Mythologischer Background der Isis
Hi.
Gibt es mytologisch gesehen einen Zusammenhang zwischen
Beiten?
Metapher hat das schon gut beantwortet. Im folgenden gebe ich einen Überblick über die Rolle der Isis im Zusammenhang
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der „Schöpfungslehre von Hermopolis“ (ältester ägyptischer Schöpfungsmythos),
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der älteren Göttinnen Nut und Hathor
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des Mythos um den Kampf zwischen Horus und Seth.
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Der dem Urwasser entsteigende Ur- und Sonnengott Atum bringt den Luftgott Schu und die Feuergöttin Tefnut hervor (Luft und Feuer als Emanationen der Sonne = Atum). Das Aufsteigen des Sonnengottes aus dem Urwasser ist als Analogie des mythologisch als Weltentstehung gedeuteten Sonnenaufgangs zu sehen. Im Mythos heißt es über Atum:
Du hast deine Arme um sie (= Schu und Tefnut) gelegt als die Arme des Ka
damit dein Ka in ihnen sei.
Dieses Bild verdeutlicht das ägyptische Denken über das Verhältnis eines Vaters zu (vor allem) seinem Sohn. Der „Ka“ (hieroglyphisch zwei vorgestreckte Arme) ist - neben dem Ba - ein elementarer Bestandteil der Seele und geht, quasi als Klon, beim Zeugungsakt vom Vater auf den Sohn über. Von besonderer Bedeutung ist diese Vorstellung für die Königsideologie, weil so die dynastische Kontinuität des Königtums auch wesensmäßig, durch das Weiterreichen eines identischen ´Ka´ durch die Generationenreihe hindurch, gesichert ist.
Die dritte Göttergeneration, also die Kinder von Luftgott Schu und Feuergöttin Tefnut, sind der Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut. Man sieht, wie die Herrschaftskompetenz sich stufenweise vom Sonnengott über den Luftgott zum Erdgott (Geb) hinab ausdifferenziert. Geb ist der erste Gott, der über die Erde herrscht.
Der Nachfolger des Geb auf dem Thron ist sein Sohn Osiris, der zusammen mit seinem Bruder Seth und seinen Schwestern Isis und Nephtys die nächste Generation bildet. Im Mutterleib von Nut entstehen aber nicht nur vier Geschwister (jeweils Zwillingspaare: Osiris/ Isis und Seth/Nephtys), sondern auch Horus. Dieser wird nämlich, was nur Götter können, von Osiris und Isis bereits im Leib von deren Mutter, Nut, gezeugt. Nut gebiert also fünf Kinder, Osiris, Isis , Seth, Nephtys sowie ihr von Isis geborenes Enkelkind Horus. Dieser Horus ist seit der frühdynastischen Zeit der für die ägyptische Königsideologie bedeutendste Gott, da der Pharao als seine Inkarnation galt (jeweils vom Zeitpunkt der Krönung an). Entsprechend wichtig war Isis´ Rolle als Mutter des Horus und damit des als göttlich angesehenen Pharao.
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Obiger Mythos ist, wie auch der nachfolgende unter 3), ein Produkt patriarchalischer Mythologie. Ältere mythologische Vorstellungen nannten Hathor als Mutter und alleinige Erzeugerin eines vaterlosen Horus , was auf die prähistorischen Vorstellungen von einer kosmischen Urmutter zurückgeht. Um den Horus in einen patriarchalischen Kontext zu stellen, schrieben die Priester die Horusmythen auf die Göttin Isis um, wodurch Osiris, der Brudergatte der Isis , zum Vater des Horus wurde.
Als älteste ägyptische Muttergöttin im Sinne einer Ur-Mutter kann Nut gelten, die im vorgenannten Mythos dem mega-patriarchalisch alleinerzeugenden Atum bereits nachgeordnet ist. Der Name „Nut“ bedeutet nichts anderes als „Vulva“, die Göttin entspricht in der Grundidee also der in der Prähistorie verehrten alleinerzeugenden kosmischen Urmutter. Schon früh verschmolz Nut mit der Göttin Hathor. Auch Hathors Name (= Haus des Horus) ist vaginal deutbar, da das „Haus“ metaphorisch für „Uterus“ steht, aus dem der Sohn Horus hervorgeht. Entsprechend gehörte der Titel „Herrin der Vagina“ zur Epitheta-Liste dieser Göttin.
Isis verkörpert dagegen, als ´Ehefrau´, einen an patriarchalische Vorstellungen angepassteren Göttinnentyp.
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Im wichtigsten Osiris-Mythos, dem Kampf zwischen Osiris und Seth, sind die Zeugungsmodalitäten des Horus nicht minder bizarr als im obigen Schöpfungsmythos. Seth ermordet seinen Bruder Horus, um dessen Thron zu erlangen, und verteilt den zerstückelten Leib über ganz Ägypten; der liebenden Schwestergattin Isis gelingt es, die Leichenteile zu sammeln und temporär wiederzubeleben, um mit Osiris den Horus zu erzeugen. Osiris stirbt dann wieder und wird Herrscher über die Unterwelt. Horus verklagt Seth vor dem Gericht der Neunheit, erwirkt Seths Bestrafung und erhält den Königsthron zugesprochen. Den Vorsitz des Gerichts führt der Urgott Atum, der durch das Urteil seine urgöttliche Herrschaftskompetenz auf den Horus überträgt und ihn somit als Königsgott legitimiert.
Chan