Applaus in der Kirche

Wissenschaft Religionswissenschaft
#1

Hallo,

dann und wann finden in unserer evangelischen Kirche Gottesdienste und Andachten mit musikalischen Beiträgen statt.

Das sind der Kirchenchor, Gesangssolisten mit und ohne Begleitung, der Posaunenchor oder Instrumentaldarbietungen.

Nach den Aufführungen wird applaudiert. Ich finde das in einer Kirche völlig unpassend. Schließlich macht das auch niemand, wenn der Pfarrer eine gelungene Predigt gehalten hat.

Mich würde interessieren, ob ich mit meinem Empfinden falsch liege, oder es unerheblich ist wo geklatscht wird.

Lieben Gruß Michel

#2

Hallo Michel

Schließlich macht das auch niemand,
wenn der Pfarrer eine gelungene Predigt gehalten hat.

Doch, ist schon vorgekommen, sogar im ehrwürdigen Basler Münster.
Und das finde ich gar nicht falsch.
Denn auch ein Prediger kann Feedback brauchen.

Grüsse
scalpello

#3

Dazu gibt es sehr unterschiedliche Ansichten, die alle etwas für sich haben:

  1. Applaus ehrt diejenigen, die ihn bekommen. Im Gottesdienst sollte aber (anders als in einem Konzert, das ja auch in einer Kirche stattfinden kann) alles zu Gottes Ehre erfolgen. Daher ist Applaus für ein gutes Musikstück, eine gute Predigt… unangemessen. Außerdem gibt es als Gegenstück zum Applaus auch „Buh“-Rufe und Pfiffe - sollte das auch in der Kirche seinen Platz bekommen? Und dann gibt es noch Gemeinden, in denen ein hochqualifizierter Kirchenmusiker Sonntag für Sonntag Vor- und Nachspiele bietet, die applauswürdig wären (aber still verklingen), während die einmalige Darbietung eines Chores nicht für ihre Qualität sondern die Tatsache, daß sie nicht jeden Sonntag zu hören ist, Applaus erhält. Das ist eigentlich ungerecht, weil der Applaus nicht mehr die Qualität ehrt.
    Schließlich ist auch zu bedenken, ob Applaus in den Stil der Veranstaltung paßt. So wird zum Beispiel auch bei Passionskonzerten oftmals ausdrücklich darum gebeten, am Ende nicht zu applaudieren, sondern das Konzert z.B. mit dem Läuten der Sterbeglocke ausklingen zu lassen.

  2. Natürlich kann gerade der Stil des Gottesdienstes auch Grund für den Applaus sein - wenn der Gospelchor die Gemeinde schon seit mehreren Stücken zum Mitklatschen mitriß, kann man auch danach ordentlich applaudieren. Gerade wenn Kinder beteiligt sind (aktuell Krippenspiele allerorten), ist es für sie eine wichtige Bestätigung, daß sie etwas tolles geleistet haben. Und dasselbe Argument gilt auch, wenn Erwachsene einen besonderen Beitrag geleistet haben.

Fazit : Unterm Strich ist es kaum sinnvoll, generell „ja“ oder „nein“ zum Applaus in der Kirche zu sagen. Und es entspräche auch gerade dem Stil der Evangelischen Kirche nicht, hier alles über einen Kamm scheren zu wollen. Es ist aber sicher angezeigt, sich gut zu überlegen, wo Applaus passend ist und wo nicht - und wenn mehr und mehr Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen, sind Pfarrerin und Pfarrer gefordert, hier eindeutige Hinweise zu geben, statt allgemeine Unsicherheit entstehen zu lassen.

Martinus

P.S. Zumindest in der Evangelischen Kirche hat hier übrigens auch der Kirchenvorstand die Möglichkeit, mitzureden. Denn solche Fragen gehören in den Bereich der Liturgie des Gottesdienstes, und die fällt unter anderem auch in den Entscheidungsbereich des Kirchenvorstands.

#4

wie sie sich verhalten sollen, sind Pfarrerin und Pfarrer
gefordert, hier eindeutige Hinweise zu geben, statt allgemeine
Unsicherheit entstehen zu lassen.

P.S. Zumindest in der Evangelischen Kirche hat hier übrigens
auch der Kirchenvorstand die Möglichkeit, mitzureden. Denn
solche Fragen gehören in den Bereich der Liturgie des
Gottesdienstes, und die fällt unter anderem auch in den
Entscheidungsbereich des Kirchenvorstands.

Hallo Martinus,

das sehe ich anders.
Applaus ist etwas spontanes und kann nicht vom Pfarrer oder dem Kirchenvorstand verordnet oder untersagt werden.
Am Ende gibt es in manchen Kirchen noch Applaus-Schilder wie in irgendwelchen Game-Shows.

Gruß, Joshi
kath. Lektor

dersichnichtauchimgottesdienstnichtbevormundenlässt

#5

Vorab: ich finde Applaus in der Kirche, so er nicht aus einem überzogenen Eventgeist heraus kommt, sowohl bei geistlichen Aufführungen als auch bei Messen völlig in Ordnung. Es muss in den Kontext passen.

Das für mich beeindruckenste Beispiel für die Aufführung eines geistlichen Werks ohne Applaus ist Bernsteins Ave Verum in der sinn-lichsten, im positiven Sinne schlichtesten Interpretation, die ich kenne, bei der es rein subjektiv kaum auszuhalten ist, nicht zu applaudieren, ein Umstand, der aber das Besondere dieser Aufführung noch verstärkt.

http://www.youtube.com/watch?v=6KUDs8KJc_c

#6

Davon, Applaus anzuordnen, war gar nicht die Rede, und das paßt in der Tat nicht in die Kirche. Und daß Applaus etwas Spontanes sein sollte, ist richtig. Soviel Selbstbeherrschung, daß die Bitte, nicht zu applaudieren, ausgesprochen werden darf, sollte man allerdings schon erwarten können.

Gruß, Martinus

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#7

Hallo Michel,

dann und wann finden in unserer evangelischen Kirche
Gottesdienste und Andachten mit musikalischen Beiträgen statt.

Ich finde, daß Applaus im allgemeinen nicht zum Charakter eines Gottesdienstes oder einer Andacht paßt, es sei denn ein Gospelgottesdient.

Wenn aber der Kirchenraum ein Ersatzraum für einen nicht vorhandenen Konzertraum ist, dann finde ich es angebracht. Vermutlich ist die Veranstaltung, dann auch als Konzert angekündigt.

Das sind der Kirchenchor, Gesangssolisten mit und ohne
Begleitung, der Posaunenchor oder Instrumentaldarbietungen.

Was ist das Selbstverständnis der Darbietungen? Sind sie Konzert im Rahmen eines Gottesdienstes oder ist der Gottesdienst die Hauptsache und die musikalische Seite hat eine dem Gottesdienst dienende Funktion?

Nach den Aufführungen wird applaudiert. Ich finde das in einer
Kirche völlig unpassend.
Schließlich macht das auch niemand,
wenn der Pfarrer eine gelungene Predigt gehalten hat.

Davon würde ich meine Einschätzung nicht abhängig machen :wink:
Aber ich finde, man kann sowohl für eine gelungene Predigt als auch für eine außerordentliche kirchenmusikalische Darbietung andere Formen des Feedbacks finden.

Mich würde interessieren, ob ich mit meinem Empfinden falsch
liege, oder es unerheblich ist wo geklatscht wird.

Empfinden ist immer sehr subjektiv.

Und meines ist beispielsweise davon geprägt, wie ich es in der Synagoge erlebe. Wenn dort Konzert ist, dann ist Beifall durchaus üblich.

Wo ich lebe, sind die meisten jüdischen Kantoren bzw. Kantorinnen so hoch qualifiziert (Opernsänger, die an großen Bühnen gesungen haben), daß wir nach dem Gottesdienst aus dem Applaudieren nicht herauskommen würden, wenn wir auf diese Art und Weise die Wertschätzung für die hohe musikalische Qualität ausdrücken wollten.

Viele Grüße

Iris

#8

Hallo Janina,

Vorab: ich finde Applaus in der Kirche, so er nicht aus einem
überzogenen Eventgeist heraus kommt, sowohl bei geistlichen
Aufführungen als auch bei Messen völlig in Ordnung. Es muss in
den Kontext passen.

In wessen Kontext???

Demokratische Abstimmung vor Gottesdienstbeginn?

Franz

#9

Kon text , nicht Kon sens.

lg
Kate

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#10

Hallo Joshi,

das sehe ich anders.
Applaus ist etwas spontanes und kann nicht vom Pfarrer oder
dem Kirchenvorstand verordnet oder untersagt werden.

Nein, Applaus ist nichts spontanes dem Menschen Innewohnendes, sondern ein kulturell geprägtes Verhalten. Dabei orientieren sich Menschen am Verhalten der benachbarten Mitmenschen.

Stell dir vor, du wärst in einer Veranstaltung und du würdest nach einem deiner Meinung nach gelungenen Klatschen. Du würdest feststellen, dass von hunderten von Anwesenden du der einzige bist, der applaudiert. Wie lange würdest du weiterklatschen?

Ich gehe mal davon aus, dass du nicht den Ruf hast, als „der Bekloppte, der immer klatscht“.

Gruß
Carlos

#11

Moin,

Kon text , nicht Kon sens.

Sowohl als auch. Konsens meint wohl eher die Beziehung von Personen zueinander. Konsens (unter den Beteiligten) finden über Art und Gestaltung eines Gottesdienstes. Applaus in der Messe würde dagegen meine Andacht stören, ist jedoch nicht persönlich gegen oder an mich gerichtet. In diesem Sinne spreche ich von Kontext zwischen einem Ereignis und meiner Emotion.

Beantwortet meine Frage aber nicht :smile:

Und nein, geräuschloses „Daumen hoch“ oder Pappschild-Button „Gefällt mir“ hielte ich für einen Gottesdienst oder eine Andacht auch nicht angemessen.

Franz

#12

Hallo Michel,

Warum denn nicht? Ich finde am Applaus der Zuhörer nichts Unpassendes, was nicht zur Kirche oder zum Gottesdienst passen würde. (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, in der Passion oder bei Beerdigungen mag es durchaus unpassend sein.) Warum soll dem Chor, den Musizierenden, dem Organisten nicht gezeigt werden, das war gut?
Warum muss der Gottesdienst so starr sein, dass die Gemeinde keinerlei Regung zu zeigen hat?

Ehrlich gesagt, finde es besser, wenn der Organist für seine Mühe einen Applaus erhält, als dass die Gemeinde beim ersten Ton des Orgelnachspiels aufspringt und unter lautem Getöse und Getratsche (die Orgel will schließlich übertönt sein) aus der Kirche stürmt.

Gruß
Hardey

#13

Ich finde, sogar der Pastor hätte Applaus verdient, wenn seine Predigt gut war. Das verstieße gewiss nicht gegen Auflagen aus der Gottesdienstordnung.

Aber ich weiß schon, Glaube darf ruhig ein bisschen langweilig sein.

#14

Gxxxxdienstordnung

Das verstieße gewiss nicht gegen Auflagen aus
der Gottesdienstordnung.

Gottesdienstordnung?

http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesdienstordnung

Was hat das mit Abraus zu tun?

Gesetzesfanatiker?

*kopfschüttel*

Gruß

Stefan

#15

Humorrestistenzler?

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#16

Gottes-Dienst-Ordnung
Gott macht Dienst als Beamter? Was sind das bloß alles für Fantasien! Ochottochott…

CJW

#17

Gott macht Dienst als Beamter?

Ja, er genießt neben weiteren Privilegien allerdings eine Sonderbesoldung.

Gruß

Petrus
(Abt. Binnengewässer)

#18

Guten Tag,

vielen Dank für die interessanten Beiträge.

Ich jedenfalls fühle mich durch lautes Klatschen in meiner Andacht gestört. Der Gottesdienstbesuch beinhaltet doch auch den Wunsch Gott nahe zu sein, gemeinsam mit Anderen.

Die Musik die dort gespielt wird, dient nicht dem weltlichen Vergnügen, sondern der Erbauung und soll zur Verinnerlichung beitragen. Applaus nimmt hier alle situative Heiligkeit.

Ich kenne Musiker die das auch so sehen und keinen Beifall erwarten.

Ich wünsche auch keine Anweisungen, Verbote oder Gebote die das Verhalten diesbezüglich regeln.

Ich meide eben Gottesdienste die mir zu laut und zu unruhig - nicht gleichzusetzen mit langweilig - sind.

Lieben Gruß Michel

#19

Hallo,

bei uns ist es üblich, dass am Ende des Gottesdienstes bei den Abkündigungen ggf. ein Dank an die Musiker ausgesprochen und dann auch geklatscht wird. Ich finde, das ist eine ganz gute Lösung, weil die Abkündigungen ja sowieso einen anderen Sprechcharakter innerhalb des Gottesdienstes haben.

Da geht es ja sowieso um die Kommunikation innerhalb der Gemeinde (Was findet wann wo statt? u.ä.), da passt der Dank und auch der Applaus gut her, finde ich.

Mitten im Gottesdienst finde ich es auch unangemessen.

(Unvergessen ein von Kindern mitgestalteter Familiengottesdienst, in dem die Eltern sogar gegen die ausdrückliche Bitte der Pfarrerin unbedingt nach jeder Kleinigkeit, die die Kinder taten, klatschen mussten. Dadurch wurde ein von Kindern gelesenes Gebet zu einer Vorführung gemacht, und dass Gott darin angesprochen wurde, ging mehr oder weniger unter. Die Pfarrerin hatte auch hier um einen Applaus für alle Kinder am Ende gebeten.)

Viele Grüße,

Jule

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#20

Bella Italia
Hallo,

das erinnert mich an eine Anekdote.
Ein Deutscher fragt einen Italiener, warum sie sich in der Kirche wie im Theater benähmen.
Das liegt vielleicht daran, daß ihr Deutschen euch im Theater wie in der Kirche benehmt.

Zur Kontemplation gibt es genügend Gelegenheiten. Andachten oder persönliches Gebet in einer Kirche möchte ich da nur nennen. Falls Dir eine ‚normele‘ Messe zu unruhig/unkontemplativ erscheint.

Gandalf

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