Schopenhauers Sexualitätstheorie
Hi E.T.
Als biologische Grundlage sind erogene Zonen (Mund, Brust) hierbei unerlässlich.
Das Stichwort, wenn man das denn diskutieren möchte, ist der
Begriff der „Grundlage“. Sicherlich wird niemand sinnvoll die Sphäre des Biologischen leugnen können, wohl aber ob sie eine Grundlage bzw. ein Fundament für die menschliche Sexualität ist - oder eben doch eher ein Anlass, ein Störfaktor usw.
Sexualität ohne erogene Zonen - das ist sicher nur unter bestimmten Drogen möglich, die eine Erotisierung des gesamten Körpers ermöglichen. Im indischen Vedanta (großer Einfluss auf Schopenhauer) ist von „ananda“ die Rede, dem absoluten Wonnezustand des Brahman (sinngemäß die „Weltseele“). Sexuelle Lust lässt sich problemlos aus dieser Sicht als eine (von ihrer Quelle weit entfernte) Manifestation des ananda interpretieren.
http://www.yoga-vidya.de/Yoga–Artikel/EinfinVedanta…
Zitat:
"In der Sichtweise des Vedanta ist Brahman (das Absolute) das Einzige, was existiert. Vedanta gilt als Philosophie der Einheit, weil er behauptet: Es gibt nur eine allumfassende Wirklichkeit, nämlich Brahman. Alles ist Brahman, es gibt nichts anderes als Brahman. Und dieses unendliche Brahman, welches ungeteilt, ewig und unendlich ist, ist sat-chit-ananda.
Sat: Es ist reines Sein, das heißt, es ist nicht irgendwo, an einem bestimmten Ort, nicht hier oder dort, es ist einfach, es ist nicht größer oder kleiner, es ist einfach nur, ohne weiteres Attribut.
· Es ist aber nicht nur ein abstraktes, unbewusstes Sein, sondern es ist auch chit, Bewusstsein. Bewusstsein an sich. In diesem Bewusstsein ist natürlich auch alles Wissen enthalten.
· Und es ist ananda, reine unbegrenzte Wonne."
Zitat Ende.
Aus Wiki (erogene Zone):
„Die Klasse der spezifischen erogenen Zonen umfasst Haut- und Schleimhautbereiche, die eine hohe Dichte an Nervenenden besitzen, und Körperbereiche, die eine direkte Stimulation empfänglicher innerer Organe des Beckenbereiches zulassen. In der Regel geht von ihnen ein wesentlich stärkeres Gefühl als von den nicht spezifischen erogenen Zonen aus.“
Freuds Theorie im ganzen wurde von Schopenhauer und Nietzsche auch
nicht am Ansatz vorweggenommen.
Es ging hier allein um die „Tieferlegung“ der Subjektivität in
den Schopenhauerschen Willen bzw. in das Freudsche Es, ohne
damit mit dem subjektphilosophischen Ansatz als solchem zu
brechen.
Schopenhauer bediente sich Vorgaben aus der asiatischen Philosophie des Brahman/Atman, die meines Erachtens zu den Höchstleistungen des Philosophierens überhaupt zählt. Was ihn für Freud aber besonders interessant machte, war jene Passage bei Schopenhauer, die - das ist nicht gesichert - Freud zu seiner Theorie anregte:
http://www.textlog.de/freud-psychoanalyse-schopenhau…
Zitat:
„Dem allen entspricht die wichtige Rolle, welche das Geschlechtsverhältnis in der Menschenwelt spielt, also wo es eigentlich der unsichtbare Mittelpunkt alles Tuns und Treibens ist und trotz allen ihm übergeworfenen Schleiern überall hervorguckt. Es ist die Ursache des Krieges und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen Anspielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausgesprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke, das tägliche Dichten und Trachten der Jungen und oft auch der Alten, der stündliche Gedanke des Unkeuschen und die gegen seinen Willen stets wiederkehrende Träumerei des Keuschen, der allezeit bereite Stoff zum Scherz, eben nur weil ihm der tiefste Ernst zum Grunde liegt. Das aber ist das Pikante und der Spaß der Welt, daß die Hauptangelegenheit aller Menschen heimlich betrieben und ostensibel möglichst ignoriert wird. In der Tat aber sieht man dieselbe jeden Augenblick sich als den eigentlichen und erblichen Herrn der Welt aus eigener Machtvollkommenheit auf den angestammten Thron setzen und von dort herab mit höhnenden Blicken der Anstalten lachen, die man getroffen hat, sie zu bändigen, einzukerkern, wenigstens einzuschränken und wo möglich ganz verdeckt zu halten oder doch so zu bemeistern, daß sie nur als eine ganz untergeordnete Nebenangelegenheit des Lebens zum Vorschein komme. — Dies alles aber stimmt damit überein, daß der Geschlechtstrieb der Kern des Willens zum Leben, mithin die Konzentration alles Wollens ist; daher eben ich im Texte die Genitalien den Brennpunkt des Willens genannt habe.“
Es ging bei jener Parole ja nicht um Freiheit d u r c h Sex, sondern um Freiheit f ü r Sex.
Doch, diese Dimension „Freheit DURCH Sex“ gab es sehr wohl.
Allein so legendäre Buchtitel wie „Sexualität und
Klassenkampf“ zeugen davon 
Schon klar, aber dass die soziale Befreiung von Sex(ualität) - also Tabuabschaffungen - auch die politische Mündigkeit fördern k a n n (nicht muss), steht sicher außer Frage. Insofern konnten beide Parolen nebeneinander stehen, da sie sich ergänzen. Dass der befreite Sex wiederum selbst einen neuen Götzen darstellt, steht ebenso außer Frage. Aber kulturelle Evolution verläuft nicht so geradlinig, wie sich die Theoretiker das früher vorstellten. Das kapitalistische System kann a l l e s vereinnahmen und instrumentalisieren.
Gruß
Horst