Zwei Schuljahre - eine Klasse

Hallo zusammen,

im kommenden Schuljahr werden unsere Kinder (Zwillinge / 6 Jahre) eingeschult. Zu diesem Zeitpunkt werden Sie dann 7 Jahre alt sein. Wir haben so entschieden, um den Kinder den Nachteil „die jüngsten“ in der Klasse zu sein zu ersparen.
Nach Beginn dieses Schuljahres hat sich herausgestellt, daß das mit dem Start des Schuljahres 2004/2005 eine Kombiklasse eingeführt werden soll. Diese besteht dann aus der zukünftigen 2. Klasse und der dann startenden 1. Klasse.
Hat jemand damit Erfahrungen gemacht ? Wo liegen die Vor-, bzw. Nachteile dieses Systems ?
Da ich neu in dieser „Vereinigung von Wissbegierigen“ bin, bin ich sehr auf Eure Reaktionen gespannt.

Gruß Martin

Hallo Martin,

Nach Beginn dieses Schuljahres hat sich herausgestellt, daß
das mit dem Start des Schuljahres 2004/2005 eine Kombiklasse
eingeführt werden soll. Diese besteht dann aus der zukünftigen
2. Klasse und der dann startenden 1. Klasse.
Hat jemand damit Erfahrungen gemacht ? Wo liegen die Vor-,
bzw. Nachteile dieses Systems ?

ich kenne das „System“ nur aus meiner Volksschulzeit. Da ich im tiefsten katholischen Bayern seinerzeit auf die evangelische Volksschule ging (damals gab es noch Konfessionsschulen) und sowohl Lehrer- als auch Raum-Knappheit herrschte und es natürlich auch sehr wenige evangelische Schüler in Freising (kann ich ja sagen) gab, wurden wir immer in zwei Klassen unterrichtet. Mein Jahrgang war mit der nächsthöheren zusammen, einen Teil der Zeit hatten wir Unterricht, dann stille Beschäftigung, im andern Teil der Zeit die andere Klasse.

Mein Erlebnis war, dass ich (als Kann-Kind die Jüngste im Raum) den halben Stoff der nächsten Klasse auch schon mitkriegte, was damals gar nicht gerne gesehen war. In der 4. habe ich mich dann so tierisch gelangweilt, dass ich vor lauter rumspielen als „Förderschulkind“ empfohlen wurde. Im Gymnasium hat sich das dann so langsam gelegt.

Ich glaube aber nicht, dass meine Beschreibung auf ein heutiges „System“ passt. Vielleicht kriegst Du auch noch aktuellere Beschreibungen.

Gruß, Karin

Hallo Martin!

Herzlich willkommen hier, bin aber auch noch recht neu dabei, finde es aber spitzenmäßig, was man hier alles so erfährt.

Nun zu deiner Frage.
Ich weiß nicht wo du wohnst, es scheint aber so, dass es bei euch solche Schulform nicht so häufig gibt. Hier bei uns, im wunderschönen Wendland ( das ist da, wo jeden Herbst der Atommüll hingekarrt wird) gibt es noch ne ganze Menge sogenannter „Zwergschulen“. Nun, das soll nicht heißen, dass hier Zwerge wohnen und ihre eigenen Schulen haben
:wink:)). Da das Wendland der bevölkerungsärmste Landkreis in Deutschland ist (40 Leute pro qkm) gibt es auch in vielen Schuleinzugsgebieten zwangsläufig recht wenig Kinder. Da hat dann eine Klasse locker mal nur 5 oder 10 Kinder. Um die Kinder nicht unsinnig lange in Schulbussen durch die Gegend zu karren, gibt es diese sogenannten „Zwergschulen“. Da wird dann die 1. und die 2. Klasse zusammen unterrichtet und die 3. und die 4. auch zusammen. Das ist einfach wirtschaftlich aber auch ein gewachsenes System. Es wurde hier laut überlegt, einige dieser Schulen zu schließen, eben wegen der Wirtschaftlichkeit. Das hat aber häftigsten Elternprotest ausgelöst.
Wenn diese Schulform also grottenschlecht wäre, dann würden sich bestimmt nicht sooo viele Eltern dafür stark machen. Ich kenne persönlich viele Eltern, die ihre Kinder die 4 Grundschuljahre in solch einer Schule hatten und die waren sich alle einig, das war das Beste, was ihren Kindern passieren konnte.
Die Vorteile liegen erstmal in der geringen Klassenstärke. Die Kinder lernen viel schneller ihre eigenen Bedürfnisse zurückzuschrauben, da sich die Lehrerin ja auf 2 Klassen aufteilen muß. Sie kriegt aber auch viel schneller mit, wenn es irgendwo hakt. Die Größeren helfen den Anfängern, kleine Schlaumeier partizipieren von den Älteren. Das ganze läuft viel sozialer ab, als in vielen anderen Grundschulen. Oft ist auch die Elternarbeit viel intensiever, man kennt sich halt besser.
Der einzige Nachteil, der mir bekannt ist, die Kinder sind in einem sehr geschützten Raum über 4 Jahre lang. Ab der 5. Klasse geht dann der sogenannte Ernst des Lebens los und so der Ein oder Andere hat dann Probleme, sich in einem großen Klassenverband zurechtzufinden.
Im Großen und Ganzen überwiegen aber die Vorteile.
Ich wünsche deinen Zwillingen noch ein schönes letztes Kigajahr und eine lockere Grundschulzeit.

Liebe Grüße von Beate (ich betreibe einen „Zwergenkindergarten“ hihi)

Halli,

vorweg muss ich gestehen, dass ich mich mit diesem System noch nicht sehr intensiv befasst habe… Ich stehe dem aber eher skeptisch gegenüber. Wenn die Klassen klein sind, mag das sicherlich noch funktionieren, aber ich würde sagen, dass bei einer Klassengröße von über 15 Schülern die Schwierigkeiten schon anfangen. Erstklässler haben andere Bedürfnisse als Zweitklässler und nun liegt es an der Lehrerin bzw. dem Lehrer sich dementsprechend aufzuteilen. Erstklässer beginnen mit der Schule, es mag sein, dass da „die Großen“ für die Erstklässler eine Stütze sind, aber natürlich - wie schon im Thread zuvor beschrieben - gibt es natürlich anderen Stoff, da kann man nicht einfach auf einen anderen Knopf drücken und sagen, Kinder schaltet ab, beschäftigt euch mit eurem. Auch wenn Bemühungen da sind, Stoffe gemeinsam zu behandeln, wird es eine Differenzierung geben müssen. Und mit dieser Differenzierung werden die Ablenkungen kommen. Wenn ich daran denke, ich würde die Hälfte meiner Fünfer mit der Hälfte meiner Sechser zusammenlegen, würde ich mich bald einer kleineren Katastrophe gegenüber sehen - weil schlichtweg die Bedürfnisse anders sind und ich meine Fünfer auch erst mal an die weiterführende Schule gewöhnen muss. Es kommen neue Regeln hinzu, die man sich durch den Umgang mit „den Großen“ lernen kann - aber ich denke, dass da ein paar gemeinsame Stunden genügen würden. Aber durch die Zusammenlegung aller Schulstunden, würde ich mich auch als Lehrerin einer größeren Belastung gegenüber sehen. Aber das hängt natürlich von dem geplanten System ab, das, wie bereits gesagt, ich nicht sehr gut kenne. Ich bin eher der Auffassung, dass es gerade gut ist, wenn wenig Kinder in einer Klasse sind und würde sogar noch die einzelnen Klassen eher noch teilen und auf den Leistungs- und Entwicklungsstand der Kinder Rücksicht nehmen, um sie möglichst vernünftig zu fördern und langsam an unterschiedliche Leistungsebenen zu gewöhnen. Aber ob das gleich mit dem Schulbeginn sein muss? Wie viele Erwachsene haben die Schule in schlechter Erinnerung, eben weil der Lehrer vor lauter Kindern nur die auffällig negativen Verhaltensweisen bemerkt hat und daher ständig ermahnte. Bei so vielen Kindern hat man ja als Lehrer kaum die Chance Kinder richtig zu erleben, eben mit allen Seiten. - Aber für diese Form von Projekten ist ja zudem kein Geld da. Ja, ja das Prinzip der Wirtschaftlichkeit. In die Zukunft investiert hat der deutsche Staat ja fast noch nie.

Aber zurück zum Thema, ich würde auch bedenken, dass gerade wenn diese Zusammenlegung etwas Neues ist, dies auch etwas Neues für den Lehrer ist, für das er noch keine gängigen Instrumente hat. Er selber muss erst seine Erfahrungen sammeln und ich denke, hier dürfen nur erfahrene und flexible Pädagogen eingesetzt werden - und da wir das ja alle kennen, besteht da nie eine Garantie. Jeder Schulleiter hat ja die besten Lehrer angestellt, nicht :wink:

Also, ich würde sagen, es kommt auf die Gestaltung dieses Versuchs an, auf den Lehrer und seine Erfahrung, auf die Klassengröße, die Stoffverteilung etc.

Aber ich bin gespannt auf weitere Erfahrungsberichte.

Kim

Hallo Martin,

ich kenne diese Klassenzusammenlegung aus Harare, Zimbabwe. Die dortige deutsche Schule hat das fuer Kl. 1+2, 3+4 und 5+6 gemacht (insgesamt waren, glaube ich, etwa 30 Schueler in der ganzen Schule (das war in den Jahren 1995-1998. Das hat, laut Eltern, sehr gut funktioniert.
Ich hab mich damals sehr intensiv mit dem System auseinandergesetzt und fand es sehr gut verwirklicht. Auch ich fand, dass die Kinder sehr gut Zusammenarbeit lernen, helfen lernen und mit Schwaechen und Staerken von anderen umgehen.
Negatives wurde eigentlich von niemand - weder von den Lehrern, noch den Eltern, noch den Schuelern berichtet - nach der 6. Klasse wechselten die Kinder auf eine englischsprachige zimbabwische Schule und haben sich dort alle sehr gut eingefuegt.

Bevor du fragst: wir haben uns gegen die deutsche Schule dort entschieden, weil sie uns zu teuer war, wir konnten uns das nicht leisten. Aber das war eigentlich der ausschlaggebende Grund.

Viele Gruesse, Elke