Hallo Peter,
Allerdings bleibt die Kernaussage bestehen, auch wenn ich das
vielleicht etwas überplakativ und daher in der
religionspolitsch inkorrekten Form getan habe. Hast du auch
Anmerkungen zur wesentlichen Aussage des Waschvorganges?
zunächst einmal die, dass diese Metapher eben auf die buddhistische Lehre nicht anwendbar ist, und wenn man sie noch so sehr strapaziert. Wenn es eine Seele oder sonst einen ‚Persönlichkeitskern‘, ein beständiges ‚Ich‘ nicht gibt, was soll dann ‚gewaschen‘ werden, auf was ist dann der Begriff ‚Reinheit‘ anwendbar?
Eine generelle Anmerkung - wenn man einen Hammer hat, scheint einem alles wie ein Nagel auszusehen. Wenn man eine gewisse Kenntnis vom Christentum hat, dann neigt man dazu, andere Religionen wie den Buddhismus zunächst einmal als etwas Analoges aufzufassen - als eine Art Christentum mit anderen Glaubensinshalten. Daraus entstehen dann die krassesten Missverständnisse. Erst bei näherer Kenntnis kann man feststellen, dass die Paradigmata z.T. doch so stark voneinander abweichen, dass man in Hinsicht auf z.B. den Buddhismus nur bedingt von einer ‚Religion‘ im klassischen (vorwissenschaftlichen) westlichen Verständnis sprechen kann - ebenso nur bedingt zutreffend wäre die Bezeichnung ‚Philosophie‘ oder ‚Weltanschauung‘, da sie die praktischen (‚yogischen‘) Aspekte negiert. Begriffe wie ‚Glaubensreligion‘ einerseits und ‚Erfahrungsreligion‘ oder ‚atheistische Religion‘ andererseits treffen da nur Einzelaspekte und verschleiern eher die Unterschiede, als dass sie sie erklären.
Eines dieser krassen Missverständnisse wäre etwa das, im buddhistischen(!) Konzept karma eine Variante des christlichen Schuldbegriffes zu sehen (das träfe allenfalls sehr entfernt auf den hinduistischen Karmabegriff zu). Es gibt keinen Schuldner, und erst recht keinen Gläubiger, der Schuld einfordern oder vergeben könnte. Nach buddhistischer Auffassung ist karma nicht eine Art ‚Schuldenkonto‘, das abgetragen werden muss (‚Reinwaschung‘), sondern immer die aus einem Willen (cetana) heraus bedingte und verursachte Handlung - im weiteren Sinne auch (zusätzlich) die damit geschaffene Situation (korrekt eigentlich phala, ‚Frucht‘). Durch buddhistische Praxis wird nun kein karma ‚aufgelöst‘ (dieser Begriff ist auf ‚karma‘ nach buddhistischem Verständnis schlicht nicht anwendbar), sondern karma wird verändert - und zwar durch Dekonditionierung eingefahrener Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster. Man spricht in diesem Zusammenhang von heilsamen und unheilsamen Gegebenheiten (kusaladharma und akusaladharma). Die (soteriologische) ‚Heilsamkeit‘, um die es hier geht, ist die Eignung, Bedingungen zur Befreiung (moksha) bzw. zum Erwachen (bodhi) zu schaffen. Das Erwachen (häufig unpräzise mit ‚Erleuchtung‘ wiedergegeben) ist nichts als restlose Überwindung aller Konditionierungen. Die Kultivierung von kusaladharma ist auch das Fundament buddhistischer Ethik (sila) und buddhistischer ethischer Verhaltensnormen (sikkhapada, ‚Schritte der Übung‘). Zwar gibt es ‚Gelöbnisse‘, die den jüdisch/christlichen ‚Geboten‘ inhaltlich vergleichbar sind, doch sind diese nicht transzendent begründet (‚gegeben‘) sondern zum einen Ausdruck einer Zweckethik (sie dienen der Dekonditionierung) und zum anderen werden sie als Ausdrucksform der wahren, unverzerrten und unkonditionierten Natur angesehen (eben deswegen sind sie wirksam).
Auf diese Dekonditionierung ließe sich zur Not noch Deine Metapher vom ‚Waschvorgang‘ anwenden, wenn nicht das Handeln, sondern ein Handelnder dekonditioniert würde. Eben dies ist aber nicht der Fall. „Es gibt die Tat, doch nicht den Täter“ heisst ein oft zitierter Satz des Dhammapada. Es gibt keinen Handelnden ‚hinter‘ dem Handeln, keinen Denkenden ‚hinter‘ dem Denken, keinen Wahrnehmenden ‚hinter‘ der Wahrnehmung - das, was wir als pudgala, als empirische Person wahrnehmen, ist identisch mit dem Handeln, Denken, Wahrnehmen usw. und erschöpft sich darin. Das ist in nuce die buddhistische skandha-Lehre.
Zum Handeln einen Handelnden zu postulieren - eben dies ist eine der oben angesprochenen Konditionierungen (klesha), ein eingefahrenes Denkmuster, das eine leidhafte Wirklichkeit erzeugt.
Freundliche Grüße,
Ralf