Zusammenhang Schließung Kaufhaus vs. Ladensterben

Hallo,

mit dem langsamen Tod von Karstadt, Kaufhof, Galleria und anderen Kaufhausmarken hört und liest man immer wieder “wenn das Kaufhaus geht, stirbt die Innnenstadt.“

Kennt jemand eine wissenschaftlich fundierte Studie, die diese kausale Abhängigkeit der umliegenden Geschäfte von Kaufhäusern nachweist?

Oder liegt nicht viel mehr eine Korrelation vor: die Innenstadt stirbt und das Kaufhaus ist sein prominentestes, offensichtliches Opfer.

Vielen Dank im Voraus für ein paar Links, die die immer wieder vorgebrachte Kausalität belegt oder widerlegt.

Pierre

Hallo,

das sind natürlich plakative Aussagen, die angenommene Entwicklungen verdeutlichen sollen, aber wohl im Regelfall nicht so gemeint sind, dass sich die Einkaufsstraße nach der Schließung eines großen Warenhauses in eine öde Steppe oder in eine postapokalyptische Ruinenlandschaft verwandelt.

Klar ist, dass sich nach der Schließung eines großen Warenhauses zunächst einmal Publikumsströme ändern: Volumen, Wege, Kaufkraft. Allerdings ist da auch zu berücksichtigen, dass die Schließung in der Regel nicht der Anfang einer Entwicklung ist, sondern deren vorläufiger Höhepunkt, dem natürlich eine besondere Dramatik innewohnt.

Ich könnte nun einige Entwicklungen skizzieren, die ich in Düsseldorf an zwei großen Einkaufsstraßen über die letzten 30 Jahren hinweg beobachtet habe, aber darum ging es Dir natürlich nicht.

Am ehesten geht wohl noch eine Studie von PWC in diese Richtung, wobei es da primär um die Analyse von Nachnutzungen geht:

die-zukunft-der-warenhaus-immobilien.pdf (pwc.de)

Aus der Zusammenfassung:
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Gruß
C.

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„Die Innenstadt“ ist eine Symbiose aus Handels-, Handwerks- und Gastronomiebetrieben; daneben existieren Museen und Ausstellungsräume.
Wenn es einen starken Publikumsmagneten gibt, profitieren alle anderen o.g. Einrichtungen davon und wiederum diese untereinander. Ohne mindestens einen solchen Kundenzieher geht es nicht.
Schließt also der stärkste Wallfahrtsort, wird die Mehrheit dessen ehemaliger Kunden die Innenstadt nicht anpendeln und damit auch nicht bei Schuh-Dubidu reinschauen, das „Eiscafe Vendetta“ nicht mehr bevölkern und auch nicht in die Drogerie und die Buchhandlung und das Prozellangeschäft gehen und je dort ein paar Groschen lassen.

Der Publikumsmagnet muss kein Kaufhaus der o.g. Sorte sein und es entscheidet der Wille der Kundschaft und der Wille der Stadtverwaltung, z.B. Zufahrten und Parkmöglichkeiten attraktiv zu halten, über Wohl und Wehe der Innenstädte.

So ist das. Die Innenstädte verkommen zu Herbergen für Optiker, Apotheken, Hörgeräteverkäufer, Mobilfunkabzocker und ähnliche Gewerbe.
Früher konnte ich zu Tante Emma gehen und war mit einer Flasche Wasser nach einer Minute wieder draußen. Das war zwar teurer, aber Zeit ist Geld. Wenn ich mich da im Supermarkt durchwühle bin ich im günstigsten Fall nach 1/4 Stunde wieder mit meiner Flasche draußen.
Zu Tante Emma ist auch deswegen keiner mehr gegangen, weil die Stadtverwaltung der Meinung war, vor ihrem Laden wäre eine Grünanlage besser als ein Parkplatz.

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… und Juweliere. Das habe ich hier in der Gegend auch erlebt. Die Innenstadt war praktisch tot. Man hätte sich nicht einmal mehr gewundert, wenn Tumbleweed durch den Boulevard gerollt wäre. Niemand hätte gedacht, dass da noch was zu retten ist.

Dann wurde ein Center mit Supermarkt, vielen kleinen Läden und diversen Fressbuden gebaut und siehe da: Die Innenstadt war wieder voll und es hat nur ein paar Monate gedauert, bis die kleien Läden in der Umgebung zurück gekommen sind. Wenn so ein Publikumsmagnet öffnet oder schließt, dann kann das tatsächlich dramatische Folgen haben.

Das muss aber tatsächlich nicht das Warenhaus sein, auch wenn es sowohl das Warenhaus als auch die Politiker als auch der ein oder andere Einzelhandelsverband so behauptet. Die meisten Warenhäuser haben einen ganz wesentlichen Wettbewerbsvorteil: Stellplätze. Viele Besucher haben dort geparkt, im Laufe des Einkaufs für ein paar Euro für die günstigeren Parkgebühren dort eingekauft und sind ansonsten die Einkaufsstraßen rauf- und runtergelaufen.

Über die letzten Jahrzehnte starb - ohne dass das groß bemerkt oder gar öffentlich diskutiert wurde - vor allem der kleine, keiner großen Kette angehörige Fachhandel aus, was letztlich eine viel größere Bedrohung für die Innenstädte darstellt als die Schließung eines Warenhauses, das letztlich austauschbare Ware anbietet. Dass sich nun die Warenhäuser immer weniger rentieren, ist natürlich auch eine Folge des online-Handels und des (zumindest in der aktuellen Form) überkommenen Konzepts, aber eben auch eine Folge des Austauschs der altehrwürdigen Schuhgeschäfte und Herren- oder Damenausstatter durch Primark, H&M, Foot Locker und Nagelstudios).

Wenn neben Christ, C&A und Douglas kein Warenhaus mehr steht, stört das die wenigsten. Wenn aber die Fachgeschäfte verschwinden, gibt es halt für viele Bummler überhaupt keinen Grund mehr, in die Innenstadt zu fahren. Mal exemplarisch beschrieben: in den letzten 20 Jahren sind von der Schadowstraße (lange Zeit die Einkaufsstraße mit dem zweithöchsten Umsatz in Europa) von acht Schuhgeschäften noch zwei geblieben (von Foot Locker mal abgesehen), die Herrenausstatter sind sämtlichst weggezogen und die Zahl und das Niveau der anderen Fachgeschäfte ist auch drastisch zurückgegangen.

Die angrenzende Oststraße war von Karstadt/Kaufhof (standen sich Jahrzehnte gegenüber) bis zum Kaufhof (ursprünglich Horten) an der Berliner Allee nahezu durchgehend von kleinen Fachgeschäften (Brautmoden, Porzellan, Elektrofachhandel, Lederwaren, Koffer) geprägt, die aber nach und nach aufgaben. Die große Karawane über Schadowstraße, Tonhallenstraße, Oststraße, Graf-Adolf-Straße, Königsallee bzw. Berliner Allee kam vor gut zehn Jahren zum Erliegen (dass man die Diskussion über die Neugestaltung einiger Abschnitte nie wirklich zu einem Ende brachte, hat natürlich auch nicht geholfen). Heute geben sich da ständig wechselnde Betreiber von gastronomischen Experimenten die Klinke in die Hand - umgeben von Barbershops, Nagelstudios, Kiosken und „Supermärkten“.

Dass der alte Horten 2017 oder so zumachte, hat man an der Oststraße genauso wenig gemerkt wie die Eröffnung eines riesigen EDEKA-Marktes 2019 im gleichen Gebäude.

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Als sich für uns Ossis das Tor zum goldenen Westen öffnete und ich zum ersten mal in Westberlin Shoppen ging, fielen mir zwei Sachen zuerst auf:
Am Rande der größeren Einkaufsmeile viele kleine Läden mit verhangenen Fenstern „wir schließen“ - „Ausverkauf“ - „demnächst hier…“, gefühlt jedes vierte Geschäft.
Das zweite, Bettler und Obdachlose.
Jetzt sieht es in meiner Stadt auch so aus. Nur die Obdachlosen fehlen, dafür lange Schlangen bei der „Tafel“.
Die Tante-Emma-Läden gibt es schon lange nicht mehr. Schuhläden - Pustekuchen, nur noch die großen Ketten mit ihren 08/15 Modellen.
In unserer Stadt (20k EW) gibt es noch einen! Bürofachhandel (und der hat mehr als Bürolocher und Schnellhefter). Der wird zum Jahresende auch verschwunden sein. Mal sehen, ob die Kunden ihre Geräte dann bei A***on reparieren lassen. Ich befürchte, die Tonnen für Elektroschrott quellen über (wenn sie denn wieder eingeführt werden).
Geiz ist eben nicht nur geil, sondern auch extrem kurzsichtig und doof.

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Tjoa, die Situation bzw. Entwicklung im Westberlin der frühen 90er ist jetzt nicht so ganz unmittelbar 1:1 auf alle deutschen Innenstädte in der heutigen Zeit übertragbar.

Ist das so? Im Prinzip kann man heute alles außer Lebensmitteln online bestellen und die Preise liegen gerne 20, 30 oder sogar 40% unter dem, was der stationäre Einzelhandel aufruft. Die Rechnung, nach der sich das für den einzelnen Kunden, der an sich und sein Portemonnaie denkt, nicht lohnt, möchte ich sehen.

Es kommt immer auf den Einzelfall an. Oben genanntes Bürofachgeschäft hat einen Vergleich gemacht mit dem üblichen Sortiment aus einer Bestellung einer Firma.
Dabei schnitt der in der Googlesuche fast immer zuerst auftauchende Buchhändler auf keinen Fall besser ab. Im Gegenteil, würden die Versandkosten real berechnet wäre er sogar viel teurer.
Da sich die Paketdienste offensichtlich knebeln lassen, um was vom großen Kuchen abzubekommen, funktioniert dieses Geschäftsmodell noch.
Dass die Paketzusteller dann noch Probleme bei der Zustellung haben und sich die Beschwerden häufen, weil die Kunden ihre Lieferung im Paketshop abholen müssen, wundert dann überhaupt nicht.

Im anderen Artikelbaum wies ich ausdrücklich darauf hin, dass Schreibwaren einerseits aufgrund der niedrigen Preise und andererseits der vergleichsweise hohen Versandkosten bisher vom Trend zum online-Handel weitgehend ausgenommen waren.

Ich frage mich, warum man nicht einfach mal sachlich bleiben kann. Wieso muss man hier von „knebeln“ sprechen, um der Sache so einen negativen, anrüchigen Beigeschmack zu geben? Es liegt doch auf der Hand, dass es für DHL & Co. Kostenvorteile gibt, wenn man einmal täglich mit einem Gespann auf einem funktionierenden Logistikgebäude vorfährt und 20 Tonnen Pakete auf einen Rutsch einlädt, anstatt dass ein MA die Dinger einzeln aus der Packstation klaubt oder ein anderer die am Schalter entgegennimmt, nachdem er lang und breit erklärte, dass Pakete nach GB und in die Schweiz einen Zollaufkleber brauchen.

Da fällt mir der ein, wo die Ossifamilie zum ersten Mal im KaDeWe ist.
Mutter und Tochter wühlen in den Dessous, Vater und Sohn gucken ungläubig umher uind sind von der Fülle des Angebots schier erschlagen, als ein altes Mütterlein zu einer Tür schritt, auf einen Knopf drückte, die Tür sich öffnete, sie hindurch schritt und die Tür sich wieder schloss.
Auf einer Anzeige erschien: 0 - 1- 2 -3 und nach einer halbben Minute 3 - 2 - 1 - 0. Die Tür ging auf und es kam eine bildhübsche junge Frau erhaus.
Sagt der Vater: „Ronny, du holst sofort unsere Mutter!“

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Das stimmt!

Hier, in einem Kleinstort, gibt es ein Spezialfachgeschäft, welches nach eigener Angabe das größte des Bundeslandes ist. So ein Frequenzbringer zieht natürlich Publikum an, was entsprechend solvent ist. Meine Wenigkeit übt eine Dienstleistung aus, die sehr stark nachgefragt ist und auch besser Verdienende als Zielgruppe anspricht - die umliegenden Händler und Dienstleister profitieren von so manchem Beifang.

Achtung, kann ins Witzebrett verschoben werden.
Oder der, wo der Bauer vom Land in der Stadt den Automaten sieht mit der Aufschrift: „Ersetzt ihre Frau“.
Mehr eventuell im Witzebrett.

Weil die Paketzusteller solch guten Job haben und soo gut verdienen?
DHL vielleicht mal ausgenommen.

Bitte mit Umweg über das Deutschbrett. Dreimal durchgelesen und immer noch 5 Fehler pro Satz.

Und die Paketzusteller entscheiden über Sonderkonditionen für Versandhäuser?

Übrigens: ich kannte mal jemanden, der betrieb über EBay einen leidlich schwunghaftes Handelsgeschäft mit rd. 10 Verkäufen täglich. Der geriet mit seinen Kunden mal aneinander, weil er seine Konditionen nicht an diese weitergeben wollte. Er sprach von rd. 2 Euro für ein kleines Paket.

Bitte korrigieren, ich lerne gern dazu.

Ich meinte meinen Text!

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Vorab: Es sollte hier zwischen den Größen der Städte unterschieden werden. Ein Problem haben die eher kleineren Städte, in denen es die kleinen Geschäfte rund um das Kaufhaus schlicht nicht mehr gibt.

Wie schon reichlich hier von anderen geschrieben, geht es um einem „Magneten“, der die Leute anzieht. Das war bis in die 1970er hinein quasi grundsätzlich das Kaufhaus. Seitdem haben sich Alternativen dazu gebildet … allen vorran Einkaufszentren.

Das Problem ist eigentlich, dass man sowas damals an vielen Orten nicht in der Innenstadt haben wollte, so dass sie „irgendwo in die Pampa“ bzw. am Stadtrand gebaut wurden und dort Alternativen zur Innenstadt entstanden sind. Ein extremes Beispiel ist hier Dodenhof. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Innenstädte leer werden.

Es muss aber auch nicht unbedingt ein einzelnes Unternehmen sein, um einen „Magneten“ zu haben. Mir ist leider entfallen, welche japanische Stadt es war … jedenfalls hatte man dort die Innenstadt mit geringen Mitteln wie der Überdachung der Einkaufsstraße so umgestaltet, dass der Eindruck eines Einkaufzentrums entstand und dem dann einen Namen gegeben. Der Rest war Marketing …

Es stellt sich aber eh die Frage, ob „man“ überhaupt belebte Innstädte möchte. Die aktuellen Bemühungen, Autos & Co. rauszubekommen, ohne Alternativen zu schaffen, sorgt für noch mehr Desinteresse bei den potenziellen Nutzern. Zudem stellen die Planungen einiger Städte schon logistische Probleme für die Anlieferung von Geschäften dar.

Auf der anderen Seite geht es bei Karstadt auch gar nicht um ein „Kaufhaus-Problem“ sondern um ein Managememt-Problem. Thomas Middelhoff hat da schlimmstes angestellt, was sich danach nicht mehr wirklich beheben ließ. Die Gewerkschaften haben ihren Teil auch dazu beigetragen, indem sie kurzfristigen Effekten für ihr Klientel hinterhergerannt sind.

Bei Kaufhof gab es ein anderes Problem … der Besitzer wollte nicht mehr, so dass in dem jahrelangen Abstoßungsprozess wie bei Real auch kein Zukunfts-Konzept erstellt wurde.

Der gescholtene Benko hatte IMHO keine Chance. Sein Vorhaben hörte sich für mich gar nicht so schlecht an. Er wollte scheinbar ein Zwischending zwischen Kaufhaus und Einkaufszentrum machen. Mich hat das starkt die YouMe-Town-Häuser in Japan erinnert. Dort wirkt alles wie ein riesiges Kaufhaus. In Wirklichkeit sind das aber größtenteils einzelne Unternehmen, die die Fläche angemietet haben.

Dass es kein „Kaufhaus-Problem“ gibt, zeigen übrigens auch die zig mittelständischen Kaufhäuser (Stolz, Ceka, Moses, Kaufring, Haco, Ganz, …), die größtenteils erfolgreich sind.

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Ja, der Dodenhof ist wirklich krass!
Ist das noch in Privatbesitz?