Auswirkungen von Psychoanalyse auf Menschenbild

Hallo,
ich stehe derzeit vor der Aufgabe, einen kleinen Vortrag über die Psychoanalyse von Sigmund Freud zu halten.
Kann mir jemand einige Denkanstöße oder auch Seiten empfehlen, mit/auf denen ich Anregungen dahingehend bekommen kann, welche Auswirkungen Freuds Psychoanalyse auf das moderne Menschenbild haben?

Danke und Grüße!

Hi,

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFT…

http://soziologie.suite101.de/article.cfm/freud-die-…

Nur zwei Anregungen:smile:

Gruß
Istiden

Vom Unbewussten gesteuert
Hi momolf.

…welche Auswirkungen Freuds Psychoanalyse auf das moderne Menschenbild haben?

Die wesentlichen Auswirkungen dürften wohl sein, dass seit Freud die Menschen als grundsätzlich trieb/sex-gesteuert erscheinen (auch in Bereichen, die scheinbar mit Sex nichts zu tun haben) und dass ihr Ich nicht mehr als dominante Instanz dasteht, sondern diese Dominanz weitgehend an das Unbewusste abgetreten hat.

Gruß

Horst

Guten Tag!

…welche Auswirkungen Freuds Psychoanalyse auf das moderne Menschenbild haben?

Die wesentlichen Auswirkungen dürften wohl sein, dass seit
Freud die Menschen als grundsätzlich trieb/sex-gesteuert
erscheinen (auch in Bereichen, die scheinbar mit Sex nichts zu
tun haben) und dass ihr Ich nicht mehr als dominante Instanz
dasteht, sondern diese Dominanz weitgehend an das Unbewusste
abgetreten hat.

Zweieinhalb Anmerkungen dazu:

  1. Man könnte in der Ausgangsfrage die Wendung „das moderne Menschenbild“ auch im starken Sinne des ‚Menschenbilds der MODERNE‘ lesen. Dann könnte man Begriffe wie Fragmentierung, Inkohärenz, Narrativität, Dezentrierung des Selbst usw. der ‚modernen‘ Psychologie der bruchlosen Selbstidentität entgegenstellen.
    Ein seit den 80ern wichtig gewordenes Thema sowohl innerhalb der akademischen Psychologie als auch in Literaturbetrieb und Öffentlichkeit. Die Psychoanalyse ist die erste Anstoßgeberin dafür gewesen.

  2. Ich habe ein wenig Probleme mit deiner Antwort, weil:

2.1. Triebgesteuert: der Freudsche, biologisch fundierte, Triebbegriff wurde innerhalb der Psychoanalyse bereits weitgehend ad acta gelegt. U.a. eben mit dem Argument, dass dieser Triebbegriff noch immer in diesem „modernen Menschenbild“ (auch wenn man den Begriff nicht im starken Sinne versteht) verankert bleibt.
Er legt gleichsam die Subjektivität nur ein Stockwerk tiefer: vom Ich zum Es. Das ist nichts wirklich Neues, und fällt in dieser Schlichtheit sogar hinter Schopenhauer und Nietzsche zurück, welche Freud -insofern recht belachenswert- als seine Vordenker präsentiert.

2.2. Sex-gesteuert: es mutet vielleicht pedantisch an, sich an der Abkürzung des Begriffs (Sex statt Sexualität) zu stören. Dennoch.
Der umgangssprachliche Sex hat mit dem Begriff der Sexualität im Sinne der Psychoanalyse herzlich wenig bis fast gar nichts zu tun. Du hast es mit deiner Parenthese ja bereits selbst angedeutet.

Insofern muss man wohl sagen, dass die von der Psychoanalyse konstatierte „Sex-Gesteuertheit“ des Menschen sehr wohl massive Auswirkungen auf das moderne Menschenbild hatte. Allerdings zum großen Teil eben nur in einer stark vulgarisierten oder gar völlig falsch verstandenen Lesart dieses Begriffs.
Die naive Forderung der „sexuellen Befreiung“ beispielsweise lässt sich dazu zählen:
enormen Einfluss auf das moderne Menschenbild, aber Anknüpfung an die Psychoanalyse nur in sehr vulgarisierter Form bzw. an einige sehr randständige Autoren, wie Reich und Marcuse (und auch die noch einseitig rezipiert).

E.T.

Gegenmacht zu den Religionen
Hi.

wie dumm, dass Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche nicht so populär wurden wie Sigmund Freud!

Freud kennt heute fast jeder auf der ganzen Welt. Dagegen sind seine Vordenker beim Volk sehr viel weniger populär, zum Beispiel in Brasilien, wo, so las ich kürzlich, allein in Rio de Janeiro ca. 20 000 Therapeuten nach Freuds Lehre tätig sein sollen. Unvorstellbar! Aber vielleicht brauchen die Latinos deshalb so viele Psychoanalytiker, weil sie heißblütiger sind als wir Europäer?

Freud wollte mit der Psychoanalyse bewusst eine Gegenmacht zu den Weltreligionen etablieren, deshalb strebte er auch von Anfang an nach einer Weltorganisation und nahm massiven Einfluss in Amerika. Die Weltmacht der Religionen kritisiert Freud zum Beispiel in folgendem Satz:

„Sie müssen die religiöse Illusion mit allen Ihren Kräften verteidigen; wenn sie entwertet wird, - und sie ist wahrlich bedroht genug, - dann stürzt Ihre Welt zusammen…“ („Massenpsychologie und Ich-Analyse - Die Zukunft einer Illusion“, Fischer Verlag, 1981).

Besonders interessant ist, dass Freud die Religionen gleich zweimal kritisiert mit direkter Anrede (man beachte die Großschreibung im Zitat, es lohnt sich, es noch einmal zu lesen). Und es wird deutlich, dass Freud sich als direkte Gegenmacht zu den Religionen verstehen wollte, wie es ja auch schon seine philosophischen Vordenker gerne gewollt hätten, sich aber längst nicht so gut zu verkaufen wussten wie Freud!

C.

Freud, Lacan und Sex(ualität)
Hi E.T.

  1. Man könnte in der Ausgangsfrage die Wendung „das moderne
    Menschenbild“ auch im starken Sinne des ‚Menschenbilds der
    MODERNE‘ lesen. Dann könnte man Begriffe wie Fragmentierung,
    Inkohärenz, Narrativität, Dezentrierung des Selbst usw. der
    ‚modernen‘ Psychologie der bruchlosen Selbstidentität
    entgegenstellen.

Das sehe ich auch so. Inbesondere der französische Strukturalismus/Poststrukturalismus hat diese Sicht der Dinge auf die Spitze getrieben, und ich finde, zu Recht. Allerdings ist auch diese Perspektive nur ein Fragment, insofern sie einige wesentliche Aspekte der conditio humana anspricht, aber eben doch nicht alle.

Ein seit den 80ern wichtig gewordenes Thema sowohl innerhalb
der akademischen Psychologie als auch in Literaturbetrieb und
Öffentlichkeit.

Seit Lacan, würde ich sagen, und damit also seit den 30er- bis 50ern.

  1. Ich habe ein wenig Probleme mit deiner Antwort, weil:

…ich das zugegebenermaßen etwas plakativ formulierte, klar.

2.1. Triebgesteuert: der Freudsche, biologisch fundierte,
Triebbegriff wurde innerhalb der Psychoanalyse bereits
weitgehend ad acta gelegt.

Das ist ein weites Thema, auf dessen gründliche Diskussion ich jetzt nicht vorbereitet bin, aber ich denke, so ganz vom Biologischen lässt sich die menschliche Motivationsstruktur nicht ablösen, wie das verschiedentlich in der Freud-Nachfolge versucht wurde. Auch Lacan lässt den Triebbegriff stehen, verwendet ihn aber anders als Freud. Bei ihm ist der Trieb ein Derivat des Begehrens.

Beispiel: für den Säugling ist die Milch das Ziel des Bedürfnisses, die Mutterbrust das Objekt a und die Tätigkeit des Saugens die Manifestation des Triebes, der nie befriedigt werden kann und sich daher auch auf Ersatzobjekte (z.B. Schnuller) richtet. Als biologische Grundlage sind erogene Zonen (Mund, Brust) hierbei unerlässlich.

Er legt gleichsam die Subjektivität nur ein Stockwerk tiefer:
vom Ich zum Es. Das ist nichts wirklich Neues, und fällt in
dieser Schlichtheit sogar hinter Schopenhauer und Nietzsche
zurück, welche Freud -insofern recht belachenswert- als seine
Vordenker präsentiert.

Ich denke, hier vergleichst du Äpfel mit Birnen. Freuds Theorie im ganzen wurde von Schopenhauer und Nietzsche auch nicht am Ansatz vorweggenommen. Er war ein genialer Pionier, dessen Werk, wie das Werk jeden Pioniers, natürlich von anderen fortentwickelt und evt. verbessert wurde.

2.2. Sex-gesteuert: es mutet vielleicht pedantisch an, sich an
der Abkürzung des Begriffs (Sex statt Sexualität) zu stören.

Klar, es war eine plakative Abkürzung, die aber an der Sache wenig ändert. Sex ist einfach die praktische Ausübungen von Sexualität.

massive Auswirkungen auf das moderne Menschenbild hatte.
Allerdings zum großen Teil eben nur in einer stark
vulgarisierten oder gar völlig falsch verstandenen Lesart
dieses Begriffs.
Die naive Forderung der „sexuellen Befreiung“ beispielsweise
lässt sich dazu zählen:

Ich denke nicht, dass sie „naiv“ war. In den 50ern war Sex(ualität) faktisch weit unfreier als heute. Es ging bei jener Parole ja nicht um Freiheit d u r c h Sex, sondern um Freiheit f ü r Sex.

Gruß

Horst

Wille zur Macht
In Bezug auf die Freudsche „Libido“ fällt mir auf, wie der Sexualtrieb in Verbindung mit dem Lebenstrieb und dem Existenzbedürfnis in der Philosophie Nietzsches als „Wille zur Macht“ interpretiert werden muss. Ich spreche von einer schrecklichen Wurm-Plage auf unserer ansonsten paradiesischen Hinterweltinsel. Als wir vor 20 Jahren auf diese hinterste Insel zogen, um das „letzte Paradies“ zu erfahren, gab es am Ende der Alten Welt keinen einzigen Wurm. Heute Vormittag dagegen Tausende!

Einheimische haben inzwischen die schwarzen Würmer vor einigen Jahren aus Venezuela eingeschleppt, wo viele hier ihre Verwandten haben und sie regelmäßig besuchen, dafür kommen diese dann aus Venezuela wieder hierher.

Diese schwarzen Würme, für die ich heute morgen mehrere Stunden opfern musste, um sie einigermaßen einzusammeln, haben sich im Laufe von nur wenigen Jahren urplötzlich auf der ganzen Insel verbreitet (allein in unserem Garten gibt es Milliarden!), und zwar deshalb, weil sie keine natürlichen Feinde wie Vögel usw. haben. Denn wenn man sie anfasst, reagieren sie mit einem grässlichen Gestank, das ist ihr WILLE ZUR MACHT.

Es scheint, dass der „Wille zur Macht“ ohne Fortpflanzungstrieb gar nicht denkbar ist, dass es aber um wesentlich mehr zu gehen scheint als nur um die „Libido“, an der Freud das ganze „Unbewusste“ zu erklären versucht.

Wenn alle Lebewesen, sowohl die Würmer als auch wir Menschen nach Unsterblichkeit nicht im Himmel, sondern hier und jetzt, auf der Erde streben, ohne dass wir diesen Lebens- bzw. Überlebenstrieb bewusst erkennen würden, dann muss die philosophische Erkenntnis sehr viel umfassender sein als nur die stark reduzierte Psychoanalyse von Sigmund Freud.
D. O.

Guten Abend!

  1. Ich habe ein wenig Probleme mit deiner Antwort, weil:

…ich das zugegebenermaßen etwas plakativ formulierte, klar.

Darin sind wir uns einig.
Deshalb im folgenden nur noch einige kleine Anmerkungen von mir.

Auch Lacan lässt den Triebbegriff stehen,
verwendet ihn aber anders als Freud. Bei ihm ist der Trieb ein
Derivat des Begehrens.
Beispiel: für den Säugling ist die Milch das Ziel des
Bedürfnisses, die Mutterbrust das Objekt a und die Tätigkeit
des Saugens die Manifestation des Triebes, der nie befriedigt
werden kann und sich daher auch auf Ersatzobjekte (z.B.
Schnuller) richtet. Als biologische Grundlage sind erogene
Zonen (Mund, Brust) hierbei unerlässlich.

Das Stichwort, wenn man das denn diskutieren möchte, ist der Begriff der „Grundlage“.
Sicherlich wird niemand sinnvoll die Sphäre des Biologischen leugnen können, wohl aber ob sie eine Grundlage bzw. ein Fundament für die menschliche Sexualität ist - oder eben doch eher ein Anlass, ein Störfaktor usw.
Es geht also um die Art des Verhältnisses des einen zum anderen, nicht um die pauschale Leugnung des Biologischen.

Er legt gleichsam die Subjektivität nur ein Stockwerk tiefer:
vom Ich zum Es. Das ist nichts wirklich Neues, und fällt in
dieser Schlichtheit sogar hinter Schopenhauer und Nietzsche
zurück, welche Freud -insofern recht belachenswert- als seine
Vordenker präsentiert.

Ich denke, hier vergleichst du Äpfel mit Birnen. Freuds
Theorie im ganzen wurde von Schopenhauer und Nietzsche auch
nicht am Ansatz vorweggenommen.

Natürlich nicht.
Es ging hier allein um die „Tieferlegung“ der Subjektivität in den Schopenhauerschen Willen bzw. in das Freudsche Es, ohne damit mit dem subjektphilosophischen Ansatz als solchem zu brechen.

Die naive Forderung der „sexuellen Befreiung“ beispielsweise
lässt sich dazu zählen:

Ich denke nicht, dass sie „naiv“ war. In den 50ern war
Sex(ualität) faktisch weit unfreier als heute. Es ging bei
jener Parole ja nicht um Freiheit d u r c h Sex, sondern um
Freiheit f ü r Sex.

Doch, diese Dimension „Freheit DURCH Sex“ gab es sehr wohl. Allein so legendäre Buchtitel wie „Sexualität und Klassenkampf“ zeugen davon :wink:

Ich halte aber die Forderung „Freiheit FÜR den Sex“ für nicht viel besser, jedenfalls aber auch nicht für näher am psychoanalytischen Begriff der Sexualität - und dieses war ja das Thema.

E.T.

Guten Abend!

Deine Anmerkung, Freud habe die Psychoanalyse als eine Art „Anti-Religions-Religion“ konzipiert, fand ich interessant, auch wenn ich jetzt nicht weiter darauf eingehe.

In Bezug auf die Freudsche „Libido“ fällt mir auf, wie der
Sexualtrieb in Verbindung mit dem Lebenstrieb und dem
Existenzbedürfnis in der Philosophie Nietzsches als „Wille zur
Macht“ interpretiert werden muss.

Freud setzte bekanntlich in einer Phase seines Schaffens dem Sexualtrieb den Lebenstrieb (Ich- und Selbsterhaltung) entgegen, bevor er dann später im Begriff des Eros Sexual- und Lebenstrieb vereint dem Todestrieb entgegensetzt.

Freud scheint also um die Konzeptualisierung der Verbindung von Sexual- und Lebenstrieb zeitlebens gerungen zu haben.

Ich spreche von einer
schrecklichen Wurm-Plage auf unserer ansonsten paradiesischen
Hinterweltinsel. Als wir vor 20 Jahren auf diese hinterste
Insel zogen, um das „letzte Paradies“ zu erfahren, gab es am
Ende der Alten Welt keinen einzigen Wurm. Heute Vormittag
dagegen Tausende!

Einheimische haben inzwischen die schwarzen Würmer vor einigen
Jahren aus Venezuela eingeschleppt, wo viele hier ihre
Verwandten haben und sie regelmäßig besuchen, dafür kommen
diese dann aus Venezuela wieder hierher.

Ein noch strammerer Rechter als ich würde dies zum Anlass für einige Sarazzinische Reflektionen nehmen :wink:

Es scheint, dass der „Wille zur Macht“ ohne
Fortpflanzungstrieb gar nicht denkbar ist

Darüber grüble ich, ungelogen, seit Jahren ergebnislos.
Die Frage zur Psychoanalyse aber wäre, ob die Sexualität ohne Fortpflanzungstrieb denkbar ist, oder sogar losgelöst davon gedacht werden MUSS. Dies würde ich bejahen.

E.T.

Ich danke euch für die Antworten!

)

Schopenhauers Sexualitätstheorie
Hi E.T.

Als biologische Grundlage sind erogene Zonen (Mund, Brust) hierbei unerlässlich.

Das Stichwort, wenn man das denn diskutieren möchte, ist der
Begriff der „Grundlage“. Sicherlich wird niemand sinnvoll die Sphäre des Biologischen leugnen können, wohl aber ob sie eine Grundlage bzw. ein Fundament für die menschliche Sexualität ist - oder eben doch eher ein Anlass, ein Störfaktor usw.

Sexualität ohne erogene Zonen - das ist sicher nur unter bestimmten Drogen möglich, die eine Erotisierung des gesamten Körpers ermöglichen. Im indischen Vedanta (großer Einfluss auf Schopenhauer) ist von „ananda“ die Rede, dem absoluten Wonnezustand des Brahman (sinngemäß die „Weltseele“). Sexuelle Lust lässt sich problemlos aus dieser Sicht als eine (von ihrer Quelle weit entfernte) Manifestation des ananda interpretieren.

http://www.yoga-vidya.de/Yoga–Artikel/EinfinVedanta…

Zitat:

"In der Sichtweise des Vedanta ist Brahman (das Absolute) das Einzige, was existiert. Vedanta gilt als Philosophie der Einheit, weil er behauptet: Es gibt nur eine allumfassende Wirklichkeit, nämlich Brahman. Alles ist Brahman, es gibt nichts anderes als Brahman. Und dieses unendliche Brahman, welches ungeteilt, ewig und unendlich ist, ist sat-chit-ananda.

Sat: Es ist reines Sein, das heißt, es ist nicht irgendwo, an einem bestimmten Ort, nicht hier oder dort, es ist einfach, es ist nicht größer oder kleiner, es ist einfach nur, ohne weiteres Attribut.

· Es ist aber nicht nur ein abstraktes, unbewusstes Sein, sondern es ist auch chit, Bewusstsein. Bewusstsein an sich. In diesem Bewusstsein ist natürlich auch alles Wissen enthalten.

· Und es ist ananda, reine unbegrenzte Wonne."

Zitat Ende.

Aus Wiki (erogene Zone):

„Die Klasse der spezifischen erogenen Zonen umfasst Haut- und Schleimhautbereiche, die eine hohe Dichte an Nervenenden besitzen, und Körperbereiche, die eine direkte Stimulation empfänglicher innerer Organe des Beckenbereiches zulassen. In der Regel geht von ihnen ein wesentlich stärkeres Gefühl als von den nicht spezifischen erogenen Zonen aus.“

Freuds Theorie im ganzen wurde von Schopenhauer und Nietzsche auch
nicht am Ansatz vorweggenommen.

Es ging hier allein um die „Tieferlegung“ der Subjektivität in
den Schopenhauerschen Willen bzw. in das Freudsche Es, ohne
damit mit dem subjektphilosophischen Ansatz als solchem zu
brechen.

Schopenhauer bediente sich Vorgaben aus der asiatischen Philosophie des Brahman/Atman, die meines Erachtens zu den Höchstleistungen des Philosophierens überhaupt zählt. Was ihn für Freud aber besonders interessant machte, war jene Passage bei Schopenhauer, die - das ist nicht gesichert - Freud zu seiner Theorie anregte:

http://www.textlog.de/freud-psychoanalyse-schopenhau…

Zitat:

„Dem allen entspricht die wichtige Rolle, welche das Geschlechtsverhältnis in der Menschenwelt spielt, also wo es eigentlich der unsichtbare Mittelpunkt alles Tuns und Treibens ist und trotz allen ihm übergeworfenen Schleiern überall hervorguckt. Es ist die Ursache des Krieges und der Zweck des Friedens, die Grundlage des Ernstes und das Ziel des Scherzes, die unerschöpfliche Quelle des Witzes, der Schlüssel zu allen Anspielungen und der Sinn aller geheimen Winke, aller unausgesprochenen Anträge und aller verstohlenen Blicke, das tägliche Dichten und Trachten der Jungen und oft auch der Alten, der stündliche Gedanke des Unkeuschen und die gegen seinen Willen stets wiederkehrende Träumerei des Keuschen, der allezeit bereite Stoff zum Scherz, eben nur weil ihm der tiefste Ernst zum Grunde liegt. Das aber ist das Pikante und der Spaß der Welt, daß die Hauptangelegenheit aller Menschen heimlich betrieben und ostensibel möglichst ignoriert wird. In der Tat aber sieht man dieselbe jeden Augenblick sich als den eigentlichen und erblichen Herrn der Welt aus eigener Machtvollkommenheit auf den angestammten Thron setzen und von dort herab mit höhnenden Blicken der Anstalten lachen, die man getroffen hat, sie zu bändigen, einzukerkern, wenigstens einzuschränken und wo möglich ganz verdeckt zu halten oder doch so zu bemeistern, daß sie nur als eine ganz untergeordnete Nebenangelegenheit des Lebens zum Vorschein komme. — Dies alles aber stimmt damit überein, daß der Geschlechtstrieb der Kern des Willens zum Leben, mithin die Konzentration alles Wollens ist; daher eben ich im Texte die Genitalien den Brennpunkt des Willens genannt habe.“

Es ging bei jener Parole ja nicht um Freiheit d u r c h Sex, sondern um Freiheit f ü r Sex.

Doch, diese Dimension „Freheit DURCH Sex“ gab es sehr wohl.
Allein so legendäre Buchtitel wie „Sexualität und
Klassenkampf“ zeugen davon :wink:

Schon klar, aber dass die soziale Befreiung von Sex(ualität) - also Tabuabschaffungen - auch die politische Mündigkeit fördern k a n n (nicht muss), steht sicher außer Frage. Insofern konnten beide Parolen nebeneinander stehen, da sie sich ergänzen. Dass der befreite Sex wiederum selbst einen neuen Götzen darstellt, steht ebenso außer Frage. Aber kulturelle Evolution verläuft nicht so geradlinig, wie sich die Theoretiker das früher vorstellten. Das kapitalistische System kann a l l e s vereinnahmen und instrumentalisieren.

Gruß

Horst

Würmer wie Soldaten…

eine Art
„Anti-Religions-Religion“

Du setzt zu meiner Erkenntnis, Freud hätte seine Psychoanalyse als Gegenmacht zu den Religionen konzipiert, noch eine erweiterte Erkenntnis hinzu. Ich glaube auch, dass die PA nicht nur eine Gegenmacht zu den Religionen ist, sondern zu einer Art eigener Religion wurde. Viele Künstler und Intellektuelle wurden zum Beispiel GLÄUBIGE dieser „Religion“.

Ich vermute, dass es an der Sprache, aber auch an dem Charisma von Sigmund Freud lag! Erstens war der junge Sigmund ein Lieblingskind seiner Eltern, der im Gegensatz zu seinen anderen Geschwistern immer nur lesen durfte, während die anderen im Haushalt mitzuhelfen hatten. Zweitens wirkte der junge Sigmund sozusagen „heilig“, wenn ich das mal so sagen darf, denn er sah nicht nur sehr gut aus als junger Mann, sondern hatte auch eine besondere Ausstrahlung, in der Art wie Albrecht Dürers „zweiter Christus“ (Selbstbildnis Dürers).

Da Freud jüdisch erzogen wurde, er selbst aber ein überzeugter Atheist war (wie Schopenhauer und Nietzsche), war das auch der Grund dafür, warum sein Lieblingsschüler, der Schweizer Psychiater Prof. C. G. Jung, sich von Freud trennte und seine eigene psychologische Schule gründete, wie auch Alfred Adler und andere ehemalige Schüler des Meisters.

Freud setzte bekanntlich in einer Phase seines Schaffens dem
Sexualtrieb den Lebenstrieb (Ich- und Selbsterhaltung)
entgegen, bevor er dann später im Begriff des Eros Sexual- und
Lebenstrieb vereint dem Todestrieb entgegensetzt.

Nun, wenn man nach Schopenhauer, Hegel und Nietzsche denkt, muss man Freud umdeuten. Danach kann man nicht von einem „Todestrieb“ sprechen, der dem Lebenstrieb entgegensteht, sondern von einer MACHTLOSIGKEIT des „Es“, das nicht mehr in der Lage ist, den WILLEN ZUR MACHT der Unsterblichkeit des Körpers länger aufrecht zu erhalten. Der Tod wäre also nach dieser Interpretation dem Lebenstrieb nicht entgegengesetzt, sondern der schwächer werdende Trieb zum (Über-) Leben, der im Tod endet, aber in der Fortpflanzung die Unsterblichkeit der ganzen Spezies sichert.

Freud scheint also um die Konzeptualisierung der Verbindung
von Sexual- und Lebenstrieb zeitlebens gerungen zu haben.

Nach meiner Interpretation ist der Sexualtrieb von uns Menschen im „Sex“ als Befreiung zur Lust derselbe Lebenstrieb, nur eben höher entwickelt (kultiviert bzw. politisiert, im Sinne von Horst).

Einheimische haben inzwischen die schwarzen Würmer vor einigen
Jahren aus Venezuela eingeschleppt, wo viele hier ihre
Verwandten haben und sie regelmäßig besuchen, dafür kommen
diese dann aus Venezuela wieder hierher.

Ein noch strammerer Rechter als ich würde dies zum Anlass für
einige Sarazzinische Reflektionen nehmen :wink:

Nun, ich gebe zu, dass nicht „ich“ die Würmer stundenlang einsammle, sondern meine „Isebill“, was ich ihr immer auszureden versuche, weil ich es geradezu für nutzlos halte. Denn je mehr Würmer sie einsammelt und im kochenden Wasser ertränkt, desto mehr habe ich über die Jahre hinweg den Eindruck, es werden immer mehr und mehr. Das ist ein Phänomen, worüber sich auch schon mein Stiefvater als Patent-Ingenieur und absoluter RATIONALIST gewundert hat, nämlich über die verblüffende Tatsache, dass nach einem Krieg, wo Hunderttausende und Millionen Soldaten starben und den Frauen die Männer zur Fortpflanzung fehlen, die Geburtenrate MÄNNLICHER Babys ansteigt, um wieder einen Ausgleich für den Verlust zu schaffen. Deshalb glaube ich, je mehr Würmer getötet werden, desto mehr scheint der Fortpflanzungstrieb geradezu herausgefordert. Das klingt wie ein Wunder, wäre aber im Sinne Schopenhauers und Hegels (beide zusammen!) zu erklären, wobei der Erstere die körperliche Intelligenz beschreibt und der Letztere die geistige Intelligenz, die meines Erachtens zusammengehören.

Es scheint, dass der „Wille zur Macht“ ohne
Fortpflanzungstrieb gar nicht denkbar ist

Darüber grüble ich, ungelogen, seit Jahren ergebnislos.
Die Frage zur Psychoanalyse aber wäre, ob die
Sexualität ohne Fortpflanzungstrieb denkbar ist, oder
sogar losgelöst davon gedacht werden MUSS. Dies würde ich
bejahen.

Ich glaube nicht losgelöst vom Fortpflanzungstrieb, sondern einfach höher entwickelt. Unter dieser Prämisse stimme ich deiner Bejahung voll zu.

Gruß
C.

Guten Abend!

Nun, wenn man nach Schopenhauer, Hegel und Nietzsche denkt,
muss man Freud umdeuten. Danach kann man nicht von einem
„Todestrieb“ sprechen, der dem Lebenstrieb entgegensteht,
sondern von einer MACHTLOSIGKEIT des „Es“, das nicht mehr in
der Lage ist, den WILLEN ZUR MACHT der Unsterblichkeit des
Körpers länger aufrecht zu erhalten. Der Tod wäre also nach
dieser Interpretation dem Lebenstrieb nicht entgegengesetzt,
sondern der schwächer werdende Trieb zum (Über-) Leben, der im
Tod endet, aber in der Fortpflanzung die Unsterblichkeit der
ganzen Spezies sichert.

Wir müssten zunächst das Konzept des „Willens zur Macht“ diskutieren, da du dieses -für meinen Geschmack- viel zu sehr als Fortpflanzungstrieb, bestenfalls als „Willen zum Leben“ verwendest.

Wenn man dagegen sieht, wie sehr das Es alle Formen der Macht bejaht, sich dabei jederzeit jenseits von Gut und Böse befindend, dann halte ich es nicht für machtlos. Ganz im Gegenteil.

Nochwas: der Todestrieb ist alles andere als eine Schwächung des Triebs. Er ist die höchste Steigerung des Triebs. Aller Trieb ist zum Tode.

Das ist ein Phänomen,
worüber sich auch schon mein Stiefvater als Patent-Ingenieur
und absoluter RATIONALIST gewundert hat, nämlich über die
verblüffende Tatsache, dass nach einem Krieg, wo
Hunderttausende und Millionen Soldaten starben und den Frauen
die Männer zur Fortpflanzung fehlen, die Geburtenrate
MÄNNLICHER Babys ansteigt, um wieder einen Ausgleich für den
Verlust zu schaffen.

Die finalistische Erklärung („um“) klingt mir doch arg mystisch.
Da lob ich mir die vielen Weil-Erklärungsversuche dieses Phänomens :wink:

Deshalb glaube ich, je mehr Würmer
getötet werden, desto mehr scheint der Fortpflanzungstrieb
geradezu herausgefordert. Das klingt wie ein Wunder, wäre aber
im Sinne Schopenhauers und Hegels (beide zusammen!) zu
erklären, wobei der Erstere die körperliche Intelligenz
beschreibt und der Letztere die geistige Intelligenz, die
meines Erachtens zusammengehören.

Hier fehlt mir die nötige Bildung. Wie würde Schopenhauer, und wie würde Hegel dieses Phänomen mit den Würmern denn erklären?

E.T.

Sexualitätstheorie
Guten Abend!

Sexualität ohne erogene Zonen - das ist sicher nur unter
bestimmten Drogen möglich

Die ursprüngliche Frage war, ob die Erogenität von Körperzonen tatsächlich biologisch vorgegeben ist (dann würde ich in der Tat von einer biologischen Fundierung menschlicher Sexualität sprechen), oder ob die Erogenität einer Körperzone letzten Endes Folge bestimmter Aktivierungen und Erinnerungsspuren ist, die UNAUFLÖSBAR biologischer UND kultureller Natur sind.

Dass der befreite Sex wiederum selbst einen
neuen Götzen darstellt, steht ebenso außer Frage.

Mir ging es bei meinem Naivitäts-Vorwurf weniger um eine Vergötzung des befreiten Sexes als vielmehr um die fragwürdigen Grundannahmen, die hinter der Forderung nach der „Befreiung des Sexes“ stehen müssen. Und da sind zumindest zwei sehr fragwürdige:

  1. Der Sex ist unterdrückt, aber es kann ihn unabhängig von seiner Unterdrückung geben. Deshalb ist er befreibar. Die Befreiung zerstört ihn nicht, sondern bringt ihn zu voller Blüte.
  2. Der Sex ist seiner Natur nach gut. Deshalb darf, kann und muss er befreit werden.

E.T.

Wilhelm Reich
Hi E.T.

Die ursprüngliche Frage war, ob die Erogenität von Körperzonen
tatsächlich biologisch vorgegeben ist (dann würde ich in der
Tat von einer biologischen Fundierung menschlicher Sexualität
sprechen), oder ob die Erogenität einer Körperzone letzten
Endes Folge bestimmter Aktivierungen und Erinnerungsspuren
ist, die UNAUFLÖSBAR biologischer UND kultureller Natur sind.

Ja, ich kenne diese Thesen, nach denen das Sexuelle auch ein Produkt kultureller Strukturierung bzw. Diskurse sei. Dagegen spricht ja auch nichts, wenn man es nicht übertreibt. Ich zitierte schon eine Passage, die über den überdurchschnittlich hohen Anteil an Nervenenden im Bereich der erogenen Zonen informiert. Dieses biologische Vorgabe ist nichts Zufälliges, diese Bereiche sind als Lustquellen prädeterminiert. Ihre partielle soziale Tabuisierung (Bedeckungsgebot in der Öffentlichkeit) hängt einerseits mit ihrer Identität mit den Ausscheidungsorganen zusammen, hat aber auch darüber hinausgehende ästhetische und weitere Gründe. Genau diese Tabuisierung ist natürlich ein Effekt, der die Erogenität potenziert, da das Verbotene nun einmal besser schmeckt als das Erlaubte („Kirschen in Nachbars Garten“). Das gehört dann zum kulturellen Faktor, den du ansprichst.

Mir ging es bei meinem Naivitäts-Vorwurf weniger um eine
Vergötzung des befreiten Sexes als vielmehr um die
fragwürdigen Grundannahmen, die hinter der Forderung nach der
„Befreiung des Sexes“ stehen müssen. Und da sind zumindest
zwei sehr fragwürdige:

  1. Der Sex ist unterdrückt, aber es kann ihn unabhängig von
    seiner Unterdrückung geben. Deshalb ist er befreibar. Die
    Befreiung zerstört ihn nicht, sondern bringt ihn zu voller
    Blüte.
  2. Der Sex ist seiner Natur nach gut. Deshalb darf, kann und
    muss er befreit werden.

Wilhelm Reich gilt als offizieller Vater der „sexuellen Revolution“, daher hier ein Zitat aus Wiki/Sexuelle Revolution über seine Thesen zu dem Thema:

"Nach Reichs Auffassung bringen Doppelmoral und Unterdrückung der vitalen sexuellen Triebe Persönlichkeitsdeformationen mit sich und führen so zu Aggression und Frustration. Diese werden jedoch verdrängt und müssen sich, so Reich, oft ein Ventil in der Lust an Herrschaft und Hierarchie schaffen.

Nach Reichs Auffassung brächte eine Befreiung der Sexualität eine friedliche Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen mit sich: Menschen, die in befriedigenden Zusammenhängen lebten, ließen sich nicht oder nur schwer in Herrschaftsstrukturen einbinden oder für gewaltsame Aktionen mobilisieren.

Des Weiteren lähme die Unterdrückung der Sexualität die kreativen Potenziale der einzelnen Personen und stütze so das kapitalistische System, in dem die einzelnen strukturell ihrer Unterdrückung nichts oder wenig entgegensetzen können."

Zitat Ende.

Dagegen spricht eigentlich nicht viel. Dass der Kapitalismus, wie gesagt, den Sex instrumentalisiert, ist ein Effekt, den Reich vielleicht nicht voraussah, der aber seinen Thesen grundsätzlich nicht widerlegt, nur relativiert. Zusätzlich nämlich, meine ich, muss nicht nur Sex(ualität) befreit werden, sondern auch das „Bewusstsein“. Und zwar nicht im marxistischen Sinne, sondern im spirituellen. Also leidet die sexuelle Revolution darunter, dass sie zwar Hand in Hand ging mit einer spirituellen Revolution in den 60s, vom System aber aufgesaugt und instrumentalisiert wurde.

Aber kulturelle Entwicklung ist nicht eine Sache von ein paar Jahrzehnten. Wir können nicht wissen, wie das alles in ein oder zwei Jahrhunderten usw. ausschaut.

Gruß

Horst

Wir müssten zunächst das Konzept des „Willens zur Macht“
diskutieren, da du dieses -für meinen Geschmack- viel zu sehr
als Fortpflanzungstrieb, bestenfalls als „Willen zum Leben“
verwendest.

Ich verwende den „Willen zur Macht“ nicht nur auf den Fortpflanzungstrieb reduziert, sondern im Sinne Hegels, bei dem das Ziel darin liegt, dass sich der „Weltgeist“ durch die ganze Evolution hindurch selbst erkennt. Das ist auch das Konzept des amerikanischen Philosophen Ken Wilber, der die Erkenntnisse der östlichen Philosophie mit denen der westlichen verbindet, im typisch amerikanischen Pragmatismus, den Ken Wilber so auf den Punkt bringt: „Ganzheitlich handeln“.

Wenn man dagegen sieht, wie sehr das Es alle Formen der Macht
bejaht, sich dabei jederzeit jenseits von Gut und Böse
befindend, dann halte ich es nicht für machtlos. Ganz im
Gegenteil.

Machtlos im Sinne der „irdischen“ Unsterblichkeit meinte ich. Dass das „Es“ in allen Formen die Macht BEJAHT, das meine ich auch, da sind wir konform. Ich gehe aber noch weiter als Nietzsche mit seiner Proklamation „Jenseits von Gut und Böse“, indem ich auch Ethik und Moral in den Willen zur Macht einschließe, allerdings durch ein höheres Bewusstsein.

…der Todestrieb ist alles andere als eine Schwächung
des Triebs. Er ist die höchste Steigerung des Triebs. Aller
Trieb ist zum Tode.

Ich behaupte: Aller Trieb ist der Wille zur Macht in Bezug auf das Leben. Leben heißt in jeder Phase des Seins und Werdens, den Tod zu überwinden, darauf zielen alle nützlichen Erfindungen der ganzen Menschheitsgeschichte!

Die finalistische Erklärung („um“) klingt mir doch arg
mystisch.
Da lob ich mir die vielen Weil-Erklärungsversuche dieses
Phänomens :wink:

Einverstanden!

Deshalb glaube ich, je mehr Würmer
getötet werden, desto mehr scheint der Fortpflanzungstrieb
geradezu herausgefordert. Das klingt wie ein Wunder, wäre aber
im Sinne Schopenhauers und Hegels (beide zusammen!) zu
erklären, wobei der Erstere die körperliche Intelligenz
beschreibt und der Letztere die geistige Intelligenz, die
meines Erachtens zusammengehören.

Hier fehlt mir die nötige Bildung. Wie würde Schopenhauer, und
wie würde Hegel dieses Phänomen mit den Würmern denn erklären?

Schopenhauer würde vermutlich das Leben eines Wurms bedauern sowie seine UNVERNUNFT, ständig für Fortpflanzung zu sorgen, Schopenhauer rät ja auch allen Menschen, auf die Fortpflanzung zu verzichten, denn das Leben bestünde im Endeffekt überwiegend aus Sorgen und Leid und in keinster Weise wäre das den ganzen Aufwand wert. Hier denkt Arthur Schopenhauer genauso wie die östliche Philosophie des Buddhismus oder Vedanta.

Hegel dagegen würde vermutlich sagen: Die Würmer sind UNVERNÜNFTIG, weil sie sich noch auf einer verhältnismäßig niedrigen Evolutionsstufe befinden. Und Nietzsche klärt uns darüber auf: „…ohne Hegel kein Darwin.“

Gruß
C.

Guten Tag!

Ich verwende den „Willen zur Macht“ nicht nur auf den
Fortpflanzungstrieb reduziert, sondern im Sinne Hegels, bei
dem das Ziel darin liegt, dass sich der „Weltgeist“ durch die
ganze Evolution hindurch selbst erkennt.

Magst du die Begriffe „Wille zur Macht“ (Nietzsche) und „Selbstbewusstwerdung des Weltgeist“ (Hegel) wenigstens ansatzweise miteinander vermitteln, wenn du den WzM schon im Sinne Hegels verstanden haben willst. Ich verstehe den WzM ja schon im Sinne Nietzsches kaum oder gar nicht :wink:

Dass das „Es“ in allen Formen die Macht BEJAHT, das meine ich
auch, da sind wir konform. Ich gehe aber noch weiter als
Nietzsche mit seiner Proklamation „Jenseits von Gut und Böse“,
indem ich auch Ethik und Moral in den Willen zur Macht
einschließe, allerdings durch ein höheres Bewusstsein.

Diesen Einschluss der Moral nimmt Nietzsche doch selbst bereits vor, wenn er etwa die Sklavenmoral der Priester als eine Form beschreibt, in der der vom Priester verabscheute Wille zur Macht sich dann doch wieder durchsetzt. Und sei es als Wille zur Ohn-Macht.

…der Todestrieb ist alles andere als eine Schwächung
des Triebs. Er ist die höchste Steigerung des Triebs. Aller
Trieb ist zum Tode.

Ich behaupte: Aller Trieb ist der Wille zur Macht in Bezug auf
das Leben. Leben heißt in jeder Phase des Seins und Werdens,
den Tod zu überwinden, darauf zielen alle nützlichen
Erfindungen der ganzen Menschheitsgeschichte!

Sprechen wir jetzt vom „Willen zur Macht“ oder vom "Willen zur Macht in Bezug auf das Leben?
Letzteres scheint mir mehr Schopenhauer geschuldet als Nietzsche.
Ich bleibe dabei, dass du offenbar (implizit) den Willen zur Macht auf einen Willen zum Leben verkürzt.

E.T.

Guten Tag!

Ja, ich kenne diese Thesen, nach denen das Sexuelle auch ein
Produkt kultureller Strukturierung bzw. Diskurse sei. Dagegen
spricht ja auch nichts, wenn man es nicht übertreibt.

Dieser Gedanke an das rechte Maß („übertreiben“) ist mir zu Aristotelisch. Lassen wir das :wink:

Ich
zitierte schon eine Passage, die über den überdurchschnittlich
hohen Anteil an Nervenenden im Bereich der erogenen Zonen
informiert. Dieses biologische Vorgabe ist nichts Zufälliges,
diese Bereiche sind als Lustquellen prädeterminiert.

Recht so, diskutieren wir es anschaulich anstatt philosophisch:

Person A ist genital durchschnittlich reizbar (das Genital als eine Körperzone mit vielen Nervenendigungen; sicherlich aus sich selbst heraus reizbarer als normale Hautoberfläche).
Person B ist genital überaus reizbar bei vaginaler Stimulation seines Genitals, dagegen gar nicht bei oraler Stimulation.
Person C ist genital durchschnittlich reizbar, ist aber durch Schläge auf sein Hinterteil (eine Körperzone ohne sonderliche Reizbarkeit aus sich selbst heraus) weit stärker reizbar.

Das sind drei Typen, wie sie bestimmt häufig anzutreffen sind. Keine Monstrositäten, keine Idealtypen, keine ad hoc konstruierten Typen.

Was nun?
Kommt bei A einfach so die normale biologische Gegebenheit direkt zum Ausdruck? Ist er der „Gesunde“? Derjenige, bei dem es nichts zu erklären gäbe?
Ist bei B aus kulturellen Gründen (sagen wir, er ist ein Viktorianer) ein Teil seiner Reizbarkeit sekundär gehemmt, ein anderer ins Übernormale gesteigert?
Ist bei C ein rein lebensgeschichtlicher Einfluss zu erkennen (sagen wir der Einfachkeit halber, es wären frühkindliche Gewalterlebnisse), der den biologischen Anlagen überstülpt wäre? Usw.
Diese Erklärungsmuster sind ja bekannt. Die Einwände, die sie unweigerlich hervorrufen, ebenfalls.

Die Alternative zu allen drei Erklärungsmustern ist die These, dass Biologie und Kultur bzw. Lebensgeschichte unentwirrbar verbunden sind (also ohne dass man von primär und sekundär sprechen könnte), so dass man die Erogenität von Körperzonen stets nur in Relation zur Lebensgeschichte und zur ihn umgebenden Kultur eines Menschen konzipieren kann - ohne dass damit der biologische Anteil daran geleugnet wäre. Dieser ist jedoch für die Erkenntnis eben so irrelevant geworden, wie die Gebürtigkeit irrelevant für das menschliche Sein ist, nämlich ins Äußerste relevant, und gerade deshalb irrelevant.

Nach Reichs Auffassung brächte eine Befreiung der Sexualität
eine friedliche Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen
mit sich: Menschen, die in befriedigenden Zusammenhängen
lebten, ließen sich nicht oder nur schwer in
Herrschaftsstrukturen einbinden oder für gewaltsame Aktionen
mobilisieren.

Dagegen spricht eigentlich nicht viel.

Doch, dagegen spricht zum Beispiel Freud und mit ihm viele andere Autoren der Psychoanalyse, die beispielsweise den Todestrieb ernster nehmen als Reich.

Dass der Kapitalismus,
wie gesagt, den Sex instrumentalisiert, ist ein Effekt, den
Reich vielleicht nicht voraussah, der aber seinen Thesen
grundsätzlich nicht widerlegt, nur relativiert.

Mir ging es aber um die problematische Voraussetzung, dass der Sex aus sich heraus „gut“ sei.
Dass der Sex von außen „schlecht“ oder „böse“ gemacht werden kann, darüber besteht kein Dissens zwischen uns.

Also leidet die
sexuelle Revolution darunter, dass sie zwar Hand in Hand ging
mit einer spirituellen Revolution in den 60s, vom System aber
aufgesaugt und instrumentalisiert wurde.

Das sehe ich grundsätzlich -und völlig- anders.
Hier müsste ich weiter ausholen und erspare mir die Begründung deshalb.

E.T.

Hi,

Ich bleibe dabei, dass du offenbar (implizit) den Willen zur
Macht auf einen Willen zum Leben verkürzt.

Für was wäre Macht denn sonst nützlich außer „nur“ zum Leben? Könnte je irgendetwas außerhalb des Lebens sein? Könnte je der Wille zur Macht dem Leben gegenüber „verkürzt“ sein, außer einem dogmatischen „Begriffsgespinst“ (Nietzsche), das seinerseits Macht beansprucht? Auch der Wille zum Wissen, z. B. nach Michel Foucault, ist ja der Wille zur Macht.

Dass Nietzsche die Sklaven-Moral von der Herren-Moral unterscheidet, ist eine große Erkenntnis, bleibt jedoch leider unterhalb von Sokrates und Platon zurück. Deshalb hat Nietzsche einerseits Sokrates und Platon als Vorbilder bewundert, andererseits als gläubiger Atheist rigoros verachtet.

Wenn man Nietzsche mit Hegel verbinden will, ist das nur im Sinne eines umfassenden Ganzheitskonzepts möglich, indem der blinde und unbewusste Lebenstrieb sich als Wille zur Macht in ein höheres Bewusstsein evolviert.

Gruß
C.

Guten Abend!

Ich bleibe dabei, dass du offenbar (implizit) den Willen zur
Macht auf einen Willen zum Leben verkürzt.

Für was wäre Macht denn sonst nützlich außer „nur“ zum Leben?

Sagt Nietzsche denn irgendwo, dass (der Wille zur) Macht einen NUTZEN haben müsse?

E.T.