Hallo exc,
Ich finde schon, daß es eine Angelegenheit der Bundeswehr ist,
wenn Soldaten morgens beim Dienst zusammenklappen, weil am
Vorabend unbedingt noch der Warsteiner-Automat leergesoffen
werden mußte.
warst Du dabei? Meiner Erfahrung nach bedienen die wenigsten Soldaten dieses Klischee. Es kommt schon recht selten vor, dass einzelne Soldaten zu Dienstbeginn aus anderen als Krankheitsgründen nicht dienstfähig sind. Ich habe es in all den Jahren nur ein einziges Mal erlebt, dass jemand aus Besäufnisgründen morgens nicht aus dem Bett gekommen ist. Das Diszi folgte stehenden Fußes. Erlebt habe ich auch, dass einzelne Soldaten schon in die erzieherische Maßnahme genommen wurden, weil sie wiederholt im Dienst auch nur nach Alkohol gerochen haben. Die Bundeswehr hat nichts dagegen, wenn sich die Soldaten nach Dienst in gemäßigtem Umfang des Alkohols bedienen, weil sie davon ausgeht, dass sie es mit erwachsenen jungen Frauen und Männern zutun hat, denen sie in so was nicht reinzureden hat. Alles, was jedoch über die Grenzen des Maßhaltens hinausgeht und dabei geltendes Recht verletzt oder den Dienstbetrieb behindert, handelt sie auch entsprechend der Vorgaben der Wehrdisziplinarordnung ab. Dazu zählt auch, dass es in der militärischen Gemeinschaft keinen Alkoholmissbrauch geben darf. Keinen einzigen.
Ich habe aber noch nichts davon gehört, daß Zahnärzte und
Rechtsanwälte abends in Rotten durch das Mannschaftsheim und
die naheliegende trostlose Gemeinde ziehen, um dann ebenfalls
gemeinsam wieder in die Kaserne zurückzukehren
Eben. Du gibst die Erklärung hierfür schon selbst ab, denn Zahnärzte und Rechtsanwälte sind in der Regel nicht zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet und haben daher nach ihrer täglichen Arbeitszeit auch relativ wenige Berührungspunkte, die ein Auftreten in Rotten wahrscheinlich machen. Ansonsten ist das gruppenweise Auftreten von sehr dem Alkohol zugeneigten jungen Leuten auch andernorts zu beobachten. Beispiele: Fussballstadien, Volksfeste, Konzerte, Ballermann…etc. Ich wage zu bestreiten, dass es sich bei den Betroffenen nur um Soldaten handeln sollte. Also auch hier wieder keine Besonderheit der Bundeswehr, sondern anscheinend ein allgemein vorfindbares Gruppenphänomen, m. E. sogar besser als Gesellschaftsproblem zu bezeichnen. Ansonsten frage ich mich, was dagegen einzuwänden ist, dass Soldaten in Gruppen durch die Gegend ziehen. Dürfen sie das nicht? Ist das dem Auge der Bevölkerung nicht zuzumuten, solange diese Soldaten keine Sandsäcke zur Flutabwehr oder Schneeschaufeln bei sich tragen? Solange sie niemanden belästigen oder undiszpliniert in Erscheinung treten, ist das m. E. ihr gutes Bürgerrecht. In allen anderen Fällen wird die Polizei in Erscheinung treten und zusätzlich der Disziplinarvorgesetzte.
und dann
kollektiv den vorhandenen Alkoholvorräten bzw. sich selbst die
Breitseite zu verpassen und jeden, der nicht mittrinkt,
mindestens anzupöbeln, wenn nicht sogar in einen Spind zu
stopfen oder ein bißchen zu verdreschen.
Warst Du dabei? Ich will nicht bestreiten, dass es sowas gegeben haben könnte. Aber sobald der Beobachtende oder Betroffene mal das Selbstbewusstsein aufbringt, solche eindeutig rechtswidrigen Vorfälle nicht nur innerlich sich selbst, sondern dem Spieß und dem Chef zu melden, werden die entsprechenden Einheitsführer auch aktiv und die Täter entsprechend einer disziplinaren Würdigung unterziehen oder sie, in Fällen der Gewaltanwendung, auch dem zuständigen Staatsanwalt übergeben.
Daher: Die Bundeswehr duldet den mäßigen Alkoholkonsum von Soldaten nach Dienst , fördert ihn aber nicht, sondern setzt immer auf die Vernunft im Soldaten. Ist diese dem Soldaten abhanden gekommen, schreitet die Vorgesetztenkette ein.
Übrigens habe ich mal einen Rechtsanwalt, weil Du diese Berufsgruppe ansprachst, kennen gelernt, der während einer seiner Wehrübungen ganz „vorbildlich“ saufen und dabei auch ganz „vorbildlich“ pöbeln konnte. Da diese seine Wehrübung nur zwei Wochen dauerte, bezweifle ich doch sehr, dass er diese „Vorbildlichkeiten“ erst bei der Bundeswehr erlent hat. Diese Zuneigung zum übermäßigen Alkoholkonsum ist also tatsächlich eine Einstellungssache des jeweils Betroffenen und wird ihm nicht in der Bundeswehr „beigebracht“, sondern er bringt diese Bereitschaft schon mit. Wenn jemand nichts trinken möchte, er aber dabei dem Gruppenzwang oder einer falsch verstandenen Kameradschaft erliegt, dann ist das nicht etwas, das von der Bundeswehr gefördert oder auch nur geduldet wird, wohl aber etwas, gegen das sie einschreitet. Hier ist die Reife des Einzelnen gefragt, derartige Dinge im Zweifelsfalle auch zu melden. Denn, wie gesagt, die Bundeswehr ist nicht die Erziehungsanstalt der Nation und hat auch keine Interesse daran, ihren Soldaten nach Dienst als Anstandsdame nachzustellen, um zu gewährleisten, dass sich auch ja alle benehmen.
Hierzu aus der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ (Nr. 403):
Während des Dienstes und der Dienstunterbrechungen ist der Genuss alkoholischer Getränke grundsätzlich verboten. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der bzw. des Disziplinarvorgesetzten.
Die Vermeidung von Alkoholmissbrauch in der militärischen Gemeinschaft ist Aufgabe aller Vorgesetzten. Richtlinien über das Verhalten gegenüber betrunkenen/berauschten Soldatinnen und Soldaten, Hinweise für Vorgesetzte und Maßnahmen im Rahmen der Kameradenhilfe sind in einer Führungshilfe zusammengefasst (Anlage 14).
In der Anlage 14 heißt es hierzu u. a.:
Alle Vorgesetzten werden daher aufgefordert […] auch durch Ahndung von schuldhaften Pflichtverletzungen dem Alkoholmissbrauch
entgegenzutreten. […] Im Umgang mit betrunkenen/berauschten Soldatinnen und Soldaten ist eine situationsbezogene und umsichtige Vorgehensweise erforderlich. […]Die gegebenenfalls erforderliche disziplinare Überprüfung ihres/seines Verhaltens bleibt davon unberührt. […] Andererseits ist konsequent einzuschreiten, wenn betrunkene/berauschte Soldatinnen und Soldaten im Begriff stehen, Pflichtverletzungen (Anmerk.: Hierzu zählen auch die von Dir geschilderten Rechtswidrigkeiten) zu begehen oder sich bereits einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht haben. Muss eine Vorgesetzte bzw. ein Vorgesetzter persönlich eingreifen, soll sie/er ruhig und sachlich auftreten und die/den Betrunkene(n)/Berauschte(n) in kameradschaftlicher Weise ansprechen, sich jedoch auf keine Diskussion einlassen. Bleibt die/der Betrunkene/Berauschte nach gütlichem Zureden uneinsichtig und folgt auch einem Befehl nicht, ist sie/er unter den Voraussetzungen des § 21 Wehrdisziplinarordnung vorläufig festzunehmen.
Ich denke, damit ist eindeutig belegt, dass die Bundeswehr nicht nur gegen den betrunkenen Soldaten einschreitet, sondern den übermäßigen Alkoholkonsum auch disziplinar würdigt. Und wie Du die WDO sicherlich kennst, steht da ein breites Spektrum an empfindlichen Maßnahmen zur Verfügung, um entsprechenden Verfehlungen zu begegnen.
Ähnliche „berufsbedingte“ Besäufnisse kenne ich nur aus
Erzählungen von der Polizei, wo man sich aus der Woche
Spätdienst direkt ins Wachkoma zu trinken pflegt.
Aus meinem persönlichen Bekanntenkreis kenne ich vier Polizisten, von denen mir keine solche Komabesäufnisse bekannt sind. Aber wie dem auch sei. Auch die Polizei wird sicherstellen, dass ihre Beamten im Zuge des Alkoholkonsums nicht rechtsbrüchig oder diensthinderlich werden. Aber auch einem Polizeihauptkommissar wird es fernliegen, seinem Polizeihauptmeister am Feierabend nachzustellen, um dafür zu sorgen, dass dieser sich keinen über den Durst trinken.
Andere Gelegenheiten des organisierten Massenbesäufnisses sind
die allseits beliebten Jahrmärkte und natürlich Schützenfeste.
Je eingeschworener die Gemeinschaft um so größere Bedeutung
haben Gruppenzwang und Promillepegel.
Mit dem Unterschied, dass dieser „Gruppenzwang“ von der Bundeswehr weder geduldet noch gefördert, sondern, sofern er gemeldet, disziplinar gewürdigt, u. U. sogar an die Staatsanwaltschaft abgegeben wird.
Kurzum: Immer dort, wo Männer bei einem Anlaß [© Dietmar
Wischmeyer] in größeren Trauben zusammensitzen, wird gesoffen
und da das bei der Bundeswehr deutlich häufiger vorkommt als
in den meisten anderen Bevölkerungskreisen, wird bei der
Bundeswehr auch mehr gesoffen als im Rest der Bevölkerung.
Naja, ob nun jeder den begnadeten Komiker „Kurt“ als Quelle sozialwissenschaftlicher Erkenntnisströme anerkennen muß, weiß ich nicht so genau. Ich sage so: vielleicht wird häufiger getrunken. Mehr aber auf keinen Fall. Denn die Maßregeln sind eindeutig strenger als jene, die in Vereinsheimen, Fußballstadien, auf Betriebsfeten oder Volksfesten vorherrschen. Unter häufigerem Trinken verstehe ich allerdings auch das einzelne oder doppelte Bierchen, das dann allabendlich getrunken wird und keineswegs das ständige Trinken in einem Maße, das es dem Soldaten erlaubt, bis zum Dienstbeginn am nächsten Tage gerade eben noch wieder nüchtern zu werden. Denn, dass sich nun Massen von Soldaten regelmäßig in Alkoholexzessen verlieren, lasse ich mir nicht einreden, weil es meiner eigenen, nun fast siebzehnjährigen Erfahrung widerspricht. Und ich bilde mir daher ein, die Bundeswehr einigermaßen gut zu kennen. Die Einzelfälle, die auftreten, werden von der Bundeswehr auch entsprechend „gewürdigt“, wenn sie auffallen oder gemeldet werden. Daher beharre ich auf meiner Ansicht, dass die Bundeswehr eben nicht Lehranstalt für die möglichst exzessive Zugutenahme von Alkohol ist, sondern oftmals nur ein Platz zum Austoben für jene, die diese Neigung zum Besäufnis ohnehin schon mitbringen und der falschen Annahme sind, sie könnten dadurch beweisen, wer sie sind. Allemal beweisen sie damit, wer sie nicht sind. Aber wiederholt: Wenn’s auffällt oder gemeldet wird, gibt’s Ärger.
Grüße
Tom