Zumutbar?

Hallo und guten Tag,
jetzt habe ich auch einmal eine Frage, die ich nicht beantworten kann:

Jemand, der Alg II bezogen hat, hat vom Arbeitsamt eine Stelle bekommen, wo er immer erst am späten Nachmittag anfangen muss. Sein Feierabend richtet sich je nach dem zwischen 22 und 23 Uhr.
Da er kein Auto hat, ist das Hinkommen zu der ca. 40 km entfernten Arbeitsstelle nicht das Problem, wohl aber die Rückfahrt: Der letzte Bus fährt gegen 21 Uhr; er müsste dann, wenn er Feierabend hat, ca. 30 Min. bis zum Bahnhof laufen. Dann fährt er ca. 30 Min. bis zum Bahnhof seiner Heimatstadt. Von dort aus müsste er noch 7 km weiter bis zu seiner Wohnung, doch es ist nicht gesichert, dass er dort noch hinkommt. Die letzte U-Bahn fährt nämlich um Mitternacht; dann müsste er noch ca. 20 Min. bis zu seiner Wohnung laufen. Wenn er die U-Bahn nicht erreicht, muss er ca. eine Stunde am Bahnhof auf den Nachtbus warten und ist dann erst kurz vor 2 Uhr morgens zu Hause.

Das ganze ist eine Teilzeitstelle; ein Auto ist für ihn nicht finanzierbar. Die Arbeitsagentur hat ihm gesagt, wenn er die Stelle nicht nimmt, bekäme er eine Sperre.

Was könnte ich so einem Menschen raten, wo kann er einmal nachschlagen kann, welche Möglichkeiten er hat. Vielleicht kann er ja die Stelle wieder zurückgeben, sich was anderes suchen etc.?

Ich bedanke mich schon an dieser Stelle für eingehende Antworten, die sehr weiterhelfen, um nicht jeden Antworter persönlich anzuschreiben!

MOD: Artikel formell editiert

Hallo,

http://www.kei-kassel.gmxhome.de/info/recht/zumutbar… :

Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab.

Agnes

MOD: Zitat aus § 121 (4) SGB III kenntlich gemacht

Durchaus
Hallo,

Rückfahrt. Der letzte Bus fährt gegen 21 Uhr, er müßte dann
wenn er Feierabend hat, ca. 30 min. bis zum Bahnhof laufen.
Dann fährt er ca. 30 min bis zum Bahnhof seiner Heimatstadt.
Von dort aus müßte er noch 7 km weiter bis zu seiner Wohnung,

er könnte mit dem Fahrrad von zu Hause zum Bahnhof und abends mit dem Fahrrad von da zurück.

Das wären dann 30 bis zum Bahnhof + 30 Minuten Bahnfahrt + 20 Minuten mit dem Rad = 1 Stunde 20 Minuten. Das brauchen selbst in ein und der selben Stadt viele AN um zur Arbeit zu kommen.

Was wäre dem Arbeitslosen denn genehm? Nicht mehr als 15 Minuten Arbeitsweg?

Weitere Kommentare verkneife ich mir hier.

Gruß

S.J.

Zumutbarkeit im SGB III (Alg I) und II (Alg II)
Hi!

http://www.kei-kassel.gmxhome.de/info/recht/zumutbar… :
Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab.

Das ist ja alles schön und gut – wenn man Alg- I -Bezieher ist… Der Link (und Dein Zitat) bezieht sich nämlich auf § 121 SGB III , Alg-II-Vorschriften befinden sich jedoch im SGB II!

Wenn ich die Seite bis zur Mitte rungterscrolle, finde ich für Alg II stattdessen u. a. Folgendes:
Bezieher von Alg II sind verpflichtet, (fast) jede Arbeit anzunehmen. Dies schließt auch 400-Euro-Minijobs ein, die keinen Sozialversicherungsschutz bieten. Ebenso entfällt der bisherige, minimale Einkommensschutz, nachdem der Nettolohn einer angebotenen Stelle zumindest der Arbeitslosenhilfe entsprechen musste. Künftig sind auch Stellen zumutbar, mit denen der Lebensunterhalt nicht gesichert werden kann und die nur einen Lohn unterhalb des Alg II bieten.“ […]

Der passende Paragraph dazu wird auch auszugsweise zitiert ( § 10 SGB II – Zumutbarkeit ). Leider geht es dabei um die Höhe des zumutbaren Arbeitsentgelts.

Daher hier von mir der Link zum kompletten Paragraphen: http://bundesrecht.juris.de/sgb_2/__10.html
Aber auch hier findet sich – im Gegensatz zum äquivalenten Alg-I-Paragraphen § 121 SGB IIIkeine Ausschlussvorschrift für (zu) lange Fahrzeiten vom und zum Arbeitsplatz!

Mein Fazit: Es scheint, als ob der betroffene Alg-II-Empfänger keine rechtliche Handhabe gegen die ARGE zur Aufgabe dieser TZ-Beschäftigung hat. (Was allerdings nicht der Weisheit letztes Schluss sein muss; vielleicht gibt es irgendwo ja noch Sondervorschriften oder BSG-Urteile, die ich nicht kenne. Ich bin in der Alg-II-Materie nicht gerade der umfassendst Informierte.:smile:

Gruß
Liza

MOD: Text analog zu Vorposting editiert

Hallo

Aber auch hier findet sich – im Gegensatz zum äquivalenten Alg-I-Paragraphen § 121 SGB IIIkeine Ausschlussvorschrift für (zu) lange Fahrzeiten vom und zum Arbeitsplatz!

Ich habe folgenden Text gefunden:

„Als Vergleichswerte anzusetzen sind:
• bei einer täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden: 2,5 Stunden
Pendelzeit,
• bei einer tägliche Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden: 3
Stunden Pendelzeit.“

Gefunden in: http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A01-A…
auf Seite 13 unten.

Viele Grüße
Simsy

MOD: Zeilenumbrüche entfernt

Ah, DA 10.27! Richtwerte zu Pendelzeiten bei AlgII
Hi!

„Als Vergleichswerte anzusetzen sind:
• bei einer täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden: 2,5 Stunden Pendelzeit,
• bei einer tägliche Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden: 3 Stunden Pendelzeit.“
http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A01-A…
auf Seite 13 unten.

Also doch vergleichbar mit den entsprechenden Vorgaben für Alg I in § 121 SGB III.

(Wie gut, dass ich gesagt habe, dass ich mich hier nicht umfassend auskenne. :sunglasses:

Danke, Simsy!

LG
Liza

Hi

(Wie gut, dass ich gesagt habe, dass ich mich hier nicht
umfassend auskenne. :sunglasses:

Stimmt, sonst hätte ich nicht gesucht.

Viele Grüße
Simsy

Zumutbar?
Hallo, und vielen Dank für die Antworten.

Wir waren ebenfalls der Auffassung, dass das Gesetz die Zumutbarkeit von der Stundenzahl der Arbeit abhängig macht. Der Arbeitnehmer in diesem Falle arbeitet 4 – 5 Stunden täglich, von 17 – 22 bzw. von 10 – 14 Uhr.
Eine Fahrtstrecke dauert unter normalen Umständen 1,5 Stunden, also für beide Strecken 3 Stunden.

Allerdings nicht an den Tagen, an denen er bis 22 Uhr arbeiten muss. Dann muss er 20 Minuten zum Bahnhof laufen, fährt 1 Stunde zurück zum Heimatbahnhof und noch 30 Minuten nach Hause. Klappt allerdings nur, wenn der Zug keine Verspätung hat und er die Anschlüsse (die letzten für diesen Tag) nach Hause noch erreicht. Wenn er die Anschlüsse nicht erreicht, muss er am Bahnhof ca. 1 Stunde auf den Nachtbus warten, um dann noch eine weitere Stunde damit nach Hause zu fahren.
Ebenso schwierig ist es, wenn er manchmal noch bis 23 Uhr oder länger arbeiten muss. Dann fährt kein Zug mehr in seine Heimatstadt, und er muss mind. 3 Stunden mitten in der Nacht warten, bis er seine 1,5-stündige Heimfahrt antreten kann.
Mit dem Fahrrad zu fahren, kommt nicht in Betracht, da die Strecke zur Arbeit ca. 40 km lang ist. Ebenso kann er auch nicht mit dem Fahrrad zum Heimatbahnhof fahren, da er dann eine Schnellstraße/Autobahn damit befahren oder durch einen unbeleuchteten Wald müsste.

Unsere Ansicht ist eindeutig, dass dies nicht zumutbar ist, da sich hier der Arbeitnehmer bei Leib und Leben selbst gefährdet. Es gibt schließlich in jeder Stadt genügend eigene Arbeitsuchende vor Ort, die man dort auch einsetzen könnte.
Oder der Betrieb könnte dem Arbeitnehmer, wenn er ihn unbedingt haben möchte, einen Wagen zur Verfügung stellen.

Undine

Hallo

Wenn der AN bereit ist, zur Not die Arge zu verklagen, wird er sich wohl durchsetzen können, denke ich. Ich kann es mir jedenfalls nicht anders vorstellen. Wichtig ist, dass dann alles schriftlich gemacht wird, so dass man belegen kann, was da zwischen dem Amt und ihm verhandelt wurde.

Viele Grüße
Simsy