Hallo Eli,
Doch, leider gibt es dieses sehr wohl und ist sogar weit verbreitet, wenn man einmal darauf achtet
„jüdische Herkunft“, „jüdische Wurzeln“, „jüdische Eltern“, usw. sind :gebräuchliche Umschreibungen,
wenn man vermeiden will zu sagen (oder zu schreiben), dass jemand Jude ist.
das sehe ich nicht so. Diese Formulierungen „Wurzeln“ oder „Eltern“ nimmt man, wenn jemand einer Gruppe nicht (mehr) angehört oder ihr nur abstammungsmäßig verbunden ist.
Konkret:
Von Cem Özdemir liest man oft, er sei „Deutscher mit türkischen Wurzeln“. Logisch, denn er hat deutsche Staatsangehörigkeit. Zudem ist er hier geboren, aufgewachsen, spricht Deutsch so gut wie jeder andere Deutsche und ist mit deutscher Kultur ebenso vertraut. Ihn als „Türken“ zu bezeichnen, wäre total daneben, seine Herkunft total auszublenden aber auch. Er hat aufgrund seiner Herkunft mehr Verständnis für die Probleme von Türken in D als ein „Nur-Deutscher“, und vermutlich auch emotional eine engere Bindung zur Türkei als zu anderen Ländern.
Von Gregor Gysi habe ich erst im Zusammenhang mit der Nobelpreisverleihung an seine Tante erfahren, dass er „jüdische Wurzeln“ hat. Bei Wikipedia heißt es über ihn: „Gysi entstammt einer jüdischen Familie, ist selbst aber nicht gläubig.“ Demnach wäre es also falsch, ihn als Juden zu bezeichnen. Sollte er aber, was ja viele Menschen in hohem Alter tun, irgendwann in der Zukunft doch noch religiös werden, würde er dann doch zum Juden?
Wenn ich in einem meiner früheren Beiträge zu diesem Thema schrieb, dass ich seit Kurzem einem „jüdisch-russischen“ Mädchen Nachhilfeunterricht gebe, muss ich das, wenn ich genau bin, korrigieren. Im Englisch-Unterricht hatten wir kpürzlich ein Lesestück über eine Gruppe Jugendlicher in New York, unter denen einer ein Schwarzer war, der aus den Bronx stammte, und ein Weißer, der Jude war. Unser Gespräch darüber verlief wie folgt:
Ich: Du bist doch auch jüdisch.
Sie: Nein.
Ich: Aber Deine Mutter hat mir doch gesagt, dass sie Jüdin ist, und deshalb nach Deutschland kommen durfte.
Sie: Ja, aber mein Vater ist kein Jude, ich bin eine Mischung.
Ich: Aber Du weißt doch sicher, dass nach jüdischem Recht Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat?
Sie: Ja, aber das interessiert mich nicht.
Ich: Geht Ihr denn in die Synagoge?
Sie: Mein Mutter manchmal, ich aber nie.
Die Frage „Wer ist Jude?“ ist ja heiß diskutiert und nach meinem Wissen nicht endgültig gelöst. Wenn wir die hier führen wollten, würden auch wir wohl nicht die endgültige Lösung finden. Aber wenn wir das versuchen wollten, müssten wir wohl ins Religionsbrett umziehen, oder nach hagalil.
Grüße
Carsten