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Moin Wolfgang,
ich moechte wie folgt erwidern (bitte erlaube mir, Dich zu zitieren):
Religiös begründeter Extremismus
ist keine afghanische Spezialität, sondern ist auf der ganzen
Strecke von Algerien bis Pakistan beheimatet, mit einem
weltweiten Netz, das dicke Knoten überall, auch in den USA
besitzt. Bin Laden ist einer der charismatischen Köpfe, aber
keineswegs DER Kopf. Es handelt sich auch nicht um eine
geschlossen strukturierte Organisation, sondern um zahllose
Organisationen und Grüppchen, die durch ein gemeinsames
Feindbild und den gemeinsam als Vehikel des verqueren
Weltbildes benutzten Glauben verknüpft sind.
Genau darauf hat der US-Praesident hingewiesen und angemerkt, dass sich die Aktion mitunter nicht nur gegen Afghanistan und Bin Laden´s „Al-Qaira“ richten wird.
Was man auch
immer in Afghanistan zerstört oder anstellt, geht das dem
terroristischen Netzwerk am Arsch vorbei. Man kann so nur
Märtyrer schaffen, weiteren Hass schüren und einen
Motivationsschub liefern, aber man kann dem Terror nicht die
Fähigkeit für weitere Taten nehmen. Deshalb sind Bomben auf
Afghanistan ganz unabhängig von dem Leiden der Bevölkerung
unsinnig und nicht im Sinne des Zieles der Terrorbekämpfung.
Das weiss man nicht genau. Wie kannst Du das Behaupten?
Werte, die sich bewährt haben, z. B. rechtsstaatlicher
Verfahren aufgrund von Beweisen und anschließender Verurteilung.
Die USA haben international die Beweise gegen Bin Laden vorgelegt, diese und werden sogar von den UAE, Saudi-Arabien UND Herrn Arafat anerkannt. Im Uebrigen ist es ja so, dass auch in unseren westlichen Demokratien diejenigen, die mutmassliche Verbrecher decken und schuetzen, sich als Mittaeter der Strafverfolgung aussetzen, so wie die Taliban.
Statt dessen werden unbeteiligte getötete Menschen auf dem
Konto „bedauerlicher, aber unvermeidlicher Irrtum“
abgeschrieben.
Ja, das stimmt. Aber dass sich die USA momentan nicht unbedingt
in einer Friedenslaune und im Freudentaumel befinden, ist wohl auch irgendwo verstaendlich. Darueber hinaus ist bestimmt auch bei Dir nicht entgangen, dass ein Grossteil der afghanischen Bevoelkerung die Taliban fuer die derzeitigen Militaerschlaege und die anstehende humanitaere Katastrophe verantwortlich machen.
Ich bitte gleichzeitig um Lesung der der Journalistin und Autorin, Sara Shah (Afghanin).
Widerstandslos sind wir bereit, Freiheiten zu opfern und
staatlichen Einblick in zuvor geschützte Bereiche zu
gestatten. Widerstandslos werden gewaltige Geldbeträge für
Bomben, Waffen und Überwachungsmaßnahmen ausgegeben.
Wie sollen wir uns wehren? Jeden und jeglichen Terrorangriff akzeptieren und darueber hinaus immerwieder mit Verstaendnis fuer die Hintergruende terroristischer Moerder antworten?
Im Uebrigen brauchen sich die Personen, die nichts „unartiges“ vorhaben, vor den Einblicken des Staates - durch einen Fingerabdruck im Perso und die Datenverknuepfung staatlicher organe (die es ja ohne gibt; momentan halt nur eben per Antrag, Fernschreiben oder Fax) - nicht zu fuerchten.
Es gibt eine erhebliche Opposition gegen Grundrechtsaenderungen,
wobei in diesem Sinne von „widerstandslos“ erneut keine Rede sein kann.
Gleichzeitig wird altes Fehlverhalten gepflegt, indem es
Waffenlieferungen an ein im Moment auf Linie liegendes Regime
gibt (Afghanistan, Nord-Allianz).
Ja, das haben die Amerikaner schonmal gemacht: 1941 gemeinsam mit der UdSSR gegen Hitler. Ein Uebel mit einem anderen bekaempfen. Im Nachhinein wuerde ich es nicht zwangslaeufig als „altes Fehlverhalten“ deuten. Ausserdem beschweren sich momentan einige Nordallianz-Fuehrer darueber, dass die USA bestimmte Stellungen der Taliban noch nicht weggebombt haben und sich dadurch der Vormarsch der Nordallianz verlangsamen wuerde. Gleichzeitig deutet der US-Aussenminister ein Treffen mit dem Taliban-Botschafter in Islamabad an. Nachtigal, ick hoer dir trapsen. Hier scheinen sich doch gewisse ethnische Ruecksichtnahmen pro einer „Nachkriegsregierung“ (unter Mitwirkung der Taliban) im Afghanistan durch die USA abzuzeichnen. Ausserdem haben alle westlichen und nahoestlichen Fuehrer schon laengst bemerkt, dass es eine Alleinregierung der (zum Grossteil tadschikischen) Nordallianz nicht geben wird.
Weder Bin Laden noch die Taliban sind die Quelle
islamistischen Terrors. Es gibt diese einzige Quelle nicht. Es
sind vielmehr viele kleine Quellen, die zum großen Strom
zusammen kommen.
Diese Quellen müssen ausgetrocknet werden. Darunter versteht
man offenkundig die Beschlagnahme einschlägiger Konten und
Vermögen. Lächerlich. Täglich fließen große Beträge aus dem
Rauschgifthandel, aus dem Ölverkauf und zahllosen
verflochteten Unternehmen nach.
Ja, noch. Es wurde aber auch gesagt, dass sich die Angelegenheit nicht von heute auf morgen klaeren, sondern sehr viel Zeit in
Anspruch nehmen wird.
Jede Organisation, nicht nur die terroristische, braucht
Köpfe, einen Mittelbau und eine große Zahl von Menschen, die
den eigentlichen Job erledigen. Diese vielen Menschen sind das
Reservoir, aus dem der Terror seine Kraft und seine Reserven
schöpft. Zieht man Bin Laden aus dem Verkehr, hätte das nicht
die geringste Bedeutung. Viele andere stehen an seiner Seite,
z. T. auch heute schon bedeutendere Köpfe.
Ja, noch. Es wurde aber auch gesagt, dass sich die Angelegenheit nicht von heute auf morgen klaeren, sondern sehr viel Zeit in
Anspruch nehmen wird. Wer sind denn uebrigens die bedeutendere Koepfe? Ein Arzt aus Aegypten? Denn man ja bereits kennt? Andere wichtige Persoenlichkeiten, die auch irgendwann vergeblich versuchen werden, am ATM Geld abzuheben?
Das Reservoir der islamistischen Bewegungen besteht aus vielen
Millionen Menschen.
Wobei nur ein winzig kleiner Teil tatsaechlich den terroristischen Brandstiftertum folgt. Das meinst Du wahrscheinlich. Selbst islamistisch ist nicht gleich terroristisch.
Dort ist anzusetzen, aber nicht, indem man
sie umbringt. Man muß die extreme Ungerechtigkeit gegenüber
diesen Menschen beseitigen.
Umbringen muss nicht sein, aber so sollen wir doch quasi auf die schlechte Kindheit der Terroristen strafmildernd Ruecksicht nehmen? Tja, damit habe ich mich jetzt wohl disqualifiziert.
Das beginnt beim
israelisch-palästinesischen Problem und endet bei massiver
Wirtschafts- und Entwicklungshilfe.
Ich erinnere an ein kuerzliches Angebot von Herrn Arafat, saemtliche Feindseligkeiten einzustellen. Sogar Selbstverteidigung wurde verboten. Herr Sharon gab daraufhin den Befehl, Truppen aus den autonomen Gebieten zurueckzuziehen. Die israelischen Truppen zogen sich zurueck und wurden dabei erneut von Palaestinaensern - die einfach nicht mehr auf Arafat hoeren - beschossen. Sie erklaerten sich mit Bin Laden solidarisch und aeusserten, dass es keinen Frieden geben werde, solange es ein Israel gibt. Israel haette kein Lebensrecht. Das sind Terroristen. Gleichzeitig sagte Arafat erst gestern, dass keine terroristische Organisation und auch nicht Herr Bin Laden das Rechte haette, fuer das palaestinaensische Volk zu sprechen.
Er anerkenne das Lebensrecht des Staates Israel. Wolfgang, der israelisch-palaestinaensische Konflikt wird von den Terroristen als Rechtfertigung ausgeschlachtet. Das ist doch wohl ganz offensichtlich. Und das aeussern selbst die Palaestinaenser. Komisch, oder? Gut, dass der Konflikt beigelegt werden MUSS, steht ausserhalb jeglicher Debatte. Das ist ganz klar. Aber er kann niemals als Rechtfertigung fuer Terrorismus herhalten.
Und - an wenn moechtest Du die Finanz- und Wirtschaftshilfen leisten? An die Taliban in ihrer momentanen konstitution? Es
gibt ein islamisches Forum. In diesem Forum sind auch Laender vertreten, die (wie z. B. die UAE, KSA, Kuwait, Baharain, Qatar)
allein ueber mehr Finanz- und Wirtschaftsmacht verfuegen, als alle armen Islamstaaten zusammen. Warum fangen diese Staaten denn nicht mal mit dem Verteilen unter ihren armen Bruedern an?
Das kann ich Dir sagen: weil sie genau wissen, wohin diese Hilfen dann versickern.
Von Millionen Dollar für
Waffen an die Nord-Allianz in Afghanistan wird dort niemand
satt. Es ist eine so uralte Weisheit: Wo es den Menschen
schlecht geht, gedeihen Religiösität und Extremismus am
besten. Wer seine Familie ernähren und die Kinder zur Schule
schicken kann, wird weitgehend immun für Parolen, Kuttenträger
und Leute mit extremem Gedankengut.
- Ist Bin Laden denn arm? 2) Waren die Typen, die die Flugzeuge ins WTC steuerten, denn Arm? 3) Ist Saddam arm? Ist Ghaddafi arm?4) Indien ist auch sehr arm und trotzdem und nicht extremistisch. Das gilt ebenfalls z. B. fuer Bangla Desh und sehr viele andere Staaten Asiens und Afrikas. Und dabei rede ich von Laendern, in denen es demokratische Wahlen gibt.
Also ist Dein Aphorismus wohl eher eine haltlose Begruendung.
Arme Menschen sind nicht zwangslaeufig extrem. Extrem sind nur die, die ihre Armut fuer politische Zwecke ausnutzen (geschichtlich: Lenin, Hitler & Co.).
Dann haette Herr Bin Laden vielleicht mal seine Millionen unter das Volk streuen sollen. Ja, zwar hat er Schulen gebaut. Aber Frauen duerfen diese Schulen nicht besuchen. Ja, zwar hat er Krankenhaeuser gebaut. Aber Frauen duerfen in diesen Krankenhaeusern nicht aerztlich taetig werden. Auch duerfen sich Frauen dort nicht von maennlichen Aerzten untersuchen lassen. Aber wieviele Aeztinnen gibt es wohl in Afghanistan, wenn Frauen dort keinen Erwerb betreiben duerfen? Es gibt ca. 100 weibliche Aerzte unter dem Taliban-Regime. In einem Land, dass ca. 3 1/2 mal so gross ist, wie GB - das Land in dem ich lebe. Ja, zwar hat er im Islam Unternehmen gegruendet, aber Frauen duerfen dort nicht arbeiten. Und der Gewinn geht auch nicht wohlfaehrig ans Volk. Warum wird Bin Laden eigentlich in allen islamischen Staaten verfolgt, nur nicht in Afghanistan? Warum musste er aus Saudi Arabien fliehen? Warum will ihn kein anderes islamisches Land haben?
Welche der vielen extremistischen Gruppen ähnlicher Strickart
fürs WTC verantwortlich war, weiß bis heute niemand mit
letzter Sicherheit.
Wer weiss schon alles. Aber Herr Bin Laden und seine Organisation koennten vielleicht zur Aufklaerung beitragen. Aber anstatt die Taliban ihn mal Verhoeren, darf er dort frei wirken.
Seine organisation darf ungestraft weitere Drohungen aussprechen und kein Taliban redet im Interesse des „eigenen“ Volkes davon, diese Leute mal mundtot zu machen.
Egal, wo Leben ausgelöscht und Zerstörung
durch Vergeltung bewirkt wird, bleibt genug terroristische
Substanz, um schlimmste Katastrophen anzurichten. Es wächst
aus dem gewaltigen Reservoir bewußt benachteiligter Menschen
immer neue Gewaltbereitschaft nach.
Das stimmt. Aber wer ist denn eigentlich fuer das Elend im Afghanistan in allererster Linie verantwortlich? Die Leute, die im WTC sassen? Ich denke dabei eher an die Taliban. Ja, ja, die Russen haben das Land angegriffen und die Amerikaner haben mal wieder die falschen unterstuetzt. Aber an der Macht sind eben die Taliban und der Krieg ist 13 Jahren vorbei. Die Taliban haetten sich ja vielleicht auch mal nach aussen oeffnen koennen, um ihr Land aufzubauen. Ma redet staendig davon, dass die Taliban ja von keinem westlichen Land als eigenstaendig uns souveraen anerkannt wurden. Aber auf der anderen Seite heisste es dann wieder, sie seien doch so unselbstaendig. Man muss ihnen doch auch Verantwortung abnehmen. Ja, was denn jetzt? Wenn die Taliban mit Missstaenden nicht umgehen koennen, dann gehoeren sie nicht in die Regierung.
Den Terrorismus an einer
namentlich bekannten Organisation festzumachen und mit deren
Ausschaltung auf die Ausrottung des Terrorismus zu hoffen, ist
deshalb naiv.
Davon spricht ja auch niemand. Oder wo hast Du davon gehoert, dass hier jemand den Weltterrorismus alleinig an Al-Qaida festmacht?
Ebenso könnte man versuchen, alle Taschendiebe
Moskaus zu greifen, in der Hoffnung, daß sich davon die
Taschendiebe in Hamburg oder New York beeindrucken lassen.
Ja, der Vergleich ist sehr passend, Wolfgang.
Gruss, tigger