Guten Tag Kasi,
ich habe einen älteren Vorgesetzten, Ende 50. Nicht mein
direkter, aber er hat schon Einfluss. Er liebt es, jedem zu
beweisen dass ER alles weiss und andere eigentlich gar nichts.
Völlig unverständlich, denn eigentlich ist es ja andersherum. Sie sind es schließlich, er alles weiß.
Er hat eine Angewohnheit von der ich nicht so recht weiss wie
ich sie deuten soll. Angenommen er kommt zu mir und lässt mich
wieder an seinen Theorien teilhaben wie ich meinen Job zu
machen habe. Ich höre ihm zu, normaler Augenkontakt. Dann sage
ich was ich denke (was meist das genaue Gegenteil von dem ist
was er gesagt hat) und dann kommt es: Ich spreche zuende und
er guckt mir schweigend ca. 5 Sekunden lang in die Augen.
Dabei sieht es so aus als ob er was sagen wollte, aber nichts
kommt. Dann folgt das Übliche: meist persönliche Angriffe und
dass ich mit meinen „jungen Jahren ja überhaupt noch keine
Erfahrung haben kann“ (ich mache den Job seit 6 Jahren!). Es
wirkt alles so grotesk,
Die gewünschte Deutung aus meiner Sicht:
Der Mann kommt zu Ihnen und hört Ihnen zu. Das ist eine wunderbare Eigenschaft, die Viele inzwischen verlernt haben. Er hört Ihnen nicht nur zu, sondern schweigt danach sogar bevor er antwortet? Das ist eine weitere wunderbare Eigenschaft. Jemand der schweigt, denkt meist zunächst darüber nach, bevor er antwortet. Wie viel in die Welt gepusteter Unsinn bliebe uns erspart, wenn das alle machen würden.
Er schaut Sie dabei an? Auch das ist wunderbar, denn es zeigt Interesse an Ihnen und an dem, was Sie sagen. Ein weiteres Indiz dafür, dass er Ihnen ernsthaft zuhört. Was ist es, dass für Sie seinen Augenkontakt zum Starren macht?
Es folgen danach direkt persönliche Angriffe? Das ist so aufgrund der von Ihnen geschilderten Situation schwer vorstellbar. Jemand, der eine ganze Weile zugehört hat, dabei im Augenkontakt ist und eine Moment schweigt, bevor er antwortet, startet nicht gleich mit persönlichen Angriffen. Das Eine wäre eine besonnene Reaktion, die plötzlich ohne Anlass umschlagen würde in die emotionale eines persönlichen Angriffs. Ich halte hier zwei Möglichkeiten für denkbar: Sie haben etwas in Ihrer Schilderung ausgelassen, das zu diesem Angriff führt, oder Sie empfinden das, was folgt, als persönlichen Angriff obwohl es keiner ist.
Was genau sagt der Chef? Haben Sie ein Beispiel?
Wie sieht Ihr Umgang mit Kritik sonst aus? Können Sie Kritik gut vertragen? Machen Sie Unterschiede, wer Sie kritisieren darf und wer nicht? Machen Sie das Auseinandersetzen mit Kritik von der Person abhängig, die sie kritisiert? Oder sind es bestimmte Inhalte?
Ich frage mich nur: Was will er damit bezwecken? Mit seinen
Monologen, mit seinen Angriffen, mit dem in die Augen starren?
Nach Ihrer eigenen Schilderung war es kein Monolog, sondern ein Dialog. Stellen Sie sich die Fragen einmal andersherum.
Was wollen Sie?
Mich einschüchtern?
Ihn einschüchtern, damit er Sie künftig in Ruhe lässt?
Hat er Angst vor mir weil ich Dinge
anpacke und Ideen vorbringe während sein Bereich wie gelähmt
vor sich hin werkelt?
Haben Sie Angst vor ihm, vor seiner höheren Position, die mit mehr Erfahrung bekleidet ist? Haben Sie Angst davor, dass er den sichereren Job hat, weil er schon lange dabei ist und mit dem Chef gut da steht?
Denn ausser klugen Sprüchen kommt ja
nichts von ihm. Ich überzeuge ihn immer mit sachlichen
Argumenten
Sie überzeugen nicht mit sachlichen Argumenten, genauso wenig wie er Sie offenbar überzeugt. Wenn Sie ihn überzeugt hätten, dann gäbe es kein Problem, wenn er Sie überzeugt hätte, auch nicht. Der Mann ist nicht überzeugt. Das kann daran liegen, dass er sich nicht überzeugen lässt. Es kann aber auch sein, dass Ihre Argument nicht überzeugend sind. Umgekehrt gilt das Gleiche: Sie sind nicht überzeugt, weil die Inhalte nicht stimmen oder Sie sind nicht überzeugt, weil Sie sich von ihm nicht überzeugen lassen, egal was er sagt.
und er wird dann beleidigend. Ich meine, auch ER
muss merken dass ich halt in meinem Bereich mehr Ahnung habe
als er und er könnte sich da einfach mal raushalten.
Was Sie hier schildern, ist ein typisches Generationenproblem. Die Jungen kommen und meinen, alles was die Alten gemacht haben, ist schlecht. Die Alten haben Angst vor Veränderung und lehnen alles ab. Ob ihr Chef so einer ist, lässt sich schwer sagen. Immerhin hört er Ihnen zu und sucht das Gespräch. Er ist also interessiert an der Jugend.
Sie lehnen nach Ihrer eigenen Beschreibung aber bereits alles im Vorfeld ab, was dieser Mann sagt. Sie wollen nocht nicht einmal die Auseinandersetzung. Sie haben Ihren Standpunkt, dass dieser Mann keine Ahnung hat und Sie alles besser wissen.
Dieser Standpunkt ist schädlich für Sie.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie der Alleswisser und der Mann mit seiner Erfahrung und Position eindeutig die Niete. Dafür haben Sie bisher keine plausible Begründung geliefert, bei der ich mit Ihnen gehen würde. Es dürfte daher eher so sein, dass Sie beide jeder für sich Fachkompetenzen haben. Im Interesse der Firma und Ihres eigenen Arbeitsplatzes sollten Sie sehen, wie Sie in einen konstruktiven Austausch kommen. Die besten Ergebnisse erzielt man dabei nicht, in dem der Eine den Anderen so lange zuredet, bis jeder für sich sein Süppchen kocht, sondern in dem man beide Inputs gemeinsam weiter entwickelt.
Wenn das für Sie unvorstellbar ist, dann bleibt nur noch Eines: Sie werden akzepieren müssen, dass er in der Hierarchie über Ihnen sitzt. Akzeptieren Sie das nicht, müssen Sie gehen. Passiert Ihnen das häufiger, sollten Sie überlegen, ob Sie überhaupt mit Vorgesetzten klar kommen und anderenfalls Konsequenzen ziehen.
Beste Grüße
Schröder