Er wird sich gedacht haben, dass irgendjemand wohl die Prügel
einstecken und das Thema anstoßen muss, nachdem es Politik wie
Sozialwissenschaftler seit Jahrzehnten beharrlich ignorieren,
weil sich keiner das Maul daran verbrennen will -
Was konkret veranlasst dich zu dieser Vermutung?
Die merkwürdige öffentliche Reaktion. Es kommen einfach keine Sachargumente, sondern jeder meint nur, dass man das so nicht sagen könne.
Sarazzin
hatte jahrelang Zeit und Gelegenheit, seinen „guten Gedanken“
Taten folgen zu lassen. Hat er aber nicht, er hat im Amte des
Finanzsenators in Berlin sogar genau das Gegenteil gemacht und
Integrationsprojekten den Hahn abgedreht.
Also hat er seinen längst geäußerten Gedanken ja doch Taten folgen lassen, wenn auch solche, die manchem Sozialarbeiter nicht geschmeckt haben dürften. Außerdem konnte er natürlich nur das Geld verteilen, das Berlin nicht hat.
Witzigerweise kam vor einiger Zeit aber immerhin eine
Statistik heraus, nach der der Anteil vietnamesischstämmiger
Abiturienten an der Bevölkerung höher ist als der der
deutschen. Sarrazin stellt halt so in etwa die Frage in den
Raum, warum dieses Integrationskunststück zwar den Vietnamesen
in Deutschland gelingt, nicht aber den Türken oder Arabern.
Sarazzin operiert mit Halbwahrheiten und klebt die sich zu
seinem kruden Weltbild zusammen. Für ihn sind „die Muslime“
nicht integrationsfähig und ungebildet, obwohl zum Beispiel
die Iraner und teilweise (muslimische) Afrikaner in den
Statistiken ganz weit oben liegen. Umgekehrt verschweigt er
ganz zufällig, dass die sich im Kern des christlichen
Abendlandes befindlichen Italiener noch schlechter
abschneiden. Warum tut er das?
Die Antwort lautet, nehme ich an, wiederum „Berlin“. Bei mir in der Gegend sind die Italiener zahlreicher als die Türken. Und sie schneiden in der Bildung ebenso schlecht ab, das stimmt. Iraner und muslimische Afrikaner sind im Gegensatz zu Türken und Italienern einfach nicht zahlreich genug in Deutschland, als dass sie Parallelgesellschaften bilden könnten, in denen dem Integrationsdruck ausgewichen werden kann. Aber sie arbeiten ja wissentlich oder unwissentlich daran, ihre Zahl über die kritische Marke zu bringen, indem sie (Zitat) „Kopftuchmädchen produzieren“.
Jemandem, dem es wirklich um eine Problemlösung ginge, würde
differenzieren und bestimmte Fakten nicht systematisch
ausblenden. Nur so besteht die Möglichkeit, ein Symptom
richtig zu diagnostizieren.
Das Problem ist, dass es keine allgemein anerkannten Fakten gibt. Es ist schlicht nicht möglich, Lösungen zu diskutieren, wenn Zahlen fehlen. Vielleicht fürchtet man sich aber auch vor der Konsequenz, die echten Zahlen zusammenzutragen und dann Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen einzuleiten, die äußerst unbequem sind.
Wenn es nicht an unterschiedlicher
Integrations-/Leistungsbereitschft liegen darf, muss es wohl
an unterschiedlicher Intelligenz liegen, denkt er sich wohl
und provoziert andere, von wissenschaftlich ermittelten Zahlen
untermauerte Erklärungsversuche.
Sarazzin hat keine wissenschaftlich untermauerten Zahlen!
Nein, sage ich ja. Die hat überhaupt niemand. Deswegen provoziert er ja so lange, bis jemand beschließt, dass diese Zahlen nun her müssen.
Aber es kommt nichts. Es wird
immer nur davon geredet, woran es bitte nicht liegen kann.
Falsch, es kommt eine ganze Menge. Sehr schön zu sehen zum
Beispiel hier:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/heisig-hat-im-gege…
Was ich vor allem sehe, ist, dass es wieder mal hauptsächlich die Deutschen sind, die glauben, etwas für Integration tun zu müssen. Wenn auch nicht mit erkennbarem Erfolg.
Allerdings kommt noch nicht genug.
Die Frage ist, ob jemals genug (in deinem Sinne) kommen wird und wer das bitte bezahlen soll.
Ich weiß nur, dass vor hundert Jahren im Kaiserreich der
Anteil der Pass-Ausländer auch bei etwa 10 % der Bevölkerung
lag, hinzu kamen diverse nationale Minderheiten (v. a. Polen).
Die einzige Sprache, die damals in der Öffentlichkeit
auftauchte und in der an den Schulen unterrichtet wurde, war
trotzdem Deutsch (und in Frankreich französisch und in den USA
englisch usw.). Aber keiner der Einwanderer warf damals dem
jeweiligen Staat vor, dieser täte zu wenig für seine
Integration.
So ganz fehlt mir der Zusammenhang. Das, was mir aber zum
Stichwort „vor 100 Jahren“ einfällt, dass damals immer stärker
anfing, eine bestimmte Ethnie für gesellschaftliche Probleme
verantwortlich zu machen.
Der Zusammenhang besteht nicht. Es besteht nur die Vergleichsmöglichkeit mit damals. Das ist sozusagen der Hauptzweck der Geschichtsforschung.
Und was das Totschlagargument mit den Juden angeht: Es dürfte unstrittig sein, dass die Juden nur für die Nazis eine eigene Ethnie waren und die Nazis somit von vornherein falsch gelegen haben müssen. So ist das halt mit den Vergleichen: Immer klappt’s nicht.
Das kann man nur vermuten. Wie gesagt: Es wird, von
Tendenzforschung verschiedener Couleur, peinlich auf das
Fehlen von objektiven Zahlen zu dem Thema geachtet, oder es
werden nur Erfolgsmeldungen gebracht, die sich dann , wie im
Fall der Vietnamesen, allerdings ins Gegenteil verkehren
lassen.
Aha. Forschung, die nicht das krude Weltbild von Sarazzin
bestätigt ist Tendenzforschung? Du findest zu keinem einzigen
Thema Sarazzins Forschung, die seine Thesen bestätigt und mehr
als exotische Inselmeinung ist. Umgekehrt wird also ein Schuh
draus.
Meinung, eben, und nicht wissen. Beiderseits. Das einzige, was man zuverlässig weiß, ist, dass es massive gesellschaftliche Probleme gibt, die es vor wenigen Jahrzehnten noch nicht gab. Und dazu ist es möglicherweise hilfreich, zu vergleichen, wie die Zusammensetzung der Bevölkerung sich seit damals verändert hat.
Seine 50-80 % Vererbbarkeit der Intelligenz sind das, was er
selber ja zugibt: Fantasiezahlen, die er nur oft genug
wiederholen muss, dann wird sich das schon verbreiten.
Ich glaube in der Tat auch nicht, dass Intelligenz ausschließlich eine Sache der Sozialisation ist, ohne dass ich dazu Prozentzahlen parat hätte. Der Körperbau und das Verhalten und andere Merkmale sind es ja auch nicht. Man sollte das deshalb nicht von vornherein mit einem Denkverbot belegen. Die Frage ist, ob es berechtigt ist, aus der relativen Bildungsferne mancher Bevölkerungsteile auf ihre relative Dummheit zu schließen. Aber versuche mal, eine wissenschaftliche Untersuchung dazu zu machen. Dazu wird es nicht kommen, sondern du wirst dein blaues Wunder erleben.
Du bist ja das beste Beispiel dafür, dass die Masche
funktioniert. Man könnte meinen, Leute, die intelligent genug
sind, durchschauen das Spiel.
Ich brauche in der Tat keinen Sarrazin, um zu sehen, wo die Probleme liegen und ich brauche nicht die Reaktionen auf ihn zu hören, um zu wissen, dass wir diese Probleme aus politischen Gründen niemals zweifelsfrei identifizieren noch sie angehen werden.
Sündenböcke jedenfalls haben noch nie ein Problem gelöst.
Straußenvögel aber auch nicht.