Zweisprachige Erziehung

Liebe Experten,
hoffentlich könnt ihr mir helfen:
Mein Sohn ist hier in Schweden geboren und wir wollten von Anfang an, dass er zweisprachig aufwächst. Also haben wir zu Hause nur Deutsch gesprochen. Natürlich hat er Schwedisch auch von Anfang an gehört, denn das Radio lief fast immer und sobald Nachbarn kamen oder wir unterwegs waren, wurde ja Schwedisch gesprochen. Mittlerweile ist er sieben Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Sein Problem ist, das er den Lesecod noch nicht geknackt hat. Natürlich kann er Schwedisch lesen, aber er setzt es nicht in Bilder um, weiss also oft nicht, was er da gerade gelesen hat. Nun meint seine Lehrerin, ich sollte mich bei Experten umhören, ob es vielleicht sinnvoller wäre, das Deutschlesen zu forcieren, weil ihm diese Sprache ja vertrauter ist.
Gesagt muss sicher noch werden, dass er, bis er mit fünf Jahren zur Vorschule kam, grundsätzlich nur auf Deutsch geantwortet hat, auch wenn er auf Schwedisch angesprochen wurde. Erst der Umgang mit den Freunden in der Schule, konnte ihn bewegen, Schwedisch zu sprechen.
Würde mich sehr für eure Ansichten interessieren.
Vielen Dank im Voraus
Kerstin

Zweisprachiges Lesenlernen
Hallo Kerstin,

wenn unter normalen Umständen ein Kind nach der ersten Klasse noch nicht sinnentnehmend lesen kann, dann ist das erst einmal noch kein Grund zur Beunruhigung.

Deutsch lesen zu üben, schadet nicht. Bei der zweisprachigen Erziehung schaden Bemühungen in der einen Sprache dem Erwerb der anderen Sprache grundsätzlich nicht. Darum ist die zweisprachige Erziehung wohl auch nicht Ursache des späten Lesenlernens.

Wenn Du mit ihm lesen übst, dann wird in der Familie das Lesenlernen des Kindes in seiner Bedeutung für die Familie und damit auch für das Kind selbst aufgewertet. Das ist gut - und dabei ist gleichgültig, ob es Deutsch oder Schwedisch ist.

Üben aber bitte in Maßen und ohne Druck! Das Lesen kann man einem Kind beibringen; wie es aber das Lesen zum Erkennen des Sinn nutzen kann, darauf muß es von alleine kommen, und darauf kommt es auch von alleine, wenn auch vielleicht erst im 2. Schuljahr.

Mit herzlichem Gruß,

Wolfgang Berger

Liebe Experten,
hoffentlich könnt ihr mir helfen:
Mein Sohn ist hier in Schweden geboren und wir wollten von
Anfang an, dass er zweisprachig aufwächst. Also haben wir zu
Hause nur Deutsch gesprochen.

Hallo Kerstin.
Du schreibst, dass ihr zuhause nur Deutsch gesprochen habt. Könntet ihr nicht auch zuhause zweisprachig sprechen. D.h. einer spricht Deutsch, einer Schwedisch? Das würde eurem Sohn zuerst mal helfen, die schwedische Sprache auch als zweite Muttersprache zu akzeptieren und die Notwendigkeit einzusehen, dass man die auch schreiben und lesen können sollte.
Ich kenne mich zu wenig mit Schwedisch aus. Ist nicht die Technik die Gleiche? Oder ist die Schreibweise sehr verschieden von der Aussprache? Ansonsten würde ich meinen, dass er den Lesecode in einer Sprache erfassen muss und ihn irgendwann in die schwedische Sprache übertragen kann.
Allerdings würde ich eher die schwedische Sprache forcieren, wenn er das in der Schule können muss. Lesenlernen geht doch auch ohne Druck und mit Spaß.

Mehr Fragen als Antworten: Sorry!
Allerdings: Interessantes Thema.

Grüße
Corinna

Hallo Corinna,
ich glaube, dass es nicht so gut wäre, wenn wir versuchten, mit unserem Sohn Schwedisch zu sprechen, weil wir selbst es ja nicht 100%ig beherrschen. Das wäre doch nur noch verwirrender. Die Notwendigkeit, es sprechen zu müssen, hat er auch schon eingesehen, macht ihm jetzt auch Spass mit seinen Kumpels reden zu können.
Das Lesen auf Schwedisch unterscheidet sich schon ganz ordentlich vom Deutschen, denn es gibt eine Menge unterschiedlicher ch-Laute die auf unmöglich viele unterschiedliche Arten geschrieben werden können. Ausserdem gibt es Unterschiede bei den „normalen“ Buchstaben. Unser o hört sich an wie ein u. Das u stattdessen ist ein ü und unser o sieht so aus:å. Ziemlich klar, dass man verwirrt wird - oder? Deswegen hatten wir das Deutsch lesen ja auch zurückgestellt, damit die Buchstaben nicht plötzlich alle unterschiedlich heissen.
Druck üben wir übrigens auch nicht aus, obwohl wir natürlich darauf achten, dass er regelmässig übt.
Vielen Dank jedenfalls für eure Beiträge, mal schauen, wie es weitergeht.
Tschüss Kerstin.

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Hallo Kerstin,

wir sind in einer aehnlichen Situation wir ihr: wir leben in (vorwiegend) englischprachiger Umgebung und sind selbst Deutschsprachler. Unsere Jungs sind 11+12.

ich glaube, dass es nicht so gut wäre, wenn wir versuchten,
mit unserem Sohn Schwedisch zu sprechen, weil wir selbst es ja
nicht 100%ig beherrschen.

Ich glaube nicht, dass das von Nachteil ist. Bei uns hat sich das von allein geregelt. Es geht ganz automatisch. Im Groben: ist etwas in der Schule passiert (auf Englisch, also), berichten die Kinder auf Englisch --> die ganze Unterhaltung laeuft auf Englisch ab. Handelt es sich um etwas Familiaeres --> deutsch. Das unsere Aussprache/Grammatik nicht immer 100% ist, scheint niemand zu stoeren. Zeitweise hat mein Juengster dann versucht, meine Aussprache zu korrigieren, aber das macht er inzwischen nicht mehr.

Das wäre doch nur noch verwirrender.

Ich glaube nicht, dass euer Sohn verwirrt ist.

Die Notwendigkeit, es sprechen zu müssen, hat er auch schon
eingesehen, macht ihm jetzt auch Spass mit seinen Kumpels
reden zu können.
Das Lesen auf Schwedisch unterscheidet sich schon ganz
ordentlich vom Deutschen, denn es gibt eine Menge
unterschiedlicher ch-Laute die auf unmöglich viele
unterschiedliche Arten geschrieben werden können. Ausserdem
gibt es Unterschiede bei den „normalen“ Buchstaben. Unser o
hört sich an wie ein u. Das u stattdessen ist ein ü und unser
o sieht so aus:å. Ziemlich klar, dass man verwirrt wird -
oder? Deswegen hatten wir das Deutsch lesen ja auch
zurückgestellt, damit die Buchstaben nicht plötzlich alle
unterschiedlich heissen.

Das haben wir auch so gehalten. Unser aeltester Sohn hat eine Rechtschreibschwaeche und ich wollte verhindern, dass er durch die deutsche Schreibweise verwirrt wird. Weshalb ich zwar deutsch vorgelesen habe (abends),aber mit den Jungs nur englisch gelesen habe. In dem Deutschland-Urlaub, in dem beide dann 9+10 waren, haben sie mich ueberrascht, in dem sie Strassenschilder, Betriebsanleitungen usw. ploetzlich laut auf deutsch lasen. Ich hab dann ein Buch geholt und tatsaechlich - sie konnten, ohne dass man es ihnen beigebracht hat, deutsch lesen (nicht perfekt, aber im Grossen und Ganzen, Probleme machen „ie“ und „ei“ und lange Komposita).

Ueber die Mechanik des Lesenlernens habe ich zu wenig Ahnung, um einen Rat zu geben. Aber vom Gefuehl her wuerde ich sagen, lasst ihm Zeit, lest viel mit ihm (schwedisch nebeneinander, mit Einblick auf das Geschriebene, alles, was euch in die Finger kommt: Anzeigen, Glueckwunschkarten, Buecher (die er mag), Comics), und deutsch, ohne dass er euch unbedingt ueber die Schulter guckt.

Viel Glueck (mange tak??)

Elke

Tack så mycket!
Das Andere war wohl Norwegisch. Vielen Dank jedenfalls. Was sich hier jetzt so herauskristallisiert, ist wohl vor Allem, dass wir ihm Zeit geben müssen und sich die Probleme mit dieser Zeit von selbst lösen werden. Man versucht halt immer, es einen Zwergen so einfach wie möglich zu machen, aber vielleicht ist das ja gar nicht immer nötig.
Nochmal vielen Dank für eure Anregungen.
Tschüss Kerstin.

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Hallo liebe Kerstin,
ich bin zwar keine Expertin in Lehrpädagogig,bin aber selbst 2-sprachig erzogen worden und versuche dir aus der Sicht eines ehemaligen „Zwergen“ zu schreiben.Ich bin mit Deutsch und Spanisch aufgewachsen,lernte erst Deutsch zu lesen und schreiben ,da das Prinzip der Schrift das gleiche ist(also keine Kyrillische Schriftzeichen z. b.)war dann das Lesen in der spanischen Sprache keine Anstrengung mehr.Es wurde von mir als ganz normal empfunden.Ich habe davon nur profitiert.Ich sprach in der 9. Klasse bereits 5 Sprachen,denn seither viel mir das Lernen anderer Sprachen viel leichter als anderen.Eine Sprache „lebt“ nach ganz bestimmten Regeln.Durch den frühen Kontakt mit versch. Sprachen und somit auch verschiedenen Kulturen,ist es als ob jemand den Vorhang gelüfftet hätte und ich in der Lage wäre das „Wesen“ einer Sprache zu erkennen,anstatt nur Vokabeln zu lernen und im Kopf zu übersetzen.Das macht es so leicht andere Sprachen nicht nur stumpf zu sprechen,sondern sie wirklich zu „begreifen“. Das heisst jetzt zwar nicht das deine Kinder Sprachgenies werden, aber du schenkst ihnen einen ganz tollen lebendigen Einstieg in andere Sprachen den sie in keiner Schule der Welt mitbekommen würden.-Also weiter so! Ich hoffe ich konnte dir helfen(obwohl die Antwort etwas zu lang ausgefallen ist) liebe Grüsse Sadira

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