Beschlussfähigkeit BT, AfD

Hallo,

habe gerade bei Tagesschau gelesen, dass die böse AfD eine Abstimmung hat platzen lassen, weil die Beschlussfähigkeit >50% nicht gegeben war.

Heißt das, dass die normalerweise gar nicht geprüft wird?
Wenn ja, frage ich mich wieso es überhaupt eine Geschäftsordnung gibt.

Die GanzGroKo der etablierten Parteien gegen die AfD geht mir jetzt schon aus den Zeiger…

Gruß, Joshi

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kannte ch von uns früher (Fachschaft an der Uni) auch schon als Methode. Die waren aber rigoroser: Alte FS entlasten, dann Beschlussfähigkeit prüfen, war nicht gegeben, keine Fachschaft mehr im Amt…

Ich vermute, und das kann ich nachvollziehen, dass man erstmal die BF unterstellt. Sonst müsste man ja ständig zählen. Es könnte ja auch einer einfach rausgehen. Sobald aber einer fragt, wird gezählt. Und die haben es ausgenutzt…

Könnte man heute sicher anders lösen (Zutrittssysteme…) Aber wer will das.

Dirk_P

Servus

Hast du die Geschäftsordnung denn schon mal gelesen?

§ 45 Feststellung der Beschlußfähigkeit, Folgen der Beschlußunfähigkeit
(1) Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
(2) Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlußfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht oder wird die Beschlußfähigkeit vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen nach §51, im Laufe einer Kernzeit-Debatte im Verfahren nach §52 festzustellen. Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.

Lg,
Penegrin

Ich muss sagen, auch wenn ich kein AfD-Anhänger bin, finde ich es sehr in Ordnung, dass die Beschlussfähigkeit mal (wieder) überprüft wird. Ich kann mich dunkel erinnern, das gab’s schon mal vor ein paar Jahren, auch ohne AfD.

Wenn man mal ein Bild vom Bundestag sieht, wenn Beschlüsse gefasst werden, dann fragt man sich schon oft, wo unsere ganzen Abgeordneten sind, ob die Teilnahme an diesen Sitzungen nicht auch zu ihrer Arbeit gehören.

Beatrix

Die sind in den Fachausschüssen und machen dort die eigentliche Politik.

Das kann man sich schön auf Gemeindeebene mal anschauen. Der Stadt-/Gemeinderat hat eine elend lange Tagesordnung und trotzdem ist die Sitzung nach 20 Minuten und ohne große Redebeiträge zuende. Die Beschlüsse sind nämlich in den Fachausschüssen lange diskutiert und beraten worden, bis am Ende ein Beschlussvorschlag dabei herauskam.

Der wesentliche Unterschied ist, daß der Bundestag mehr Programm hat und sich deswegen Ausschuß- und Bundestagssitzungen zeitlich überschneiden. Aus diesem sind im BT regelmäßig nur die Granden der Parteien zu sehen, die sich wiederum gerne mal im Fernsehen sehen. Für die Ausschußarbeit sind deswegen i.W. die Hinterbänkler zuständig.

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Da mußte garnicht Jahre zurückgehen, das ist bei dem unsäglichen Netzdurchwirkungsgesetz auch passiert. Leider oder gar vorsätzlich? hat aber niemand VOR der Abstimmung die Beschlußfähigkeit bezweifelt. Und danach war´s für den Hammelsprung zu spät.
https://jura-medial.de/2017/07/netzdg-die-beschlussfaehigkeit-des-bundestags/ ramses90

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Nun ja, um die Einhaltung der Regeln geht es dabei der AfD nicht wirklich, sie hat vielmehr etwas niedrigere Beweggründe:

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland teilte dazu mit: „Der aktuelle Hammelsprung ist die Revanche für die Nichtwahl von Roman Reusch. So lassen wir uns nicht behandeln! Das ist erst der Anfang.“

Das kann man gut finden, muss man aber nicht.

:paw_prints:

Ergänzend dazu noch das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Danach „gilt der Bundestag ohne Rücksicht auf die Zahl seiner anwesenden Mitglieder als beschlußfähig, solange nicht seine Beschlußunfähigkeit in dem in jener Bestimmung vorgeschriebenen Verfahren festgestellt wird. Diese Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.“ (2 BvR
705/75)

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Danke für die Ergänzung.

Oder um Herrn Gauland weiter zu zitieren: „Wenn man Krieg will, kriegt man Krieg“
http://www.huffingtonpost.de/entry/das-ist-erst-der-anfang-afd-erzwingt-abbruch-der-bundestagssitzung_de_5a619978e4b01d91b254654e?ter&utm_hp_ref=de-homepage

Hallo,

es ist Usus, dass der BT nicht beschlussfähig ist und dennoch Entscheidungen gefällt werden. Dies entspringt einer inoffiziellen Vereinbarung der im BT vertretenen Parteien, nach denen man nur wenige Abgeordnete entsendet, die ca. den Parteienproporz abbilden. Somit ist gewährleistet, dass die Ausschussarbeit ausserhalb des Plenarsaals weitergehen kann.

Das klappt i.d.R. auch hervorragend.

Allerdings nur solange es keine Querschüsse gibt. Hier war es eben die AfD, die sich zurecht rächte, weil sie ja zuvor ebenfalls entgegen der üblichen Vorgehensweise „gedisst“ wurde.

Mit „Trickserei“ (vgl. SPON-Link) hat das nichts zu tun. Und auch keinesfalls eine Erfindung der AfD. Nur zwei Beispiele:

Gruß
vdmaster

Natürlich sind Spielereien mit der Geschäftsordnung gestattet. Ich erinnere mich an einen Fall, als viele Unionsabgeordnete abwesend waren und die SPD die Gelegenheit nutzte, um gemäß Art 43 GG Helmut Kohl herbeizuzitieren, der dann auch wutschnaubend anmarschiert kam. Aber das hat eben immer den Geschmack von Spielchen, weil man der Gegenseite in der Sache nicht beizukommen weiß…

Rache als legitimes politisches Instrument im 21. Jahrhundert? Kann man gut finden, muss man aber nicht.

:paw_prints:

Das ist richtig. Auf den Bundestag bezogen möchte sich die AfD jedoch auch an der Ausschussarbeit beteiligen. Sie hat bei der mir bekannten einzigen Wahl auch einen geeigneten Kandidaten aufgestellt. Diesen Kandidaten hat man jedoch entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten abgelehnt, so, wie es auch schon bei Glaser war, von dem man bis heute die nachweislich falsche Behauptung aufrechterhält, er spreche Muslimen die Religionsfreiheit ab.

Gerade wegen deines Einwurfs war die Entscheidung der AfD heute absolut berechtigt. No shoes, no shirt, no service. Anders ausgedrückt: Keine demokratische Teilhabe an den Ausschüssen, kein Durchwinken der Beschlüsse.

Stimmt. Er sprach ja nur von dem Islam.

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[Mod: Beleidigung ed.]
Glaser sagte: „Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und diese nicht respektiert. (…) Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.“

Das heißt, wer den Islam wörtlich nehme und unsere Gesellschaft in einen Gottestaat muslimischer Prägung umwandeln wolle, der könne sich für dieses Ansinnen nicht auf die Religionsfreiheit berufen. So, wie etwa ein Nationalsozialist sich auch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen könnte, wenn er sie dazu gebraucht, Meinungen zu äußern, die die Meinungsfreiheit abgeschafft sehen.

Glaser wollte damit erkennbar die Religionsfreiheit nicht für diejenigen absprechen, die diese für legitime Zwecke nutzen, siehe etwa die vielen Muslime, die eine säkulare Ordnung wollen (zB unter den türkischstämmigen Menschen, eine haben wir auch hier im Forum, die das klar so sieht, und die Atatürks Prägungen befürwortet). Diese können sich selbstverständlich für ihren persönlichen Glauben auf das GG berufen.

Wer tatsächlich der gegenteiligen Meinung Glasers ist, wer also die Religionsfreiheit als Schutzschild für Fundamentalisten sieht, der muss sich tatsächlich die Frage nach seiner Position zu unserem Grundgesetz gefallen lassen.

:smirk:

Glaser hat nichts von dem gesagt, sondern einfach mal pauschal eine Religion mit 1,8 Mrd. Anhängern mit Dreck beworfen. Die Rechnung hat ihm der BT ja nun serviert. Schön zu sehen, wie gut Demokratie funktionieren kann. :thumbsup:

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Doch. Es sei denn, man hat es nicht gelesen oder nicht verstanden.

Richtig, das habe ich am Wahlabend auch gedacht :thumbsup:. Auch an eurem übrigens :thumbsup::thumbsup:

Richtig. Deswegen musst du ja auch erklären, was Glaser eigentlich meinte. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, passiert das bei rechten Hetzern ziemlich oft. Die können sich offenbar nicht verständlich ausdrucken…

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Nein, normal nicht. Ich muss es jedoch manchen erklären. Nämlich denjenigen, die es

a) nicht verstanden haben oder
b) bewusst missverstehen wollen.

Diesen Leuten aber - das räume ich ein - erkläre ich es als w-w-w-Erklärbär :koala: immer gerne.