Hallo Marco!
Jeder Rekrut und allemal jeder Ausbilder bei der Truppe lernt irgendwann, wozu die ganze Veranstaltung Bundeswehr gut sein soll. Da ist von einer Werteordnung die Rede, die es zu verteidigen gilt. Diese Leute hören ganz sicher etwas von Menschenrechten und der Menschenwürde, die unabdingbar jedem Bürger, jedem Soldaten und jedem Gefangenen zuzubilligen ist und unter keinen Umständen anzutasten ist. Es steht auf einem anderen Blatt, ob Wehrpflichtige und Ausbilder überhaupt begriffen, was ihnen erzählt wurde und was ihrem Tun einen Sinn gibt.
Die Welt regt sich zu Recht über die Behandlung Gefangener durch amerikanische Soldaten auf. Ganz unabhängig von der Rechtmäßigkeit etwa des Irak-Krieges diskreditierten sich die Besatzer nachhaltig, indem sie genau die Werte in den Dreck zogen, die sie angeblich verteidigen und verbreiten wollten. Den betroffenen Soldaten und ihren Vorgesetzten war offensichtlich nicht bewußt, um welche Werte es überhaupt geht. Sie haben davon zu Hause, in der Schule in ihrer militärischen Ausbildung entweder nichts gehört oder das Gehörte nicht begriffen oder sie waren selbst Opfer und Gegenstand von Erniedrigungen, empfanden ihr Tun deshalb als ganz normal. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß ein Soldat, der ethische Werte nie verinnerlichte und während der eigenen Ausbildung entwürdigende Behandlungen über sich ergehen ließ, womöglich alles als Spiel und gar nicht so schlimm empfand, bei erster Gelegenheit in gleicher Weise mit ihm ausgelieferten Menschen umgeht.
Man stelle sich solches Tun von Bundeswehrsoldaten im Kosovo oder in Afghanistan vor. Sofern der Einsatz tausender Soldaten überhaupt einen Sinn macht, wäre es damit im Falle entwürdigender Behandlung Gefangener vorbei. Die Sache verkehrte sich sogar ins Gegenteil. Man kann nicht losziehen und vorgeblich Menschenrechte verteidigen wollen und genau diese mit Füßen treten. Von keinem gewöhnlichen Soldaten ist zu erwarten, daß er anderweitig auf die Einhaltung der Menschenwürde achtet, wenn er selbst durch eine entwürdigende Ausbildung geprägt wurde.
Wir haben das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform. Es entspricht aber weder unserer Verfassung noch der Europäischen Menschenrechtskonvention, daß sich Menschen von egal welchem Amtsträger entwürdigend behandeln lassen.
Den betroffenen Rekruten, die über die Vorfälle offenkundig längere Zeit Stillschweigen bewahrten, denen vielleicht die Fragwürdigkeit der Vorfälle nicht einmal bewußt war und die glaubten, Barras ist nun mal so, kann man Jugend, Dummheit, Unerfahrenheit und Unkenntnis zugute halten. Den Ausbildern und ihren Vorgesetzten bis zum Kompaniechef aber nicht. Diese Leute müssen ganz dringend nachsitzen und Staatsbürgerkunde büffeln und falls sie dazu intellektuell nicht in der Lage sind, gehören sie aus der Truppe entfernt.
Gruß
Wolfgang