Hallo,
Zurück zur Frage: Wie kann ein Medikament entgegengesetzt zu
seiner versprochenen Wirkung (hier: „normal“) wirken?
Verstärkt das Schmerzmittel den Schmerz? Das sagt man den
homöopathischen Mitteln nach; diese sollen gelegentlich die
Symptome, deren Ursachen sie auflösen sollen, verstärken. Sie
wirken also dem Heilsverlangen entgegengesetzt, was aber
„normal“ ist.
Sowas passiert häufiger, wenn auch nicht sehr oft. Bei Schlafmitteln passiert es, und auch bei Magentabletten kann durchaus die gegenteilige Wirkung eintreten. Lies dir mal einen Beipackzettel aufmerksam durch, da werden auch bei Kopfschmerztabletten häufig als mögliche Nebenwirkung Kopfschmerzen erwähnt, so abstrus das auch klingen mag.
Auch bei Nichtmedikamenten kennt man den Effekt: einige Leute werden von Kaffee müde, nicht munter. Viele Leute werden von Alkohol „lustig“, einige werden aber eher sentimental und fast depressiv.
Also grammatikalisch ist der Satz etwas vermurkst (aber durchaus verständlich). Inhaltlich ist er nicht zu beanstanden, man müsste ihn nur besser formulieren. Irgendwas mit „entgegengesetzte Wirkung zum Normalfall“ zum Beispiel. „Normal“ ist hier i.S.v. „wie erwartet“ zu verstehen. Bei 99 % der Leute wirkt das Mittel, bei 1 % hat es die gegenteilige (unnormale) Wirkung. Sowas passiert.
Es wird noch spannender. „Das Medikament wirkte anders als
erwartet“ ginge nach meiner obigen Darstellung gar nicht, ist
aber geläufig,
Auch hier sehe ich das anders. Von einer Magentablette erwarte ich, dass sie meine Magenprobleme löst. Durch eine mögliche Unverträglichkeit eines Wirkstoffes, vllt. sogar eine Allergie, kann sie den gegenteiligen Effekt haben (noch mehr Magenprobleme), auch wenn das selten auftritt. Bei diesen Personen wirkt das Medikament also „anders als erwartet“. Eine böse Überraschung.
Was lernen wir daraus? Die Sprache ist ein schwankendes Floß
auf rauher See (NdR: rauer See). (by the way - was drückt den
Sachverhalt besser aus - „rau“, das an „lau“ erinnert, oder
„rauh“, das mit dem sperrigen „h“ den Widerstand der
Naturgewalten in sich einschließt?)
Auch wenn die Frage vllt. rhethorisch und aus Spaß gemeint war, das „h“ ist in dem Wort wohl nur historisch vorhanden (vgl. engl. rough), aber im Standarddeutsch, schon vor der Reform, wurde es nie mitgesprochen: rauh, rauhes, rauher etc. — hier hört man ja kein [h] raus. Ähnlich wie bei „sehen“, das phonetisch identisch mit den „Seen“ ist, im Standarddeutschen.
Also, dlRkS (der langen Rede kurzer Sinn): „Das Medikament
bewirkte genau das Gegenteil dessen, was der Packungszettel
versprach.“
Jo, was der Beipackzettel verspricht, ist ja das, was „normal“ ist.
Gruß,
- André