H wie Hola.
Das Interessante ist: Sonst gackern Eltern bei jeder Gelegenheit - doch hier stimmen sie kritiklos zu, nur weil gewisse Leute LEDIGLICH Empfehlungen aussprechen.
Ich wurde auch nicht höher eingeschult, Hochbegabung (genauer gesagt: Höchstbegabung) war einfach kein Thema damals. Man fiel halt als extrem clever auf - das wars.
Heuer wird ein Gezeter zur Hochbegabung veranstaltet, darüber kann ich nur schmunzeln. Es handelt sich um eine verschwindende MINDERHEIT.
Doch hier wird diskutiert, als ob die Hälfte der Bälger neue Einsteins seien, als ob akuter Bedarf und akute Probleme in Sachen Hochbegabung im System bestünden - ein System, welches auf Grund seiner eklatanten Rückständigkeit nichtmal die Breitenbildung sicherstellt! Also bitte.
Am Ende geht es hier noch von den bekannten Konsorten los mit den Minderleistenden, hanebüchenden Debatten, es seien ach soviele Kinder in Deutschland unterfordert (obwohl die Zahlen eine wachsende - Verzeihung - Verblödung und geistige Verarmung belegen).
Was soll denn im Anschluß an so eine Hochstufungsaktion passieren? Weiterhin normale Schulen, wo die ganze Litanei von vorne losgeht und sich durch die charakterliche Reifung sogar noch verschärft? Wer kann sich eine Eliteschule leisten? Meine Mutter konnte/kann es nicht (und zu meiner Zeit gab es das heutige St. Afra noch nicht).
Zudem: Auch fixe Kinder müssen sozialisiert werden - hier bedarf es einfach nur einer Flexibilität bei den Lehrern. Die von mir gern erwähnte britische Langzeitstudie, die nach Jahrzehnten seit wenigen Jahren vorliegt, zeigt, daß elterliche Erziehung einen viel höheren Einfluß auf Intelligenzleistungen im kritischen Alter bis 7 Jahren hat, als bisher angenommen wurde. Ein sich abzeichnender logischer Schluß: Vielen minderleistenden Hochbegabten fehlt es schlicht an Erziehung, an Werten (die zudem nicht über die Intelligenz verarbeitet werden [können]!), an Arbeitsmoral, an Kollektivgeist - schlicht und ergreifend: an ausreichender Sozialisation.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Folgerichtig: Jedwede Hochstufung ist kritisch und tendentiell negativ zu bewerten, respektive sogar abzulehnen. Heute mehr, als jemals zuvor.
Die Schilderungen von Julia zeigen beeindruckend einen Lebensweg, der hätte vermieden werden können, wenn den Kindern einfach Zeit eingeräumt würde. Mir zeigt ihre Geschichte weiterhin eine sehr persönliche Sache: daß es nicht geschadet hat, die Realschule besucht zu haben. Obwohl „alle“ selbstverständlich mit dem Gym rechneten (die Reaktionen waren entsprechend; heute zeigt sich: Es war die bessere, die brillante Entscheidung).
Meines Erachtens hätte man sich gegen alle Meinungen entscheiden müssen, ODER gar explizit das Kind fragen sollen (!), um zumindest den Wohlfühlfaktor als Unbekannte eliminieren zu können.
Speziell das Berufen auf Psychologen ist eine fragwürdige Angelegenheit. Psychologie ist und bleibt eine Halbwissenschaft; nichts gegen Psychologen - doch bei allem und jedem ständig irgendwelche Psychoaspekte heranzuziehen ist eine Übertreibung und fast schon lächerlich anmutende Panik unserer Zeit.
Vor einigen Jahren gings auch noch ohne, die Ergebnisse waren nicht anders als heute. Psychologen werden ja regelrecht mißbraucht, denn ihrem Wort wird - Goethe hätte demgegenüber wieder ein Ding gucken lassen! - kritiklos Glauben geschenkt.
Empfehlung schön und gut - doch wo sind die eigenen Gedanken?
Und wenn die ganze Welt erzählt, so entscheide ICH mich, ICH muß Argumente, Standpunkte, Geisteshaltungen reflektieren, ICH muß Konsequenzen abschätzen, Entwicklungen vorhersehen bei meinem tun.
Und es obliegt MIR, für mich festzustellen, daß entweder ich mich irre, oder die Welt sich irrt.
Meiner Meinung nach haben sich Eltern nicht im geringsten brauchbare Gedanken gemacht, die ein Kind, welches keine sechs Lenze auf den Schultern trägt, in die zweite Klasse gehen lassen. Volle logische Zustimmung für den Standpunkt Julias.
Doch ein bißchen kann man es entschuldigen, indem man es auf den Zeitgeist dieser Tage schiebt, der die Schule nur noch als entweder ökonomische Instanz sieht, oder Schulzeit als Zeit der reinen Kenntnisanhäufung versteht. Daraus resultiert dann der Trugschluß, insbesondere in der Unterstufe müsse durchgestartet werden.
In einem anderen thread plädierte jemand für variable Schulabschlußzeiten durch ein System der hochintensiven Selektion (ich kommentierte nicht) - die blanke HORRORvorstellung: Von einem heutigen 14jährigen an der Ladentheke als Stift bedient werden! Pure Gefährdung der Allgemeinheit…
12 Jahre (bis zum Abitur) beziehungsweise 10 Jahre (bis zum Realschulabschluß) haben sich als ideale Zeitspannen herausgebildet, in denen auch der Charakter und der Erfahrungshorizont das nötige Niveau erreicht haben. Ähnlich sieht es mit der Schulzeit der Unterstufe aus.
Die Unterstufe (Grundschule) ist der wichtigste Abschnitt des schulischen Werdeganges: Grundlagen werden gelegt, lebenslang Brauchbares bekommt man in die Knochen getrieben. Ein Lernprozeß abseits der Stoffvermittlung vollzieht sich, welcher Zeit und ein stabiles, forderndes Umfeld benötigt. Alles andere (Mittelstufe, Oberstufe) baut darauf schlußendlich auf.
Was hat hier also Hochstufung überhaupt zu suchen?
Ein Kind könne angeblich Lesen, Schreiben und Rechnen?
Das will ich erstmal sehen. Auch hier gilt: Überflieger sind kein Argument, weil defacto nie im Regelfall vorhanden.
Lesen, Schreiben und Rechnen sind nicht gleich Lesen, Schreiben und Rechnen. Dazu gehört nicht nur die pure Beherrschung vom Prinzip her, sondern eine straffe, intensive Übung, die sich bis in die Mittelstufe hineinzieht (perfektionistische Leseleistungskontrollen gab es bei mir noch bis in die 7. oder 8. Klasse). Zu meiner Zeit wackelte noch die Heide, wenn auch von Jungs keine Schönschrift an den Tag gelegt wurde. Ich habe ein paar Leistungskontrollen manchmal mit Form 3 zurückbekommen und der Bemerkung, mich am Riemen zu reißen bei „DER“ Schrift - für besagtes Schriftbild würde man heute mit Einsern nur so überhäuft. Sauklauen bei den Kindern, soweit das Auge reicht.
Ähnliches beim Lesen. Was heute Lesen heißt, nenne ich Stottern wie in der Sonderschule (ebenso viele Erzieher hinter vorgehaltener Hand, vorallem, die, die schon zu Ostzeiten in der Hortbetreuung waren und das alte Niveau gewöhnt sind).
Wochenlang wird an einem Text gelesen und die Kinder zeigen nicht einen Ansatz von Gedächtnis- oder Konzentrationsleistung [Auswendigkennen des Textes], Interpunktion wird rigoros ignoriert, monotone Stimmlage beim Lesen, Verständnis für das Gelesene ist nicht vorhanden. Lautbildung ist mangelhaft, was sich umgekehrt auf die Orthographie niederschlägt (Schreiben nicht nach Regeln und Sprachgefühl, sondern nach Umgangston und Sprechgewohnheiten, welche natürlich durch Dialekte und Gossenjargon verfärbt ist).
Vor mir braucht sich also niemand mit solchen Sprüchen aufbauen. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Selbst wenn also besagtes Kind sichtlich nicht auf den Kopf gefallen ist, so kenne ich solche Bewertungen aus eigener Erfahrung. Topleute werden oft nach ganz eigenen Regel zu ihren Zensuren geleitet.
Wenn einer auffällig nach oben hin Platz hat, dann wird schonmal die Schraube enger gestellt. Ist er auch nur entfernt so gut, wie berichtet wird, versteht er das schon fast automatisch als Ansporn, besser zu werden - also bei der nächsten Arbeit alle Aufgaben richtig zu lösen. Sieht er das ganze als Ungerechtigkeit, hat er einfach nur eine Phase überproportionalen geistigen Schaffens, die auch ratzfatz zuende sein kann.
Auch gute Leute sind nicht vor Schinderei für gute Zensuren geschützt; und sollen ruhig lernen, entsprechend sorgsam zu arbeiten, um die Tendenz zur geniehaften Oberflächlichkeit in Grenzen zu halten.
Hätte er alles richtig gerechnet, hätte er auch seine 1 bekommen.
(Hätte der Hund nicht geschissen, hätte er den Hasen gekriegt!)
MfG