Das stimmt schon, aber es ist doch nicht müßig zu fragen, warum die großen politischen Morde derzeit im Westen von Islamisten und Rechtsradikalen begangen werden, und nicht -wie noch vor einigen Jahrzehnten- von Linksradikalen oder von Ethnoseparatisten (Basken, PKK, IRA).
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Ich glaube, mit dem Ansatz kommst Du nicht weiter. Wie gesagt: die EINE Ursache wirst Du nicht finden. Ich glaube vielmehr, daß man die Thematik aufteilen sollte: politische, religiös und gesellschaftlich motivierte Taten, wobei die Trennung zwischen politisch und gesellschaftlich schon nicht ganz trivial ist, was letztlich Mischformen bedingt.
Unter politisch versehe ich diejenigen, die versuchen die Landkarte zu ändern, während ich mit „gesellschaftlich“ meine, daß eine Änderung im Zusammenleben angestrebt wird - Wirtschafts-, Gesellschafts- oder Staatsform.
Die politischen folgen eigentlich einem einfachen Schema: es gibt eine Situation, die von einer Seite als unbefriedigend empfunden wird und jemanden, der die Sache in die Hand nimmt. Wobei wir da schon bei den Mischformen sind: die namhaften Terrororganisationen Mittel- und Südeuropas der 60er und 70er Jahre hatten ja einen starken Linksdrall.
Womit wir bei den gesellschaftlich motivierten Taten wären. Hier macht das gesellschaftliche Umfeld die Musik. Die Hochzeit der gesellschaftlich motivierten Taten fiel in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts - also in die Zeit, in der die Gesellschaft (und allen voran natürlich die erste Nachkriegsgeneration („68er“) nach den Kriegswirren und folgenden Aufbauarbeiten allmählich Zeit hatte, darüber nachzudenken, wo sie denn hinwollte und sie wollte natürlich nach links. „Natürlich“, weil das Böse zuvor von rechts gekommen war, weil althergebrachte, konservative Strukturen erstmals intensiv hinterfragt und letztlich aufgebrochen wurden und weil erstmals seit langem die jungen Menschen die Impulse gaben und die sind nun einmal tendenziell links („Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn.“ Oder anders: mit 20 ist man Idealist, mit 40 Realist.)
Für Deutschland, aber auch Großbritannien, die USA und andere Länder folgte Anfang der 80er wieder die Rückkehr in den bürgerlich-konservativen Bereich, u.a. bedingt dadurch, daß die 70er große Lohnzuwächse für die Arbeitnehmer brachten, starke Fortschritte beim Sozialstaat, was dann am Ende zu Finanzierungsschwierigkeiten führte und die Wähler dazu brachte, Parteien zu wählen, die mehr für wirtschaftlichen Sachverstand standen als für soziale Wohltaten. Ende der 90er schwang das Pendel dann den links-liberalen-ökologischen Bereich.
Vor ungefähr zehn Jahren ging es dann wieder in die andere Richtung. Will sagen: wir haben es also mit Wellenbewegungen zu tun, die im Wesentlichen auf mit gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zurückgehen. Gesellschaftlich auch in dem Sinne, daß um 2010 ein Großteil derjenigen verstorben war, die zu Zeiten des Krieges schon erwachsen waren, also die Generation um 1920-1930, d.h. die Menschen, die um 1995-2000 geboren wurden, haben sich nie mit Großeltern über den 2. Weltkrieg und die Folgen (inkl. flucht und Vertreibung) unterhalten können/müssen.
Gleichzeitig ist es interessant zu beobachten, wie sich bürgerlich-konservative Regierungen mit ultraliberalen Themen anfreunden - z.B. mit der Homo-Ehe, um mal ein Beispiel zu nennen. Die Grenzen zwischen links und rechts, liberal, sozialdemokratisch und Konservativen verschwimmen, auch weil - insbesondere in Deutschland, immer mehr Splitterparteien den großen Stimmen wegnehmen, was letztlich ein sich selbst verstärkender Prozeß ist.
Mitglieder der vorgenannten Generation, die dann wirtschaftlich abgehängt werden (meist ja aufgrund mangelnden Intellekts bzw. mangelnder Ausbildung), sind natürlich genau die richtige Kundschaft für AfD, Lega, Front National & Co. Und jedes der fraglichen Länder hat sein Einwandererproblem; Frankreich die West- und Nordafrikaner, Deutschland die Nordafrikaner und Osteuropäer, Italien Zuwanderer aus Bangladesch, Osteuropa und Nordafrika usw.
Diese Gemengelage trifft auf ein Biotop an unregulierten Social Media Networks und schon ist die Haßsuppe fertig. In Deutschland sind es die alten Skinheads, die die Lunte in Brand setzen, in Frankreich die Rechtsextremisten, die bei den Gelbwesten einsickern (wie ja auch die AfD anfänglich keine Nazi-Partei war) vielleicht die Zuwanderer selbst, die in den Vorstädten marodieren usw.
Kurz gesagt: hier trifft eine der üblichen, etwa jeweils zehn Jahre andauernden Wellen auf ein verändertes gesellschaftliches Umfeld (Generationswechsel). Gleichzeitig gibt es reichlich Zündfunken in Form von internen und externen Schocks, sprachlich mehr oder weniger gut versierten politischen Führern und einen gewissen, aber großen Teil der Gesellschaft, die bei immer komplexeren Zusammenhängen immer einfachere Antworten hören will und diese via Internet auf geliefert bekommt.
Die großen Gewaltwellen der 70er und 80er sind vergessen, die Erinnerung daran, was Haß, Rassismus & Co. für Folgen haben können, auch und einfache/vereinfachende Botschaften können zielsicher, breit und ohne Filter wie Medien gestreut werden.
Noch kürzer gesagt: vielleicht war die Zeit einfach mal wieder reif für eine solche Phase.
Ich will die dritte Gruppe nicht unterschlagen: die religiösen Morde. die gab es immer schon - von der Christenverfolgung über die Kreuzzüge bis hin zu den heutigen islamistischen Terroranschlägen. Wenn sich Religionen erstmals begegnen oder sich durch irgendetwas ihre Koexistenz aus dem Gleichgewicht gerät, scheint das eine fast logische Folge zu sein. Im Fall des Islam trifft eine (vermeintlich) eindeutige Handlungsempfehlung des Korans und eine entsprechende Auslegung durch Vordenker auf eine Gruppe von perspektivlosen, ungebildeten jungen Männern, die glauben, mit ihren glaubenswidrigen Anschläge gutes im Sinne ihrer Religion zu tun und erhoffen sich davon ewiges Seelenheil oder die große Sexparty in der Nachwelt. Auch dieses Phänomen wird natürlich durch das praktisch nicht kontrollierbare, praktisch leitungsungebundene und sehr flexible Medium Internet massiv unterstützt.
So, darüber ließe sich noch seitenweise referieren, aber für den Moment will ich hier mal aufhören. Das o.g. ist jetzt auch nicht als wissenschaftliche Ausarbeitung zu verstehen. Geht auch gar nicht vor dem Hintergrund der Komplexität des Themas und der Kürze des Textes.
Gruß
C.