Hallo,
Nun hat sich aber in den mehreren tausend Jahren der Existenz
der Bibel der sog. gesunde Menschenverstand (von mir aus auch
der sog. Mutterwitz) mit Sicherheit mehrfach geändert, die
Bibel jedoch nicht oder nicht sehr.
Da ist eine Falschinterpretation der Bibel (oder von Teilen
derselben) doch programmiert.
Trotzdem bleibt jedem Menschen nichts anderes Übrig als seinen gesunden Menschenverstand einzusetzen. Nur in einem sehr kleinen Spektrum der Welt gibt es annähernde Eindeutigkeit.
… Der Schreiberling eines Werkes
kann sich durchaus bewusst so ausdrücken, dass nicht glasklar
wird, was er meint.
Das trifft IMO auch auf die Bibel zu, wobei möglicherweise
(aber nicht sicher) keine Absicht vorliegt.
Hier liegt natürlich wieder ein kleines sprachlogische Problem, wenn sich der Schreiberling „bewusst unklar“ ausdrückt, dann muss entweder Absicht vorliegen oder es gibt keine klarere Möglichkeit.
Das Problem ist, dass du die Bibel vielleicht vom Ergebnis her liest. Du siehst die Missbräuche biblischer Texte und erkennst, dass manche Texte der Bibel so scheinbar verschwurbelt geschrieben wurden, dass man zu hören meint, wie der Autor aus der Gruft ruft: „Missversteh ihn - missbrauch ihn!“ (ein prominentes Beispiel ist vielleicht die Offenbarung des Johannes).
Das liegt aber m. E. nicht in der Absicht des Autors - zumal es meistens ohnehin viele Autoren waren - sondern in der Entstehungsgeschichte der Texte und in der Unmöglichkeit, die in den Texten überlieferten Gotteserkenntnisse eindeutig auszusagen. Gott ist kein Naturwissenschaftliches Phänomen und lässt sich darum immer nur symbolisch und jeweils unvollständig umschreiben.
Was bei vielen religiösen Texten das wirkliche Problem ist,
ist dass es keine eindeutige Interpretation gibt. Religiöse
Sprache ist symbolische Sprache und die ist
Bedeutungsvielfältig. Was also eine richtige Interpretation
ist, ist weitgehend diskutabel.
Ok, aber findest du sowas nicht merkwürdig?
Nein.
Wie ich schon sagte, ist das notwendig.
Es liegt im Wesen des Glaubens begründet. Gott geht über unsere Wirklichkeit hinaus und lässt sich darum nur indirekt, symbolisch beschreiben. Der Glaube ist dabei vor allem auch ein emotionales Ereignis und das lässt sich auch nur annähernd und interpretationsoffen aussagen.
Für den Gläubigen wird es unnötig schwer gemacht; …
Unnötig?
Es gibt leider keine Formel zu Gott oder Instantglauben zum schnellaufbrühen. Das was über jahrtausende erprobt ist, steht in diesen sperrigen Texten.
Scheinbar einfachere Wege sind zwar modern und in den Esoterikecken der Buchhandlungen massenweise zu finden, ob sie zum wahren Glauben führen haben sie nicht bewiesen.
Vielleicht ist die Möglichkeit des Missbrauchs in religiösen Texten zwingend angelegt. Wenn Texte nicht geeignet sind Glauben zumindest zu fördern, dann sind sie wertlos. Die spirituelle Kraft kann man aber auch fehlleiten, das lässt sich nicht verhindern, denn Glauben ist nie objektiv.
Wer allerdings aus der Lehre Jesu irgendeinen Gewaltaufruf
herausinterpretiert, hat so offensichtlich nichts Verstanden,
dass sich eine Diskussion erübrigt.
Falls dieses „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker“
(oder sinngemäß) von Jesus stammt, dann halte ich diese
Aufforderung zumindest für grenzwertig …
Du nimmst hier eine vollkommen marginale Aussage und machst sie zum Hauptkritikpunkt? Glaubst du der „Missionsbefehl“ stellt den Kern christlicher Botschaft dar? Glaubst du eine folgenblinde rücksichtslose Missionierung entspricht der Botschaft Jesu?
Vieles was im Namen der Christi geschah und vieles was mit Bibelzitaten begründet wurde, war unchristlich. Wenn dies aus fehlgeleitetem uninformiertem Eifer geschah ist dies schlimm genug, wenn es vorgeschoben war um anderen Interessen zu dienen um so mehr. Auf jeden Fall diente es nicht dem Geist und dem Zweck der Bibel.
Da mag man im AT noch so viele blutrünstige Geschichte finden,
wer damit Gewalttaten legitimieren will, begeht eine
Fehlinterpretation.
Das mag so sein. Immerhin kann er aber mit dem Finger drauf
zeigen und sagen „Na bitte, die waren doch auch nicht besser“.
Eine Legitimation ist das natürlich nicht, klar.
Dass man die Texte missbrauchen kann, habe ich nicht in Abrede gestellt. Das ist aber nicht die Schuld der Autoren, sondern immer noch und immer wieder der Interpretatoren, denen es anscheinend an Wissen und gesundem Menschenverstand mangelt, wenn wir nicht sogar von bösen Absichten ausgehen müssen.
Gruß
Werner