Behinderung? Nein, danke

Der Deutsche ist gut, sehr gut. Er erzielt im internationalen Vergleich bei sämtlichen Kategorien (Sport, Entwicklung, Technik) Höchstleistungen. In einem Bereich stellt er sich allerdings noch immer recht ungeschickt an. Zwar werden wir (Behinderte) nicht mehr vergast (wie bei Adolf), ein Klotz am Bein stellen wir für die spießigen Deutschen aber immer noch dar. Jetzt bin ich auch noch „nicht so richtig“ behindert. Ich gehe und spreche wie ein Besoffener. Nahezu aus jedem Geschäft werde ich rausgeschmissen. Da ich aber schon knapp 14 Jahre eingeschränkt bin, habe ich mich an die abwertenden Kommentare und verachtenden Blicke meiner Mitmenschen gewöhnt.
Über etwas Solidarität währe ich nicht verärgert (!).

Hallo,
eine sehr gute Freundin von mir ist taub und deshalb spricht sie „seltsam“. Sie wird sehr oft deswegen diskriminiert, als „doof“ angeguckt und behandelt, als sei sie geistig behindert, was sie nicht ist. Ich habe oft ihre Frustration mit erlebt und glaube deshalb, das, was du schilderst, zu verstehen.
Nur: meine Freundin lebt nicht in Deutschland. Das Unverständnis, mit dem sie zu kämpfen hat, begegnet ihr nicht hier.

Was ich sagen will: ja, was du beschreibst, ist sicher schrecklich. Aber man kann es nicht an einem Land festmachen und in vielen Dingen ist man in Deutschland bei der Akzeptanz von Menschen, die anders sind, weiter als in anderen Ländern (noch nicht weit genug, das ist klar).

Gruß
Elke

Hallo Thorsten.
Nein, aus einem Geschäft bin ich noch nicht rausgeflogen. Seit frühester Jugend trage ich Brillen und bin von der Seite her geprägt. Vor etwa 20 Jahren begann dann meine richtige Sehbehinderung.
Wenn ich heute mal alleine unterwegs sein sollte, gebe ich mich als solcher zu erkennen, in dem ich mit meinem Stock gehe oder das entsprechende Abzeichen trage.
Doch habe ich, für mich, auch schon sehr peinliche und zwielichtige Situationen erlebt. Im Lokal z.B. der Gang zur Toilette. Nun stehe ich vor einer Tür. Ist das nun ein Hahn oder eine Henne als Türschild. Und schon kam eine Frau raus und machte ich als Spanner zur Minna.
Das hat mich geprägt. Seit dem gebe ich mich zu erkennen. Gerade nachts habe ich sehr massive Probleme. Kommste aus dem Lokal, stolperst über die Bordsteinkante weil man es nicht sieht heißt es gleich der ist besoffen.
Sowas kenne ich auch zur Genüge.
Verständnis. Rein optisch ist halt bei den Leute der Behinderte im Rollstuhl und vielleicht noch der Blinde mit dem Hund. Alles andere „zählt“ bei den Leuten anscheinend nicht.
Bist du eigentlich in einem Behindertenverein oder beim VDK? Gibt es da nicht auch solche Clips ähnlich wie bei den Taubstummen? Ich denke wenn man sich gleich zu erkennen gibt, ist das Verständnis etwas größer.
MfG
Hans13

hallo hans

vielen dank für deinen kommentar.
nein, in irgend einem verein bin ich nicht. seitdem sie die rauswürfe allerdings häufen, trage ich meinen BA gut sichtbar an einem band um den hals

thorsten

hallo elke

ich will bestimmt nicht mein geburtsland schlecht machen (da bin ich viel zu stolz zu). was ich erzählt habe, beruht echt auf erfahrung. ich habe schon einige länder bereist, aber in keinem habe ich solche schwierigkeiten, wie in deutschland (ich gehöre selbst zu einer randgruppe, denkst du, da würde ich ein land ungerecht negativ kritisieren)

thorsten

Unkenntnis
Hallo Thorsten,

ich kann deine Frustration verstehen. Mir ist aber auch klar, woher die massive Ablehnung kommt.

Der normale Bürger sieht in dir keinen Behinderten. Er sieht einen betrunkenen Mann, der am hellichsten Tag durch die Einkaufszentren torkelt. Was kommt als Nächstes? Wird dieser betrunkene Mann andere Kunden belästigen? wird er randalieren?
Betrunkene werden in den Bevölkerung in Abhängigkeit von Ort und Zeitpunkt nur in eingeschränktem Maße toleriert. Auf dem Abends auf dem Volksfest oder Nachts in der Kneipe, aber Tagsüber in der Öffentlichkeit?

Wie es in anderen Ländern damit umgegangen wird, kann ich nicht beurteilen. Ich vermute, es hängt wiederum von Ort und Zeit ab. In einem Urlaubsort könnte es anders angesehen werden, als in einer Innenstadt. In Spanien vielleicht anders, als in Marokko.

Die Ursache für das Problem ist Unkenntnis. Der durchschnittliche Bürger weiß nicht, dass unsicherer Gang und Sprache durch eine neurologische Erkrankung bedingt sein kann. Ich erinnere mich daran, wie vor einigen Jahren im Fernsehen in Berichten das Tourette-Syndrom beschrieben wurde. Dadurch entstand in der Bevölkerung überhaupt erst Verständnis für diese schwere Krankheit.

Genau das ist der Punkt. Solange du nicht als behinderter Mensch zu erkennen bist, wirst du falsch eingeschätzt.
Was würde Helfen:

  • Fernsehberichte über deine Erkrankung
  • Zeitungsberichte über deine Erkrankung
  • Gespräche mit den Menschen.
    Was besseres fällt mir im Moment nicht ein.

Gruß
Carlos

Hallo,
darf ich fragen, ob du in den anderen Ländern im Urlaub warst?
An typischen Urlaubsstätten, dort, wo mit Touristen gerechnet wird, geht man wahrscheinlich zumindest vordergründig toleranter mit „Betrunkenen“ um (ich stimme dem, was Carlos geschrieben hat, nämlich zu: wenn du nicht als Behinderter, sondern als Betrunkener angesehen wirst, ist die Reaktion doch zum Teil verständlich).
Außerdem schreibst du, dass sich das negative Verhalten in letzter Zeit häuft. Ist dein Verhalten vielleicht auffälliger geworden?

Nachwievor sprechen meine Erfahrungen dafür, dass in Deutschland die generelle Behandlung von Behinderten eher positiver ist, als in den Ländern, in denen ich gelebt habe.
Ein Bekannter von mir erlitt einen Schlaganfall in Saudi Arabien. Er bekam bei drei (!) Krankenhäusern die Behandlung verweigert, weil man Betrunkene nicht aufnehme, erst als das letzte Krankenhaus die Polizei rief (Trunkenheit ist in Saudi strafbar) kam es zu einer solchen Szene, dass ein höhergestellter Arzt hinzukam, der schließlich die richtigen SChlüsse zog und meinen Bekannten behandelte.

Gruß
Elke

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Und du meinst, dass ist in allen anderen Ländern dieser Erde anders…?

Hi,
hast Du, was man im Englischen cerebral palsy nennt? Ich kenne den deutschen Begriff nicht.

Carlos (‚Unkenntis‘) hat recht - wenn etwas öffentlich zum Thema gemacht wird, in Fernseh- oder Zeitungsreportage, gerät es in das öffentliche Bewusstsein, und die Öffentlichkeit (jedenfalls diejenigen, die die Reportage mitgekriegt haben) reagieren anders, weil nicht mehr unwissend.

Nur, was machst Du konkret, jetzt?
Es kommt dir vielleicht albern vor, aber hast Du Dir schon mal überlegt, Dir irgendein kleines laminiertes Schild um den Hals zu hängen, worauf sinngemäss so etwas steht wie ‚Ich habe Cerebral Palsy / spastische Lähmung /…‘, wie auch immer?

Mir will nichts besseres einfallen, sorry!

lg, isabel

Verzeihung, eben gerade hab ich deine Antwort

nein, in irgend einem verein bin ich nicht. seitdem sie die rauswürfe allerdings häufen, trage ich meinen BA gut sichtbar an einem band um den hals

gelesen…

Wenn das nicht reicht, weiss ich auch nicht weiter. Sehr frustrierend.

gruss, isabel

Hallo Thorsten,

ich kann Dich sehr gut verstehen. Ich selbst bin auch behindert und werde öfters von Menschen dumm angemacht.

Bad Arolsen kann ich als Wohnort sehr empfehlen. Dort gibt es diverse Einrichtungen für Behinderte. Deshalb sind die Menschen den Anblick von behinderten Menschen gewöhnt. Ich hatte es dort viel leichter, als z. B. hier im Saarland.

Grüße, meyerbaer.

Ich bin Schwerbehindertenbetreuer und der Mann den ich meistens betreue ist Spastiker. Er kann sich nur mit seinem Elektrorollstuhl selbständig fortbewegen und nur mit der linken Hand leichte Gegenstände greifen.
Von seiner Behinderung sind auch die Sprechmuskeln betroffen weshalb er sehr langsam und undeutlich spricht. Wenn wir zusammen in einem Geschäft sind, sind die Verkäufer in der Regel sehr freundlich. Manche sind aber auch unsicher. Manchmal kommt es vor, dass er Jemanden anspricht und derjenige dann sofort mich anguckt. So als würde er denken er hätte es mit einem geistig Behinderten zu tun. Er redet dann aber trotzdem weiter und versucht verständlich zu machen was er möchte. Nur wenn sein Gegenüber ihn absolut nicht versteht, bittet er mich es für ihn zu sagen.
Die Reaktionen auf ihn sind sehr unterschiedlich, aber Unfreundlichkeit kam ihm noch nie entgegen soweit ich das mitgekriegt habe.
Seine Einkäufe erledigt er oft in den selben Läden, dadurch kennen ihn die Verkäufer und sie haben auch keine Probleme mehr ihn zu verstehen. Man kann sagen, dass die meisten ihn recht lieb gewonnen haben, weil sie merkten was für ein lieber und netter Kerl er ist.

Ich gehe auch davon aus, dass du von den meisten nicht als Behinderter erkannt wirst. Ich habe noch nie erlebt, dass ein offenstichtlich Behinderter wegen seiner Behinderung aus einem Geschäft oder einem Lokal geworfen wurde.

Wie verhälst du dich wenn dich jemand rausschmeissen will?

Hallo,

Ich gehe auch davon aus, dass du von den meisten nicht als
Behinderter erkannt wirst.

Nehme ich auch an.

Ich habe noch nie erlebt, dass ein
offenstichtlich Behinderter wegen seiner Behinderung aus einem
Geschäft oder einem Lokal geworfen wurde.

Doch, das habe ich. Ist aber schon einige Jahre her. Ich war damals in einer Jugendgruppe, in der behinderte (geistig und körperlich) und nicht-behinderte Jugendliche zusammen waren. Für einen speziellen Abend hatten wir Tische in einem Lokal bestellt. Als wir hinkamen, wurde uns der Eintritt mit dem Hinweis verwehrt, dass die Rollstühle seinen Boden kaputtmachen würden und außerdem sei es doch für die anderen Gäste „unappetitlich“.
Zum Glück hat das der Wirt nebenan mitbekommen und kam sofort zu uns her und hat uns eingeladen, er habe Platz.
Wir hatten noch einen schönen Abend - aber so richtig toll war das Erlebnis nicht.
Allerdings glaube ich, dass so ein Erlebnis wirklich die Ausnahme ist.

Gruß
Elke

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hallo hermann :smile:

ich wünschte, ich hätte bei den gängen zu den ämtern und behörden, auch einen betreuer an meiner seite
obwohl so ein elektrorollstuhl würde als hinweis ja auch schon genügen
glaube mir, ich spreche aus gelangweilter erfahrung. die leute sind wegen dir freundlich. das du bei irgendwelchen unklarheiten angeschaut wirst, bestätigt meine aussage.
seine einkäufe kann er ohne rauswurf nur deshalb selbst erledigen, weil der verkäufer ihn kennt, und weil er im rolli sitzt
die wenigsten erkennen meine behinderung
ich habe meinen ba um den hals gehänkt, damit mein problem schneller erkannt wird.

tach elke,

stimmt, kaum einer interessiert sich für den behinderten menschen in mir, sondern man sieht in mir den potentiellen randalemacher.
genau, scheinbar bin ich kein offensichtlich behinderter (wie sieht der eigentlich aus?)

diskriminierung von behinderten, wegen unapetitlichem erscheinen ist noch ein anderes thema.

thorsten

hallo meyerbaer,

ein umzug kommt zunächst nicht infrage

thorsten,

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Hallo Thorsten,

ich denke schon den ganzen Tag über Deinen Artikel nach und weißt Du, was mir aufgefallen ist?
Ich habe in der Schule gefühlte 276481 Mal gelernt, dass man zu Drogen nein sagen soll , kann mich erinnern, dass mal eine Diakonisse (vielleicht war es auch Nonne) vorbeischaute, wir mussten einen Bäcker besuchen, eine Kläranlage und weiß der Himmel was noch alles, aber kein einziges Mal in 13 Jahren öffentlicher Beschulung hat mir einer beigebracht, wie man am Besten behinderten Mitbürgern (denen man ja doch sehr oft über den Weg läuft) im Bedarfsfall am Besten hilft. Wir haben nie eine Behinderteneinrichtung besucht oder sonst irgendwas. Das ist doch bescheuert! Weder kann ich mich erinnern, dass mir jemals dunkle Gestalten verdächtiges Löschpapier angeboten hätten und dazu gesagt hätten, wenn ich das nicht nehme wäre ich nicht cool, noch hat die Kläranlage in meinem Leben irgendeine größere Bedeutung, aber Behinderte treffe ich oft und habe keine Ahnung, wie man Blinden an einem ihnen fremden Bahnhof am günstigsten hilft oder einem Querschnittsgelähmten der am Bordstein mt dem Rollstuhl umgefallen ist wieder aufhilft. Das musste man mal ändern! Okay, klar, die Betroffenen sagen einem ja meistens sehr genau, was man machen kann/soll, aber trotzdem!
Das ist zwar keine Hilfe für Dich jetzt, ich wünsche Dir aber trotzdem, dass Du bessere Erfahrungen bald machst!

Viele Grüße

Ich
gehe und spreche wie ein Besoffener. Nahezu aus jedem Geschäft
werde ich rausgeschmissen. Da ich aber schon knapp 14 Jahre
eingeschränkt bin, habe ich mich an die abwertenden Kommentare
und verachtenden Blicke meiner Mitmenschen gewöhnt.
Über etwas Solidarität währe ich nicht verärgert (!).

Hallo,

ich glaube sofort, dass ein Behinderter in unserer Gesellschaft es nicht unbedingt leicht hat.

Aber ein bisschen (!) muss man sich vielleicht auch in die Lage der Leute versetzen. Wie sollen die denn jetzt einen Betrunkenen von einem Behinderten unterscheiden, wenn sich beide gleich verhalten?

In meiner Familie ist ein schwerbehindertes Mitglied, wir haben sehr wohl mit der Schule Behinderteneinrichtungen besucht usw. (vergl. zum Vorposter). Generell finde ich schon, dass sich die meisten Leute um einen guten Umgang mit Behinderungen aller Art bemühen. Aber es ist gar nicht so leicht. Mir geht es immer wieder so, dass ich unsicher bin, welches Verhalten „gewünscht“ ist. Und manche Dinge können Aussenstehende einfach nicht riechen. Ich bin überzeugt, dass es zum allergrößten Teil kein böser Wille von den Leuten ist. Sie sind genervt von Betrunkenen - nicht von Dir persönlich.

Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass Angestellte der Geschäfte, die Dich rausgeworfen haben, sehr sehr peinlich berührt wären, wenn man sie mal aufklärt. Und sie würden bei einer weiteren Begegnung mit Dir oder einer Person mit ähnlicher Behinderung ganz anders reagieren.

Aber wenn sie es nicht besser wissen?

VG
Monroe

genau, scheinbar bin ich kein offensichtlich behinderter (wie
sieht der eigentlich aus?)

Hi, Torsten,
es liegt einfach daran, dass Du oberflächlich betrachtet (und fast alle Menschen betrachten ihre Mitmenschen nur oberflächlich) eben nicht wie ein „Behinderter“ aussiehst. Sondern wie Du es beschrieben hast eben wie jemand, der sich freiwillg in eine Behinderung seiner Bewegungs- und Sprechfähigkeit begeben hat, was ja leider oft genug vorkommt.

Säßest Du in einem Rollstuhl, müsstest Du einen Blindenstock verwenden, wäre die Behinderung klar erkennbar und nach meinen Erfahrungen geht die Mehrheit der Leute mit solchen Menschen doch recht freundlich um.

So auf die Schnelle fällt mir auch keine andere Strategie auf als die, mit der Du Dein Handicap sichtbar machst - durch offenes Tragen des BA. Vielleicht solltest Du außedem noch besonderen Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen - Kleidung, Haartracht Bart etc. Das würde Dich von dem besoffenen Pack besser unterscheidbar machen.

Gruß
Eckard

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hallo isa

keine ahnung … schädelhirntrauma habe ich.
es ist nicht die unkenntnis, die ich kritisiere, sondern die vorschnelle verurteilung meiner mißtrauischen mitmitmenschen.

genau, und die die reportage gelesen haben, machen nun eine gasse, wenn sie mich sehen, und rufen mir ncht säufer hinterher, wie sonst.

ich schreibe per e-mail sämtliche institutionen an, wie jetzt, und wenn du mir die daumen drückst, sitze ich demnächst beim jauch auf dem sofa
mein ba hängt jetzt an einer schnur um meinen hals.
nicht sorry, war doch eine gute wortmeldung.

gruß

thorsten