Gier und Bigotterie
Guten morgen,
vorab: ich bin für Kritik an der Finanzbranche durchaus zu haben und habe hier in den letzten Jahren damit auch selber nicht gespart.
Was Du aber hier bemängelst, ist - wenn man mal neutral an die Sache herangeht - schon ein bißchen an den Haaren herbeigezogen und Auswuchs des allgemeinen Bankenbashings.
Was du sagst, das gilt für die Versionen 1+2 von Kompass life.
Bei Kompass 3 jedoch wurde es den Gierbankern zu langweilig,
mit anonymen Versicherungspaketen zu handeln, also wurde ein
feststehender Personenkreis von 500 leuten bestimmt, und die
Anleger kassierten, wenn diese Leute früh starben.
Auch wenn der Anleger ein Zertifkat kauft, liegt dahinter mit fast absoluter Wahrscheinlichkeit irgendwo ein Bündel mit Lebensversicherungen - und wenn man es über drei Zweckgesellschaften und zwei Jurisdiktionen hinweg suchen muß.
Emittenten sichern Zertifikate durchweg mit Instrumenten ab, die den versprochenen Renditeverlauf abbilden bzw. erzeugen sollen. Ein ungedecktes Risiko von einigen hundert Millionen Euro geht auch die Deutsche Bank nicht ein. Wie die Absicherung aussieht, weiß ich nicht und ohne den Verkaufsprospekt dieses Papiers zu kennen, kann ich in der Hinsicht keine halbwegs fundierten Mutmaßungen anstellen.
Die Strukturierer sind da ziemlich kreativ und für den Anleger ist es - auch anhand des Emissionsprospektes - oft nicht nachvollziehbar, was da zusammengeschraubt wurde. Zertifikate werden im Normalfall so aufgesetzt, daß ein 100%-iger Risikotransfer von einer Anlageform auf die Anleger stattfindet (oder zumindest erhofft wird) - und zwar ohne, daß bei der Bank Risiken hängenbleiben. Dies allein schon, damit die zwischengeschaltete Zweckgesellschaft nicht zur Tochtergesellschaft wird.
Es ist somit praktisch auszuschließen, daß die Deutsche Bank dieses Zertifikat ohne irgendeine Absicherung über Lebensversicherungen (direkt oder indirekt) verkauft hat.
Ein Finanzprodukt, dass jedoch nur dann lukrativ ist, wenn
Menschen FRÜHER sterben, als die Natur, der Schöpfer oder
sonstwas es vorausbestimmt hat, das halte ich allein moralisch
schon für sehr bedenklich!
Es unterstreicht erneut die grenzenlose Gier dieser Branche!
Die Papiere wurden an Privatanleger verkauft - wie auch andere Papiere dieser Art. Ganz groß dabei waren u.a. auch die Sparkassen. Stellt sich also die Frage, wer hier eigentlich gierig war: die Privatkunden, die sich eine geile Rendite versprachen, oder die Strukturierer, die mit der Befriedigung der Nachfrage Geld verdienen.
Anders formuliert: machst Du auch die Waffenhersteller dafür verantwortlich, wenn in einer Seitengasse jemand für eine Handvoll Euros erschossen wird?
Klar, er produziert das Mittel zum Zweck und man kann über den moralischen Wert eines solchen Anbieters diskutieren aber Täter ist der Endkunde - wie bei den Papieren auch.
Die ganze Berichterstattung trieft vor Bigotterie und ist vor allem zielorientiert: die Banken sind böse und gierig. Die zigtausend Privatanleger, die die Papiere in der Hoffnung auf überdurchschnittliche Rendite gekauft haben, werden einfach ausgeblendet.
Diese Art der Diskussion ist allerdings nicht nur plump und unsachlich, sondern auch noch kontraproduktiv. Es gibt genug am Gebaren der Branche zu kritisieren. Dafür muß man sich aber erst einmal in die Materie einarbeiten und dafür fehlen Kritikern und Journalisten Fachwissen und Informationen - und die Bereitschaft, den richtigen Leuten die richtigen Fragen zu stellen.
Gruß
C.