Hallo Andreas,
wieder mal erstaunlich das wir beide uns darüber in die Wolle
bekommen, obwohl wir beide den Einsatz in Afghanistan
befürworten.
In die Wolle bekommen wäre übertrieben. Und es wäre langweilig, wenn jeder auf gleichem Wege zum selben Schluss kommt, oder?
Gebe aber zu, dass ich glaube ich manchmal etwas aggressiv wirken könnte, weil ich immer ziemlich direkt bin. Ist so aber nicht gemeint. An sich finde ich den Austausch mit dir immer recht interessant.
Auf der einen Seite berufst du dich ausschließlich auf die
FDGO und sprichst dagegen allen deren institutionalisierten
Vertretern die Maßgeblichkeit ab.
Dann aber entscheiden doch genau diese unmaßgeblichen Stellen
für dich, was die FDGO von Dir verlangen kann.
Aber dieser Entscheidungsspielraum muss sich selbst der FFDGO unterwerfen. Und ich als Soldat prüfe in letzter Instanz, ob die mir gegebenen Befehle dem gesetzlichen Rahmen entsprechen. Da kann sich der Verteidigungsminister auf den Kopf stellen: Wenn ich einen Befehl bekomme, der gegen die Grundsätze der FDGO verstößt, dann führe ich ihn nicht aus, weil ich eben nicht ihm, sondern der FDGO und dem deutschen Volk verpflichtet bin.
Letztenendes ist aber natürlich klar, das der einzelne Befehlsempfänger gar nicht die Möglichkeit hat jeden Befehl exakt prüfen zu können (z.B. die Entscheidung einen Einsatz in Afghanistan durchzuführen), weil dazu weder alle Informationen, noch ein Jurastudium vorliegt. Der Rahmen und die grenzen von Befehlsgebung werden dadurch aber trotzdem beschränkt.
Weil du anscheinend ganz klar in Afghanistan deutsches Recht
und deutsche Freiheit bedroht siehst.
Ob ich das so sehe oder nicht ist nicht von Relevanz - und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil ich als Wähler gewählt habe und dazu beigetragen habe, das eine Regierung einen Regierungsauftrag vom Wähler bekommen hat, um Entscheidungen zu treffen, die auf Grund von umfassenden Lagebildern und Informationen auch niemand anderes treffen oder wirklich beurteilen kann. Zum anderen, weil ich als Soldat einen Auftrag habe, den ich - sofern er rechtmäßig und verbindlich ist - durchzuführen habe.
Aber ja, ich sehe in Afghanistan erhebliche Risiken für die Sicherheit der Bundesrepublik. Angefangen damit, dass dieses Land Ausgangspunkt gezielter terroristischer Aktivitäten war, über die Tatsache, dass z.B. eine Destabilisierung einer Atommacht, wie Pakistan extrem gefährlich ist bis hin zu Flüchtlingsströmen, die insbesondere auch in Deutschland Kosten und Risiken verursachen.
Wieviel mehr muss da die Freiheit und das Recht bedroht sein, wenn :massenhaft Deutsche direkt betroffen sind und es sogar unmittelbare :materielle Auswirkungen auf deutsches Territorium gibt und diese :nicht nur befürchtet werden müssen.
Eben diese Auwirkungen gibt und gab es doch schon längst.
Und in sofern ist es entscheident was „wir“ wollen. Denn
Vertreter sollten normalerweise doch im Sinne des Vertretenen
handeln, oder? Also dürfen wir Deutschen doch erwarten, dass
unsere Volksvertreter im Wesentlichen das machen, was „wir“
wollen. Oder hab ich Demokratie da irgendwie falsch übersetzt?
Im Wesentlichen mag das stimmen, aber die Erwartung nur populäre Entscheidungen zu treffen ist genauso realitätsfern, wie die Meinung Sicherheit zu produzieren, wenn man sich aus allem heraushält.
Eine Regierung hat den Auftrag auch Risiken einzugehen, wenn dies nötig ist. Und in Afghanistan war es das uns ist es jetzt fast noch mehr, auf Grund der zunehmenden Destabilisierung Pakistans.
Im Idealfall sollte es aber dann auch ein tragfähiges Gesamtkonzept geben.
Und wie du es im letzten Satz eigentlich selbst zum Ausdruck
bringst liefert die Freiheitlich Demokratische Grundordnung kaum
verwertbare Aussagen dazu, wann und und wo Soldaten wie
eingesetzt werden können. Denn die FDGO sagt gar nichts, das
ist zunächst mal nur ein Ordnungssystem mit Regeln zur
Bestimmung von Entscheidungsträgern und der Zuweisung von
Verantwortlickeiten und Kompetenzen. Die FDGO enthält keine
Aussagen dazu wodurch das Recht und die Freiheit bedroht
werden, soweit ich weiß gibt es noch nicht mal eine Definition
davon, was das „Recht und die Freiheit des deutschen Volkes“
überhaupt sind. Da bleibt es mir unverständlich, wie du aus
der FDGO an sich ableiten willst, ob die Entscheidungen der
Volksvertreter tatsächlich dem Recht und der Freiheit dienen.
Ich fürchte da musst du entweder auf dein eigenes Gewissen
zurückgreifen oder alles für richtig halten, was auf formal
korrektem Weg bei dir ankommt.
Nein, ich greife da auf ein System von Werten und Normen zurück, das ich durch Erziehung und Aufwachsen in diesem Staat verinnerlicht habe.
Und wo und wie die Bundeswehr eingesetzt werden kann ist klar geregelt, spätestens seit einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Das ist nun wieder deine Meinung.
Ja, aber es ist eine fundierte, an der Realität gemessene und an Erfordernissen der Realität entwickelte Meinung, die 99% aller Staaten dieser Erde ebenfalls vertreten, weil sie sich bewährt hat.
Ja, das mag wohl sein. Meinst du das das für ein so großes
Land mit gut 25 Millionen Einwohnern genug sind? Es soll
inzwischen etwa 57.000 Polizisten in Afghanistan geben.
Deutschland mit etwa dreimal so vielen Einwohnern hat über 4
mal so viele Polizisten, dabei ist es bei uns ja friedlich.
Und ist die Zahl der Toten nun ein Ausweis dafür, dass die
Polizei in Afghanistan effektiv arbeiten kann?
Nein, die Zahl zeigt m.E. eher, dass Gegenteil. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns. Im Gegensatz zum Irak, wo die Bevölkerung an eine staatliche Ordnung gewohnt ist und Polizei auch akzeptiert ist (weshalb dort auch kaum mehr ausländische truppen notwendig sind) gibt es solche Erfahrungswerte in Afghanistan nicht. Hier kommt noch erschwerend die sehr geringe Bevölkerungsdichte hinzu und der sehr geringe Bildungsstand.
Eigentlich ist das ein Loch ohne Boden, um so gefährlicher, wenn man da dann ohne wirkliches Konzept rangeht.
Gruß Andreas