q
fordernden Konzerne, sie könnten ihr Aufgabengebiet perfekt
ausbauen und erweitern und sind dann ganz enttäuscht wenn
irgendwie niemand Verständnis dafür hat.

Sehe ich auch so. Diese Eigenart aller (Sub-) Systeme kann durch geeignete Feedback-Prozesse korrigiert werden. Die Therapie illustrierst Du im folgenden Absatz:

Auch QM sollte die Mitarbeiter dort abholen wo sie stehen, QM
drum herum bauen und erst in zweiter Linie die Konformität mit
der Zertifizierung im Auge haben, zumal die heutigen
Zertifikate, Reifegradmodelle und Assessments durchaus jede
Menge Spielraum lassen.
Vielleicht sollte gerade der einzelne QM-Mitarbeiter
(QM-Verkäufer), der ja mehr oder weniger alle Bereiche des
Unternehmens/der Abteilung besucht lieber gute Laune und
Motivation versprühen als nur noch undurchsichtige Prozesse
die so weit entfernt vom Arbeitsalltag erscheinen.

Ob das nicht mehr Qualität einbringt? Darum gings doch mal,
gell?

Ebenfalls einverstanden. Dazu mein „Best-Practice-Beispiel“: Ich war oft „vor Ort“ und habe auch in Software-Entwicklungsprojekten (darum ging es bei uns) beratend und lernend mitgearbeitet. Und ich habe meine Mitarbeit nach Projektabschluss vom Projektleiter bewerten lassen. Jedes dieser Projekte führte zu mindestens einer Verbesserung an der QM-Systematik zum Nutzen der Folgeprojekte. Daher (und aus anderen Gründen) hatten wir auch kein Motivationsproblem. Und mir hat die Arbeit in den selbstentworfenen Regelkreisen Spaß gemacht.

Die oben schon erwähnte Auseinandersetzung bei Daimler (und in ähnlicher Weise passiert es ja immer wieder, dass die Mitarbeitenden für Managementfehler büßen müssen) legt die Frage nahe, ob dermaßen behandelte Belegschaften für wirksames und wirtschaftliches QM nicht „verbrannt“ sind. Wenn das Vertrauen zerstört ist, ist kaum noch jemand bereit, sein Wissen für KVP zur Verfügung zu stellen. Dann holt man nicht die Mitarbeiter ab, sondern zynische Kommentare. Das ist dann eine Situation, die sehr eigendynamisch verlaufen kann. Für manche Unternehmen war das der Beginn vom Ende.

Möglich, dass ich in den nächsten Tagen dieses Thema unter dem Aspekt der „Voraussetzungen für ein erfolgreiches QM“ unter sich ändernden Rahmenbedingungen noch einmal zur Diskussion stelle. Ich hoffe, Du bist dann wieder dabei.

Gruß,
Uli

Hallo Uli,

jedes Unternehmen betreibt QM.
Die Kunden bzw. das Geschäftsleben schreibt die Prozesse.
Sprich, es wird gearbeitet, ein Fehler wird gemacht, eine Gegenmassnahme (Prozess) wird eingeleitet um diesen Fehler das nächste Mal zu vermeiden. Jedem Mitarbeiter in diesem Unternehmen ist völlig klar, warum man diesen Prozess so einhalten muss, jedem neuen Mitarbeiter wird die Fehler-Story erzählt und sofort hat auch dieser kein Akzeptanzproblem.

Dann hat man nachgedacht und kam darauf, man müsse eigentlich nicht immer erst Fehler machen um einen Prozess aufzusetzen, ja es wäre sogar viel kostengünstiger die Fehler schon im Vorfeld zu bekämpfen. Also hat man einen MA eingestellt der möglichst viel Erfahrung mit Fehlern eines anderen Unternehmens hatte. Der konnte dann zumindest die Stories von dort an die neuen Kollegen weitergeben und hat damit auch einen hohen Akzeptanzgrad erreicht.

Jedoch ein Kollege, vollgestopft mit Schulungen, Definitionen und Begriffen aus dem Lehrbuch-QM und völlig ohne Fehler-Stories wir immer Schwierigkeiten haben sein Ansinnen zu vermitteln, weil es in weiten Bereichen so weit entfernt von den täglichen Problemen der Kollegen ist. Da geht die Akzeptanz schnell gegen null, wenn ein Kollege das Gefühl hat, dort und dort und dort sind grosse Baustellen in seiner täglichen Arbeit, QM unternimmt fast gar nichts an diesen Stellen, nervt aber unentwegt an irgendwelchen Kleinigkeiten rum, die viel Arbeit aber offensichtlich keinen qualitativen Nutzen bringen.

Und dann werden die Totschlag-Argumente ausgepackt. „Wir müssen die+die Zertifizierung erreichen und deshalb müssen wir das so machen, PUNKT“. Das überbrückt dann mal für ne Weile, aber wenn die Kollegen nicht eine spürbare Qualitätsverbesserung wahrnehmen, schwindet die Akzeptanz wieder rapide.

Ich vermeide bewusst, jedes QM-Schlagwort, jeden Verweis auf Zertifikate. Ich höre den Kollegen zu und überlege mir wie deren Probleme (bzw. deren Lösungen) mit meinen Prozessbeschreibungen und Zertifizierungsbemühungen zusammenpassen und versuche dann diese, meinen Anliegen angepasste, Vorgehensweise zu verkaufen. Ich sehe mich als QM-Verkäufer und wie jeder Verkäufer umgarne ich meine Kunden, mache Scherze, gebe ihnen ein gutes Gefühl und versuche ein angenehmes Gefühl rund um meine Person zu vermitteln.

Diese Art von QM sehe ich bei den meisten meiner QM-Kollegen (Mitstreiter) überhaupt nicht. Leider können einige nicht über den Rand ihres Schreibtisches hinausblicken geschweige denn die Probleme der Kollegen erkennen. Ich denke das ist das grösste Problem, denn die Prozesse, die aufzustellen, das Management versäumt hat, gibt es in Wirklichkeit schon lange. Eben undokumentiert und eher in Rohdiamanten-Form aber durchaus zweckmässig. Wenn also QM kommt, diese ungeschriebenen Gesetze ignoriert und tw. unsinnige Lehrbuchprozesse überstülpt wir QM immer Probleme haben.

Gruss D.K.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo D. K.,
wenn ich Deinen Beitrag richtig verstanden habe, dann wehrst du Dich gegen eine kleinliche Überregulierung durch Verantwortliche, die von der Praxis keine Ahnung haben. Du suchst die Nähe zu Deinen internen Kunden (die Mitarbeitenden), Du kannst zuhören und die erzählten Erfahrungsgeschichten sind Dir wichtig. Selbstorganisation hat einen großen Stellenwert für Dich.
Das ist doch WUNDERBAR (obwohl es eigentlich der Normalfall sein sollte).

Du führst aus, dass Deine QM-Kollegen anders arbeiten (ich nehme an, es handelt sich um ein größeres Unternehmen). Ob diese wirtschaftlicher arbeiten, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber wenn ich Deine Beschreibung richtig verstanden habe, dann haben die Kollegen in ihren Bereichen Akzeptanzprobleme.

Das ist eine spannende Situation. Erlaube bitte einige Fragen dazu:

Vorausgesetzt, Deine QM-Kollegen und Du sind für unterschiedliche Bereiche zuständig: Gibt es messbare Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen?
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Euch, den QM-Kollegen? Oder habt ihr nichts miteinander zu tun?
Gibt es über Euch noch einen Ober-QM … (?), und wenn ja, wie sieht der die unterschiedlichen Vorgehensweisen? Und was sagt Eure Geschäftsführung dazu? Bekommt die etwas von Eurer Arbeit mit?
Werden bei Euch Befragungen durchgeführt, aus denen Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden möglich sind?
Werden die Unternehmens- und Qualitätsziele des Unternehmens mit den Mitarbeitenden besprochen?
Spielt das Thema „QM“ (einschließlich Kundenzufriedenheit) in Betriebsversammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen eine Rolle?
Welche drei Dinge würdest Du in Eurem Unternehmen zuerst ändern, wenn Du die Befugnis dafür hättest.

Ich hoffe, dass Dich die vielen Fragen nicht nerven.

Gruß,
Uli

Hallo Uli,

weiter unten meine Antworten.
Noch etwas Allgemeines…so weit von meinen Kollegen wie du es herausgehört hast, bin ich eigentlich nicht. Ich bin mir sehr wohl meiner Verantwortung bewusst und da ich nicht bereit bin, die Standards und Metriken zugunsten meiner persönlichen Sympathiekurve bei den Kollegen zu verbiegen, bin ich in den meisten Dingen eben auch kleinlich, jedoch vielleicht in einer anderen Verpackung.

Hallo D. K.,
wenn ich Deinen Beitrag richtig verstanden habe, dann wehrst
du Dich gegen eine kleinliche Überregulierung durch
Verantwortliche, die von der Praxis keine Ahnung haben. Du
suchst die Nähe zu Deinen internen Kunden (die
Mitarbeitenden), Du kannst zuhören und die erzählten
Erfahrungsgeschichten sind Dir wichtig. Selbstorganisation hat
einen großen Stellenwert für Dich.
Das ist doch WUNDERBAR (obwohl es eigentlich der Normalfall
sein sollte).

Du führst aus, dass Deine QM-Kollegen anders arbeiten (ich
nehme an, es handelt sich um ein größeres Unternehmen). Ob
diese wirtschaftlicher arbeiten, kann ich natürlich nicht
beurteilen, aber wenn ich Deine Beschreibung richtig
verstanden habe, dann haben die Kollegen in ihren Bereichen
Akzeptanzprobleme.

Das ist eine spannende Situation. Erlaube bitte einige Fragen
dazu:

Vorausgesetzt, Deine QM-Kollegen und Du sind für
unterschiedliche Bereiche zuständig: Gibt es messbare
Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen?

Wir haben ine ganze Reihe Abteilungen und Niederlassungen.
Innerhalb einer ziemlich grossen Abteilung sind ein Kollege und ich hauptberuflich mit QM beschäftigt.
Selbstverständlich gibt es noch einen OberQM der uns bestimmte Metriken abverlangt. Doch wirklich vergleichen kann man diese Metriken nicht mit anderen Abteilungen, da diese Metriken nicht aussagekräftig genug sind.
Beispiel: wir liefern eine Übereinstimmung-GeschätzterAufwand-IstAufwand-jeProjekt-Metrik…
Eine Abteilung die dieser Metrik sehr viele kleine und übersichtliche Projekte zu Grunde legen kann wird in jedem Fall bessere Werte erzielen, als eine Abteilung die sehr grosse, langwierige Projekte stemmt.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Euch, den QM-Kollegen?
Oder habt ihr nichts miteinander zu tun?

Die Zusammenarbeit ist eigentlich ganz gut, selbstverständlich gibt es Auffassungsunterschiede. Und eigentlich haben wir meist nichts miteinander zu tun.

Gibt es über Euch noch einen Ober-QM … (?), und wenn ja, wie
sieht der die unterschiedlichen Vorgehensweisen?

Für die OberQM gibt es keine unterschiedlichen Vorgehensweisen. Die bekommen entsprechende Metriken, alle Vorgaben für evtl. Assessments, Audits, Präsentationen, usw. werden von uns eingehalten und weitergegeben, wir sind die Abschirmung für unsere Kollegen gegenüber der OberQM. Dass für uns in der Regel ganz andere Metriken und Vorgehensweisen wichtig und zweckmässig sind, wird ignoriert, weil nicht vorgesehen.

Und was sagt
Eure Geschäftsführung dazu? Bekommt die etwas von Eurer Arbeit
mit?

Die Geschäftsführung lässt natürlich vorwiegend durch die OberQM berichten. Dennoch kommt es vor, wenn ein Kunde ins Haus kommt, dass die Geschäftsleitung dadurch unsere abteilungsspezifischen Methoden kennenlernt.

Werden bei Euch Befragungen durchgeführt, aus denen
Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden möglich
sind?

Ja es gibt Befragungen, aber nur die allgemeine QM betreffend. Die Umfragenergebnisse verschlechtern sich zur Zeit Jahr für Jahr.

Werden die Unternehmens- und Qualitätsziele des Unternehmens
mit den Mitarbeitenden besprochen?

Sowohl besprochen als auch klar von der Geschäftsleitung gewollt, gefördert, erwünscht. Führungskräfte haben tantiemenabhängige Qualitätsziele.

Spielt das Thema „QM“ (einschließlich Kundenzufriedenheit) in
Betriebsversammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen eine
Rolle?

siehe oben

Welche drei Dinge würdest Du in Eurem Unternehmen zuerst
ändern, wenn Du die Befugnis dafür hättest.

Aus QM Sicht:
Konsequente Kostenstellen-Struktur mit Vorgaben, Metriken die einer übergeordneten QM die entsprechenden Zertifierungserreichung ermöglichen.
Die Kostenstelle „Team“ oder „Abteilung“ wird wie von selbst die Erfahrung machen, dass eine nicht QM gestützte Vorbereitung bzw. Durchführung eines Projekts in den meisten Fällen sehr viel höhere Kosten nach Abschluss des Projekts verursacht.
Durch die interne Beauftragung von QM-Massnahmen für ein Projekt sind die Aktionen sehr viel passender auf das Projekt zugeschnitten.(Tayloring)
Die Akzeptanz steigt, da die Massnahmen sehr zweckbezogen und plausibel sind. QM und die Verantwortung dafür wird in den Teams/Abteilungen mitgetragen.

Ich hoffe, dass Dich die vielen Fragen nicht nerven.

Gruß,
Uli

Gruss

D.K.

Hallo D. K.,

vielen Dank für Deine Geduld, die ich nun nicht weiter strapazieren möchte.
Einige Aspekte aus Deiner Antwort würden mich schon noch interessieren, aber
detaillierter kann man das wohl nicht sinnvoll in einem Forum diskutieren. An meinen Fragen hast Du ja erkannt, dass ich manchmal auf der falschen Fährte war. Vieles wird erst dann verständlich, wenn man die Unternehmenskultur, die Aufbau- und Ablauforganisation, die Produkte, die Kunden und vieles mehr kennt. Aber das alles kann man mit einem Beitrag unmöglich mitliefern.

Meine Ausgangsfrage war: Zukunft Qualitätsmanagement? Und ich füge hinzu: in einem rohstoffarmen Land, das auf Dauer nur im internationalen Wettbewerb bestehen kann, wenn die Chefs die vorhandenen Potentiale (Kreativität, Wissen) der Mitarbeitenden zu nutzen verstehen. Wie das bei fast 90%-iger Demotivationsquote funktionieren soll, ist mir total schleierhaft. Selbst 20% wären da noch zuviel. Das ist wohl auch der Grund, warum soviele „Ruck-Reden“ (wie beispielsweise von Roman Herzog) nicht viel bewirken.
Als „wer-weiss-was-neuling“ überlege ich mir, ob dieses Forum das geeignete für
diese Fragestellung ist.

Einigen Teilen Deiner Antwort habe ich Bemerkungen hinzugefügt.

Viel Spaß bei Deiner Arbeit wünscht Dir
Uli

Beispiel: wir liefern eine
Übereinstimmung-GeschätzterAufwand-IstAufwand-jeProjekt-Metrik…
Eine Abteilung die dieser Metrik sehr viele kleine und
übersichtliche Projekte zu Grunde legen kann wird in jedem
Fall bessere Werte erzielen, als eine Abteilung die sehr
grosse, langwierige Projekte stemmt.

Ist auch meine Erfahrung. Wir haben vor vielen Jahren auch eine solche Metrik eingeführt mit dem Ziel, die Trefferquote bei den Schätzungen zu verbessern. Daraus ist dann aber nichts geworden. Schätzungen sind halt Schätzungen. Niemand kann in die Zukunft sehen: Nachträgliche Änderungswünsche
von Kunden, Grippewelle oder sonstiges Ungemach machen neue Schätzungen erforderlich.
Jedes Projekt ist anders und die Statistik half uns nicht wirklich weiter.
Das einzig beruhigende daran ist vielleicht, dass man bei der Statistik-Auswertung bemerkt, dass viele Projekte auch vor der geschätzten Zeit ohne Qualitätsverlust zum Abschluss kommen. Das ist nicht selbstverständlich: Es soll Unternehmenskulturen geben, in denen Projektleiter ihre Projekte mit Absicht bis zum „letzten“ Tag ausweiten, weil sie befürchten, das Management würde ihre Schätzungen in Zukunft nach unten korrigieren.

Dass für

uns in der Regel ganz andere Metriken und Vorgehensweisen
wichtig und zweckmässig sind, wird ignoriert, weil nicht
vorgesehen.

… löst bei mir ein ungutes Gefühl aus.

Ja es gibt Befragungen, aber nur die allgemeine QM betreffend.
Die Umfragenergebnisse verschlechtern sich zur Zeit Jahr für
Jahr.

Wer gibt das schon gern zu?

Werden die Unternehmens- und Qualitätsziele des Unternehmens
mit den Mitarbeitenden besprochen?

Sowohl besprochen als auch klar von der Geschäftsleitung
gewollt, gefördert, erwünscht. Führungskräfte haben
tantiemenabhängige Qualitätsziele.

Interessanter Ansatz. Sollte man auf die Geschäftsführung der „Deutschland AG“
übertragen. Allerdings mit Rückzahlungsmodus bei Nichterfolg.
Ich habe auch Tantiemen bekommen und im gleichen Jahr mobbinghalber gekündigt. Prima Pointe. Mittlerweile kann ich darüber sogar lachen.
Aber im Ernst: Ein mehr an Geld hat mich nie motiviert. Als ich in HH für QM
zuständig war, habe ich auf Basis von Zielvereinbarungen gearbeitet. Der Laden
(die Prozesse) musste laufen, die Kunden und Mitarbeiter sollten zufrieden sein.
Wie ich das machte, hat keinen interessiert. Das hat Spaß gemacht und deshalb
hat es auch funktioniert (das ist meine Motivationstheorie).

Welche drei Dinge würdest Du in Eurem Unternehmen zuerst
ändern, wenn Du die Befugnis dafür hättest.

Aus QM Sicht:
Konsequente Kostenstellen-Struktur mit Vorgaben, Metriken die
einer übergeordneten QM die entsprechenden
Zertifierungserreichung ermöglichen.
Die Kostenstelle „Team“ oder „Abteilung“ wird wie von selbst
die Erfahrung machen, dass eine nicht QM gestützte
Vorbereitung bzw. Durchführung eines Projekts in den meisten
Fällen sehr viel höhere Kosten nach Abschluss des Projekts
verursacht.
Durch die interne Beauftragung von QM-Massnahmen für ein
Projekt sind die Aktionen sehr viel passender auf das Projekt
zugeschnitten.(Tayloring)
Die Akzeptanz steigt, da die Massnahmen sehr zweckbezogen und
plausibel sind. QM und die Verantwortung dafür wird in den
Teams/Abteilungen mitgetragen.

Kann ich gut nachvollziehen und soweit zutreffend habe ich gute
Erfahrungen damit gemacht (in HH).

Hallo Uli,

nur meine Meinung? Aber gerne.

Hans-Olaf Henkel stellte kürzlich in der Zeitschrift „Impulse“
fest, dass Deutschland kein Innovations-, sondern ein
Qualitätsproblem habe.

Stimmt Herr Henkel. Nach welchen QM-Merkmalen werden denn Geschäftsführer und Vorstände beurteilt und gegebenenfalls ausgetauscht? Ist die Qualität denn gleichbleibend, wenn das Pöstchen geerbt wird? Was macht Ihr denn mit Schrempp, bei seinen Zahlen?

Qualität braucht Struktur und Kultur: Aber 88% aller
Mitarbeitenden in Deutschland sollen lt. Umfrage demotiviert
sein. Welche Erfahrungen habt ihr mit Anspruch und
Wirklichkeit?

Wundert Dich denn diese Demotivation? Wir einfachen Werker sind doch gar nicht mehr gefragt. Die Konzern-Spitzen haben jahrelang Wachstum erreicht durch Arbeitsplatz-Abbau. 10% mehr unterm Strich = 10% weniger Mitarbeiter. Die anderen arbeiten 10% mehr, das fällt doch keinem auf. Wieviele Jahre wurde das gemacht? Wieviel % arbeitet jeder mehr? Jetzt funktioniert das System nicht mehr, also ab ins Ausland - Subventionen kassieren.
Das Wissen der Mitarbeiter wurde auch nicht dokumentiert. Ich kenne große Konzerne die Ihre Rentner zum Teil wieder holen mußten. Es wußte keiner mehr wie die Gasprüfgeräte geeicht werden.
Warum soll ich denn noch irgendwas verbessern was mir auffällt? Für wen? Für den künftigen Kollegen aus dem Osten?

Ist es denn nicht so, daß die Qualität im Vorstand darunter leidet, daß die nachrückenden Kräfte schlechter sein müßen als die momentane Führung. Es fällt ja sonst auf.
Setzt doch mal Euere vorgegebenen QM-Richtlinien auf die Arbeit im Vorstand oder der Geschäftsführung an. Würde mich interessieren ob die daraus resultierenden Kennzahlen noch darstellbar sind.

Ich arbeite im Service. Da gibt es Kunden die ein Problem haben, ich versuche es zu lösen. Wenn ich erfolgreich bin sind wir beide zufrieden. Da interessieren mich irgendwelche Kennzahlen nicht mehr. Ein : „vielen Dank“ oder „dürfen wir sie denn nächstesmal wieder privat anrufen“ ist mir da wichtiger.

Gruß Norbert