Hallo Monroe,
Aber ein bisschen (!) muss man sich vielleicht auch in die
Lage der Leute versetzen. Wie sollen die denn jetzt einen
Betrunkenen von einem Behinderten unterscheiden, wenn sich
beide gleich verhalten?
Wenn man einen Augenblick innehält, dann kann man das sehr wohl unterscheiden. Diese vermeintlich Betrunkenen gibt es ja aus verschiedenen Ursachen. Ganz kritisch ist das bei Diabetikern, wenn die in der Unterzuckerung sind. Da ist es zugegeben nicht mehr leicht, dass als Laie zu unterscheiden. Ich empfehle, sich mal das hier durchzulesen und im Hinterkopf zu behalten. Und das nächste Mal, wenn man jemanden am Boden liegen sieht, im Zweifel dann doch professionelle Hilfe zu holen.
http://www.medizinfo.de/diabetes/notfaelle/soforthil…
(Und jetzt soll jeder mal für sich entscheiden, ob er nicht schon Menschen mal irgendwo hat liegen sehen, die er für Betrunken gehalten hat, die aber genau diese Symptome hatten!)
Mir geht es immer wieder so, dass ich unsicher bin,
welches Verhalten „gewünscht“ ist. Und manche Dinge können
Aussenstehende einfach nicht riechen. Ich bin überzeugt, dass
es zum allergrößten Teil kein böser Wille von den Leuten ist.
Sie sind genervt von Betrunkenen - nicht von Dir persönlich.
Was mich dabei wirklich wundert: Kann man nicht einfach mal FRAGEN? Ich hatte über Jahre hinweg ein Handycap, war gewissermaßen „teilzeitbehindert“ (nicht bös gemeint - ich bin heil froh, dass bei mir medizinische Hilfe möglich war. Aber ich hatte 5 Jahre damit zu kämpfen.) Weil was mit den Beinen nicht in Ordnung war, war mein Gang auch ab und an schwankend. Es konnte sogar so schlimm werden, dass ich völlig aus dem Gleichgewicht gekommen bin.
Glaub mir - ich habe seit dem NULL Verständnis für Leute, die bei einer jungen Frau, morgens um 11 mit Kind an der Hand angewidert bis entrüstet gucken, weil sie Alkoholkonsum wähnen. Hinter dem Rücken hörbar „tuscheln“, besser: sich das Maul zerreißen. Und nein - nicht ein Mal. Hundertfach. Und ich kenne auch die Situation in der eigenen Hausbank! (da, wo ich bekannt war), wo ich eine minutenlange Szene erleben durfte, weil meine Unterschrift zittrig war (mir gings nicht gut, draußen war kalt, die Hände steif…) Wo mich der Schalterbeamte hat 3 Mal die Unterschrift wiederholen lassen. Wie bei einem Erstklässler. Und 20 umstehende Leute haben es mitbekommen. Und ja. Ich kann in Erinnerung an diese Zeit auch die Aggression verstehen, die hier in dem Ausgangsbeitrag drin steckt. (Zum Bankbeispiel muss ich fairerweise sagen, dass das Ganze ein deftiges Nachspiel für den Mitarbeiter hatte, weil die Vorgesetzten das Verhalten alles andere als lustig fanden.)
Aber wenn sie es nicht besser wissen?
Das ist keine Entschuldigung. Ich will ein anderes Beispiel geben - zum Thema Hilfsbereitschaft: Frau mit Krücken will aus dem Zug raus. Sie kommt eigentlich prima klar mit ihren 3 Beinen Nur blöderweise ist auf dem Bahnsteig Blitzeis (durch das nach Öffnen der Türen niederschlagende Kondenswasser Blitzeis vor der Zugtür). Die „rettende“ trockene Zone knapp 1 m weg. Wenn dann „Hilfsbereite“ im Überschwang einfach zu packen und jemanden ohne Vorbereitung oder Rückfrage einfach so schweben lassen, dann ist auch das nicht in Ordnung. Das löst - nicht unbegründet - Panik aus.
Man kann fragen! Unaufdringlich fragen. Wenn ich jemanden sehe, bei dem ich denke, dass er Hilfe gebrauchen könnte, gucke ich erst einen Moment, um abzuwägen. Im Zweifel ist es immer besser, denjenigen unverbindlich anzusprechen. Mit Zurückhaltung. Was ich damit meine: In Respekt zum Gegenüber auf ihn zu gehen. Aus der üblichen Distanz heraus, mit der ich auch andere Leute ansprechen würde, ansprechen. So, dass er mich kommen sieht. Nicht von halb hinten und dann kümmervoll direkt schon auf so eine Nähe gehen, wie man das sonst bei seinem Kind machen würde, was hingefallen ist. Und eben wichtig: Vorher fragen, bevor man anfängt, etwas zu tun! Alles andere ist entwürdigend.
Das zauberhafte an diesem Fragen ist nicht nur, dass man dem anderen damit Respekt erweist und ihm seine Würde lässt - sondern man erfährt dann gleich auch, nicht nur ob die Hilfe überhaupt gebraucht wird, sondern WAS gebraucht wird. Und damit gibt es keinen Grund für Unsicherheit. Und in meinen Augen auch keine Entschuldigung. Man braucht nicht zu wissen, wie man sich richtig verhält (so das Gegenüber bei Bewusstsein ist. Ist es das nicht, ist das eh Anlass, professionelle Hilfe zu holen.). Derjenige weiß, ob er was braucht und was. Behinderung heißt ja eben nicht geistig unzurechnungsfähig. Mit allem anderen nehme ich demjenigen seine Entscheidungsspielraum. Und dafür gibt es keine Entschuldigung.
Man hebt noch nicht einmal einen Kinderwagen hoch, ohne zumindest einen verständigenden Blickkontakt mit der Mutter, besser noch ein kurzes Wort.
Das Zauberwort heißt hier wirklich Respekt.
LG Petra