Aktuelle Kontroverse um die Psychotherapie

Hallo!

Da im anderen Thread (in dem ich das Inhaltliche ausklammern wollte, weil es mir ausschließlich um einen Begriff ging) ein Interesse offenkundig wurde, diese Frage inhaltlich zu betrachten …

Lütz’ Position:

Psychisch Kranke müssen ewig auf einen Therapieplatz warten, weil das System eine Behandlung von Menschen mit geringen Leiden fördert …

Die unzumutbare Wartezeit liegt an einem kaputten System, das die Behandlung von Gesunden fördert und die wirklich Kranken leer ausgehen lässt …

Nun hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Versuch gewagt, daran etwas zu ändern. In einem ersten Gesetzentwurf sprach er von einer „gestuften und gesteuerten Versorgung“, ohne genauer zu präzisieren, was er damit meinte.

Doch auch nur diese Andeutung hat zum Aufschrei der mächtigsten Lobbyistenorganisation geführt, die es auf diesem Gebiet in Deutschland gibt, der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Diese Leute sind seit Jahren erfolgreich dafür tätig, dass Psychotherapeuten an „Patienten“ kommen - ohne jedes Interesse daran, wie Patienten an Therapeuten kommen …

Inzwischen macht es mich einfach nur noch wütend, wie hier hemmungslos die Öffentlichkeit manipuliert wird - und alle in Deckung gehen, wenn mal wieder die Bundespsychotherapeutenkammer eine Kampagne startet.

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Tophovens Position:

(copy&paste funktioniert nicht, sonst hätte ich bei ihr fairerweise ebenfalls die Hauptaussagen zitiert)

Meine persönliche Meinung:

Lütz simplifiziert enorm, Tophoven geht auf den wahren Kern in Lütz’ Aussagen aber gar nicht erst ein.

Der wahre Kern ist, dass durch die Kassen-Angebundenheit der Psychotherapie in Deutschland nun mal die „Verteilungsfrage“ gestellt werden muss, und nicht zugeschaut werden kann, wer es eher zum Therapieplatz bringt, und wer nicht, denn da ist eine systematische Verzerrung drin, die es leichter Erkrankten (bzw. Patienten bestimmter Störungsbilder) leichter macht als schwerer Erkrankten (bzw. Patienten bestimmter anderer Störungsbilder) - aus verschiedenen Gründen.

Außerdem: Das Gebiet der Psychotherapie ist -zu Lasten von Patienten und der Versichertengemeinschaft- heillos von widerlichem Lobbyismus verseucht, da hat Lütz vollkommen recht, verschweigt aber, dass er selbst Partei dabei ist.

Gruß
F.

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Komm’, ich fange mal mit Antworten an, obwohl mir in deinem anderen Thread schon gesagt wurde, dass ich keine Ahnung hätte und deswegen gar nichts dazu sagen könne.
Dann können sich diejenigen, die voll die Ahnung haben, an meiner Antwort reiben :wink:
Ich habe mir dann tatsächlich mal die andere Seite angeschaut (Herr Lütz) und auch die, durchaus auch differenzierten, Kommentare dazu. Diese Gemengelage war mir nicht bewusst.
Was ich, mal wieder als Laie, feststelle, ist eine exorbitante Zunahme von psychischen Beschwerden, allen voran mein Liebling Burnout. Ich habe ja lange Jahre in der Erwachsenenbildung gearbeitet und man glaubt nicht, wie viele Lebensläufe mittlerweile durch Burnout beendet bzw. unterbrochen werden. Es gibt ja wohl mittlerweile eine „Zulassung“ als Krankheit. Allerdings bin ich der Meinung, dass viele Leute ihr Burnout genauso vor sich hertragen wie die allseits beliebte Laktoseintoleranz. „Und, du so?“ „Laktose und Burnout. Und du?“ " Ich habe nur Gluten."
Es ist in Zeiten von Google und Netdoctor unheimlich leicht geworden, jedes Wehwechen sofort zu einer großen Nummer aufzublasen und sich selber wahnwitzige Diagnosen zu stellen. Und, es ist voll in Mode, sich therapieren zu lassen. Nix mehr mit verschämt in der Ecke (meine Mutter hatte, als ich Jugendliche war, einen Nervenzusammenbruch, wie man damals sagte. Und fand den Gang zum Therapeuten als sehr belastend), nein man hat ganz offensiv am Mittwoch seinen Therapietermin. Das ist meine Wahrnehmung und geht tatsächlich konform mit der Meinung von Herrn Lütz.
Was ich ganz schlimm finde, sind die tatsächlich sehr langen Wartezeiten für einen Therapieplatz. Woran das liegt? Keine Ahnung. Wahrscheinlich dieselben Gründe, warum ich monatelang auf einen Termin beim Hautarzt oder Orthopäden warte.
Ich möchte gern noch hinzufügen, dass ich durchaus weiß, dass eine z.B. Depression eine ganz andere Liga ist und nicht geheilt werden kann, indem man dem Gegenüber sagt, er solle sich mal zusammenreißen. Meine Freundin ist manisch-depressiv, ich weiß also, wovon ich rede. Sie war übrigens gleichzeitig bei einem Neurologen mit psychatrischer Ausbildung, bei einem Psychotherapeuten, einer Heilpraktikerin mit psychologischer Zusatzausbildung und dem Hausarzt und alle haben munter medikamentiert und nix voneinander gewusst. Das hat aber mit dem System an sich zu tun und nix mit der Ausgangsfrage.

Soon

Lütz simplifiziert. Aber das muss er auch in so einem Artikel. Sonst wäre der 4 Mal so kompliziert und 10 Mal so lang. Tophovens Replik ist eine Frechheit! Die „Alter weißer Mann“ Nummer ist unter aller Kanone, zeigt aber eigentlich nur, dass sie gar keine wirklichen Argumente hat.

Was Lütz nur gestreift und du gar nicht erwähnt hast zum Problem des Systems: Es existiert keinerlei wirkliche Kontrolle, Psychotherapeuten suchen sich nicht nur das Klientel aus, sondern wurschteln auch mehr oder weniger fröhlich vor sich hin. Einige davon sehr professionell und engagiert. Nur wer das nicht tut, der bleibt völlig unbehelligt.

Das zieht sich dann durch: Die einen leisten wirklich gute, verantwortungsvolle Arbeit, was sich in der Wahl der Patienten zeigt, in der Priorisierung, im Umgang, in Inter- und Supervision, in Fortbildung etc. Die Anderen suchen sich die leichten Patienten aus und schmoren 20 Jahre im eigenen Saft. Das System lässt beides zu. Ganz im Gegenteil haben die, die sich den Lenz machen, es sogar doppelt und dreifach leichter. Die brauchen sich auch nicht mit Gutachtern wegen Verlängerungen so intensiv rumschlagen.

Lütz halte ich tatsächlich aber noch für jemanden, der nicht ganz so verseucht ist.

Kennst du den hier?
https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/1860-7357.7.1.15
Das ist auch so einer, der mir erzählt hat, wie viel er es auf den Deckel bekommen hat von Kollegen nach Veröffentlichung des obigen Artikels. Wenn es einen Beweis braucht, dass das System selbst krank und Lobbyverseucht ist, dann das jemand einen solchen Artikel veröffentlicht und danach abtauchen muss!

Pawelzik hat neben einigen anderen die Flinte ins Korn geschmissen, weil er sich nicht mehr die Nase blutig hauen wollte, was ihn vom eigentlichen Arbeiten mit Patienten abhält. Es ist traurig.

Danke!

Ich finds übrigens a bissl seltsam.
In dem anderen Thread sind drei User auf diesen Inhalt eingegangen, obwohl er dort nicht Thema war. Hier ist er Thema und keiner … naja.

FBH: Mir gehts hier nicht um den Inhalt dieser Debatte …
Userin: Wie praktisch, denn dann musst du ja auch nicht auf den Artikel eingehen

Umso krasser finde ich deshalb, die beschämende Reaktion Tophovens, gerade in Verbindung mit ihrem Rundumschlag und Gegenangriff. Und natürlich vor dem Hintergrund ihrer Funktion und Position in diesem monopolistischen Berufsverband mit Pflichtmitgliedschaft.
Ich will hier eigentlich nicht auf diese Wendung abzielen, aber wenn Sachkritik mit „da spricht ein alter weißer Mann“ abgetan werden kann, dann pfui Teufel Psychotherapeutenkammer.

Ja, das ist halt eine sehr komplexe Sache.
Zum einen erzeugt die moderne Arbeitswelt wohl tatsächlich mehr Burnouts.
Zum anderen ist es eine recht „modische Diagnose“.
Dann ist jenseits von Mode erfreulicherweise mehr Bewusstsein dafür gegeben.
Schließlich ist es ein Etikett, das auch deshalb gern vergeben wird, weil es -anders als die meisten anderen psychiatrischen Diagnosen- von Patienten gut angenommen werden kann, da es gut zur Ideologie unserer Leistungsgesellschaft passt.
Und schließlich besteht ein großer Überlappungsbereich zwischen der Depression und dem Burnout (manche Experten halte Burnout pauschal für eine Form der Depression), so dass das Mehr an Burnout-Diagnose z.T. nur eine Verschiebung ist.

Diagnostiziert konnte sie schon länger werden, aber nicht als F-, sondern als Zusatzdiagnose im für die Kassenfinanzierung maßgeblichen Diagnosemanual.
Daran hat sich m.W. noch nichts geändert.

Ja, richtig, es ist bei manchen Menschen Teil des Lifestyles, aber wichtig dabei ist, dass das sehr stark schicht- und geschlechtsspezifisch ist, und damit auch „unfair“ in Bezug auf den engen Zugang zur Psychotherapie, wie Lütz das anmerkt.
Die urbane weibliche Mittelschicht nimmt der weiblichen und männlichen Unterschicht die kassenfinanzierten Plätze weg, um das zuzuspitzen.
Zugleich ist die urbane Mittelschicht genau die Gruppe, die am stärksten den gesellschaftlichen Diskurs bestimmt. Auch das scheint Lütz zu meinen.

Tophoven hat aber natürlich recht, dass sich Psychotherapeuten logischerweise schwer tun müssen, solche Menschen wegzuschicken mit dem Hinweis, dass er einem schwerer Erkrankten den Platz wegnimmt. Hätte ich sicher auch nicht tun wollen.

Es ist ein Problem des Kassen- und Psychotherapiesystems, und zwar ein gravierendes, weil diesen langen Wartezeit nur mit ganz viel Zynismus zuzuschauen ist.

Gruß
F.

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Das entspricht Wort für Wort meiner Einschätzung.

Auch da gebe ich dir recht.
Ich glaube aber nicht, dass das einfach durch „Kontrolle“ zu bessern ist, eher zu verschlimmbessern, aber das wäre eine lange Diskussion, weil hochkomplex.

Nein, den kenn ich leider nicht.
Ich weiß aber sehr gut, wie schlecht und destruktiv die Psychoszene mit abweichenden Meinungen umgeht.
(Nicht sehr stark am eigenen Leib erfahren, da habe ich mich quasi präventiv früh genug selbst „abgetaucht“).

Gruß
F.

Das meinte ich damit.

Ja, und damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Wer bestimmt, ob der Kranke krank „genug“ für eine Therapie ist? Wie kann man das feststellen?
Und, was macht man dann mit der, Beispiel!, Zahnarztfrau, die sauer ist, dass der Mann sich eine jüngere Geliebte nimmt und ihre jahrelange Aufopferung mal eben beiseite schiebt? Sagt man, hab’ dich nicht so, stehe auf und kämpfe und belästige mich nicht weiter, draußen warten Menschen, die wirklich Probleme haben. Eher nicht, oder?
Ist übrigens genauso in den anderen Fachpraxen. Wer kennt nicht die Experten, die gerne mal am Donnerstag mit ominösen Beschwerden beim Hausarzt auftauchen, um sich krankschreiben zu lassen? Die nehmen auch Zeit weg für wirklich Kranke.
Es ist doch so, dass alle Ärzte den hippokratischen Eid geschworen haben. Wenn Menschen Probleme haben, egal ob es der Zahnarztgatte ist oder ein gebrochenes Bein, muss ihnen geholfen werden. Wie und ob das täglich funktioniert, steht auf einem anderen Blatt und ist wirklich Anlass für Diskussionen. Und da sind wir wieder bei deiner Ausgangsfrage. Das System krankt, das gesamte Facharztsystem, nicht nur die Psychotherapeuten oder Psychater.

Soon

Naja, für andere Zwecke muss man das ja auch feststellen: Frühverrentung, Unterbringung, MPU, zivilrechtliche Entschädigungsansprüche usw.

Zumal es ja auch nicht darum geht, wer eine Therapie bekommen soll, sondern „nur“ darum, wer eine kassenfinanziert bekommen soll.

Dennoch natürlich eine schwierige Thematik, und der Psychotherapeut ist sicher nicht die richtige Instanz, um das festzustellen.

Aber in der Psychotherapie ist das eine andere Situation als bei den Fachärzten.
Sowohl deshalb, weil die Wartezeit-Problematik da stärker systematisch mit den jeweiligen Krankheitsbildern zu tun hat (den Fachärzten würde ja sicher keiner vorwerfen, dass sie systematisch eher die leichteren Fälle behandeln und die schwereren nicht), als auch damit, dass in der Psychotherapie viel mehr Lösungsmöglichkeiten da wären.

Dieser ganze Flaschenhals besteht ja teilweise nur deshalb, weil Psychotherapie so stark und ausschließlich kassenfinanziert ist. Der Umbau zu einem Mischsystem beispielsweise (Kassenplatz nach Bedürftigkeit und Schwere der Erkrankung, Selbstfinanzierung für die beispielhafte Zahnarztfrau; einhergehend mit einer Reform der Ausbildung, an der Spahn eh schon arbeitet, und einer Stärkung des Psychotherapeuten als eigenständigem Beruf) würde da nach und nach viel Druck rausnehmen, würde aber auf politischen Widerstand stoßen.

Gruß
F.

Lass mich mal ganz dumm nachfragen. Wer stellt das fest? Zahnarztfrau ist doof, drei Schnitte im Handgelenk ist schon schlimm, aber bestimmt behandlungsbedürftig sind fünf Schnitte.
Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte dich nicht brüskieren, nur lernen.

Soon

Und hier die Replik:

Auszug:

Mit seinem Vorschlag, die Wartenden in Kranke und psychisch Gesunde in Lebenskrisen zu unterteilen, erweist der Psychiater Manfred Lütz den Betroffenen allerdings einen Bärendienst. Denn Kranke zweifeln oft, ob ihnen Hilfe überhaupt zusteht. Dabei fällt vielen der Weg zum Psychotherapeuten ohnehin schon unglaublich schwer. Oft warten die Betroffenen viel zu lang, bis sie nach einem Behandler suchen. Sie schämen sich, haben Angst oder ihnen fehlt der Antrieb.

Dass sich dieser Trend in den vergangenen Jahren gewandelt hat, ist erfreulich für die Patienten. Ein zielführendes Instrument dafür ist die seit April 2017 existierende psychotherapeutische Sprechstunde. Dabei handelt es sich um ein niedrigschwelliges Beratungsgespräch, in dem sich Menschen ohne lange Wartezeit eine Einschätzung ihrer Beschwerden geben lassen können. In etwa 90 Prozent dieser Gespräche erhalten die Menschen eine Diagnose.

Wer jetzt dennoch suggeriert, in den Behandlungssesseln der Psychotherapeuten Deutschlands säßen vornehmlich Gesunde, die „aus irgendwelchen Gründen Gesprächsbedarf“ hätten, redet die psychischen Probleme der Betroffenen zu Unrecht klein. Denn hierzulande muss man nicht kurz vor dem Suizid stehen, um eine Psychotherapie in Anspruch nehmen zu dürfen. Auch bei Angststörungen, Dysthymie, Essstörungen oder psychosomatischen Erkrankungen steht Betroffenen eine Psychotherapie zu.

Die unzureichenden Ressourcen etwa auf schwer depressive Patienten zu konzentrieren, würde bedeuten, anderen die Therapie vorzuenthalten. Denn: Die Decke ist zu kurz, und Herr Lütz schlägt vor, dass jetzt die Füße statt der Schultern frieren sollen. Der öffentliche Auftrag lautet bisher aber, den ganzen Körper zu wärmen.

Zudem unterstellt das Bild von den Gesunden in Lebenskrisen, dass die Psychotherapeuten ihre Arbeit nicht machen. Dabei gehört es zu unseren ureigensten Aufgaben, im Rahmen der Probestunden mit Diagnostik und Indikationsstellung zu überprüfen, ob eine psychische Störung mit Krankheitswert vorliegt. So wie ein somatischer Arzt auch zunächst eine Diagnose stellt, bevor er behandelt. Dieser Vorgang ist eine wesentliche Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse.

Was ich als Therapeutin täte, wenn ich bei demselben Honorar entweder einen schwer gestörten Menschen oder einen Gesunden mit Gesprächsbedarf behandeln könnte? Ich würde den gesunden Menschen nach Hause schicken und den schwer gestörten Menschen behandeln. Weil es mein Beruf ist, kranken Menschen zu helfen, und ich diesen Beruf liebe. Warum sollten Psychotherapeuten eine jahrelange, teure Ausbildung durchlaufen, um ihr Handwerkszeug zu erlernen, dieses dann aber nicht anwenden wollen?

Z.B. indem man therapiewillige Patienten erst einmal 1-3 Stunden klinisch-psychologischer Diagnostik aussetzt mit ausgewählten Testverfahren wie bei anderen Begutachtungen halt auch. Da gehts dann nicht um 3 oder 5 Schnitte, sondern um den jeweiligen Testscore, der durchaus brauchbar bestimmen kann, um welche Erkrankung in welchem Ausmaß es geht.

Hoher Score = volle Kassenfinanzierung, kurze Wartezeit.

Auch die Therapiemotivation, die Fähigkeiten, die für Psychotherapie da sein müssen, damit sie dem Patienten überhaupt nutzen kann usw. könnte vorab per Testverfahren brauchbar ermittelt werden, und in einen Gesamtscore einfließen.

Ist jetzt kein Supervorschlag, hat gravierende Nachteile, und ist auch nicht das, was ich persönlich gut fände, aber es wäre eine brauchbare Möglichkeit, wenn man das bestehende System an sich beibehalten wollen würde (was ich nicht will).
Erzeugt fraglos „Härten“, wäre insgesamt aber wohl effizienter und „gerechter“.

Frau Tophoven würde natürlich gleich wieder Sturm laufen gegen solche faschistoiden Ideen, weil damit plötzlich die Klinischen Psychologen mitverdienen und mitsprechen würden und nicht nur die Psychologischen Psychotherapeuten, die sie vertritt.

Gruß
F.

Ja, ganz okay der Text, aber nichts auch nur ansatzweise Neues oder Weltbewegendes.

Den könnte man wenigstens sinnvoll mit dem Text Lütz’ konfrontieren, und feststellen, dass Sander arg an Lütz’ Kritikpunkten vorbeiredet, und dass beiden erkennbar unterschiedliche „Lösungen“ im Kopf rumschweben, nämlich Lütz im Kern „bessere Ressoucenverwendung“ und Sander „mehr Ressourcen“ bzw. Lütz „Schwächung des Psychotherapeuten-Zentrismus“ und Sander „Beibehaltung des Psychotherapeuten-Zentrismus“.

Gruß
F.

Diese Replik weicht aus bzw. negiert vorhandene Probleme. Es ist ja schon bezeichnend, wie am Kernvorwurf argumentiert wird. Lütz behauptet, dass Psychotherapeuten sich die leichteren Fälle aussuchen und die schwereren nicht annehmen. Die Antwort darauf ist eine persönliche! Es hat niemand behauptet, auch Lütz nicht, dass sich alle Psychotherapeuten einen leichten Fuß machen.

Du findest aber weder in der Replik dieser Psychologin (oder besser Psychoanalytikerin) noch in der offiziellen des Verbandes einen Hauch von Selbstkritik. So etwas kommt offenbar von Natur aus bei den meisten Psychotherapeuten gar nicht vor. Man hängt sich allenfalls ein Mäntelchen Selbstreflexion um, um kurz darauf auf irgendetwas zu lenken, das draußen schuld ist. Externalisieren. Dazu schreibt Pawelzik im verlinkten Artikel auch so einiges.

Wieso denn bekommen all die wenigen Psychotherapeuten (ganz egal ob Kliniker oder nicht, welche Schule, völlig Wurst), die mal fundierte Kritik an der eigenen Zunft üben, es so aggressiv auf den Schädel oder in die Magengrube. Wir reden da nicht mehr von wissenschaftlichem Disput, sondern das geht so heftig zur Sache, dass viele einknicken, weil sie - zu Recht -befürchten, dass man Ihnen ihr Berufsleben zur Hölle macht. Es ist doch wirklich ein Armutszeugnis, dass selbst ein gestandener Chefarzt einer renommierten Abteilung sich eine solche Kritik erst am Ende seiner Berufslaufbahn traut!

Ja, es gibt zu wenige Psychotherapeuten. Aber das Problem ist nicht dadurch gelöst, dass man die Plätze aufstockt, weil das Kernproblem nicht gelöst wird.

Ich bin zum Beispiel sehr dagegen, dass Psychotherapeuten irgendwo isoliert alleine vor sich hinwurschteln. Inklusive dem Entwickeln irgendwelcher eigener Spezialverfahren, die nie eine kritische Überprüfung von außen gesehen haben.

Die geschädigten Patienten landen dann in Krisendiensten, bei der Telefonseelsorge oder fallen völlig aus dem Netz. Schwer geschädigt, das Vertrauen ins System zerstört, mit Selbstzweifeln, kaputtem Selbstvertrauen und all den Schäden, die so etwas anrichten kann bis hin zum Suizid. Die Kammern und Berufsverbände fühlen sich für diese Patienten nicht zuständig. Man erfasst sie nicht einmal! Du findest nirgendwo eine Statistik, ein Meldesystem. Das kommt nicht vor, findet nicht statt. Es existiert nicht.

Man erhebt Therapieabbrecher. Aber schon der Begriff impliziert, dass die Verantwortung beim Patienten liegt. Über die Gründe macht man sich keine weiteren Gedanken.

Gerade erst ist wieder eine Patientin bei mir aufgeschlagen, deren vorheriger Psychotherapeut sie mit Dekompensation nach Exposition alleine gelassen hat. Trotz suizidaler Krise war er nicht für sie ansprechbar. Sie hatte ihm gemailt, weil sie zu anderem nicht in der Lage war, und bekam zur Antwort, dass er auf mails nicht antwortet. Einen Hinweis auf einen anderen Kommunikationsweg gab es nicht. Keine persönliche Kontaktaufnahme. Einen Notfallplan, was sie in so einem Fall machen soll, hatte er nicht mit ihr besprochen. Die Exposition fand statt, ohne vorher Skills mit ihr besprochen und eingeübt zu haben.

Solche und ähnliche Fälle kenne ich zahlreiche.

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Jetzt bitte aber nicht in den nächsten Fehler verfallen, und Kliniker besser machen als ambulante Therapeuten. Ich kenne genügend Kliniker, die wirklich der Überzeugung sind und das unerschütterlich, dass sie den Patienten nach 3 Wochen besser kennen, als ein ambulanter nach 2 Jahren. Zum unerschütterlichen Glauben gehört, eine 24-Stunden-Beobachtung zu haben, die sie ja selbst in der Klinik gar nicht haben. Ebenfalls zur Überzeugung gehört, dass das, was ein Patient da in der Klinik zeigt, ihn 1:1 abbildet. Auf die Idee, dass Klinik nur ein kleiner Auszug ist, und das Leben draußen eben nicht abbildet, kommt man in dem Geist nicht.

Genauso Kokolores ist, Psychiater grundsätzlich überlegen zu deklarieren gegenüber Psychotherapeuten. Das sind sie nicht. Diese überhebliche Haltung ist maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass psychologische Psychotherapeuten so komplexbehaftet und auf Lobbyebene auch so bockig sind.

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Meine Sympathien gelten in der Tiefe meines Herzens der ambulanten Psychotherapie und nicht den Kliniken.
Insofern bin ich vor diesem Fehler sehr gut gefeit :wink:

Das erscheint mir zweitrangig.
Der extreme Lobbyismus der Psychologischen Psychotherapeuten hat aus meiner Sicht genau einen Doppelgrund. Sie wollen (im Bereich der Nicht-Mediziner) weiterhin den exklusiven Zugang zu den Geldtöpfen, und haben dafür genau null Argumente anzubieten, die in der Sache fundiert sind.

Also kommt ständig (ob Finanzierung, ob Ausbildung, ob körpermedizinische Abklärung usw.) wirres Gelaber raus, u.a. dergestalt, dass an Kritikpunkten konsequent vorbeigeredet wird, oder dass Kritik von außen gleich mit „das ist ja nur ein alter weißer Mann“ begegnet wird, was sich die „alten weißen Männer“ unter den Psychologischen Psychotherapeuten gefallen lassen, weil siehe oben.

Du hast recht: Immer nur ad hominem. Entweder bei Tophoven der krasse Angriff auf Lütz als Person, oder wie bei Sander die Überhöhung der eigenen Person. In der Sache gibt es einfach keine Argument für das, wofür die ihren Lobbyismus ausrichten.

Vor dem Hintergrund, dass ich Ambulante Psychotherapie an sich eine großartige Sache finde, macht mich das mehr als traurig.

Gruß
F.

Gibt es dafür denn - jenseits persönlicher Anekdoten - überhaupt fundierte Belege? Ich habe bislang keine gefunden.

Ein Aufstocken würde aber zumindest das Problem, dass „leichte Fälle“ als Konkurrenz zu „schweren Fällen“ angesehen werden, etwas abmildern. Es kann ja, wie in der Repilk angesprochen wird, auch keine Lösung sein, denjenigen, die zwar eindeutig einen Leidensdruck haben, aber noch irgendwie klarkommen, die Therapie zu verweigern - schon alleine, weil dann irgendwann aus den „leichten Fällen“ durchaus auch „schwere Fälle“ werden können.

Sollte hier nicht die Supervision greifen?

Es gibt auch inkompetente Ärzte, Handwerker, Friseure etc. bzw. solche, die zwar nicht grundsätzlich inkompetent sind, aber mit einem bestimmten Patienten/Kunden einfach nicht können - das sagt aber nichts über den Berufsstand als solchen aus.

Hast du auch etwas zum Inhalt der Replik zu sagen?

Dafür, dass es besonders die schwereren Fälle besonders schwer haben, ambulante Psychotherapeuten zu finden, ja. Übrigens finde ich schon sehr abfällig, die langjährigen Erfahrungen eines Klinikers als „persönliche Anektdoten“ zu bezeichnen, der seine Patienten möglichst nahtlos in ambulante Therapie geben will. Ich glaube, dass dieser besser in der Lage ist, das zu beurteilen, als eine einzelne niedergelassene Psychotherapeutin, welche nur ihren eigenen Umgang betrachtet. Möglicherweise ist ein solcher Kliniker sogar auch besser in der Lage, das zu beurteilen, als ein Verband, der das alles gar nicht erhebt!

Ach - und um das Kernproblem kümmern wir uns weshalb nicht? Weil es weh tut? Weil Kritik an ambulanten Psychotherapeuten und deren Lobbyismus in der derzeitigen Ausprägung böse ist? Weil man das nicht macht?

Supervision ist nicht konkret verpflichtend. Wann der Psychotherapeut zur Supervision geht und was er da erzählt, bleibt völlig ihm alleine überlassen. Wie ein Supervisor, der ebenfalls die Kultur der Nicht-Fehlerkultur lebt, ist ebenfalls nicht vorgegeben. Fehlerkultur ist nicht Ausbildungsgegenstand in der Psychotherapeutenausbildung!

Super. Und weil das so ist machen wir nichts und lassen die betroffenen Patienten alleine?

Was du hier praktizierst ist pure Abwehr. Ich vermute aus der Haltung einer Patientin, die gutes in der Psychotherapie erfahren hat. Kritik darf nicht sein. Sie wird, wenn überhaupt angenommen, klein geredet, ein bisschen Whataboutism noch dazu und die Sache ist rund.

So verbesserungswürdig die Fehlerkultur von Ärzten ist: Sämtliche Ärztekammern führen seit Jahrzehnten wenigstens ein Melderegister und erheben eine bundesweite Statistik. Von den Psychotherapeutenkammern tut das… keine einzige! Es gibt bei den allermeisten Psychotherapeutenkammern nicht mal öffentlich eine Anlaufstelle, keine Schlichtungstelle, keine Gutachterkommission.

Im Übrigen finde ich schon ziemlich harten Tobak, dass du Patienten, die nach Fehlern von Psychotherapeuten, ambulant völlig hängengelassen werden, dekompensieren und sich ggf. sogar versuchen zu suizideren, Patienten, die so geschädigt sind, dass sie nur noch unter großem Aufwand überhaupt wieder in der Lage sind, sich auf eine Therapie einzulassen, dass du ein einen solchen Schaden mit einem verpfuschten Haarschnitt oder einem tropfenden Wasserhahn vergleichst.

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Zum Thema Berufsstand als solches noch:

Ich behaupte an keiner Stelle, dass Psychotherapeuten mehr Fehler machen andere. Aber sie gehen überwiegend unverantwortlich damit um und das institutionell. Was die Psychotherapeutekammern versäumen, tut der www.ethikverein.de, nämlich sich um geschädigte Patienten kümmern. Ich empfehle dir, falls du dich dafür interessierst, mal Beiträge von Andrea Schleu zu lesen. Hier mal ein Beispiel:

„Das Schweigen der verantwortlichen Kollegen, Beobachter und Institutionen resultiere andererseits aus Fassungslosigkeit und Selbstschutz oder auch aus Komplizenschaft, dem Ausweichen vor Beschämung oder eigener Verantwortlichkeit.“

" dass bei Schädigungen in Behandlungen sowohl bei den betroffenen Patienten als auch den verantwortlichen Kollegen und allen (nur) mittelbar betroffenen Beobachtern eine Fülle von widersprüchlichen Gefühlen bestehen: Entsetzen und Unglauben, Konfusion und Ratlosigkeit sowie Überforderung. Vor allem das Vertrauen in die tragende menschliche Beziehung und Hilfe werde zerstört."

„Dem geschädigten Patienten begegne so eine Verweigerung der Kommunikation der zuständigen Institutionen, Termine würden vergessen, abgesagt, Fragen nicht beantwortet, Briefe blieben ohne Reaktion. Das geschädigte Opfer eines Behandlungsfehlers werde zurückgewiesen, gerade so als ginge von ihm eine Bedrohung aus. Damit erlebe die/der Geschädigte nicht nur die gravierenden Folgen des schweren Behandlungsfehlers oder der Grenzverletzung, sondern werde aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen und bleibe mit den materiellen und immateriellen Schäden allein.“

Man kann die Erfahrungen des Ethikvereins selbstverständlich auch als Anekdoten abtun…

Link?

Ich meinte da zwar eigentlich deine persönlichen Anekdoten, aber warum sollten die persönlichen Erfahrungen des Klinikers mehr Gewicht haben als die persönlichen Erfahrungen der Psychotherapeutin, die mithin auch konkrete Änderungsvorschläge macht, die nicht zu Lasten der Patienten gehen würden?

Wieso sollte ein Individuum einen besseren Überblick haben als ein Verband?

Habe ich das gesagt?

Das habe ich nicht getan. Lies doch bitte meinen beitrag noch einmal mit etwas weniger Schaum vor dem Mund.

Ich sehe da, ehrlich gesagt, keinen wirklichen Unterschied zu Ärzten - auch bei diesen gibt es keine sonderliche „Fehlerkultur“, und die Betreuung von Patienten, die durch ärztliche Behandlungsfehler geschädigt wurden, steckt bestenfalls in den Kinderschuhen.

Vor allem aber fehlt mir bei dieser Argumentation der Zusammenhang zu der Behauptung, dass sich Psychotherapeuten in nennenswerter Zahl bewusst die „leichten Fälle“ heraussuchen würden und die Therapieplätze deshalb von Menschen mit bloßen Lifestyle-Problemen belegt seien.

Wenn ein Verein der Klempnergeschädigten Fälle von unsachgemäß reparierten Wasserhähnen sammelt, sagen diese ebenfalls wenig über die Gesamtheit der Klempner aus, sofern die jeweiligen Einzelfallberichte nicht durch Statistiken etc. unterfüttert werden. (Nur um es klarzustellen: Damit will ich nicht die Arbeit des Ethikvereins schlechtreden .)