Zweiteilige Griechenlandfrage

Guten Morgen!

Deine Fragen wurden von einem User mit kryptischem Nick sachlich korrekt und ohne jede Wertung beantwortet. Das gewünschte Mehr an Klarheit erhält man so aber nicht.

Sparvorgaben gibt es für Griechenland seit Jahren. Sieht man sich die Entwicklung des BIP während der letzten Jahre an, erkennt man einen dramatischen Rückgang um einige zig Prozent. Gleichzeitig stieg die Staatsverschuldung. Offensichtlich ging das bisherige Sanierungskonzept in die falsche Richtung. Daran ändert auch nichts die Meinung u. a. von Prof. Sinn (Ifo Institut), der den einzigen Ausweg im Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone sieht und dies u. a. mit Untersuchungen seines Instituts in 70 Ländern mit notleidendem Staatshaushalt begründet. Die Verhältnisse sind aber in jedem Land speziell und es verhält sich wie bei Krankheiten: Eine gegen alle Krankheiten wirksame Therapie gibt es nicht. Wenn eine Therapie den Zustand des Patienten stetig verschlechtert, sollte man die Therapie überdenken.

Für ein Land, das von Lebensmitteln, über Maschinen bis zu Energieträgern auf Importe angewiesen ist, ist die Binnennachfrage essentiell. Die Binnennachfrage schwächende Maßnahmen sollte man deshalb vermeiden. Natürlich geht der Blick auf den mit Abstand größten Haushaltsposten, weil dort am meisten zu holen ist. Der größte Haushaltsposten sind die Renten, die sich aber nach diversen Kürzungen schon auf niedrigem Niveau befinden. Aufgrund der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Arbeitslosigkeit (nach einem Jahr gibt es nichts mehr, keine Sozialhilfe, keine Krankenversicherung) leben schon viele Familien von der mickrigen Rente ihrer Alten. Davon abgesehen handelt es sich bei Renten um Geld, das sofort in den Konsum geht, also in die Binnennachfrage, die man nicht weiter schwächen sollte. Von daher ist es nachvollziehbar, dass die Bevölkerung weitere Maßnahmen der bekannten Art nicht will.

Es gibt aber andere Methoden: Griechenland hat trotz diverser Senkungen nach wie vor einen zu hohen Militärhaushalt. Das Militärbudget kann man massiv zusammenstreichen, ohne die Binnennachfrage zu schwächen. Weitgehender Verzicht auf Betriebs- und Unterhaltskosten, Verzicht auf alle Beschaffungsprogramme und einen Großteil der Soldaten bei vollen Bezügen zum Rosenzüchten nach Hause schicken, wäre eine Wohltat für das Staatsbudget. Allerdings hat das Militär in der griechischen Gesellschaft eine starke Stellung und Nato-Leute würden maulen. Hilft nichts, ist ein Notfall und muss gehen. Geht auch, nur wollen wird man müssen.

Hohe Reserven gibt es in der unzureichend funktionierenden Verwaltung. Festgesetzte Steuern nützen nichts, wenn sie nicht eingetrieben werden. Sicher spielen dabei auch Mentalitätsfragen eine Rolle, was die vermutlich dicksten Bretter sind.

Die Schulden sind im Moment nicht das Problem. Schuldendienst kann man strecken oder aussetzen. Vor die Wahl gestellt, entweder gar nichts oder mitspielen, werden die Gläubiger mitspielen wollen.

Mir läuft gerade die Zeit davon. Gerne hätte ich noch begründet, warum die Argumentation des Herrn Sinn, Griechenland mit abgewerteter eigener Währung zum billigen Touristenland zu machen, keine nachhaltig tragfähige Lösung ist und auf etwas längere Sicht in manifestierte Armut der Volkswirtschaft führen wird. Hole ich aber irgendwann nach Feierabend nach.

Gruß
Wolfgang

Hallo,

ich möchte für mich etwas mehr Klarheit in der Sache, daher zwei Fragen:

  1. Wieviel Prozent der Griechen haben denn abgestimmt?
  2. Wie war denn die Fragestellung? Ich hört nur ja oder nein.
    Aber wie konkret war die Frage?

Danke und viele Grüße

Hallo,

na die Frage war eben, ob man die mit den Hilfsangebotenen verbundenen Bedingungen annehmen wollte. Möglicherweise haben ein paar Griechen, diese Verbindung nicht so richtig erkannt, und meinten nur über die Bedingungen abstimmen zu können und dann würde es die Hilfe bei einem Nein eben so geben. Der holländische Ministerpräsident hat es ganz trefflich formuliert: „Haben die Griechen wirklich gedacht, wir würden ankommen und fragen: ,Wie hättet Ihr’s denn gern?“
Die Wahlbeteiligung lag wohl bei mehr als 60 %, wovon dann wiederum etwas mehr als 60% für Nein gestimmt hatten.

Grüße

62.5

und

oder was wolltest du wissen?

Alles nachzulesen unter

Gruß
Ξ

Hallo,

das Gleichnis mit dem Demokratieverständnis verstehe ich nicht. Die Griechen können doch mit ihrer Abstimmung nicht den anderen EU- oder Euro-Mitgliedern „diktieren“, wie sie es gerne hätten. Das wäre in der Tat ein sehr verdrehtes Demokratieverständnis.
Selber machen hätten sie es schon lange. Wenn ich aber das Heulen der Rentner höre, dass die ihre Miete oder Strom von den 60€ am Tag nicht bezahlen können, dann ist doch schon klar, wo es klemmt und dass auch der Kleinste mitmacht.
Nicht dass das jemand in den falschen Hals bekommt, die Rentner, Arbeitslosen usw. tun mir schon leid. Aber wenn die nicht selber erkennen, dass es mit dieser Barzahlerei losgeht, dass ihr Staat nicht ordentlich Steuern eintreiben kann, wie wäre ihnen dann zu helfen? Nur einfach Kohle über dem Land ausschütten, kann es ja nicht sein. Soviel haben die anderen EU-Staaten nun auch nicht übrig.
Es ist ja nicht so, dass die nicht helfen wollten. Das unterstelle ich mal einfach auch der Mehrheit der Bürger. Aber die wollen nicht mehr sehenden Auges Geld in ein Fass ohne Boden werfen. Ein wenig Komplianz darf wohl der behandelnde Arzt von einem Patienten erwarten. Wenn der Patient die Pillen nicht schluckt, sondern weiterverkauft, dann wird der Arzt möglicherweise die Versorgung einstellen oder aber dafür sorgen, dass die da landen, wo sie hinsollen.
Dieses Referendum war in dieser Form ohnehin ein Schuss in den Ofen. Die Frage hätte nicht lauten dürfen, ob man die Bedingungen akzeptiert, sondern es hätten wenigstens zwei Optionen zur Wahl stehen müssen. Nämlich das der Gläubiger/Helfer und das der Regierung. Es gibt nun mal Situationen im Leben, wo man sich nicht nicht entscheiden kann und alles bleibt, wie es ist. Aber mit der Vorlage eines eigenen tragfähigen Konzeptes tut man sich ja ohnehin schwer. Man ist ja nicht mal das angegangen, was man für akzeptabel gehalten hat.

Grüße

P.S. Die Panzer werden ohne Sprit und Ersatzteile nicht lange fahren. Aber vielleicht stellt ja Wladimir etwas zum Freundschaftspreis zur Verfügung. Der wird damit auch keinerlei Forderungen verbinden, sondern das aus reiner internationaler Solidarität liefern.

Hallo,

Damit gibst du dem IWF recht mit seiner „Ricardo- Theorie“.
Aber es wurde doch auch seitens des Staates gespart und dennoch kein Wachstum
generiert.

Nach gängiger Theorie müssen die Staatsausgaben zurückgefahren
werden, weil die Konsumenten dadurch die „Zuversicht erfahren“ in irgendeiner
wie auch immer fernen Zukunft weniger Steuern zu bezahlen (weil der Staat dann weniger
tun muss um die Defizite zu begleichen). Ergo werden sie (die Konsumenten) in
Erwartung einer rosigeren Zukunft jetzt weniger sparen und so die Wirtschaft
ankurbeln. Aus irgendeinem Grunde klappt das aber nicht, sämtliche auf der „Ricardo
Theorie“ basierenden Prognosen des IWF bzgl. GR waren falsch. Aber das scheint offenbar
keinen zu jucken.

Gruß

Peter

Danke für deine Meinung und Mühe!
Ich warte auf deine weiteren Ausführungen.

Viele Grüße

Möglicherweise soll man andere auch nicht für dümmer halten als man selbst ist. Vielleicht lag es aber auch am geringeren Einfluss vergleichbarer Qualitätsmedien (als hierzulande) bei der Meinungsbildung.

Möglicherweise ruft „……eine primitive Doktrin, nach der nur das Land in Europa erfolgreich ist, das sich im Wettkampf der Nationen bewährt und unabhängig von seiner Ausgangslage bereit ist, den Gürtel auf Befehl aus Brüssel enger zu schnallen…“ (Heiner Flassbeck) bei den Griechen auch einen exorbitanteren Kotzreiz aus als woanders.

Weniger zynisch und getragen vom gleichen Demokratieverständnis wäre:

Eine Militärjunta würde dies die Griechen auch nicht (mehr) fragen. Das wäre dann Grexit und EU- Austritt in einem. Panzer haben sie ja genug von uns bekommen.

Hallo,

vielleicht liegt es ja am neuen wer-weiss-was. Aber was sagt uns denn die eingefügte Grafik? Wenn ich es richtig sehe, wird da der nominale Verlauf der Staatsausgaben zwei verschiedener Länder zu zwei sehr verschiedenen Zeiten gegenübergestellt. Und was ist die Aussage? Die des Deutschen Reiches sind mal gestiegen, die von Griechenland mal gesunken. In D kam es nicht allzulange danach zu einem Krieg. Also ein Argument für oder gegen steigende Staatsausgaben? Wie waren jeweils die restlichen Rahmenbedingungen und Kennzahlen? Ich sag´s mal so, wenn sich das BIP und das Steueraufkommen verdoppeln, wäre eine nominelle Verdopplung der Staatsausgaben erstmal kein Problem. Also wird man da noch andere Kennzahlen brauchen, um das irgendwie bewerten zu können.
Und dann würde mich auch die Ricardo-Theorie des IWF interessieren. Welche ist denn gemeint? Die des Freihandels? Nee, wahrscheinlich eher die der Nutzlosigkeit schuldenfinanzierter Ausgabenprogramme. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben sind ja nicht das Gleiche wie Staatsausgaben. Bisher sehe ich Griechenland als Beleg für seine Theorie. Die Schuldenfinanzierten Staatsausgaben haben zu nichts geführt, außer zu höheren Staatsausgaben, weil ja nun auch noch die Zinsen bezahlt werden sollen.

Grüße

Also, ich hab mir mal den Anteil des Steuereinkommens am BIP für verschiedene Länder angesehen

Deutschland: 11,5%
Frankreich: 21,4%
Großbritannien: 25,3%
Dänemark: 33,4%

Griechenland: 22,4%

Da ist nicht zu erkennen der griechische Staat treibe zu wenig Steuern ein. Wahr ist, das BIP ist viel zu niedrig als das mit 22,4% Steuereinkommen die fälligen Schulden beglichen werden können. Und die gängige Lehre, nach der in Erwartung einer Steuererhöhung mehr gespart und weniger investiert wird, schießt sich mit der Ankündigung von Steuererhöhungen doch selbst ins Knie. Also werden –unterstützt durch den Qualitätsjournalismus- ständig irgendwelche Akteure ins Boot geholt, die man als Schmarotzer, Heulsusen etc. bezeichnen kann. Wenn von Ratlosigkeit die Rede sein sollte, dann wohl auf allen Seiten. Denn auf der Seite der „Besseren“ stellt sich heraus dass die Drachensaat der neoliberalen Wirtschaftslehre eine völlige Nullnummer ist. Auch nicht mehr wert als die vor alledem kritisierte Entwicklungshilfe der DDR (ohne Anführungszeichen), welche sich wohl darauf beschränkte am Strand von Lagos ein paar tausend Klosettschüsseln abzuladen und sich dann vom Acker zu machen.

Das deutsche Reich ist nur nebenbei und unbeabsichtigt in der Graphik zu sehen, in meinen Beitrag habe ich auch keine Vergleiche angestellt und anstellen wollen. Mein Beitrag bezieht sich auf den Rückgang der griechischen Staatsausgaben ab 2009. Die nach vorherrschender Theorie Investitionen und Wirtschaftswachstum hätten erzeugen müssen. Zu der die nach deiner Ansicht

gehört.

ich höre da immer was, von 70MRD nicht eingetriebenen Steuern und das der oberste Steuerverfolger aus dem Verkehr gezogen wurde, weil er an einer Liste von 80.000 potenziellen Steuerhinterziehern dran war. Von der Lagarde Liste ganz zu schweigen :frowning: schreiben wir mal die Hälfte wegen Uneinbringlichkeit ab, bleiben immer noch 35MRD über

Achso. Also ist Griechenland ein Beleg für die Nutzlosigkeit (was noch ein starke Unterreibung ist) schuldenfinanzierter Ausgabenprogramme.
Das Problem von Griechenland ist doch, dass die Ausgaben immer noch nicht zum Einnahmeniveau passen.
Außerdem gelten meiner Ansicht nach die bei Ricardo formulierten Annahmen ohnehin nicht. In einem Land, wo kaum einer Steuern zahlt, wird sich auch keiner Gedanken über in Zukunft zu zahlende oder nicht zu zahlende Steuern machen.

Grüße

Hallo,

das mit dem Steueranteil am BIP hat recht wenig Aussagekraft, wenn man nicht auch wenigstens den Staatsausgabenanteil am BIP danebenstellt. Außerdem hinken diese Vergleiche ohnehin. Wenn da beispielsweise Staaten dabei sind, wo beispielsweise Kranken- und Rentenversicherung mal steuer- und mal beitragsfinanziert sind, vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Bei der Ratlosigkeit auf „unserer“ Seite gehen unsere Ansichten nicht auseinander. Wie soll man jemanden helfen, der angesichts der Misere am liebsten einfach weiter so machen will. Zwingen kann man ihn nicht. Bekloppte werden notfalls eingewiesen. Das geht bei Staaten nicht. In der Verwandtschaft kann man ggf. gezwungen werden für den Unterhalt von Verwandten aufzukommen. Und zwar ganz ohne Gegenleistung, einfach weil man verwandt ist. Geht aber bei Staaten auch nicht.
Bei den Theorien wiederhole ich mich jetzt schon, dass man dann auch die Annahmen berücksichtigen soll. Ich nehmen an, dass in dieser Theorie angenommen wird, dass die fälligen Steuern auch gezahlt werden. Wenn ich das aber nicht oder nur in eingeschränktem Maß tue, dann werden mir auch irgendwelche Erhöhungsankündigungen mein Kalkül nur marginal beeinflussen. Was diese Theorie z.B. in ihrer Abstraktion in keiner Weise berücksichtigt wird, sind solche Aspekte wie Rechtssicherheit. Fehlende Katasterämter sind da nur ein Mosaiksteinchen. Auch wenn ich erlebe, dass jemand ständig Absprachen nicht einhält, werden mich Steuerhöhen jetzt oder Zukunft kaum interessieren. Da lasse ich die Investition, denn 100% Verlust sind allemal mehr als 25% Steuern auf den Gewinn.

grüße