Hallo Denis,
sodele, mal wieder ein Thread durch den ich mich gewühlt habe. Also mal im Ernst, wenn bei jeder zweiten Bibelstelle irgendjemand mit der Idee „sexueller Verklemmung“ daherkommt, dann sollten sich die Leute wirklich Sorgen um ihr Sexualleben machen. Denken die eigentlich an gar nichts anderes mehr?
Zunächst einmal ein kleiner Exkurs, denn keine Bibelstelle steht ja ohne Kontext, auch nicht im alten Testament. In diesem Fall geht es um eine Geschichte, nach der, nur eine Generation später, Kain seinen Bruder Abel erschlägt. Denn Kain ging danach ins Land Nod, östlich von Eden und nahm sich dort eine Frau.
Der signifikante Pnukt ist, dass es offensichtlich andere Menschen und andere Völker gab. Und die waren, obwohl unabhängig von Adam und Eva, so, wie es diese NACH dem Sündenfall waren. Kains Frau gebar ja auch Kinder. Er „erkannte“ sie ja auch (zu dem „erkennen“ bitte in Metaphers Posting nachlesen, das ist nämlich so eine heftige Sache mit dieser Übersetzung).
Fazit: Die Bibel berichtet hier nicht wirklich von der Erschaffung des Menschen. Sie erklärt ja ganz beiläufig und mit der größten Selbstverständlichkeit, dass es andere Menschen gab, außerhalb Edens. Was die Bibel hier berichtet, ist die Erschaffung der Menschen, um die es sich in der ganzen Bibel dreht. Es geht gewissermaßen um die ersten Juden, die ersten Anhänger dieses Gottes. Nicht um die Menschheit als Gesamtheit, daran ist die Bibel ohnehin nur sehr mäßig interessiert.
Also wischte der Gott, wie man ihn auch immer nennen mag, die Wasser hinweg, pflanzte Sterne an den Himmel, baute Eden (hey, das ist die Kurzfassung!) und pflanzte da Adam und Eva hinein. Und mit ihnen gleich mal ein paar kryptische Sätze.
Der springende Punkt hier ist Kapitel 2, 16: 16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; 17aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon ißt, wirst du des Todes sterben.
Es geht also nicht alleine um die Erkenntnis des Guten und des Bösen, es geht auch um die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Und das ist es, was jene anderen Menschen außerhalb Edens schon wissen. Halte das mal in dierekten Vergleich zur Nachbarschaft. Da gab es bereits Herrscherdynastien und dynastisches Denken ist ja immer auch mit dem Wissen um die eigenen Sterblichkeit verbunden.
Soviel also zu etwas Kontext.
Wie kann man die Frucht des Baums der Erkenntnis deuten?
In der Bibel steht: (Zitat Gott)„Ja der Mensch ist jetzt wie
einer von uns geworden, da er Gutes und Böses erkennt.“
Hier steht „Gutes und Böses“, aber es steht nicht hier, was als gut oder böse definiert ist. Natürlich liegt zunächst der Schluß nahe, dass sie böse waren, weil sie etwas getan haben, was Gott verboten hatte. Aber das hinkt dann doch etwas. Lies mal, wie die Schlange (die ja in anderen Religionen um die Zeit der Entstehung der Genesis hinweg als Symboltier zusammen mit dem Drachen eine wichtige Rolle in anderen Religionen spielte) in Kapitel 3 begründet, warum sie will, dass Eva von den Früchten isst. Sie behauptet, Gott weiß, dass, wenn sie das Zeug isst, ihr die Augen aufgetan werden, sie wüsste, was gut und böse ist und dadurch sei wie Gott. Und Eva schließt, der Baum macht klug! Und erst nachdem sie die Früchte gegessen haben kommt das gleiche Ding nochmal, dieses Mal von Gott selber.
Man beachte: … der Mensch ist jetzt geworden wie einer von UNS (plural). Gott leugnet also die Existens anderer Götter in dieser Zeit gar nicht.
Es geht hier um Metaphern. Klug zu sein bedeutet urteilen zu können. Gott hat ja die Entscheidungsfreiheit gelassen. In Kapitel 2 klingt er eher wie „und von dem Baum esst ihr besser nicht, der ist nicht gut für Euch“ Das ist kein Verbot, das ist eine Warnung! Sie essen von dem Baum und können nun gut und böse erkennen (beurteilen nach ihren eigenen Maßstäben). In diesem Punkt sind sie geworden wie Gott (oder die Götter), denn die haben diese Fähigkeit zweifellos auch. Aber die Frucht (als Metapher) hat Nebenwirkungen. Nun, nachdem Mensch sich auf sein eigenes Urteilsvermögen verlässt, muss er sich auch den weniger netten Dingen seiner Existenz stellen wie Sterblichkeit, Wehentätigkeit beim Kinderkriegen, Broterwerb, … Schon die Kinder von Adam und Eva, nämlich Kain und Abel, haben Berufe. Der eine ist Ackermann, der ander Hirte.
Der Sündenfall hat also eine ganz einfache Bedeutung. In dem Moment, in dem Mensch den Anspruch stellt, selber zu urteilen, muss er auch selber damit klarkommen. Er kann dann nicht mehr einfach Dinge ignorieren weil sie nicht nett sind. Er muss sich nehmen, wie er ist (nackt) und daraus was machen. Denn die Spaßzeit ohne Verantwortung läßt er mit diesem Anspruch hinter sich.
Was Gott tut und sagt, nachdem Mensch durch seine Entscheidung (denn Ratgeber zählen ja nicht) diesen Anspruch stellt ist nichts anderes als das, was jeder Vater irgendwann sagt: „So Kinders, sucht Euch mal 'nen Job und ne Wohnung.“ Und das bedeutet nicht, dass er seine Kinder deswegen nicht mehr lieben würde. Er macht sich ja schon seine Gedanken, wie sie draußen klarkommen und räumt ja im Laufe der weiteren Geschichte einen Haufen Probleme aus dem Weg. Aber was er nicht kann oder will, ist, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, ihnen ihr Leben in allen Einzelheiten vorschreiben. Mensch entscheidet, zu erkennen. Gott schmeißt ihn aus dem Spielzimmer - einfach weil er da nun nicht mehr reinpasst.
Natürlich ist Gott trotzdem etwas sauer auf „die Freunde“ seiner Sprößlinge, die diesen Schritt forciert haben und knallt der Schlange gehörig eins vor den Latz. Und wie üblich, die Sprößlinge suchen sich 'ne Bude und kümmern sich um besagten Freund ja auch nicht mehr.
Heisst das, das der Mensch vor dem Verzehr nicht mal die
geistige Reife eines Haustieres hatte? Tiere wissen aus
Erfahrung (sprich: Kloppe oder Schimpfe), dass sie Ärger
bekommen, wenn sie etwas „verbotenes“ tun, und unterlassen es
demnach meistens. Wie soll man aber das „böse“ einer Tat
(nicht auf Gott hören) erkennen, wenn man erst DANACH weiss,
was Gut und Böse ist?
Mit anderen Worten: War der Mensch ursprünglich nur als
göttlicher Goldhamster oder Urzeitkrebschen geplant?
Adam und Eva (nicht alle Menschen) waren im geistigen Zustand von Kindern, pubertierten, glaubten unter dem Einfluß von Freunden, schon schlau genug zu sein und wurden vom Ernst des Lebens eingeholt. Und natürlich, um unsere Sexualtheologen zu befriedigen, dazu gehört auch Sex.
„Lasst uns Menschen machen nach unserem Abbild“
Und wenn’s zu ähnlich wird - ist es auch wieder nicht recht?
Was tun Eltern? Natürlich versuchen sie für eine Zeit, die bösen Wahrheiten des Lebens fernzuhalten, auch wenn sie wissen, irgendwann wird es kommen. Ich würde das hier auch eher in diesem Sinne interpretieren. Der Rückschluß ist allerdings interessant. Gerade 1.Mose verrät ja edoch sehr viel darüber, wie man sich damals Gott vorstellte und er ist in seinen Handlungsweisen den Menschen deutlich ähnlicher als die abstrakte Machtperson späterer Teile der Bibel.
Ich möchte nicht blasphemisch werden, aber:
Jeder Mensch weiss, dass man gefährliche Pflanzen entweder
beseitigt, wenn ein „dummes“ (weil unerfahrenes) Kind
rumkrabbelt, ODER nonstop ein Auge darauf werfen muss. Da
niemand diese Verantwortung auf sich nehmen wollen wird, geht
es den Pflänzchen meist an den Kragen.
Versuch mal eine metaphorische Pflanze auszurupfen. Der Baum in der Mitte des Gartens (das Ding um das sich in diesem „Schutzgebiet“ alles zentriert) ist Bedeutung, nicht physischer Körper.
War der Herr überfordert mit seiner Vaterrolle?
Zugegebenermassen war es (laut Bibel) seine erste
Elternschaft, da denkt man vielleicht nicht sofort an alles.
Aber als GOTT?
Er handelt wie ein Vater handeln sollte. Er warnt vor der Erkenntnis, aber verbietet sie nicht. Und als die Erkenntnis dann kommt, läßt er die Kinder gehen (wie spätere Kapitel zeigen hat er mit dem Loslassen Probleme, aber es ist ja ohnehin nur unsere Zeit, die „Loslassen“ als „das große Ding“ sieht). Er ist nicht überfordert. Nur etwas angeätzt als es dann so weit ist. Zeig mir den Vater, der nicht angeätzt ist, wenn Töchting das erste Mal über Nacht nicht heimkommt.
Beinhaltet die Erkenntnis von „Gut und Böse“ nicht auch das
Erkennen der Folgen von Ungehorsam? War es demnach nicht naiv,
jemandem eine Regel aufzustellen, der erstens nicht weiss,
dass „trotzdemmachen“ böse ist - und dem zweitens keine
Sanktionen angedroht worden sind.
Lies den Text. Das war kein Verbot, das war eine Warnung. Eine Warnung, wie sie jedes Kind bekommt. Nur das Entscheiden gegen diese Warnung stand trotzdem im Ermessen des Menschen. Es steht nirgendwo, von dem Baum zu essen sei böse. Es steht da lediglich, vom Baum der Erkenntnis zu essen verleiht die Fähigkeit des eigenen Urteils, mit allen häßlichen Nebeneffekten wie Selbsterkenntnis bzw. der Zwang dazu.
Ich weiss, dass es ein alter Text ist, den ich nicht wörtlich
nehmen sollte, aber mir verschliesst sich der höhere Sinn -die
Bedeutung- des Ganzen. Ich denke ganz bestimmt nicht an einen
realen BAum, an einen realen Garten Eden oder eine reale
Schlange.
Wie viele alte Texte ist vieles metaphorisch, aber nicht direkt in einem abstrakten Sinn. Die Bücher Mose nahmen ihre Form etwa ab dem 10. vorchristlichen Jahrhundert an, nachdem Teile bereits etwa 500 Jahre lang als Erzählungen und wahrscheinlich früheren Textformen kursierten. Interessant ist dabei jedoch immer wieder diese typische jüdische Akkuratesse mit der solche Texte weitergegeben werden. So etwas war im Abendland ja völlig unbekannt. Wir können also mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass diese Texte alle relevanten Teile enthalten und nur als Kompilat im ab dem 10. Jahrhundert v. Chr. stylistisch angepasst wurden. Was erklärt, dass bestimmte Redewendungen zeitlich so hübsch datierbar sind. Aber trotzdem, Du sollstes berücksichtigen, dass es bis zur Epoche der abstrakten Allegorie noch dreitausend Jahre waren.
Wird hier vielleicht unterschwellig doch eine Evolution
präsentiert: „Schön dumm bleiben, wenn die Entwicklung zu weit
geht macht ihr nur Scherereien“?
Eine ganz normale Evolution. Wenn ihr zu früh versucht, alles von eurem beschränkten Sichtwinkel aus zu begreifen, macht ihr euch selber einen Haufen Scherereien.
Und warum soll die Schlange zur Strafe den Rest der Zeit auf
dem Bauch kriechen? Was hat sie denn vorher getan? Stepptanz
wohl kaum. War es vielleicht eine Echse? Immerhin stammen die
Schlangen von Echsen ab und haben im Laufe der Zeit ihre Beine
verloren.
Vor allem, wenn man mal die Religionen rund herum betrachtet. Nach den sehr menschenähnlichen Göttern Ägyptens war der Drache Sirrusch, der ja meist fast keine Beine mehr hatte doch sehr schlangenähnlich. Auch die Lydier hatten einen Schlangenkult und frühkretische Keramikfunde deuten ebenfalls auf einen Schlangen- oder Reptilkult. Die Schlange, die Adam und Eva hinterlistig vorschlägt, mal eben zur Erkenntnis zu greifen und dafür später auf dem Bauch kriechen muss hat also eine ganz handfeste Symbolik dahinter. Die übrigens auch dem geschichtlichen Fakt entspricht. Denn als um 1500 die Israeliten einwanderten nach Kanaan, war das eigentlich kein eigenständiges Reich und auch kein Teil Ägyptens mehr (Ramses III erwähnt es unter der Oberhhoheit der Philister, die aber mehr Stadtstaaten in diesem Gebiet unterhielten). Die weiderum (Ashdod und Askalon finden wir ja in der Bibel und nicht nur dort) waren Teil der sogenannten Seevölker. Ihre eigene Herkunft ist nicht gesichert, die Gelehrten streiten sich zwischen frühkretisch (Schlangenkult, Diskus von Phaistos) oder Lydien (Schlangenkult). Was für ein Wunder also, das die Israeliten, im Kampf gegen Philister und gerade aus Ägypten ausgewandert (wo es mit Meretseger einen weiteren Schlangenkult gab) irgendwo eine Schlange als Symbol für etwas Böses drinnen haben.
So gesehen also der biblische „Nachweis“ eines
evolutionären Prinzips: Entwicklungstechnisch verlorene
Eigenschaften/Körperteile kommen nicht wieder - Schlangen
bilden nie wieder Beine aus ;o)
Es sei denn, die Evolution würde sie dazu zwingen. Da gab es ja auch interessante Präzedenzfälle. Und da auch Gott, lt. Bibel nicht unversöhnlich ist und ab und zu vergibt, wo er eigentlichw riklich keinen Grund hat, kannst Du hier gar nichts ableiten.
War der Mensch nur als Zeitvertreib geplant? Ein ausser
Kontrolle geratenes Experiment?
Wie planst Du Deine Kinder? Nur so interessehalber … außer als Unfall bei Zeitvertreib, meine ich?
Gruß
Peter B.