Eine Antwort
Hallo Mohamed.
Hallo Elimelech,
Weil ich dieses Missverständnis von anderen Diskussion kenne
und annehme, dass es auch im Islam sich nicht anders verhält,
könntest du vielleicht noch das Verhältnis von Furcht und
Angst etwas umschreiben.
Das ist ein ziemlich komplexes Feld und in Teilen unaussprechlich, da es zum innersten Erlebnisraum des Glaubenden gehört. Im Arabischen gibt es sehr viele verschiedene Begriffe für Furcht, und jedes hat seine eigene Bedeutungsnuancierung (khauf, khashyah, faraq, wajal, rahbah …). Und dass im Deutschen zwischen „Furcht“ und „Angst“ noch einmal ein spezieller Unterschied herrscht, der möglicherweise im Arabischen so nicht zu finden ist, macht die Sache nicht einfacher. Und noch weniger, als dass man zwischen „Gott fürchten“ und „Dinge fürchten“ unterscheiden muss.
Religion ist eben unter Anderem ein immer wieder erfrischendes Wechselbad der Gefühle, und die Sprache ist nicht in erster Linie dafür gemacht worden, dieses 1:1 zu beschreiben.
Ich fürchte hier nämlich, dass dieses - so wie die
Ausgangsfrage auch nahelegt - Furcht hier mit Angst
gleichgesetzt wird. Von anderen Religionen weiss ich aber,
dass diese Gleichsetzung falsch ist, da mit Furcht hier etwas
ganz anderes gemeint ist und diese Furcht dort eine possitive
Kraft ist und von den Betreffenden eben gerade nicht als Angst
erfahren wird.
Da gebe ich Dir recht. Die Furcht des Rechtschaffenen (im religiösen Sinne) ist immer etwas Positives. Das schließt nicht aus, dass sie sich vorübergehend als unangenehme Sorge manifestiert, denn das ist für den glaubenden und wissenden Muslim immer ein ihn daraufhin glücklich stimmender Indikator dafür, dass er einen von Gott geliebten und reich belohnten Charakterzug besitzt. So wird er in der nächsten Phase von Hoffnung erfüllt, und so wechseln sich Sorge und Hoffnung in perfekter Weise ab.
Es braucht aber oftmals nicht einmal im Geringsten etwas mit „Sorge“ oder etwas Unangenehmem zu tun zu haben (um kurz auf die „Gottesfurcht“ zu sprechen zu kommen): Furcht kann man auch den unbeschreiblichen Zustand in der Einsamkeit der Nacht nennen, wenn einem bewusst wird, wie nichtig alles im Angesicht der grenzenlosen Macht des Einen und Absoluten ist, und dann mit jeder Faser spürt, Ihrem unumschränkten Willen vollkommen und für immer und ewig ausgeliefert zu sein. Die natürliche Faszination und Liebe zu dem Inhaber einer solchen Macht lässt in solchen Momenten nicht den kleinsten Hauch eines unangenehmen Gefühls auskommen.
Der Gesandte Gottes (s) erwähnte einer Überlieferung bei Tirmidhiyy zufolge einmal ein Auge (und somit die dazugehörige Person), das im Jenseits nicht vom Feuer berührt werde: „Das Auge, das aus Gottesfurcht geweint hat.“
Sodann dürfen wir nicht vergessen, dass wohl jeder gesunde Mensch ein gleich bleibendes Furchtniveau besitzt und es eigentlich nur darum geht, worauf sich diese Furcht richtet. Darum wirken Glaubende oftmals furchtlos, doch in Wirklichkeit haben sie ihr Furchtpotential auf andere Dinge als der sich wundernde Betrachter gerichtet.
Wie also verhält es sich hier im Islam genau? Haben Gläubige
Angst vor den Dingen die sie fürchten?
Wie schon angedeutet, handelt es sich hier um ein Problem, das mit der deutschen Sprache zusammenhängt - so sehr, dass es Buchstabe für Buchstabe Eingang in das englische Vokabular gefunden hat, weil es kaum übersetzbar ist. Schon die Etymologie ist vielsagend. „Angst“ scheint von „Enge“ zu kommen (man denke an „Beklemmung“) - und das ist genau das Gegenteil von dem, was der Ehrwürdige Koran will, denn in ihm ist die „Enge der Brust“ eindeutig negativ konnotiert, im Gegensatz zur „Weiträumigkeit der Brust“.
Schöne Grüße,
Mohamed.