Zwei Jesus- Kinder

Du bist zwar nicht der erste, der das sagt, aber es stimmt
trotzdem nicht. Eine solche Amnestie ist zwar sonst nicht
erwähnt, bei all der Selbstherrlichkeit und den ihr
entsprechenden Praktiken der antiken Richter ist es aber ein
naheliegender Gedanke, anzunehmen, dass es auch solche
Amnestien gegeben hat, und im übrigen haben Amnestien ja eine
sehr verbreitete Tradition; hinzu kommen die Tradition von
Bestechung und Erpressung von Beamten, und dann ist das Bild
des Pilatus gemäss Evangelium schlicht nicht mehr anzukratzen

  • und dieses hattest Du wohl ankratzen wollen.

Nee, Mike, so geht es nicht: Ich sprach an anderer Stelle davon, er Historiker müsse Möglichkeit, Plausibilität und Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses prüfen.
In einen Prozess, der nach römischem Recht geführt wurde, jetzt plötzlich die „Selbstherrlichkeit … der antiken Richter“ einzuführen, bedeutet, der Beliebigkeit Tür und Tor zu öffnen. Damit kannst Du jede Abstrusität belegen und rechtfertigen.
Und noch etwas: Pilatus soll ja von der UnschuldJesu überzeugt gewesen sein. Macht es ihn besser und zu einem gerechteren Richter, wenn er wider besseres Wissen einen Unschuldigen hinrichten lässt? Das ist auch nach römischem Recht unmöglich.

Ein römischer Prokurator konnte sich in Judäa möglicherweise viel erlauben, aber eben nicht alles. Es gibt Beispiele dafür, dass auch Pilatus wieder revpzieren musste (Ich führe das jetzt mal nich aus).
Also auf der einen Seite selbstherrliche Begnadigung des einen und ebenso selbstherrliche Hinrchtung des Unschudigen?
Die Evangelisten schildern den Prozess Jesus höchst lückenhaft und unvollkommen. Man kann ihn weder mit römischen noch mit jüdischen Prozessvorschriften kohärent rekonstruieren. Deswegen sind wir, wenn wir ihn wirklich verstehen wollen, darauf angewiesen, so wenig „Selbstherrlichkeit“ und Beliebigkeit wie möglich walten zu lassen.

Zum anderen später!

Gruß - Rolf

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Prozess

Ich sprach an anderer Stelle
davon, er Historiker müsse Möglichkeit, Plausibilität und
Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses prüfen.

Dem kann man sich im allgemeinen anschliessen. Das Problem ist ja nicht das Auswerten, sondern das Deuten von Fakten. Und die Fakten, die in unserem Fall bekannt sind, sind eben nur oder fast nur in gedeuteten Texten enthalten und überhaupt nicht von ihrer Deutung zu trennen (so mit Albert Schweitzer im Zusammenhang mit dem Schlagwort vom „historischen Jesus“).

In einen Prozess, der nach römischem Recht geführt wurde,
jetzt plötzlich die „Selbstherrlichkeit … der antiken
Richter“ einzuführen, bedeutet, der Beliebigkeit Tür und Tor
zu öffnen.

Wenn die Fakten an sich keine Deutung zulassen, ist die Deutung aus naheliegenden Dingen zu holen. Beliebigkeit würde implizieren, dass auch Deutungen zugelassen sind, die gar nicht naheliegend sind, so wie etwa die, dass Jesus Wunder getan hat. Historisch ist das keine naheliegende Deutung, aber es gibt keine bessere, daher stehen wir dort vor einem historischen Paradoxon. Hier beim Prozess Jesu aber haben wir vier schriftliche plus haufenweise mündliche Deutungen vor uns und dazu einige wenige Hinweise weiterer schriftlicher Texte (Fl. Josephus, Tacitus) sowie eine Unmenge an Sekundärliteratur aus der Antike und auch späterer Zeit.

Damit kannst Du jede Abstrusität belegen und
rechtfertigen.

Nein, weil die Deutung eben aus naheliegendem Grund erfolgt.

Macht es ihn besser und zu einem gerechteren
Richter, wenn er wider besseres Wissen einen Unschuldigen
hinrichten lässt?

Keineswegs, das behaupten auch die Evangelien nicht.

Ein römischer Prokurator konnte sich in Judäa möglicherweise
viel erlauben, aber eben nicht alles.

Weswegen z. B. Pilatus wegen seiner politischen Haltung beinahe aus dem Amt gejagt worden wäre. Sein Glück war, dass der Kaiser rechtzeitig wechselte, darum blieb er noch ein paar Jährchen.

Also auf der einen Seite selbstherrliche Begnadigung des einen
und ebenso selbstherrliche Hinrchtung des Unschudigen?

Pilatus war in seinem Amt als Prokurator unabhängig.

Die Evangelisten schildern den Prozess Jesus höchst lückenhaft
und unvollkommen.

Es gibt kein vollständigeres Zeugnis von Prozessen bis in jene Zeit, das den Historikern vorläge, als die vier Berichte der Evangelien, hinter denen übrigens noch mehr von Exegeten vermutet werden, z. B. eine gemeinsame schriftliche Vorlage der Evangelien.

Man kann ihn weder mit römischen noch mit
jüdischen Prozessvorschriften kohärent rekonstruieren.

Welche Angaben fehlen Dir denn

Deswegen sind wir, wenn wir ihn wirklich verstehen wollen,
darauf angewiesen, so wenig „Selbstherrlichkeit“ und
Beliebigkeit wie möglich walten zu lassen.

Zu weiteren historischen Betrachtungen fehlen die Fakten

Zum anderen später!

Gerne, je nachdem was „das andere“ ist.

Gruß - Rolf

Gruss
Mike

Hallo,

Jakob zeugte Joseph, den Mann
Marias, von welcher ist geboren Jesus, der da heißt Christus."

aber Joseph ist doch gar nicht Vater von Jesus, der war eine
unbeflekte Empfängnis oder habe ich das falsch verstanden?

Hallo Walden,
das hast Du falsch verstanden.
„Unbefleckte Empfängnis“ hat nix mit der Zeugung von
Jesus zu tun - mach Dich da mal wo anders schlau.
Ansonsten ist Jesus „rechtlich“ der Sohn von Joseph,
so oder so, und darauf kam es an - der Messias aus dem
Hause Davids stammend- nach der Verheißung !

Gruß VIKTOR

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schlau gemacht…
Hallo,

das hast Du falsch verstanden.
„Unbefleckte Empfängnis“ hat nix mit der Zeugung von
Jesus zu tun - mach Dich da mal wo anders schlau.

du hast Recht! Ich hab die unbeflekte Empfängis mit
der Jungfrauen Geburt verwechselt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Jungfrauengeburt

Ansonsten ist Jesus „rechtlich“ der Sohn von Joseph,
so oder so, und darauf kam es an - der Messias aus dem
Hause Davids stammend- nach der Verheißung !

Rechtlich aber nicht biologisch?

Gruss
Walden

Hallo Adam,

Der Wissenschafter hat nicht die Aufgabe, permanent
unwissenschaftliche Behauptungen zu widerlegen.
Die Aufforderung „Widerlege, was ich sage, sonst habe ICH
Recht!“ geht ihn nichts an.

„Der Wissenschaftler“ sollte sich wohl oder übel mit solchen Behauptungen beschäftigen, sonst sind nämlich bald Leute an der Regierung, die Schulbuchseiten schwärzen lassen, wo Darwin etc. erwähnt wird.

Es gibt ja Leute, die die Schriften auf wirklich haarsträubende Weise auslegen. Und damit sollte man sich auch auseinandersetzen und das Ganze nicht nur belächeln.

Gruß
Torsten

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Tach Mike,

Dem kann man sich im allgemeinen anschliessen. Das Problem ist
ja nicht das Auswerten, sondern das Deuten von Fakten.

Wir wollen zuerst mal nur eins festhalten: Es ging nur um die Frage, ob eine Passah-Amnestie wahrscheinlich ist. Ich habe gesagt, sie sei unwahrscheinlich, weil sie nirgendwo anders belegt oder bezeugt ist. Da geht es nur um eins: Faktum oder Nichtfaktum?
Deutung hat das noch gar nichts zu suchen.

Wenn sie aber nicht üblich war, dann erhebt sich die Frage, warum die Evangelisten - Markus als erster - sie eingeführt haben.

In einen Prozess, der nach römischem Recht geführt wurde,
jetzt plötzlich die „Selbstherrlichkeit … der antiken
Richter“ einzuführen, bedeutet, der Beliebigkeit Tür und Tor
zu öffnen.

Wenn die Fakten an sich keine Deutung zulassen, ist die Deutung
aus naheliegenden Dingen zu holen.

Richtig: aus naheliegenden!
Da liegt es doch nahe, sich bei den zeitgenössischen Schriftstellern und Historiographen umzutun und nach Parallelen (die liegen am nächsten) zu suchen. Und wenn die nichts Entsprechendes berichten, gucken wir uns in den Prozessvorschriften um. Aber die geben auch nichts her, weder die römischen noch die jüdischen.
Dann bleiben bloß noch zwei Möglichkeiten: einmalige Milde - dagegen spricht aber die Formulierung „er pflegte ihnen einen Gefangenen loszugeben“ (Mk) oder „er hatte aber die Gewohnheit,…“ (Mt) - oder Willkür. Nun ist Willkür ja nicht auszuschließen; sie bleibt aber die letzte aller Möglichkeiten und deswegen die unwahrscheinlichste.

Beliebigkeit würde implizieren, dass auch Deutungen zugelassen sind, die gar nicht
naheliegend sind

Siehst Du, jetzt hast Du’s auch begriffen!

Hier beim Prozess Jesu aber haben wir vier
schriftliche plus haufenweise mündliche Deutungen vor uns

Es geht, um es nochmal zu sagen, bei der Frage der Amnestie überhaupt nicht um eine Deutung, sondern um die Frage Ja oder nein!
Zur Notwendigkeit der Deutung kommen wir erst, wenn wir wissen, dass es eine solche Amnestie nicht gegeben hat und dass die Evangelisten sie, aus welchen Gründen auch immer, eingeführt haben.

Aber das ist ein Thema, über das wir uns streiten können, wenn wir einig sind, dass es eine Passah-Amnestie nicht als Institution gegeben hat.

Gruß - Rolf

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Hallo Adam,

das war jetzt so richtig wissenschaftlich:
a.) Was die Wissenschaft nicht anerkennt, ist keine Quelle (z.B. Flavius Josephus)
b.) wenn es keine Quelle gibt, kann man die Existenz einer Person auch nicht beweisen
aus a.) + b.) folgert (da ja Tertium non datur) dass es niemanden gegeben hat, dessen Exoistenz in Quellen erwähnt ist, die von der Wissenschaft nicht anerkannt wurde.
Und wer auf den Denkfehler hinweist, ist ein Dilettant und der Wissenschaftler muss weder sich dem Argument stellen noch selber welche bringen. Ich glaube, wir haben in moderner Wissenschaft da einen kleine Denkfehler.
Vielleicht ist das der Grund, warum selbst so viele nicht-gläubige Menschen der Wissenschaft mißtrauen? Weil sie immer so dogmatische Ansprüche raushaut?

Gruß
Peter B.

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Vielleicht ist das der Grund, warum selbst so viele
nicht-gläubige Menschen der Wissenschaft mißtrauen? Weil sie
immer so dogmatische Ansprüche raushaut?

Hallo Peter,
nicht die Wissenschaft ist dogmatisch. Das sind nur die Menschen.
Grüße
Ulf

Tach Mike,

Tach Rolf
so billig geht es nun wirklich einfach nicht.

Wir wollen zuerst mal nur eins festhalten: Es ging nur um die
Frage, ob eine Passah-Amnestie wahrscheinlich ist.

Nein, sondern ob sie plausibel ist.
Deine Worte:

„Sie muss wohl eher ins Reich der Fabel verwiesen werden.“

Das bedeutet doch, sie sei nicht plausibel-

Ich habe
gesagt, sie sei unwahrscheinlich, weil sie nirgendwo anders
belegt oder bezeugt ist.

So könnte man es knapp gelten lassen, allerdings müsste um der kommunikativen Gerechtigkeit willen sogleich die Nachfrage folgen: warum weist Du gerade und genau darauf hin - und deren Antwort wird wohl nicht das akribische Forscherwissen, sondern wieder mal die Pseudosensation sein, die da besagt, die Bibel habe Unrecht.

Da geht es nur um eins: Faktum oder
Nichtfaktum?

Ob es um ein Faktum geht, kann die Geschichtswissenschaft schlicht bis dato nicht beantworten. Sind wir uns wenigstens darin einig?

Deutung hat das noch gar nichts zu suchen.

Ach nur eine Partei darf deuten! Stimmt hatte ich vergessen.

Wenn sie aber nicht üblich war, dann erhebt sich die Frage,
warum die Evangelisten - Markus als erster - sie eingeführt
haben.

Oder warum Pilatus sie als Ausweg gesucht hat, was weit wahrscheinlicher ist.

Wenn die Fakten an sich keine Deutung zulassen, ist die Deutung
aus naheliegenden Dingen zu holen.

Richtig: aus naheliegenden!
Da liegt es doch nahe, sich bei den zeitgenössischen
Schriftstellern und Historiographen umzutun

zu denen die Evangelisten gehören

und nach
Parallelen (die liegen am nächsten) zu suchen. Und wenn die
nichts Entsprechendes berichten, gucken wir uns in den
Prozessvorschriften um.
Aber die geben auch nichts her, weder
die römischen noch die jüdischen.

Oder aber wir gucken drei, vier Jahrhunderte vor und zurück und finden schon einiges, was der Sache sehr deutlich entspricht, vgl. etwa Ulpians Äusserungen zum „Prätorium“ und „Prätor“ im römischen, Steinigungspraktiken im jüdischen Recht (dort übrigens auch zur neutestamentlichen Zeit kurz nach Jesus Christus)

Dann bleiben bloß noch zwei Möglichkeiten: einmalige Milde -
dagegen spricht aber die Formulierung „er pflegte ihnen
einen Gefangenen loszugeben“ (Mk) oder „er hatte
aber die Gewohnheit,…“ (Mt)

dafür würde Joh sprechen, der Pilatus sagen lässt. „Ich pflege euch einen loszugeben“ und damit kennzeichnet, dass Pilatus möglicherweise mit einer solchen Praxis, die Mt und Mk schildern, zu diesem Zeitpunkt eben erst anfing, weil er einen Ausweg suchte und zu feige war, ein gerechtes Urteil zu fällen.

  • oder Willkür. Nun ist
    Willkür ja nicht auszuschließen; sie bleibt aber die letzte
    aller Möglichkeiten und deswegen die unwahrscheinlichste.

Und dass die vier Quellen, die den Fall berichten, gerade von dieser Möglichkeit sprechen, kann natürlich nicht stimmen, weil die bösen Urchristen ja die Nazis und den Holocaust begünstigen wollten? Logisch?! Denn so kann man wirkungsvoll antikatholisch polemisieren.

Es geht, um es nochmal zu sagen, bei der Frage der Amnestie
überhaupt nicht um eine Deutung, sondern um die Frage Ja oder
nein!

Dann bleibt uns übrig: Wahrscheinlichste als wahr bezeugte Darstellung als Faktum annehmen oder zur Sache schweigen. Wenn wir sie nicht nur als Faktum annehmen, sondern auch ihre Deutung berücksichtigen, hat das allerdings den grossen Vorteil, dass wir die wahrscheinlichste Variante auch selber für wahr halten lernen.

Zur Notwendigkeit der Deutung kommen wir erst, wenn wir
wissen, dass es eine solche Amnestie nicht gegeben hat

das wissen wir aber nicht, es ist sogar äusserst unwahrscheinlich, selbst wenn wir nur die nackten historischen Argumente anschauen

und
dass die Evangelisten sie, aus welchen Gründen auch immer,
eingeführt haben.

Natürlich darf man auch über diese Variante diskutieren, dann aber auch klarstellen, dass sie bei weitem nicht die wahrscheinlichste ist.

Aber das ist ein Thema, über das wir uns streiten können, wenn
wir einig sind, dass es eine Passah-Amnestie nicht als
Institution gegeben hat.

Gut, wenn Du das voraussetzt, muss ich auf ein andermal hoffen, denn ich lass mich so leicht nicht überzeugen.

Gruß - Rolf

Gruss
Mike

Hallo,

Das wird was Längeres, da haben wir genau die Probleme auf engstem Raum zusammen. Dan Brown hat Stuß geschrieben (was ich gar nicht abstreite, aber auf dem Ding stand vorne dick Roman drauf). Aber weil Dan Brown Stuß geschrieben hat, GLAUBT ein jeder Historiker nun, er könne alle Fragen einfahc mit dem Hinweis auf Dan Brown abhaken. Was, de facto, auch Stuß ist. Der einzige wirklich WISSENSCHAFTLICHE Weg, diese Diskussionen pauschal zu beenden wäre ein Beweis, dass Jesus, genannt Christus, nicht existiert hat. Diesen Beweis kann die Wissenschaft nicht erbringen. Die Behauptung, er habe nicht existiert weil kein Beweis für seine Exitenz erbracht wurde, ist UNWISSENSCHAFTLICH, da mit den Methoden der exakten Wissenschaft widerlegbar.
Exkurs Mathematik: Es reicht aus, ein Gegenbeispiel zu bringen um die Globalität einer These zu widerlegen. Wer aber hätte, WISSENSCHAFTLICH vor 1920 die Existenz Tut-Ench-Amuns belegen können? Es gab keinen Beweis dafür, also existerte er nicht. Aber nachdem sein Grab gefunden war, existierte er plötzlich. Nur, da seine Zeit ja an hand des Fundmaterials ziemlich genau datiert ist, wissen wir, dass er (natürlich) vor 1920 n. Chr. existierte. Keiner kann behaupten, er existierte erst, nachdem sein Grab gefunden wurde. Fazit: Die Nicht-Existenz-These ist falsch.
Was natürlich Wissenschaftler nicht daran hindert, ZU BEHAUPTEN, Leute ohne Beweis würden nicht existieren, hätten nie existiert. Der korrekte Term müsste sein: Wir haben keinen Beweis.
Damit haben wir dann auch gleich mal eben das Problem des „Du musst beweisen, wir können glauben“ dieses mal von „wissenschaftlicher“ Seite, geklärt. Wobei ein Theologe natürlich per se eine höhere Freiheit des Glaubens hat, als jemand, der „wissenschaftlich“ argumentiert.
Was Baigent/Leight angeht, habe ich die auch gelesen. Tatsächlich habe ich selbst viele Jahre in solche Dinge gesteckt, nur um rauszubekommen, was denn wo zurechtgebogen wurde. In manchen Fällen kam ich (aufgrund des vorhandenen Materials) zu anderen Schlußfolgerungen, in manchen Fällen durch anderes Material auf anderen Wegen zu ähnlichen Schlußfolgerungen und in einigen ganz wenigen Fällen, konnte ich tatsächlich mal sagen „es könnte …“. Aber genau das ist das Problem. Die drei (da gehört ja auch noch Lincoln dazu) haben so viele Dinge in ihren Büchern behauptet, dass man sehr vorsichtig sein muss, alles auf einmal pauischal in die Tonne zu treten. Und noch wilder wird es, wenn Du dann noch die allgemeine Gerüchteküche einbeziehst und denen anlastest. Denn dann kommt noch mehr Stuß dabei heraus.
Da der Raum fehlt, nur ein paar Beispiele:
a.) Die Hauptthese scheint zu sein, dass die Merowinger angeblich von Jesus (Christus) abgestammt haben sollen.

  • es gibt keine Beweis für eine direkte Abstammung
  • es gibt nicht einmal die Behauptung, dass Maria schwanger gewesen sein soll. Soweit ich B/L/L verstehe, handelte es sich in ihrer These um eine bereits existierende Familie (was in Anbetracht biologischer Fakten mehr Sinn ergibt. Die schwangere Maria die auf der Flucht war, stammt aus der esoterischen Gerüchteküche).
  • Nachweisbar ist ein jüdischer Kultureinfluss irgendwo zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert in Südfrankreich (Symbolik, Sprachwurzeln, Namen, Legenden mit gleichen Wurzeln)
    Alleine das also reicht aus, um eine endlose Detaildiskussion vom Zaum zu brechen. Die Wissenschaft kann ja ebenfalls nicht nur nicht beweisen, dass es nicht so war, sondern müsste, wenn sie so wissenschaftlich ehrlich ist, die Erkenntnise anderer wissenschaftlicher Fachgebiete (beispielsweise der Sprachwissenschaft) auch anerkennen.
    Noch interessanter wird es, wenn man die Abfallprodukte betrachtet, die Nebenthesen. Denn da werden auf einmal Details wirklich greifbar.
    Für „Christus“ oder den griechischen Ursprung „christos“ reicht ein Blick ins Wörterbuch. Bei „Barabbas“ zu „bar Abbas“ eigentlich auch. Wenn man also behauptet, dass alles Müll sei (als Pauschalbehauptung, z.B. wegen B/L/L und Dan Brown), dann muss man dazu auch das Wörterbuch ignorieren.
    Wir wissen, dass Pontius Pilatus existierte, wir wissen, wann er nach Rom zurückkehrte. Das gilt aus wissenschaftlicher Sicht als bewiesen (obwohl ich hier einen leisen Zweifel anbringe. Die Anzahl der Quellen außerhalb der Bibel, die ihn erwähnen ist weder nach Zahl noch nach Qualität höher als im Fall Jesus, die Wissenschaft tut sich nur leichter mit ihm). Wenn wir uns aber dieser wissenschaftlichen Meinung anschließen wollen, tritt das nächste Problem auf (das B/L/L offensichtlich nicht so ganz klar gewesen ist, sonst hätten sie es so auch noch verwendet). PP war in erster Linie römischer Statthalter. Er war also nicht an die Rechtsprechung im engeren Sinne gebunden und natürlich erst Recht nicht an die jüdische Rechtsprechung. Er war Politiker. Eine Amnestie (die in anderen Postings als Fabel verwiesen wird, weil sie der Rechtsprechung nicht entsprach) kann also unter dem Gesichtspunkt eines politischen Manövers durchaus möglich gewesen sein. Ist ja in der Geschichte nicht ungewöhnlich, dass einer Gefangene freiläßt (oder härter verurteilt) um damit das politische Klima in seinem Sinne zu beeinflussen. PP auf Geschichtzahlen zu reduziern (wie es in der Wissenschaft gerne mal getan wird) ist unvollständig. PP einfach als bestechlichen römischen Statthalter zu sehen (wie es B/L/L getan haben) ist genauso unvollständig. Und schon stecken beide Seiten in Problemen und die Argumentation der Kirche (die Juden konnten kein Todesurteil sprechen) gleich mit. Wenn ich aber weiß, dass alle drei Meinungen sich nicht mit den Tatsachen in Einklang bringen lassen, was tue ich? Nach der Wahrheit suchen? Oder sagen „Ich bin Wissenschaftler, da gibt es keinen Beweis …“? Wenn Wissenschaftler nicht losgezogen wären, um Dinge zu überprüfen oder zu widerlegen, dann wüßten wir heute nocht nicht, wo der Nil entspringt, Troja wäre nicht ausgegraben, Ur nicht gefunden, die sumerische Kultur eine Fabel. Nur ein paar Beispiele. Deswegen behaupte ich ganz frech, wir werden uns mit den Dingen noch genauer auseinandersetzen müssen. Wissenschaft ist schließlich der formalisierte Ausdruck von Neugier. Auch wenn ich immer noch nicht ganz kapiert habe, was eigentlich so schlimm wäre, wenn Jesus (Christus) eine Familie gehabt haben sollte.

Gruß
Peter B.

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Glück für die Menschheit:
Lass einige Zeit vergehen, und diesen „Adam“ hat es dann historisch auch nie gegeben. (Sehr frei nach: „Nietzsche ist tot“ [Gott])
Nur Spaß :wink:)

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Ansonsten ist Jesus „rechtlich“ der Sohn von Joseph,
so oder so, und darauf kam es an - der Messias aus dem
Hause Davids stammend- nach der Verheißung !

Rechtlich aber nicht biologisch?

Nach den Berichten im NT wurde die Mutter von Jesus
mit ihm schwanger durch die Macht Gottes bevor sie
von ihrem Verlobten Joseph „erkannt“ (zur Frau genommen)
wurde. Danach ist Joseph nicht der biologische Vater
von Jesus.
Wo ist das Problem ?

Gruß VIKTOR

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Der Stand der wissenschaftlichen Jesus-Forschung
Hallo

Hier der Stand der wissenschaftlichen Forschung:
http://www.carotta.de/forum/messages/715.html

Gruss
Adam

Hallo

Hier der Stand der wissenschaftlichen Forschung:
http://www.carotta.de/forum/messages/715.html

Den Artikel mag man hingehen lassen, wiewohl seither schon wieder Neues dazugekommen ist.
Was mich verwunder, ist bloß, dass er Deine steile Behauptung, es habe keinen histrrischen Jesus gegeben, i keiner Wise stützt.

Naja, damt musst Du leben, nicht ich.

ruß - Rolf

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Du hast bei einem sehr alten Streit abgeschrieben
Hallo Adam

Historisch hat es überhaupt keinen Jesus gegeben; er ist nur
aus zweiter Hand bezeugt.

Was aus zweiter Hand bezeugt ist, ist nicht einfach historisch Null, sondern historisch wenig gesichert, je nach Deutung auch nur historisch mehr oder weniger wahrscheinlich.

Solche Quellen
müssten zum Beispiel durch Ausgrabungen bestätigt werden

um die Fakten als historisch noch besser gesichert erscheinen zu lassen.

Menschen, welche die Geschichtswissenschaft nicht durch
entsprechende Quellen belegen kann, haben
NICHT existiert.

haben aus rein wissenschaftlicher Sicht nicht mit zwingender historischer Sicherheit existiert, wobei diese wissenschaftliche Sicht nur vollständig wird, wenn sie auch ein Fundament hat, welches letzten Endes in Deutungen besteht.

(So ist auch Wilhelm Tell keine
GESCHICHTLICHE Figur.)

Dieses Beispiel geistert schon etwas lange herum, seine Quelle:
Um 1925 tobte der Modernisten-Antimodernistenstreit in der römisch-katholischen Kirche. Berühmter Antimodernist war unter anderem der Churer Weihbischof Gisler, der sich gegen viele mit dem Verdacht des Modernismus äusserte und insbesondere Joseph Wittig (1879-1949) dermassen ins Visier nahm, dass dieser seinen Hut nehmen musste, ob zu Recht oder zu Unrecht, lasse ich hier offen. Von jenem Streit berichte ich nämlich aus einem anderen Grund. Der antimodernistische Weihbischof Gisler, der sich vehement gegen die historisch unvoreingenommene (nach seiner Lesart ungenügend reflektierte) Jesusforschung wandte, war derselbe, welcher mit einigem Nachhall wissenschaftlich die Existenz Wilhelm Tells zu belegen versucht hatte, und seither wird die Geschichtswissenschaft um Jesus regelmässig mit dem „Tell-Argument“ in Verbindung gebracht; wie es Gisler nicht erschöpfend gelungen sei, die Existenz eines schillerschen Tells zu belegen, meinen die Gegner der Historizität einer Jesus-Figur regelmässig, so sei auch die Existenz eines historischen Jesus nicht im strengen Sinn nachzuweisen.

Ob Tell wirklich so unhistorisch ist, kann nur zu Vergleichszwecken ganz kurz angegeben werden. Zunächst können wir bezüglich Tell festhalten: Es gibt etwa 100 Jahre nach Tell („Weisses Buch von Sarnen“) einen schriftlichen Beleg, der die Erzählung in ihren Grundzügen so darstellt, wie sie Schiller schliesslich übernahm. Die Gegnerinnen und Gegner bemängeln, dass sie möglicherweise Geschehnisse umschreibe, die in Skandinavien stattgefunden hätten oder wenigstens dort schon vor der Zeit Tells als Sage erzählt worden seien, und jene skandinavische Tradition ist gut belegt. Ob die Geschehnisse um Tell dennoch stattgefunden haben oder ob es einen solchen Tell überhaupt gegeben habe, bleibt der Deutung überlassen und ist nicht im strengen Sinn historisch festgestellt.

Jene, die nach dem Gelesenen nun meinen „es hat sicher keinen echten Tell gegeben“, argumentieren ebenso unhistorisch wie jene, die sagen „es hat ihn sicher gegeben“. Beides sind Deutungen, zwar im weiteren Sinn historische, aber nicht zwingende Deutungen. Dass sich die Waagschale in den letzten Jahren eher zuungunsten des echten Tells geneigt hat, mag hier nur am Rande interessieren und ist auch nicht eindeutig.

Der Wissenschafter hat nicht die Aufgabe, permanent
unwissenschaftliche Behauptungen zu widerlegen.

Wenn nun ein wissenschaftlicher Diskurs stattfindet, sei es zwischen Wissenschaftlern unter sich oder zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit, so ist in der Tat keine Stellungnahme vorrangig, aber doch ist im Verlaufe der Auseinandersetzung irgendwann zu erwarten, dass der Wissenschaftler in groben Zügen verständlich macht, in welchem Rahmen er sich bewegt. Insbesondere sollten beim wissenschaftlichen Diskurs aber die Verhältnismässigkeit und die Ehrlichkeit gewahrt bleiben. So reicht etwa, um zur Sache zu kommen, die Behauptung, dass das Geburtsjahr des Matthäischen Jesus nicht genau berechnet sei, weil Herodes der Grosse höchstwahrscheinlich schon vor jenem Jahr verstorben sei, nicht aus, um schon zu behaupten, Jesus sei nicht geboren.

Die Aufforderung „Widerlege, was ich sage, sonst habe ICH
Recht!“ geht ihn nichts an.

Forschung und Lehre bzw. Auseinandersetzung sind nicht dasselbe, gehören aber zusammen.

Dies zu wissen, muss jedoch an deinem christlichen Glauben,
der nichts mit Geschichtswissenschaft zu
tun hat, nichts ändern.

Manchmal können sie schon etwas miteinander zu tun haben, nämlich etwa dann, wenn ein Gesamtrahmen gesetzt wird. Wissenschaft kann ja nicht absolut sein, sonst wäre sie Autismus, und folglich braucht auch ein Wissenschaftler einen wie auch immer gearteten Glauben.

Auch ich habe einen grossen Respekt
vor diesen 1900-jährigen Überlieferungen
und vor allem vor den Worten, die man Jesus zuschreibt

Wenn das der Fall ist, gehst Du letztlich ein klein wenig anders damit um als mit Wilhelm Tell, selbst wenn Dein Forschen, Deine Neugier und Deine Ehrlichkeit völlig grenzenlos bleiben dürfen.

Gruss
Adam

Gruss
Mike
P. S. Nach diesem interdisziplinären Diskurs hier auch noch etwas zur geographischen Bildung.

Schule in der CH. Lehrer fragt, wer der wichtigste Mensch war. Gaudenzli meint „Wilhelm Tell“. Der Lehrer verneint und meint „Jesus Christus“. Darauf Gaudenzli „ja, wenn man die Ausländer auch rechnet“.

2 Like

Hier der Stand der wissenschaftlichen Forschung:
http://www.carotta.de/forum/messages/715.html

Unabhängig davon, ob das wirklich der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Forschung ist: wo bitte belegt der gelinkte Text Ihre These, Jesus habe es nicht gegeben?

Gruß, Martinus…

solche Peinlichkeiten …

… entstehen, Sanctus Rolfus i.R., wenn man sich durch bloßes mechanisches Gugeln, Verlinken und Copypasten in Problematiken einmischt, von denen man inhaltlich keine Ahnung hat.

Hier der Stand der wissenschaftlichen Forschung:
http://www.carotta.de/forum/messages/715.html

Lies mal wenigstens die „Antwort“ auf diesen Link in dem zitierten Forum! *g*

Und wo sind eigentlich deine inhaltlichen Reaktionen auf das, was dir hier geantwortet wurde? Namentlich das von Rolf und Peter z.B.?

Gruß

Metapher

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Hallo Ulf,

so wahr, aber da das Wort „wissenschaftlich“ vom Menschen flasch und gleichzeitig vorsätzlich als Totschlägerargument benutzt wird, muss man sich damit ja mal auseinandersetzen.

Gruß
Peter B.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Mike und Rolf,

jetzt hab ich mich auch noch durch diesen Teilthread gewurstelt. In einem anderen Teilthread habe ich ja bereits auf „wissenschaftliche Denkfehler“ hingewiesen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich kein gläubiger Christ bin, also auch keinen Grund habe, die Bibel aus Glaubensgründen zu verteidigen. Meine einzige Entschuldigung ist Neugier.
Ok … Amnestie und Plausibilität. Die Argumentation ist ja, dass die Evangelien (deren es ja vier in der Bible gibt, die diese Geschichte erzählen) nicht als Quelle zählen (ohne reale Begründung, was schon etwas über die Grundlagen moderner Wissenschaft aussagt). Das Judas-Evangelium zählt auch nicht, meinetwegen. Und um ja nicht zweifelhafte Quellen hinzuzuziehen, nehmen wir also für den Augenblick auch noch den Flavius Josephus aus.
Trotzdem, die Sache hat immer noch einen Plausibilitätshaken. Zur Zeit von Pontius Pilatus hatte das römische Imperium eine ungeheure Ausdehnung erreicht. Es war de facto kaum noch in der Lage, seine eigenen Grenzen zu verteidigen. Judäa war eine staubige Provinz die als Strafversetzung galt. Man kann im Rahmen römischer Politik sicher Jerusalem auch nicht die Wichtigkeit beispielsweise eines Alexandria zumessen. Judäa, man verzeihe mir den Ausdruck, lag am Arsche des römischen Imperiums.
PP war dort Gouverneur (ich wähle bewußt diesen Ausdruck um nicht wieder eine Terinologiediskussion zu starten). Er war also in einer Person höchster römischer Beamter in Judäa, letzte Instanz was die römische Rechtsprechung anging und politischer Repräsentant. Aber schon alleine die Tatsache, dass er in Judäa war, sagt doch etwas über seine Beliebtheit in Rom aus. Der Posten war nicht gerade ein Traumjob. Vorwürfe der Bestechlichkeit gegen ihn waren nicht neu (ich beziehe mich hier auf Alexamnder Demandt, der zugegbenermaßen auch nicht ganz Josephus-frei ist). Was wir haben ist das Bild eines eher korrupten Adligen der auf einer Unruhe-Provinz hockte. Er galt nicht als besonders judenfreundlich (er wurde auf Veranlassung einer Bande echter Judenhasser Präfekt in Judäa) war aber wohl in der Lage in Judäa zehn Jahre lang den Deckel druafzuhalten, ohne dass es zu einem Aufstand kam. Und genau darauf kam es ja an. Das Imperium war angespannt, es konnte nicht einfach die Militärmaschine rollen lassen, die Legionen wurden anderswo benötigt. Ein Aufstand in Judäa hätte, durch den Bedarf an Truppen um ihn niederzuschlagen, Probleme für das gesamte Imperium mit sich gebracht. PP, von dem wir annehmen können, dass er nicht völlig verblödet war, wusste doch eines ganz genau - er konnte sich beinahe alles leisten, so lange es nicht zu einem Aufstand kam. Wann aber war die Gefahr eines Aufstandes am Größten? Während des Jahres, wenn die Juden überall auf das Land verteilt ware? Oder vielleicht zum Passahfest, wenn Tausende und Abertausende von ihnen nach Jerusalem kamen, zu ihrem religiösen Zentrum und regelrecht religiös aufgeheizt waren? Welche Möglichkeiten hätte ein Politker und gleichzietig Militärbefehlshaber gehabt? Es kommen lassen in dem Wissen, dass er nicht genügend Truppen aht um damit fertig zu werden? Oder würde er vielleicht, wie jeder Politiker der Geschichte zu einer Beschwichtigungstaktik greifen? Die Entlassung politischer Gefangener war ja immer ein Mittel einer solchen Taktik, in der gesamten Geschichte. Insofern macht also die Amnestiegeschichte per se mehr Sinn vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse.
Dennoch, die ganze Geschichte der Bibel zu diesem Thema (Amnestie bis einschließlich Beisetzung), hinkt im Detail. Manche Details, wie zum Beispiel, dass das Kreuz kein Kreuz war sondern eher ein T, halte ich für eher belanglos. Aber das PP zum Beispiel den Leichnam so schnell freigab (normalerweise wurden die hängen gelassen als Abschreckung und, damit die Körper nicht zwecks Beisetzung geklaut wurden, bewacht) ist eher ungewöhnlich (weil nicht begründbar) als die Amnestie selbst. Doch es gibt ein grundsätzliches Problem mit solchen Details. Sie beweisen nämlich, dass die Verfasser der Bibel sich auf eine konkrete Quelle bezogen haben anstatt einfach allgemeines Wissen zu verwenden. Denn wenn sie das getan hätten, was würden wir in diesem Fall in der Bibel finden? Eine einfache, in allen Details glaubwürdige Kreuzigungsgeschichte. Vergessen wir doch nicht, dass zu Zeiten als Markus das Evangelium schrieb Kreuzigungen stattfanden. Er hätte jederzeit eine besuchen können und daraus abkupfern können. Dann würde heute das Standardprocedere in der Bibel stehen. Stattdessen finden wir die (aus schriftstellerischer Sicht) unnötig detaillierte Amnestie-, Prozess und Kreuzigungsgeschichte. Warum? Eine gefährliche Frage, denn Mk wurde offensichtlich nicht allzu lange nach der Zerstörung des Tempels, also irgendwo um 70 herum geschrieben. Eine ältere Quelle, aus der er diese detaillierte Geschichte gezogen haben kann muss also bereits recht nahe an den Lebens- und Regierungszeiten von PP gelegen haben, denn PP wurde 36 auf Betreiben des Vitellius (Legat von Syrien) nach Rom berufen um sich vor Tiberius zu rechtfertigen. Das gibt uns also für diese theoretische Quelle X nur einen Zeitrahmen von rund 34 Jahren.
In Wirklichkeit muss man diesen Zeitrahmen aber noch enger ansetzen. Markus zeigt deutliche Schwächen in Geographie wenn es um Palästina geht. Sein Griechisch ist nahezu perfekt, aber wo es Aramäisch wird, wird es mit Markus seltsam. Auffalend ist, dass er ja nicht unbedingt firm in jüdischem Brauchtum war. Das Fazit, da schließe ich mich der wissenschaftlichen Meinung an, ist, dass er wahrscheinlich kein Jude sondern ein zum Christentum bekehrter Nicht-Jude war. Er hat nicht in Jerusalem gelebt. Wie lange aber hätte eine Schrift bei der damaligen Verbreitungsgeschwindigkeit gebraucht, um ihm in die Hände zu fallen und als Quelle verwendet zu werden? Das war ja nicht wie heute, wo ich jeden Artikel im Internet ein paar Stunden später weltweit verfügbar habe. Bücher (eigentlich Schriften) mussten von Hand abgeschrieben werden. Sie wurden ganz gezielt kopiert und versandt (an andere Klöster beispielsweise). Es gab kaum Bibliotheken und die wenigen, die es gab, waren für die breite Masse nicht zugänglich. Ziehen wir detrost zwei bis vier Jahre ab, bis so eine Schrift von Jerusalem Alexandria oder Rom erreicht hatte. Wir haben also eine Geschichte in Markus, die in Details der gängigen Praxis nicht entsprach und können davon ausgehen, dass der Autor sich dieses Widerspruches bewußt war. Würde er das aus dem hohlen Bauch getan haben, wenn er doch schrieb um eine Botschaft, die ihm wichtig war, über die Welt zu blasen? Oder tat er es, weil er eine Quelle für diese Version hatte? Als Markus schrieb, hatte Rom gerade erst den Aufstand niedergewalzt (oder war noch dabei). Es sah also klar so aus, als würde die „unbesiegbare Militärmacht“ Rom, wie wir sie immer wieder bei Mk finden, existieren. Aber Rom hatte beinahe fünf Jahre gebraucht um mit dem Aufstand fertig zu werden, Legionen hatten von anderen Fronten (z.B. Germanien) abgezogen werden müssen, die Grenzen des Imperiums waren weich geworden. Die Militärmaschine wankte (was sie von dieser Zeit an beinahe ständig tat). Nur war das eben für einen Markus, der irgendwo innerhalb dieses Imperiums und weit weg vom Schuß saß, nicht sichtbar! Wie gesagt, keine TV-Nachrichten, kein CNN von der jüdischen Front. Tatsache ist, dass sich Markus Evangelium mit der Situation rund dreissig bis vierzig Jahre früher deckt, nicht mehr mit der Situation zu seiner eigenen Zeit. Und genau das macht ihn erheblich glaubwürdiger.
FAZIT: Eine Amnestiegeschichte, auch wenn in Details näher zu untersuchen, passt eher ins politische Klima der damaligen Zeit als eine harte Linie. Pilatus, der ja als durchaus korrupt und bösartig eingestuft werden kann, stand zwischen Baum und Borke. Er konnte sich keinen Aufstand leisten, also musste er beschwichtigen. Bezeichnend ist, dass er in den Evangelien genau das tut (nämlich Herodes involvieren) was sich später in der Geschichte in seinen Auswirkungen zeigt (nämlich dass er ausgerechnet in Herodes, der ihn vorher verabscheute einen Verbündeten fand). Das einzige Argument, dass ich bisher gegen eine Amnestiegeschichte gehört habe ist „es gibt keinen Beweis, ich will das nicht glauben!“ Was aus wissenschaftlicher Sicht eher kein Argument darstellt.

Gruß
Peter B.

Schreckliche Panik
Hallo Rolf,

neee, kann ich so nicht gehen lassen. Stell Dir mal vor einer googelt und findet den Beitrag mit dem kommentarlosen Link un der schieren Behauptung, es sei so. Dann wird der Käse unbewiesen in ein anderes Forum eingelinkt und dort haben die dann genau das als „wissenschaftlichen Beleg“. Der Gedanke löst bie mir schreckliche Panik aus. Also, nur stehen lassen, wenn er verspricht damit alline zu leben und nicht mehr einfach kategorisch zu behaupten.

Gruß
Peter B.

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