offtopic )
H wie Hola.
- Einheit von Erziehung und Bildung
- hohe Allgemeinbildung
- Verflechtung von Theorie und Praxis
- anwendungsfähiges Wissen
- Chancengleichheit
- Irrelevanz der sozialen Herkunft
- kollektives Lernen
Alles Schlagworte, die ich seit der […] hundertmal gehört habe.
Mit dem Unterschied, daß es, im Ggs. zu heute, keine Phrasen waren,
sondern ernstgenommene idealistische Pädagogik.
Es wäre ohne Probleme der Nachweis möglich, daß es für jeden einzelnen Stichpunkt in der DDR *mehrere* schulpraktische Entsprechungen gab, währenddessen unsere heißgeliebte Kultusministerkonferenz defacto
ausschließlich hohle Reden schwingt und auf Jahre hinaus im Schulalltag nichts passiert.
Zudem bezweifle ich stark, daß die pädagogischen Wissenschaften
der DDR Ähnliches darunter verstanden haben, wie es dieser Tage
gelehrt wird.
Um noch eines herauszugreifen: Die „Irrelevanz der sozialen
Herkunft“. Du kannst heute in jedem einigermaßen wertfreien
Lehrwerk der Soziologie (oder verwandter Wissenschaften)
nachlesen, dass dies ein wunderschönes Märchen ist, das bis
heute gern hochgehalten wird und nichts mit der Realität zu
tun hat. Es waren nicht die Arbeiter-und Bauernkinder, die
besonders häufig das Gymnasium besuchten, sondern es fand eine
enorme Reproduktion der sog. sozialistischen Intelligenz statt
(davon Anteil der Studenten 1988: 78%; Arbeiterkinder: 7%).
Bereits in den 60er Jahren wurden die weiterführenden Schulen
quasi „sozial geschlossen“.
Das ist grober Unfug, und kommt davon, wenn man keine Statistiken
verstehen kann.
Deine Zahl, die ich sogar eigentlich mittels Dokumenten des
Volksbildungsministeriums überprüfen müßte, aber ich
lasse es einmal so stehen, stammt von 1988.
Mit anderen Worten: Es liegen mehr als 40 Jahre Einheitsschule
hinter dem Osten.
Folgerichtig: Wo die Eltern noch echte Arbeiterklasse waren,
waren die Kinder das natürlich nicht mehr - denn die Eltern hatten
ja studiert oder andere partiell akademische Höherqualifikation(en)
hinter sich.
Deswegen auch der Begriff der „sozialistischen Intelligenz“, der
nicht mit der gesellschaftlichen Schichtung des Westens verwechselt
werden darf, sondern die Bildung einer Intelligenz auf dem Fundament
bzw. mit dem Hintergrund der Arbeiterklasse meint.
- absolut verbindliche Lehrpläne
(vorgegebener Stoff; vorgegebener zeitlicher Aufwand; Hinweise
wie viele Leistungskontrollen bzw. Klassenarbeiten zu einem
Thema geschrieben werden sollten; …)
Das findest du gut?
Wer findet das Kraft des logischen Denkens nicht gut?
Wenn Dir vernünftige „Ostlehrer“ eines sofort wie aus der Pistole
nahelegen, dann sind es die verbindlichen Lehrpläne.
Und diese Lehrpläne wurden, im Ggs. zu heute, nicht am Runden Tisch
aus der Ferne entschieden, waren zudem einer permanenten Analyse
bzw. Beobachtung unterzogen.
Absolut verbindliche Lehrpläne vereinfachen jede Menge, bspw.
können sich die Lehrer auf das eigentliche Lehren, also die
didaktisch-pädagogische Vermittlung konzentrieren.
Stundengestaltung rückte vermehrt in den Mittelpunkt; die Lehrer
wurden zu hoher fachlicher und noch mehr zu hoher pädagogischer
Güte angehalten, bekamen umgekehrt allerdings auch wohldurchdachte
Hilfsmittel (Handreichungen, Bücher, Erläuterungen zum Lehrplan)
an die Hand.
Auf Grund des zentralistischen, national einheitlichen Aufbaus
des DDR-Bildungssystems konnte damit erreicht werden, daß in
jeder POS respektive EOS in jedem Fach das gleiche Kapitel zur
gleichen Zeit und auf gleichem, hohen Niveau unterrichtet wurde.
Darüber hinaus waren auch Spielräume ministeriell geplant, so daß
die Einheitsschule eben in kein starres Gebilde verkam.
Zitat Ministerium für Volksbildung, Lehrplan der erweiterten
zwölfklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule,
Erläuterungen zur Stundentafel, 1965:
„… Das Schuljahr umfaßt 38 Wochen. 30 Wochen dienen der
Stoffvermittlung auf Grundlage der Lehrpläne. Die restlichen
Unterrichtswochen stehen dem Lehrer für Wiederholung, Festigung
und Vertiefung der Kenntnisse zur Verfügung. …“
Andere Spielräume finden sich in den fachdidaktischen Erläuterungen
der jeweiligen Fächer. Zitat ebenda, Lehrplan für Physik:
„… Die im Lehrplan angegebenen Themen der Praktika sind als eine
Empfehlung zu betrachten und können vom Lehrer auch erweitert werden.
Dabei ist aber zu sichern, daß jeder Schüler eine Mindestanzahl von
Praktika durchführt. …“
Hieran sieht man, daß die Einheitsschule das hohe Niveau in der
Breite mit Hilfe der Lehrpläne strikt aufrechterhielt und simultan
Freiräume nach oben kannte.
Freilich nicht nach unten, denn das wäre ja absurd.
Viele Lehrbücher heute sind gar nicht so schlecht wie ihr Ruf.
Das betreitet niemand. Abgesehen davon, daß vor allem die mathematisch-naturwissenschaftliche
Fachliteratur der DDR didaktisch bedeutend besser aufbereitet war
und ist, fehlte das Verlagschaos dieser Tage.
So gut wie jeder Verlag kocht sein eigenes Süppchen; soviele Verlage
es gibt, soviele verschiedene qualitativ stark streuende Lehrbücher
gibt es, natürlich gleich mit einer Horde zumeist teurer Arbeitshefte
auf dem Fuße. Zentralistische Kontrolle von Fachwissen und Didaktik fehlt
bzw. findet nur vergleichweise in geringen Maßen im Verlag selber statt.
Dagegen waren die DDR-Lehrbücher national einheitlich (Volk und Wissen
Volkseigener Verlag Berlin) und immer vom Ministerium geprüft.
im Lehrplan der in Bayern zugegebenermaßen sehr vage ist
So?
Ich dachte, in Bayern sei der Lehrplan relativ eng.
Zumindest brüstet sich Bayern (wie immer) im Diskurs gerne mit
ziemlich genauen Vorgaben im Lehrplan.
- anspruchsvolle Lehrerausbildung
(straffes Diplomstudium; Zulassung nur der Besten; hoher
didaktisch-pädagogischer Anteil; Schwerpunkt auf angewandter
Lehre; …)
Das ist ja nicht wirklich schwer…
Wie gut, daß der Smiley dahinterklemmt, ansonsten könnte man das
glatt ernstnehmen.
Klingt toll, möchte ich anzweifeln. […]
Was sonst.
Dümmliche Gegenbeispiele findet man zudem bei allem.
Ich habe nie bestritten, daß es nicht auch Lehrer gab, die eher
Parteisoldat oder fehlgeleiteter Ideologe waren.
Merkwürdigerweise getraut sich aber keiner der immer schnell auf
dem Plan befindlichen Kritiker, den Vergleich zu heute zu ziehen.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit springen dieser
Tage weitaus mehr untaugliche Pädagogen im Bildungssystem herum.
- Leistungsanreize
(Abzeichen; Auszeichnungen; Ehrungen; bspw. Lessingmedaille in
Silber, Lessingmedaille in Gold; Preise; Wettbewerbe; …)
[…]Wie gesagt, alles nach 1990.
Ach, hier genügt der Eins-zu-eins-Vergleich plötzlich wieder?
Du übersiehst, daß solche Anreize nach 1990 abseits des Kollektivs
stattfinden, weswegen auch sogleich der Anreiz für die anderen
gemindert ist. Solche Auszeichnungen bzw. Ehrungen waren nicht nur
Ausdruck individueller Leistung, sondern dienten gleichzeitig als
Vorbild, Maßgabe, Anregung, oder wie man es auch nennen mag, für
das Klassenkollektiv.
Ich bin ja nun auch viele Jahre im gegliederten Schulsystem gewesen,
und sämtliche Anreize, die Du aufgezählt hast, fanden grundsätzlich
abseits vom Rest statt. Wenn die Lehrer nicht ab und an einen Ton
gesagt hätten, hätte man nicht einmal mitbekommen, daß ein Mitschüler
gerade irgendwo etwas gewonnen hatte.
- geregelte Nachmittagsbetreuung im Hort
(studierte Erzieherinnen halfen bei Erledigung der
Hausaufgaben; Pflicht zur Hausaufgabenerledigung, ausgiebige
pädagogische Förderung der Kinder auch außerunterrichtlich,
Kompensation von Wissensdefiziten, falls ein Kind Probleme mit
Unterrichtsstoff zeigte)
Wenn man am richtigen Ort ist, gibt es das bis heute.
Grober Unfug.
Wäre dem nämlich so, hätte es nie den blinden Aktionismus in punkto
Ganztagsschule (oder in punkto frühkindliche Betreuung) gegeben.
Und nichtmal dort tut man Sinnvolles! Statt echte Nachmittagsbetreuung
zu schaffen, strecken die meisten Bundesländer den Unterricht bis tief
in den Nachmittag hinein.
Auch hier darf man nicht leichtfertig traditionelle westdeutsche
Betreuungsvorstellungen in einen Korb mit den jahrzehntelang
gewachsenen Erziehungsstrukturen des Ostens verwechseln, nur weil
vielleicht verwandte Begriffe benutzt werden.
Die Betonung muß ziemlich stark auf „Wenn man am richtigen Ort ist, …“ liegen,
so daß die Bemerkung mehr als nur äußerst seltene, und
somit für die Systembetrachtung irrelevante Einzelfälle in den
Alten Ländern erfaßt.
- angewandte pädagogische Wissenschaften
(Pädagogikwissenschaften staatlich gezwungen, für den
Alltagsunterricht substanziell Verwertbares zu liefern;
gezielte Fortentwicklung der angewandten Pädagogik;
Fortentwicklung didaktischer Methodiken und psychologischer
Strategien; intensive Untersuchungen in der
Entwicklungspsychologie; Erarbeitung von Lernkurven über die
Leistungsfähigkeit während der Tageserziehung
im Zeitraum von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr; …)
Kollektive Lernkurven oder individuelle Lernkurven?
Allgemeine psychologische Lernkurven.
Um zurück zum Ausgangsthema, den Kindergärten, zu kommen:
Mit den Bildungsplänen der DDR wurde auch nach 1990 in vielen
Kindergärten weitergearbeitet, natürlich v.a. inoffiziell.
Was Du nicht sagst.
Viele Kindergärten waren da durchaus innovativ und haben aus
vorhandenem und neuen etwas entwickelt, was jetzt wieder
Bildungsstandards o.ä. heißt und offiziell wieder eingeführt
wurde. Die Erzieherinnen, die in der DDR ausgebildet wurden,
sind natürlich mit der Ideologie ihres Staates in Berührung
(und ggf. auch in Konflikt) geraten. Ich würde aber schon
sagen, dass die meisten selbstständig genug waren, um nicht
dem Wohl des Staates, sondern dem Wohl des Kindes zu dienen.
Eine Indoktrinierung in diesem Alter finde ich extrem
überbewertet. Fragt man heute einen vierjährigen, was er so
von Demokratie hält, ich denke, er würde sagen „Kenne ich
nicht, bei uns gibts aber oft Pizza.“. Friedenstauben zu
basteln oder im Altenheim zu singen - das hat mich nicht zu
einem besseren Sozialisten gemacht. Ansonsten mussten wir nie
Antreten, keine Appelle abhalten, keine Soldaten pflegen,
keine bösen Lieder singen (zumindest keine, die mich
nachhaltig geprägt hätten), nie dem Erich winken und auch
nicht unter seinem Porträt schlafen.
So war es ja auch fast überall.
Da halte ich kirchliche
Kindergärten, die hier sehr verbreitet sind, für wesentlich
„gefährlicher“ (wenn man als Eltern mit der „Ideologie“ dort
nichts anfangen kann). Dort wird mehr praktiziert.
Zitat, Akademie der pädagogischen Wissenschaften der DDR,
Institut für Theorie und Methodik der sozialistischen Erziehung,
Handreichungen für Lehrer und Erzieher, Erziehungsziele der
Klasse 3 und Klasse 4, 1971:
„… Durch die Kenntnis von den Ursachen einiger Naturerscheinungen
sollen die Schüler erkennen, daß es keine übernatürlichen Erscheinungen
gibt und man deshalb jeden Aberglauben ablehnen muß
(Gott, Teufel, Gespenster, Hexen, schwarzer Mann usw.). …“ )
Zur Ausstattung der Kindergärten: Wir hatten von
Lego-ähnlichen Bausteinchen über Holzklötze und Puppenwagen,
Kuscheltieren und Knetmasse, Kipplastern und Bilderbüchern
alles, was es wohl so gab. Es wurde viel Wert auf kreative
Arbeit gelegt (ich habe eine riesige Sammlung mit sehr
kreativen Arbeiten )und viel draußen gespielt. Dann kam die
Wende und plötzlich standen da […]
Gott sei Dank war ich zu dem Zeitpunkt schon in der Schule.
Subjektiv hatte man *als Kind* nämlich den Eindruck, daß sich
anscheinend erstmal nichts änderte. Nur der Sonnabendunterricht
war plötzlich abgeschafft. ._.
Ciao