Der Gamma-Aminobutter-Acid-Pegel der Materialisten
Dilthey unterschied im 19. Jahrhundert als erster zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, was sehr sinnvoll ist.
Dem möchte ich widersprechen. Zum einen bezogen sich meine Ausführungen vor allem auf die wissenschaftliche Methode und diese sollte für alle Wissenschaften gelten
So einfach ist das nicht. NaWi und Geisteswissenschaften haben sehr verschiedene Objektbereiche, was auch verschiedene Verfahren bedingt.
Du kannst ein Shakespeare-Drama nicht mit chemischen oder physikalischen Methoden analysieren, höchstens das Papier und die Tinte, mit denen Shakespeare sie produzierte. Du kannst psychologische Phänomene ebenfalls nicht rein naturwissenschaftlich erforschen, außer du hältst den Mensch (und damit dich selbst) für einen Bioroboter.
Es gibt einen mentalen Bereich, der weitgehend (aber nicht ganz) unabhängig von den Objektbereichen der Physik, Chemie und Biologie ist. Dieser Bereich ist nur hermeneutisch erfassbar (Hermeneutik = Interpretation von Symbolen). Habermas hat das in „Erkenntnis und Interesse“ klar herausgearbeitet.
Auch die Quantenphysik ist Physik, sogar deren Herz. Die aber liefert Beobachtungen, die im Widerspruch zur „normalen“ Physik stehen.
Auch das kann ich so nicht stehenlassen. Innerhalb des mikroskopschen und makroskopischen Welt hat die ‚normale‘ Physik bestand. Das es andere Bezugsräume gibt, in denen auch eine andere Physik wirkt, steht dazu nicht im Widerspruch.
Das ist so, als würde man sagen: Falschgeld ist echtes Geld, denn man kann sich dafür etwas kaufen.
Die von dir lobenswerterweise erwähnten Mikro- und Makroebenen bestehen aus quantenphysikalischen Phänomenen, und das ist entscheidend. Die Mikro/Makro-Ebenen sind Ebenen der Sinnestäuschung, das ist nach den Befunden der Quantenphysik doch offensichtlich. Dass sie funktionieren, heißt nicht, dass sie absolut real sind. Sie suggerieren, dass Materie etwas Festes ist, was den Tatsachen komplett widerspricht. Auf dieser Sinnestäuschung basiert ironischerweise das Weltbild der Materialisten, die sich doch für so „realistisch“ halten.
Im Grunde verfahren die Materialisten nicht anders als die Christen: sie blenden gewisse Fakten aus (die Christen aus der Bibel, die Materialisten aus der Naturwissenschaft), um ihr Weltbild im Gleichgewicht zu halten. In gewisser Weise ist der Materialismus eine Religion: er erhebt die Materie auf „Gottes“ Thron, ohne dabei auf Logik und Kohärenz Rücksicht zu nehmen.
In Bezug auf unsere Diskussion musst du ja bedenken, dass „Gott“ ja angeblich in der makroskopischen Welt wirken soll. Das heisst er würde gegen die Gesetze dieses Bezugsrahmen verstoßen. Derzeit ist mir kein Beispiel bekannt, wo so etwas stattgefunden hätte.
Nun, wir sind beide Atheisten, und daher kann auch ich „Gott“ nirgendwo verorten. Das heißt für mich aber nicht, dass die „normalen“ physikalischen Gesetze uneingeschränkt gelten. Es gibt Phänomene, die physikalisch derzeit nicht erklärbar sind, zum Beispiel im parapsychologischen Bereich. Ich war selbst oft Zeuge solcher Phänomene. Die allerdings haben mit einem „Gott“ nichts zu tun. Es gibt nämlich Menschen, die das - aus welchen Gründen auch immer - draufhaben.
Außerdem erleben wir ständig Phänomene, die physikalisch unerklärbar sind: Bewusstseinsinhalte wie Freude und Aggression, ja das Bewusstsein selbst. Letzteres ist aus physikalischer Sicht ein ewiges Rätsel.
Denn mentale Prozesse sind nicht dasselbe wie ihre neuronalen Korrelate, sie gehen darüber hinaus, sie sind nichtmateriell.
Das ist deine Meinung.
Nicht n u r meine, bitteschön. Diese Meinung teilen viele Herr- und Damschaften, auch mit Doktor- und Professorentitel.
Soweit ich weiss wird auf diesem Gebiet noch ziemlich viel geforscht aber mir scheint, dass sich auch mentale Prozesse auf materielle Ursachen zurückführen lassen.
Womit wir wieder beim Bioroboter wären. Wenn denn das menschliche Verhalten auf neuronale Prozesse reduzierbar wäre, warum gibt es dann Bewusstsein? Das wäre doch komplett überflüssig, um die Biorobbies funktionstüchtig zu halten, welche doch, laut materialistischer Philosophie, nur gemäß dem Reiz-Reaktions-Schema handeln.
Wenn ich deine obige Vermutung mal satirisch weiterspinne, müssten die Menschen im 25. Jahrhundert auf die Frage: „Wie geht´s?“ z.B. antworten:
„Mein Gamma-Aminobutter-Acid-Pegel steht auf 17, allerdings sind die Tryptophan-Ressourcen mangelhaft. Danke für die Nachfrage.“
Chan